TE Vfgh Erkenntnis 1995/6/16 B897/94

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Veröffentlicht am 16.06.1995
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Index

L3 Finanzrecht
L3703 Lustbarkeitsabgabe, Vergnügungssteuer

Norm

Wr VergnügungssteuerG 1987 §1 Abs1 Z10
FAG 1967 §14 Abs1 Z9 und Z10
FAG 1993 §14 Abs1 Z9 und Z10

Leitsatz

Keine Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes durch Vorschreibung von Lustbarkeitsabgabe für das Vermieten von Videofilmen gemäß dem Wr VergnügungssteuerG 1987; finanzausgleichsrechtliche Wertung der Videoabgabe als Lustbarkeitsabgabe; keine Einschränkung des einheitlichen Begriffes der Lustbarkeitsabgabe auf "veranstaltete" Vergnügungen durch den Finanzausgleichsgesetzgeber

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur weiteren Entscheidung abgetreten.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist ein Unternehmen, das den gewerbsmäßigen Verleih von Videofilmen in Wien betreibt. Der Magistrat der Stadt Wien schrieb ihr mit Bescheid vom 29. November 1993 unter Berufung auf Bestimmungen des (zuletzt durch die Novelle LGBl. 41/1992 geänderten) Vergnügungssteuergesetzes 1987 - VGSG, LGBl. f Wien 43, Vergnügungssteuer in betragsmäßig bestimmter Höhe für das Vermieten von Bild- und Programmträgern (Videoverleih) während des Zeitraums 1. Juni bis 31. Oktober 1993 sowie wegen nicht termingerechter voller Entrichtung der Vergnügungssteuer einen Säumniszuschlag vor. Unter einem wies der Magistrat den auf Vorschriften der Wiener AbgabenO gestützten Antrag der Beschwerdeführerin ab, ihr die für den Videoverleih in diesem Zeitraum entrichtete Vergnügungssteuer rückzuerstatten.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Berufung, welche die Abgabenberufungskommission der Stadt Wien jedoch mit Bescheid vom 11. März 1994 abwies. In der Begründung dieser Rechtsmittelentscheidung wies die Berufungsbehörde auf das Ergebnis einer Steuerprüfung hin, wonach die Beschwerdeführerin bei der Ermittlung der Vergnügungssteuer von einer unrichtigen Bemessungsgrundlage ausgegangen sei, und setzte sich mit weiteren Einzelfragen der Steuerbemessung auseinander. Eine stichhältige Begründung der (im Rechtsmittel behaupteten) Verfassungswidrigkeit der Besteuerung des Vermietens von Videofilmen sei die beschwerdeführende Gesellschaft schuldig geblieben.

2. Gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission richtet sich die vorliegende Beschwerde nach Art144 B-VG, in welcher die Beschwerdeführerin die Verfassungsmäßigkeit von Bestimmungen des VGSG unter finanzverfassungsrechtlichen Aspekten bezweifelt und die Bescheidaufhebung wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes sowie - hilfsweise - die Beschwerdeabtretung an den Verwaltungsgerichtshof begehrt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

II. Verfahrenshindernisse, welche der meritorischen Erledigung der Beschwerde entgegenstünden, sind nicht hervorgekommen. In der Sache erweist sich die Beschwerde jedoch als nicht gerechtfertigt.

1. Das gesamte Beschwerdevorbringen, bildet eine - zum weitaus überwiegenden Teil sogar wörtliche, jedoch überhaupt nicht als solche erklärte - Übernahme der Ausführungen von Duschanek, Videoabgabe verfassungswidrig?, Medien und Recht 1988, S. 68ff, in denen der Verfasser (abgesehen von einer Auseinandersetzung mit Rechtsfragen im Zusammenhang mit einer Aufzeichnungspflicht des Vermieters) primär die finanzausgleichsrechtliche Wertung der "Videoabgabe" als Lustbarkeitsabgabe als unzutreffend darstellt. Dieser im folgenden zu erörternden Auffassung vermag der Gerichtshof jedoch nicht beizupflichten, weshalb es sich - wie hier vorweg bemerkt sei - erübrigt, auf die daran anknüpfende Rechtsmeinung einzugehen, daß eine auf dem Abgabenerfindungsrecht der Länder beruhende, aber wegen der Gleichartigkeit mit der Umsatzsteuer als einer Bundesabgabe verfassungswidrige Landesabgabe vorliege.

2.a) §1 VGSG sieht in seinem Abs1 vor, daß "folgende im Gebiet der Stadt Wien veranstaltete Vergnügungen ... einer Steuer nach Maßgabe dieses Gesetzes" unterliegen, darunter gemäß Z10 das

"Vermieten von Programmträgern (zB Kassetten oder Disketten) für Videospiele, von Videofilmen sowie von Schmalfilmen oder auf sonstigen Bildträgern aufgezeichneten Filmen in einem in Wien liegenden Betrieb, ausgenommen die Vermietung an Unternehmer, die die Programmträger oder Filme zur vergnügungssteuerpflichtigen Verwendung mieten (§12)."

Die Beschwerde hält (Duschanek, aaO S 68 ff, nahezu vollständig folgend) die in der wiedergegebenen Vorschrift umschriebene Vergnügungssteuer auf das Vermieten bestimmter Bildträger, insbesondere von Videofilmen, (die künftig auch bloß "Videoabgabe" genannt wird) deshalb nicht für den in §14 Abs1 Z9 und 10 FAG 1993, BGBl. 30, genannten Lustbarkeitsabgaben zuordenbar, weil darunter - wie sie darlegt - nur "veranstaltete" (nämlich allgemein oder zumindest beschränkt öffentlich zugängliche) Vergnügungen fielen. Hiebei geht die Beschwerde davon aus, daß schon die FAG 1959, 1967, 1973, 1979 und 1989 vergleichbare Regelungen enthielten und die einschlägigen Landesgesetze seit jeher nur "veranstaltete Vergnügungen" (- in manchen Landesgesetzen sogar ausdrücklich so als Steuergegenstand bezeichnet -) erfaßt hätten. Einen anderen Steuergegenstand beträfen lediglich die in §14 Abs1 Z10 FAG 1993 angeführten zweckgewidmeten Abgaben für den Betrieb von Rundfunk- und Fernsehrundfunkempfangsanlagen; die erstmalige Einfügung dieses Steuergegenstandes in das FAG 1967, BGBl. 2, habe aber nur der verfassungsrechtlich einwandfreien Erhebung eines sogenannten Fernseh- bzw. Kulturschillings gedient; schon die alleinige Anführung nur in Z10 (und nicht auch in Z9) erweise den Sonderfallcharakter der Regelung. (Wie Duschanek, aaO S 68, ausführt ergebe sich dasselbe aus §20 Abs4 FAG 1967, mit dem eine rückwirkende Sanierung einschlägiger niederösterreichischer und Tiroler Landesgesetze vorgenommen werden sollte.) Es fehlten Anhaltspunkte für die Annahme, daß durch die Anführung in Z10 eine Klarstellung oder Erweiterung in Richtung eines extensiveren Anwendungsbereichs des Begriffes "Lustbarkeit" erfolgen sollte; auch lasse sich die Einstufung einer Rundfunkbewilligung als "veranstaltete Lustbarkeit" nicht auf die Geschäftsfälle des Videovermietens übertragen.

b) Der Verfassungsgerichtshof vermag diesen Bedenken - wie schon erwähnt wurde - nicht beizutreten.

Es ist davon auszugehen, daß dem in den jeweils aufeinanderfolgenden Ziffern der die "ausschließlichen Landes(Gemeinde)abgaben" aufzählenden Bestimmungen des jeweiligen FAG gebrauchten Ausdruck "Lustbarkeitsabgaben" stets derselbe Begriffsinhalt zukommt. Die in den jeweiligen aufeinanderfolgenden Ziffern enthaltenen Anordnungen sind nämlich gleichsam komplementär aufeinander angelegt; sie meinen ein und dieselbe Abgabenart und treffen eine Unterscheidung ausschließlich nach der Maßgabe, ob eine Zweckwidmung des Ertrages vorgenommen wird oder nicht (wobei im letzteren Fall eine ausschließliche Gemeindeabgabe vorliegt). So sah bereits das FAG 1950, BGBl. 36, in §9 Abs1 als ausschließliche Landes(Gemeinde)abgaben - nach diesem Kriterium unterscheidend -

"9. Lustbarkeitsabgaben (Vergnügungssteuern) ohne Zweckwidmung des Ertrages,

10. Lustbarkeitsabgaben für Kriegsopferzwecke,"

vor und es trafen sämtliche späteren Finanzausgleichsgesetze (1953, 1955, 1959, 1967, 1973, 1979, 1985 und das geltende FAG 1993)) grundsätzlich die gleiche Unterscheidung, und zwar so, daß in späteren Gesetzen (nämlich ab dem FAG 1967) weitere Zweckwidmungen erwähnt wurden.

Wenn im FAG 1967, BGBl. 2, in der Aufzählung des §14 Abs1 von

"9. Lustbarkeitsabgaben (Vergnügungssteuern) ohne Zweckwidmung des Ertrages,

10. Lustbarkeitsabgaben mit Zweckwidmung des Ertrages (zum Beispiel Abgaben für die Errichtung und den Betrieb von Rundfunk- und Fernsehrundfunkempfangsanlagen; Kriegsopferabgaben; Sportförderungsabgaben),"

die Rede ist, so wird nicht etwa der einheitliche Begriff der Lustbarkeitsabgabe geändert oder erweitert, sondern es werden - weiterhin vom bestehenden Begriffsbild der Lustbarkeitsabgabe ausgehend - besondere Zweckwidmungen durch die Anführung dafür charakteristischer Abgaben (zB Sportförderungsabgabe oder - in typischer Weise kulturellen Zwecken dienende - Abgaben für die Errichtung und den Betrieb von Rundfunk- und Fernsehrundfunkempfangsanlagen) herausgehoben. Gerade die Einfügung der zuletzt erwähnten Abgabe als Beispiel einer Lustbarkeitsabgabe erweist nun, daß der Finanzausgleichsgesetzgeber keineswegs vom - einschränkenden - Begriff einer "veranstalteten" Vergnügung ausging, denn es wäre sonst nahegelegen, die in Rede stehende Abgabe als eine solche eigener Art gesondert (unter einer eigenen Ziffer) in die Aufzählung der ausschließlichen Landes(Gemeinde)abgaben einzureihen. Das in diesem Zusammenhang von Duschanek (aaO S 68) ins Treffen geführte Argument, der Gesetzgeber habe im §20 Abs4 FAG 1967 eine rückwirkende Sanierung einschlägiger niederösterreichischer und Tiroler Landesgesetze vorgenommen, kann den Standpunkt der Beschwerde nicht stützen. §20 Abs4 FAG 1967 besagte, daß "die von den Bundesländern Niederösterreich und Tirol unter der Bezeichnung 'Fernsehschilling' beziehungsweise 'Kulturschilling' erhobenen Abgaben ... vom Zeitpunkt des Inkrafttretens der landesgesetzlichen Regelungen an Landesabgaben auch im Sinne des Finanzausgleichsgesetzes 1959" sind (- Hervorhebung nicht im Gesetzestext -), und sollte damit bloß eine Absicherung im Bereich des FAG 1959 herbeiführen; dieses sah nämlich nur Lustbarkeitsabgaben ohne Zweckwidmung des Ertrages und solche für Kriegsopferzwecke vor, nicht aber eine Lustbarkeitsabgabe mit einer Zweckwidmung, die den bezogenen niederösterreichischen bzw. Tiroler Gesetzen entsprochen hätte (vgl. dazu das in der Beschwerde zitierte Erk. VfSlg. 5674/1968).

c) Im Hinblick darauf, daß der Wortlaut des nach der zeitlichen Lagerung des Beschwerdefalles maßgebenden FAG 1993, BGBl. 30/1993, in Ansehung der beschriebenen Lustbarkeitsabgaben mit jenem des zitierten FAG 1967 vollständig übereinstimmt, treffen die vorstehenden Darlegungen auch für die Beurteilung der im (Wiener) Vergnügungssteuergesetz 1987 enthaltenen Regelung über die "Videoabgabe" (§1 Abs1 Z10) in finanzverfassungsrechtlicher Hinsicht zu; daß im Einleitungssatz des §1 Abs1 die Wendung "veranstaltete Vergnügungen" enthalten ist, ist aber für die finanzausgleichsrechtliche Beurteilung ohne Bedeutung.

Da auch sonst keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das VGSG oder andere dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Gesetze bestehen, ist zusammenfassend festzuhalten, daß keine Rechtsverletzung der beschwerdeführenden Gesellschaft wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes stattgefunden hat.

3. Eine weitergehende Prüfung des bekämpften Bescheides war im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs (zB VfSlg. 10981/1986) nicht vorzunehmen, weil die Beschwerdeführerin ausschließlich eine Rechtsverletzung wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptete. Die nicht begründete Beschwerde war sohin abzuweisen, aber antragsgemäß nach Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

III. Dieses Erkenntnis wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung gefällt.

Schlagworte

Finanzverfassung, Finanzausgleich, Vergnügungssteuer, Videocassetten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:B897.1994

Dokumentnummer

JFT_10049384_94B00897_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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