TE Bvwg Beschluss 2014/4/29 W141 2002618-1

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Veröffentlicht am 29.04.2014
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Entscheidungsdatum

29.04.2014

Norm

BBG §40
BBG §41
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


W141 2002618-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard HÖLLERER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Ulrike SCHERZ und die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerin über die Beschwerde von Frau XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 27.08.2013, PassNr. XXXX , betreffend Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde von Frau XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom 27.08.2013, wird gem.
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBL I 33/2013 idgF, der bekämpfte Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

1.        hat am 05.04.2013 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (in der Folge belangte Behörde genannt) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses eingebracht.

Nachstehend angeführte medizinische Beweismittel wurden in Vorlage gebracht:

-        Schlussbericht Allgemeines Öffentliches Landeskrankenhaus Schärding, Interne Abteilung, Leiter Prim. Dr. XXXX vom 14.09.2005

-        Ärztliche Bestätigung, Wilhelminenspital Wien, Interne Abteilung Stoffwechselambulanz, Vorstand Prim. Dr. XXXX vom 27.04.2007

-        NGL-Befund (Nervenleitgeschwindigkeit), Neurodiagnostisches Labor,
DDr. XXXX vom 04.11.2010

-        Befund Myocardszintifgraphie, WGKK Gesundheitszentrum Wien-Süd, Dr. XXXX vom 21.01.2011

-        Patientenbrief, KH Hietzing, Dr. XXXX vom 23.02.2011

-        Patientenbrief KH Hietzing, XXXX , vom 26.08.2011

-        Patientenbrief Krankenanstalt Rudolfstiftung, XXXX , vom 27.06.2012

-        Befund Dr. XXXX , Facharzt für Lungenkrankheiten, vom 04.10.2012

-        Behandlungsbestätigung WGKK Gesundheitszentrum für Psychotherapie vom 04.04.2013

-        Befund Dr. XXXX , Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, vom 14.03.2013 und vom 03.04.2013

-        Befund, Diagnose Haus Gruppenpraxis f. Radiologie, Dr. XXXX , Dr. XXXX ,Dr. XXXX , vom 08.02.2013

-        Verordnungsschein für Sehbehelfe, Dr. XXXX , vom 13.05.2013

-        Lungenfachärtztlicher Befund, Dr. XXXX , vom 22.07.2013

-        Befund Dr. XXXX , FA für Innere Medizin und Kardiologie, vom 19.07.2013

von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten wird von Dr. XXXX , Arzt für , basierend auf der persönlichen Untersuchung am 30.07.2013, im Wesentlichen folgendes ausgeführt:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Insulinpflichtiger Diabetes mellitus

Oberer Rahmensatz, da Insulinpumpe, restless legs Syndrom und Gesichtsfeldausfall bei Opticusläsion sowie Hyperhidrose

09.02.02

40 vH

02

Generalisierte Angststörung und Depression

1 Stufe unter dem oberen Rahmensatz, da regelmäßige medikamentöse Therapie und Psychotherapie auch bei Borderlinestörung erforderlich

03.06.01

30 vH

03

Asthma bronchiale

Oberen Rahmensatz, da polyvalente Allergie

06.05.01

20 vH

Folgende Gesundheitsschädigungen mit einem GdB von weniger als 20 vH, die auch im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursachen, werden bei der Einschätzung des GdB nicht berücksichtigt:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

04

Degenerative Wirbelsäulenveränderungen

Unterer Rahmensatz, da keine maßgebliche Funktionseinschränkung bei Beckenschiefstand unter 2 cm unter skoliotischer Fehlhaltung

02.01.01

10 vH

05

Aterieller Bluthochdruck

05.01.01

10 vH

06

Incipientes Carpaltunnelsyndrom beidseits

Unterer Rahmensatz, da keine maßgeblichen motorischen Ausfälle

04.05.06

10 vH

Gesamtgrad der Behinderung

50 vH


Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Die Erhöhung der führenden funktionellen Einschränkung 1 durch Leiden 2 um 1 Stufe ist aufgrund der zusätzlichen Beeinträchtigung durch dieses Leiden gerechtfertigt.

Leiden 3-6 erhöht nicht weiter, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt.

Die belangte Behörde hat das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht zur Kenntnis gebracht.

2.       Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde dem Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 § 41 Abs. 1 BBG stattgegeben und einen Grad der Behinderung in Höhe von 50 (fünfzig) v.H. (von Hundert) festgestellt.

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass aufgrund der übermittelten medizinischen Unterlagen beim ärztlichen Dienst des Bundessozialamtes eingeholt worden sei, als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung dieser Entscheidung zugrunde gelegt wurde.

In der rechtlichen Beurteilung zitiert die belangte Behörde die maßgeblichen Bestimmungen des BBG.

3.       Gegen diesen Bescheid wurde am 29.09.2013 fristgerecht Beschwerde eingebracht.

Vorlage eines Arztbriefes von Dr. XXXX , vom 11.09.2013, wurde von der Beschwerdeführerin im Wesentlichen vorgebracht, dass das Leiden unter Nr. 1 zu gering bewertet worden sei und sie eine Einstufung in Positionsnummer 09.02.05 fordere. Laut ihren Angaben leide sie an Diabetes mellitus Typ 1 mit instabiler Stoffwechsellage, schlechtem Allgemeinzustand, häufigen Ketoacidosen sowie, dass sie ständig eine Insulinpumpe tragen müsse. Außerdem sei ihr psychischer Allgemeinzustand aufgrund der psychischen Erkrankungen trotz Medikation sehr instabil. Die Borderlinestörung, die generalisierte Angsstörung, sowie die Depressionen und ihre Sozialphobie würden sie im täglichen Leben sehr stark einschränken, aufgrund dessen sie hier den Höchstsatz fordere. Weiters gibt sie an, dass ihr Bluthochdruck mäßig sei, da die geringsten systolischen Werte 160 und Diastole um die 100 betragen, wogegen auch keine Betablocker helfen würden. Die Beschwerdeführerin gibt auch an, dass der Opticusschaden (Amblyopie) am rechten Auge sowie der Gesichtsfeldausfall angeboren sei und nichts mit dem Diabetes mellitus zu tun habe, das Carpaltunnelsyndrom aber ein Spätschaden der Zuckerkrankheit sei.

Nachstehend angeführte medizinische Beweismittel wurden in Vorlage gebracht:

-        Arztbrief Dr. XXXX , Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, vom 11.09.2013

In Folge wurde in der Berufungsangelegenheit um die Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachten ersucht, womit der Grad der Behinderung erneut festgestellt werden sollte. Der vorgesehene Untersuchungstermin am 05.12.2013 wurde aber von der Beschwerdeführerin abgesagt, da sie den Termin nicht wahrnehmen konnte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich mit dem angefochtenen Bescheid nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.

Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) ist die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten anhängigen Verfahren auf das Bundesverwaltungsgericht übergegangen.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 19b Abs. 1 BEinstG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des § 14 Abs. 2 durch den Senat.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. Nr. 33/2013 idgF, geregelt.

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu Spruchpunkt A)

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 28 VwGVG, Anm. 11.).

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der vergleichbaren Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG ergibt sich, dass nur Mängel der Sachverhaltsfeststellung d.h. im Tatsachenbereich zur Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit berechtigen (vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0168; VwGH 23.5.1985, 84/08/0085).

Bereits mit Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses vom 05.04.2013 wurden von der Beschwerdeführerin umfangreiche medizinische Gutachten der Fachrichtungen Innere Medizin und Neurologie/Psychiatrie in Vorlage gebracht.

Von Seiten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen wurde zur Einschätzung des Grades der Behinderung ein allgemeinmedizinisches Gutachten eingeholt. In diesem Gutachten wird nur zu einem geringen Teil auf die von der Beschwerdeführerin vorgelegten medizinischen Unterlagen eingegangen. Eine Auseinandersetzung mit den neurologisch/psychiatrischen Leidenszuständen und den diesbezüglich vorgelegten medizinischen Beweismitteln ist gänzlich unterblieben. Es wird lediglich folgendes angeführt: „Die übrigen in den beigelegten Krankengeschichten bzw. Befunden diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung“. Die Frage, um welche Gesundheitsschädigungen es sich dabei im Einzelnen handelt und aus welchem Grund sie keinen Grad der Behinderung erreichen, lässt der Sachverständige unbeantwortet.

Im gegenständlichen Fall wäre zur schlüssigen und umfassenden Einschätzung der vorliegenden Gesundheitsschädigungen unbedingt die Einholung von medizinischen Gutachten der Fachrichtungen Innere Medizin und Neurologie/Psychiatrie erforderlich gewesen, dies vor allem vor dem Hintergrund der von der Beschwerdeführerin vorgelegten fachärztlichen Beweismittel dieser Fachrichtungen.

Hier sei im Speziellen auf die Entscheidung des VwGH vom 08.08.2008, Zl. 2004/09/0124, hingewiesen, die besagt, dass Gegenstand der Gesamteinschätzung die durch das Zusammenwirken mehrerer Leiden bzw. Leidensmomente bewirkte Beeinträchtigung der gesamten körperlichen und seelischen Beschaffenheit des Behinderten in Hinsicht auf das allgemeine Erwerbsleben ist.

Zusammenfassend dargestellt hat die belangte Behörde in entscheidenden Punkten den maßgeblichen Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt. Aufgrund der dargestellten Mängel sind daher die Ermittlungen zu ergänzen.

Da der maßgebliche Sachverhalt im gegenständlichen Fall noch nicht feststeht, ist unter Zugrundelegung der oben angeführten Erwägungen der Bescheid nach § 28 Abs. 3 VwGVG aufzuheben und zur neuerlichen Erlassung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen. Auch hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. beispielhaft Erk. d. VwGH v. 16.12.2009, GZ. 2007/20/0482; Erk. d. VwGH vom 19.11.2009, 2008/07/0167) auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.


Schlagworte

Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2014:W141.2002618.1.00

Im RIS seit

07.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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