TE Lvwg Erkenntnis 2021/5/12 LVwG 41.6-385/2021

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.05.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

12.05.2021

Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

EpidemieG 1950 (EpiG) §7
AVG §57

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch den Richter HR Dr. Michael Herrmann über die Beschwerde der Frau A B, geb. ****, vertreten durch Dr. C D, Rechtsanwalt, Hstraße, K, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag vom 28.12.2020, GZ: BHBM-306261/2020-5,

z u R e c h t e r k a n n t:

I.     Gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) wird der Beschwerde

s t a t t g e g e b e n

und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

II.    Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz
(im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

                                                                     

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit dem im Spruch genannten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag vom 28.12.2020, GZ: BHBM-306261/2020-5, wurde gemäß § 57 AVG 1991 die von Frau A B, vertreten durch RA Dr. C D, eingebrachte Vorstellung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag vom 11.12.2020, GZ: BHBM-306261/2020-1, abgeändert durch den Bescheid vom 14.12.2020, GZ: BHBM-306261/2020-3, als unzulässig zurückgewiesen.

Gemäß der Begründung obigen Bescheides richte sich die gegenständlich eingebrachte Vorstellung nicht gegen einen aufrechten Absonderungsbescheid, sondern gegen einen Absonderungsbescheid, der rechtlich nicht mehr existent sei, da dieser bereits mit Ablauf des 15.12.2020 außer Kraft getreten sei. In der Vorstellung werde die Aufhebung des Bescheides beantragt, was alleine schon dadurch widersprüchlich und unschlüssig sei, als dass die Aufhebung eines nicht mehr aufrechten Bescheides beantragt werde. Durch die eingebrachte Vorstellung wolle somit erreicht werden, dass eine Absonderung, welche ab 16.12.2020 beendet gewesen wäre, nachträglich noch einmal beendet werde. Dies sei rechtlich weder möglich, noch entspreche dies dem Sinn und Zweck einer Vorstellung gegen einen Mandatsbescheid.

Gegen obigen Bescheid wurde fristgerecht mit Schreiben vom 27.01.2021 Beschwerde erhoben. Die Beschwerdeführerin verwies darauf, dass eine behördliche Maßnahme auch nach deren Ablauf einer Überprüfung zugänglich sein müsse, ob diese rechtmäßig erlassen worden sei oder nicht. Anderenfalls würde willkürlich im Vorgehen Tür und Tor geöffnet werden. In diesem Sinne gebe es auch die Maßnahmenbeschwerde gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, ob dem Zeitpunkt der Erhebung einer Maßnahmenbeschwerde in jedem Fall bereits abgeschlossen sei. Im vorliegenden Fall sei der staatliche Zwang durch einen Bescheid ergangen, sodass die Rechtsmittel gegen den Bescheid deshalb zulässig sein müssen, um überprüfen zu können, ob die mit Bescheid erlassene Maßnahme zulässig gewesen wäre oder nicht. Dass die Absonderung im konkreten Fall zulässig gewesen wäre, werde im vorliegenden Fall bestritten. Dies alleine schon deshalb, als sich die Notwendigkeit der Absonderung nur durch Tatsachen ergeben könne. Beispielsweise, dass sich eine Person mit einer hohen Wahrscheinlichkeit mit COVID-19-Virus infiziert habe. Diese Tatsachen wären aber in einem Sachverhalt festzustellen gewesen. Es gehe nicht an, dass die Behörde Bescheide, die unmittelbar in die persönliche Freiheit einer Person und damit in deren Grundrechte eingreife, ohne ein Ermittlungsverfahren erlasse, in dem ein Bescheidmuster lediglich durch Einfügen des Namens angepasst werde.

Tatsachenfeststellungen:

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag vom 11.12.2020, GZ: BHBM-306261/2020-1, wurde zur Verhütung der Weiterverbreitung von SARS-CoV-2 („2019 neuartiges Coronavirus“) die Absonderung von Frau A B, geb. am ****, mit Wirkung ab 10.12.2020 bis einschließlich 20.12.2020 angeordnet. „Sie dürfen daher den Aufenthaltsort Bgasse, L, oder, im Fall der Verlegung in eine Krankenanstalt, diese nicht verlassen und haben Kontakte zu anderen Personen zu vermeiden.“ Als Rechtsgrundlagen wurden die §§ 1, 5, 6, 7 und 17 des Epidemiegesetzes 1950, BGBl Nr. 186/1950 idF BGBl I Nr. 104/2020 und der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend anzeigepflichtige übertragbare Krankheiten 2020, BGBl II Nr. 15/2020 iVm §§ 1, 2 und 5 der Verordnung des Ministers des Inneren betreffend die Absonderung Kranker, Krankheitsverdächtiger oder Ansteckungsverdächtiger und die Bezeichnung von Häusern und Wohnungen, RGBl Nr. 39/1950 idF BGBl II Nr. 21/2020, und § 57 Abs 1 AVG 1991 genannt.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag vom 14.12.2020, GZ: BHBM-306261/2020-3, wurde der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag, GZ: BHBM-306261/2020-1, vom 11.12.2020, betreffend den Letztkontakt zu einer positiv getesteten Person gemäß § 68 Abs 2 AVG 1991 dahingehend abgeändert, dass die Absonderung bis einschließlich 15.12.2020 aufrecht bleibt.

Mit Schreiben vom 21.12.2020 wurde seitens des anwaltlichen Vertreters der Frau A B Vorstellung gegen die obgenannten Bescheide vom 11.12.2020 und vom 14.12.2020 erhoben. Darin wird wie folgt ausgeführt:

„Der Bescheid ist rechtswidrig. Er enthält tatsächlich keine Begründung. Diese beschränkt sich nämlich auf allgemeine medizinische Ausführungen, enthält aber keinen Sachverhalt, aufgrund dessen meine Mandantin abzusondern wäre. Mangels Sachverhalt wird auch kein Sachverhalt unter rechtlicher Vorschriften subsumiert, sondern ist die rechtliche Begründung eine allgemeine rechtliche Ausführung. Der Bescheid ist daher aufzuheben.“

Die belangte Behörde hat in weiterer Folge mit den nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 28.12.2020 gemäß § 57 AVG 1991 die von Frau A B eingebrachte Vorstellung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag vom 11.12.2020, GZ: BHBM-306261/2020-1, abgeändert durch Bescheid vom 14.12.2020, GZ: BHBM-306261/2020-3, als unzulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht mit Schreiben vom 27.01.2021 Beschwerde erhoben.

Um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die bereits genannte Begründung des angefochtenen Bescheides sowie das wesentliche Beschwerdevorbringen verwiesen.

Beweiswürdigung:

Obige Feststellungen konnten aufgrund des unbedenklichen Inhaltes des Aktes der Verwaltungsbehörde erster Instanz, in Zusammenschau mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin getroffen werden.

Rechtliche Erwägungen:

§ 57 AVG bestimmt:

(1) Wenn es sich um die Vorschreibung von Geldleistungen nach einem gesetzlich, statutarisch oder tarifmäßig feststehenden Maßstab oder bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, ist die Behörde berechtigt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen.

(2) Gegen einen nach Abs. 1 erlassenen Bescheid kann bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.

(3) Die Behörde hat binnen zwei Wochen nach Einlangen der Vorstellung das Ermittlungsverfahren einzuleiten, widrigenfalls der angefochtene Bescheid von Gesetzes wegen außer Kraft tritt. Auf Verlangen der Partei ist das Außerkrafttreten des Bescheides schriftlich zu bestätigen.

Mit Bescheid vom 28.12.2020, GZ: BHBM-306261/2020-5, wies die Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag die Vorstellung der nunmehrigen Beschwerdeführerin gegen den zuvor ergangenen Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag vom 11.12.2020, GZ: BHBM-306261/2020-1, abgeändert durch den Bescheid vom 14.12.2020, GZ: BHBM-306261/2020-3, gemäß § 57 AVG 1991 als unzulässig zurück. Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst und sinngemäß aus, dass es der Beschwerdeführerin dadurch, dass die Absonderung bereits abgelaufen sei, an einem Rechtschutzbedürfnis mangle.

Hiezu ist vorerst festzuhalten, dass nach herrschender Lehre und Judikatur (Hengstschläger/Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, AVG § 57, Rz 48 mwN) der Verwaltungsbehörde bei der Überprüfung von Mandatsbescheiden auch in jenen Fällen, in denen sich die Sachlage zwischenzeitlich entscheidungsrelevant geändert hat, eine Kontrollfunktion zukommt, die – anders als bei Ausübung einer reformatorischen Funktion – auf Grund der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Mandatsbescheides auszuüben ist.

Die im gegenständlichen Fall sinngemäß anzuwendende Judikatur des VwGH aber auch des Verwaltungsgerichtshofes betreffend Entziehung der Lenkberechtigung lautet wie folgt:

„Wird gegen einen Mandatsbescheid, mit dem die Entziehung der Lenkberechtigung verfügt wurde, Vorstellung erhoben, hat die belangte Behörde auch nach Ablauf der Entziehungszeit die Rechtmäßigkeit des von ihr erlassenen Mandatsbescheides zu überprüfen und darüber meritorisch abzusprechen (VwGH 19.05.1998, GZ: 98/11/0057).“

„Die Erstbehörde hatte daher über die Vorstellung meritorisch abzusprechen, auch wenn im Zeitpunkt des Vorstellungsbescheides die Lenkberechtigung bereits in Folge Fristablaufes erloschen gewesen wäre und zudem die im Mandatsbescheid gemäß § 73 Abs 2 KFG 1967 festgesetzte Zeit bereits abgelaufen war (VwGH 18.02.1997, GZ: 96/11/0234).“

Des Weiteren sei auf die Judikatur des Bundesverwaltungsgerichtes wegen Suspendierung vom Schulbesuch verwiesen.

„Es entspricht daher der Judikatur des Bundesverwaltungsgerichtes, dass die zuständige Schulbehörde diese Kontrollfunktion auch dann wahrzunehmen hat, wenn die mit Mandatsbescheid festgesetzte Zeit der Suspendierung eines Schülers bereits abgelaufen ist (BVwG 21.08.2014, W224 2010056-1/2E). Der Landesschulrat für Tirol nahm somit seine Kontrollfunktion als Vorstellungsbehörde zu Unrecht nicht wahr und wies folglich die Vorstellung auch zu Unrecht zurück, anstatt die Rechtmäßigkeit des von ihr erlassenen Mandatsbescheides zu überprüfen und darüber meritorisch abzusprechen (BVwG 29.03.2017, W129 2146578-1).

Ausgehend von der zitierten Rechtsprechung erweist sich der angefochtene Bescheid schon deshalb als inhaltlich rechtswidrig, als die belangte Behörde auch nach Ablauf der Absonderung die Rechtmäßigkeit des von ihr erlassenen Mandatsbescheides zu überprüfen und darüber meritorisch abzusprechen hat.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde im Zuge ihres Ermittlungsverfahrens somit zu prüfen haben, ob die Absonderung rechtmäßig war.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

COVID, Corona, Absonderung, Mandatsbescheid, Vorstellung, Absonderungszeitraum beendet, Zurückweisung der Vorstellung, meritorische Entscheidungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGST:2021:LVwG.41.6.385.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.06.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Steiermark LVwg Steiermark, http://www.lvwg-stmk.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten