Entscheidungsdatum
06.04.2021Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VStG §44aText
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Frank über die Beschwerde der Frau A. B. gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 24.02.2021, GZ: …, betreffend Verwaltungsübertretungen nach der 4. COVID-19-SchuMaV iVm dem EpiG, zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die Beschwerdeführerin keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Mit dem Straferkenntnis war der Beschwerdeführerin indirekt zur Last gelegt worden, trotz der verordneten Verpflichtung keine den Mund- und Nasenbereich abdeckende mechanische Schutzvorrichtung getragen zu haben.
Die Beschwerde stützt sich darauf, durch ein ärztliches Attest von der verordneten Pflicht befreit gewesen zu sein, letztlich warum auch immer, ihr nicht ein ausreichender Tatvorwurf gemacht wurde, ja auch nicht gemacht werden konnte, weil nicht einmal die belangte Behörde diesen Vorwurf erhebt oder erheben wollte.
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Die MaßnahmenVO und ihre Vorgänger- sowie NachfolgeVO wie auch das grundlegende COVID-19 Maßnahmengesetz sehen in ihren unterschiedlichen, nahezu bloß momentan geltenden Fassungen, einmal tritt eine solche zum selben Zeitpunkt in und außer Kraft, zeitlich, örtlich und wesensmäßig verschieden Schutzvorkehrungen vor. Eine Übertretung einer dieser Verordnungen sollte der Beschwerdeführerin hier angelastet werden. Dies blieb erfolglos.
Die Beschuldigte hat ein Recht darauf, dass im Spruch die richtige und nur die richtige verletzte Verwaltungsvorschrift aufscheint; gleiches gilt für die Anführung der Strafnorm nach § 44a Z 3 VStG. Die Anführung von unrichtigen Bestimmungen im Sinne des § 44a Z 2 und 3 VStG stellt daher eine offenkundige Verletzung des Gesetzes zum Nachteil der Bestraften dar (VwGH 15.10.2013, 2010/02/0161).
Einer Beschuldigten kommt weiters das subjektive Recht zu, dass ihr die durch die Tat verletzte Verwaltungsvorschrift richtig und vollständig vorgehalten wird, wobei die von der Beschuldigten begangene Tat bestimmt umschrieben werden muss (VwGH 15.10.2009, 2008/09/0009).
Dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses ist zwar eine wörtliche Umschreibung eines Fehlverhaltens zu entnehmen, unterblieben ist jedoch die Nennung der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung –Maßnahmen- oder LockerungsVO für die verletzte Rechtsvorschrift; auch das hier unmittelbar bezogene Sicherheitspolizeigesetz wird nur i.d.g.F. zitiert. Damit entspricht er nicht den in § 44a VStG normierten Voraussetzungen und belastet somit das Straferkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 31 Abs 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine taugliche Verfolgungshandlung gesetzt wurde.
Gemäß § 32 Abs 2 ist eine Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung. Die Verfolgungshandlung muss den Tatvorwurf in zeitlicher und räumlicher Hinsicht konkretisieren, wobei entscheidend ist, dass der Beschuldigte dadurch in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten und sich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens noch einmal zur Verantwortung gezogen zu werden (MwN: Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG (Manz 2013), § 32, Rz 18).
Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass im Verwaltungsstrafverfahren innerhalb der Frist des § 31 Abs 1 VStG Verfolgungshandlungen gesetzt wurden, welche dieselbe Tatumschreibung und denselben Vorwurf einer Verletzung enthielten wie das später ergangene Straferkenntnis und daher nicht geeignet waren, die Verfolgungsverjährungsfrist zu unterbrechen.
Die Art eines Mundnasenschutzes und dafür zu erteilende ärztliche Befreiungen oder das gänzliche Weglassen eines solchen waren in vielfach unterschiedlichen, vielfach behobenen Verordnungen verankert, sodass der Vorwurf der verletzten Rechtsvorschrift für eine taugliche Verfolgungshandlung unter Anführung der je geltenden Fassung nicht als Formalvorschrift zu beurteilen ist. Die Nennung der jeweiligen Fassung einer Rechtsnorm ist notwendig, um der Beschwerdeführerin ihr Verhalten rechtskonform vorzuhalten und diesen dann wiederum auch in die Lage zu versetzen, sich geeigneter Mitteln zu seiner Entlastung zu bedienen.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Straferkenntnis; Spruch; TatanlastungAnmerkung
VwGH v. 10.9.2021, Ra 2021/09/0148; AufhebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.001.048.3744.2021Zuletzt aktualisiert am
07.10.2021