TE Vwgh Erkenntnis 1997/3/25 96/05/0261

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Veröffentlicht am 25.03.1997
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82009 Bauordnung Wien;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO Wr §134 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1. der MW und 2. des HW in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 29. August 1996, Zl. MD-VfR - B XVIII - 19/96, betreffend Parteistellung in einem Baubewilligungsverfahren (mitbeteiligte Partei: N-Gesellschaft mbH, W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aufgrund eines Ansuchens vom 24. März 1992 bewilligte der Magistrat der Stadt Wien, MA 37, mit Bescheid vom 11. Februar 1994 der mitbeteiligten Partei als Bauwerberin die Errichtung einer Wohnhausanlage, bestehend aus zwei Wohnhäusern mit je sieben Wohnungen, mit einem Kellergeschoß, Erdgeschoß, erstem Stock und einem ausgebauten Dachgeschoß, auf dem Grundstück Nr. n1/3 der Liegenschaft EZ n1, KG X, unter Hinweis auf die mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Pläne, wobei die Schmutzwässer in eine Senkgrube eingeleitet werden. Vom vorbezeichneten 2.468 m2 großen Grundstück sollen plangemäß 821 m2 bebaut werden. Im Norden grenzt an dieses Grundstück die öffentliche Verkehrsfläche L-Gasse.

Die Beschwerdeführer sind Miteigentümer des Grundstückes Nr. n2/28 der Liegenschaft EZ n2, KG X, welches schräg gegen Nordwesten versetzt an der L-Gasse dem vorbezeichneten Grundstück Nr. n1/3 gegenüberliegt. Die geringste Entfernung beider Grundstücke (nordwestlichster Punkt des Grundstückes Nr. n1/4 und südöstlichster Punkt des Grundstückes Nr. n2/28) beträgt rund 14 m.

Die Beschwerdeführer sind dem der Baubewilligung vorangegangenen Verfahren nicht beigezogen worden. Der Baubewilligungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom 11. Februar 1994 wurde den Beschwerdeführern nicht zugestellt.

Mit Eingabe vom 14. Juli 1995 beantragten die Beschwerdeführer die bescheidmäßige Feststellung ihrer Parteistellung und die Zustellung des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom 11. Februar 1994. Der geplante Bau und dessen Widmung verletze sie in ihren "in § 134a BO für Wien festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten, insbesondere auf Einhaltung der Gebäudehöhe, der flächenmäßigen Ausnützbarkeit von Bauplätzen, Baulosen und Kleingärten, des Bebauungsplanes hinsichtlich der Fluchtlinien und der Bestimmungen, die Schutz vor Immissionen dienen". Ihre Liegenschaft sei nur durch eine weniger als 20 m breite öffentliche Verkehrsfläche von der vom Bauvorhaben betroffenen Liegenschaft getrennt und liege dieser gegenüber.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom 29. April 1996 wurde unter Spruchpunkt I. festgestellt, daß den Beschwerdeführern gemäß § 134 Abs. 3 der Bauordnung für Wien in Verbindung mit § 8 AVG im Baubewilligungsverfahren betreffend die Liegenschaft Wien XVIII, L-Gasse 81, Parteistellung nicht zukomme, und unter Spruchpunkt II. der Antrag auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides mangels Parteistellung zurückgewiesen. In der Begründung führte die Baubehörde erster Instanz hiezu aus, gemäß § 134 Abs. 3 der Bauordnung für Wien seien im Baubewilligungsverfahren außer dem Antragsteller die Eigentümer benachbarter Liegenschaften dann Parteien, wenn ihre im § 134a leg. cit. erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berührt würden. Benachbarte Liegenschaften seien im Bauland jene, die mit der vom Bauvorhaben betroffenen Liegenschaft eine gemeinsame Grenze hätten und im Fall der Trennung durch eine höchstens 20 m breite öffentliche Verkehrsfläche von dieser Liegenschaft getrennt seien und der zu bebauenden Liegenschaft gegenüberlägen. Die den Antragstellern gehörige Liegenschaft Gst.Nr. n2/28 sei zwar gegenüberliegend, aber um ca. 10 m abgerückt, sodaß die Voraussetzungen des Gesetzes nicht zuträfen.

In der dagegen erhobenen Berufung wendeten die Beschwerdeführer - unter Berufung auf § 134a der Bauordnung für Wien - ein, es stünden ihnen subjektive öffentliche Rechte auf Einhaltung der Gebäudehöhe sowie der Bestimmungen, die dem Schutz vor Immissionen dienten, zu. Die Liegenschaft der Beschwerdeführer läge einerseits auf gleichem Niveau wie die zu bebauende Liegenschaft und es sei daher eine Beeinträchtigung durch die Gebäudehöhe jedenfalls möglich. Weiters sei eine Beeinträchtigung durch von der zu bebauenden Liegenschaft ausgehenden Immissionen möglich, da direkt an der L-Gasse sowohl ein Müllplatz als auch eine Schmutzwasserpumpstation und auch eine Senkgrube geplant seien. Die mögliche Beeinträchtigung durch Immissionen werde durch die bescheiderlassende Behörde mit keinem Wort erwähnt.

Mit Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 29. Oktober 1996 wurde der Berufung der Beschwerdeführer keine Folge gegeben. Im Hinblick auf die Einbringung des Bauansuchens am 24. März 1992 ergebe sich zwingend, daß die Bauordnung für Wien in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 34/1992 auf den gegenständlichen Beschwerdefall anzuwenden sei. Der Verweis auf § 134a der Bauordnung für Wien sei daher zu Unrecht erfolgt. Für die Beschwerdeführer sei jedoch daraus nichts zu gewinnen. Dem einen Bestandteil des angefochtenen Bescheides bildenden Lageplan sei nämlich zu entnehmen, daß das Grundstück der Beschwerdeführer dem zu bebauenden Grundstück nicht gegenüberliege. Die Beschwerdeführer hätten weder in ihrem Antrag noch in ihrer Berufung dargetan, worin sie eine Beeinträchtigung ihrer nach dem Gesetz zustehenden subjektiv-öffentlichen Rechte erkennen. Lediglich allgemeine Behauptungen über Immissionen könnten nicht als Aufzeigen der konkreten Möglichkeit der Belästigung angesehen werden. Insbesondere sei die Situierung des Müllplatzes keine Angelegenheit der Bauordnung. Die Senkgrube sei zumindest 4 m von der Grundgrenze entfernt. Da die Nachbarn keine gemeinsame Grundgrenze mit dem verfahrensgegenständlichen Grundstück hätten, sei auch ihre Einwendung bezüglich der Senkgrube nicht durch das Gesetz gedeckt. Eine Schmutzwasserpumpstation werde laut planlicher Darstellung nicht errichtet. Die Behörde erster Instanz habe daher aufgrund ihres Fachwissens davon ausgehen können, daß für die Liegenschaft der Beschwerdeführer, die laut Plan entgegen der Behauptung der Beschwerdeführer nicht gegenüberliege, sondern zumindestens 10 m abgesetzt sei, keine unzulässigen Immissionen entstehen könnten.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Zuerkennung der Parteistellung im hier gegenständlichen Baubewilligungsverfahren und im Recht auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides verletzt. Hiezu führen die Beschwerdeführer im wesentlichen aus, sowohl in ihrem Antrag als auch in der Berufung hätten sie auf die Möglichkeit einer Beeinträchtigung durch das bewilligte Bauvorhaben hingewiesen. Warum eine Beeinträchtigung durch eine Senkgrube sowie den Müllplatz, welche entgegen den Feststellungen der belangten Behörde höchstens 15 m von der Liegenschaft der Beschwerdeführer entfernt situiert seien, nicht möglich sein soll, könne nicht nachvollzogen werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ist die Parteistellung einer Person in einem Verfahren strittig, so ist hierüber förmlich durch Feststellungsbescheid zu entscheiden. Das Tatbestandsmerkmal der Parteistellung bestimmt sich hiebei nach dem normativen Gehalt der in der Rechtssache anzuwendenden Vorschriften. Hiefür kommen in der Hauptsache Normen des materiellen Verwaltungsrechtes, aber auch Vorschriften des speziellen Verfahrensrechtes in Betracht (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 1996, Zl. 96/05/0003). Im Hinblick auf den Zeitpunkt des von der mitbeteiligten Partei bei der Baubehörde erster Instanz gestellten Baubewilligungsansuchens ist im Beschwerdefall bezüglich der Frage der Parteistellung der Beschwerdeführer § 134 der Wiener Bauordnung in der Fassung vor der Bauordnungsnovelle 1992, LGBl. Nr. 34 (BO), anzuwenden.

Gemäß § 134 Abs. 3 BO sind die Eigentümer (Miteigentümer) der benachbarten Liegenschaften dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre in diesem Gesetz festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berühren. Solche Rechte werden durch jene Bestimmungen begründet, die dem Schutz der Nachbarn dienen; hiezu zählen jedenfalls alle Bestimmungen des Bebauungsplanes für die Bebauung der Liegenschaft sowie alle jene Bestimmungen, die Rechte zum Schutz vor Gefahren und Belästigungen, die sich auf die Nachbargrundstücke erstrecken können, zum Inhalt haben.

Nachbarn sind demnach die Eigentümer jener Liegenschaften, die zu der zur Verbauung vorgesehenen Liegenschaft in einem solchen räumlichen Naheverhältnis stehen, daß durch den Bestand oder die konsensgemäße Benützung des geplanten Bauwerkes mit Einwirkungen auf diese Liegenschaften zu rechnen ist, zu deren Abwehr die Bauordnung eine Handhabe bietet. Eine gemeinsame Grundgrenze ist für die Qualifikation einer Liegenschaft als benachbart weder ausreichend noch erforderlich. Maßgeblich für die Eigenschaft einer Liegenschaft als benachbart ist auch nicht, ob nachteilige Einwirkungen auf eine andere Liegenschaft tatsächlich eintreten, sondern ob mit ihnen gerechnet werden muß. Bedeutungslos ist die Lage der Baulichkeiten auf dieser Liegenschaft, weil auch der Eigentümer einer unbebauten Liegenschaft gegen das Bauvorhaben Einwendungen erheben kann, wenn durch dieselbe seine in der Bauordnung begründeten subjektiven-öffentlichen Rechte verletzt werden. Wer als Inhaber einer benachbarten Liegenschaft Parteistellung im Baubewilligungsverfahren genießt, bestimmt sich jeweils nach der Art der Bauführung (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 8. März 1955, Slg. Nr. 3.674/A). § 134 Abs. 3 BO läßt klar erkennen, daß auch die Eigentümer einer Liegenschaft, welche durch eine Verkehrsfläche von dem zu bebauenden Bauplatz getrennt ist, regelmäßig Parteien des baubehördlichen Bewilligungsverfahrens sind. Nur dann, wenn der geplante Bau und dessen Widmung gar nicht geeignet ist, ihre subjektiv-öffentlichen Rechte zu berühren, ist die Parteistellung solcher Nachbarn zu verneinen. Die Möglichkeit der Beeinträchtigung der Rechtssphäre durch Immissionen räumt die Parteistellung als Nachbar im Baubewilligungsverfahren ein, mag auch dann das tatsächlich durchgeführte Ermittlungsverfahren ergeben, daß subjektiv-öffentliche Nachbarrechte nicht verletzt werden (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1990, Zl. 89/05/0240).

Die belangte Behörde hat sich zwar im angefochtenen Bescheid auf die Bestimmung des § 134 Abs. 3 BO in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 34/1992 berufen, jedoch entgegen der dargestellten Sach- und Rechtslage ausgeführt, die Beschwerdeführer hätten sowohl in ihrem Antrag als auch in ihrer Berufung "lediglich allgemeine Behauptungen über Immissionen" vorgebracht, eine konkrete Möglichkeit der Belästigung jedoch nicht aufgezeigt. Für die Annahme einer Parteistellung eines Nachbarn im Sinne des § 134 Abs. 3 BO kommt es jedoch nicht darauf an, ob dieser eine konkrete Möglichkeit der Belästigung aufzeigt, vielmehr hat die Behörde - falls die Parteistellung strittig ist - allenfalls nach entsprechenden fachkundigen Erhebungen festzustellen, ob eine Beeinträchtigung des Nachbarn durch das zu beurteilende Bauvorhaben im Sinne der oben dargestellten hg. Rechtsprechung möglich ist. Ob eine festgestellte Beeinträchtigung im Sinne der baurechtlichen Vorschriften zulässig ist, betrifft nicht die Frage der Parteistellung des Nachbarn; dies ist vielmehr im Baubewilligungsverfahren zu klären. Im Hinblick auf die dem Baubewilligungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom 11. Februar 1994 zugrundeliegenden Einreichpläne, welche eine geringste Entfernung von 14 m ausweisen, sowie mit Rücksicht auf die Größenordnung des Bauvorhabens vermag der Verwaltungsgerichtshof aufgrund des ihm aus dem Verwaltungsakt bekannten Sachverhaltes nicht von vornherein auszuschließen, daß die Beschwerdeführer durch den bewilligten Bau im Sinne des § 134 Abs. 3 BO berührt sein können.

Aus diesen Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996050261.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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