TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/16 W132 2174091-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.12.2020
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Entscheidungsdatum

16.12.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W132 2174091-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.10.2017, Zl. 1094021804 - 151731825, zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde wird abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzvorschriften in das Bundesgebiet ein und stellte am 09.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung am selben Tag vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen Folgendes an: „Es war zu gefährlich dort. Ich habe für UNHCR gearbeitet ich wurde von den Taliban aufgefordert mit ihnen zu arbeiten. Mein Vater wurde auch in der Nähe von Ghazni getötet weil er mit UNHCR gearbeitet hat.“ Befragt zur Rückkehr gab er an, Angst um sein Leben zu haben, weil er Bedrohung durch die Taliban befürchte.

Zur Rückkehrsituation gab er an, in XXXX geboren worden zu sein, in XXXX 12 Jahre die Grundschule besucht, danach eine zweijährige Ausbildung als Elektriker absolviert und fünf Jahre in diesem Beruf gearbeitet zu haben. Seine Muttersprache Dari beherrsche er in Wort und Schrift. Er sei verheiratet, habe zwei Töchter und zwei Söhne. Seine Kernfamilie sowie seine Mutter und zwei Schwestern würden in Afghanistan leben, sein Vater sei verstorben.

Er habe sein bisheriges Leben in Afghanistan verbracht. Die Familie besitze in XXXX ein Haus und Grundstücke, die finanzielle Situation sei mittelmäßig. Die Familie bestreite den Lebensunterhalt aus finanziellen Mitteln, welche der Beschwerdeführer zurückgelassen habe.

1.1. Am 03.08.2017 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge ‚belangte Behörde‘ bzw. BFA genannt) im Beisein seiner bevollmächtigten Vertretung und einer Vertrauensperson. Der Beschwerdeführer brachte zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen zusammengefasst vor, er habe drei Jahre sein Gehalt von UNHCR bezogen. Nach einem Selbstmordanschlag in Jalalabad, wobei drei Personen ums Leben gekommen seien, hätte UNHCR Unsummen an die Hinterbliebene zahlen müssen. Deshalb sei beschlossen worden, dass die Arbeit zwecks Security, etc. von afghanischen Firmen übernommen werde. Leute die für den UNHCR gearbeitet hätten, hätten zwar ihre Arbeit fortgesetzt, jedoch seien sie nun Angestellte der afghanischen Firmen gewesen. Seine Probleme hätten begonnen, als er von der Firma XXXX zu einer Firma namens XXXX gewechselt habe. Er habe zu den Personen gehört, die gut gearbeitet hätten. Deswegen habe er auch wechseln dürfen. Gemeinsam mit ihm hätte ein Supervisor gearbeitet. Sie hätten ca. drei Monate im selben Büro gearbeitet. In diesen drei Monaten habe er festgestellt, dass dieser Mann einen schlechten Charakter habe und ein Lügner sei. Dieser Kollege hätte ihm seine Autoschlüssel, Autopapiere sowie seinen Führerschein, aus seiner unversperrten Schreibtischschublade gestohlen. Die Schreibtischschublade sei zwar unversperrt, die Bürotür jedoch versperrt gewesen. Er und sein Kollege hätten je einen Schlüssel gehabt.

Am 18.12.2014 habe er nach Hause fahren wollen, jedoch sei sein Autoschlüssel nicht mehr in der Schublade gewesen. Daraufhin habe der Beschwerdeführer den Verantwortlichen der Firmenparkplätze angerufen und gebeten, zu seinem Auto zu gehen und nachzusehen, ob sich darin die Schlüssel und Papiere befinden. Dieser habe ihm aber mitgeteilt, dass sich jemand als sein Bruder ausgegeben habe und sich das Auto ausgeborgt hätte. Er habe gesagt er würde in einer Stunde wieder zurück sein, dies sei bereits um 10:00 gewesen. Der Beschwerdeführer habe daraufhin festgestellt, dass sein Auto tatsächlich weg sei und den Vorfall der Security gemeldet. Er habe dies auch mündlich bei der Polizei im XXXX Bezirk in XXXX zur Anzeige gebracht. Am 20.12.2014 habe er den Vorfall noch einmal schriftlich bei der Polizei gemeldet. Er habe dies auch der Verkehrspolizei gemeldet, diese hätte dann ihre Arbeit aufgenommen und Personen befragt, darunter auch seinen Kollegen. Der Beschwerdeführer habe damals schon den Verdacht gehegt, dass der Kollege sein Auto gestohlen habe, jedoch habe er das nicht beweisen können. Inzwischen sei ihm telefonisch der Vorschlag unterbreitet worden, gegen Bezahlung von 500 -1.000 US Dollar, sein Auto ausfindig zu machen. Er habe dies mit der Securityfirma besprochen, doch diese hätte ihm davon abgeraten. Die Polizei hätte in der Zwischenzeit ihre Arbeit eingestellt, so habe der Beschwerdeführer selbst angefangen zu recherchieren, da er sein Auto unbedingt zurückhaben wollte. Dabei habe er herausgefunden, dass sein Kollege bereits zwei Mal im Gefängnis gewesen sei und dass der Bruder seines Kollegen das Auto vom Parkplatz gestohlen hätte. Er habe dies gleich der Firma gemeldet, woraufhin der Kollege entlassen worden sei. Die Firma habe den Kollegen befragt, doch dieser habe alles abgestritten. Die Firma habe in der Folge Druck auf den ehemaligen Kollegen ausgeübt, woraufhin ihm dieser einen Schuldschein ausgestellt habe, dass er ihm einen Betrag von 4.500 US Dollar bis zum 05.05.2015 bezahlen oder ihm ein gleichwertiges Auto zur Verfügung stellen müsse. Damit habe der ehemalige Kollege erreichen wollen, dass sein Bruder dafür nicht ins Gefängnis müsse. Der Beschwerdeführer habe aber das Geld am 05.05.2015 nicht erhalten, woraufhin der Beschwerdeführer den Bruder des ehemaligen Kollegen telefonisch kontaktiert habe. Dieser hätte ihm daraufhin versprochen das Geld zu einem späteren Zeitpunkt zu bezahlen. Dies sei ein paar Mal so gewesen. Das letzte Mal als er ihn telefonisch kontaktiert habe, hätte er ihm gesagt, dass ihm ein Bruder in der Türkei das Geld bezahlen werde. Dieser Bruder hätte ihn dann auch über Skype kontaktiert und ihm erzählt, dass er in der Türkei für den IS arbeite, wobei er sehr viel Geld (1.000 US Dollar) pro Monat verdiene. Er habe versucht ihn zu überzeugen, dass er sich ebenfalls dem IS anschließe. Daraufhin habe der Beschwerdeführer ihm mitgeteilt, dass er nur sein Geld haben wolle. Aber auch er habe ihm das Geld nicht bezahlt. Er habe insgesamt sechs oder sieben Mal mit dem Bruder in der Türkei telefoniert. Das erste Gespräch habe am 10.05.2015 stattgefunden.

Danach habe sich der Cousin des Beschwerdeführers gemeldet und berichtet, dass er das Auto in einer Ortschaft namens XXXX gesehen habe. Das Auto sei dann vor der XXXX bei einem Checkpoint der Polizei gestoppt worden. Sein Auto sei am 16.06.2015 um ca. 12:00 gefunden worden. Bei den Ermittlungen der Polizei habe sich herausgestellt, dass das Auto bereits fünf Mal seinen Besitzer gewechselt habe. Bei dem ersten Verkäufer habe es sich um seinen ehemaligen Kollegen gehandelt. Dieser sei der Polizei bereits unter dem Namen R.K. bekannt gewesen. Die Polizei hätte ihn dann ausfindig gemacht. Der ehemalige Kollege habe dem Beschwerdeführer gesagt, er solle den Schuldschein mit zur Polizei bringen. Die Polizei hätte den Beschwerdeführer befragt, weshalb er den Schuldschein nicht schon früher vorgezeigt habe, denn dadurch hätte er selbst eine Straftat begangen. Die Polizei hätte ihm weiters gesagt, er solle sein Auto mitnehmen und keine weiteren Forderungen stellen. Daraufhin habe der Beschwerdeführer den Cousin seines Vaters angerufen, da dieser ein höherer Angestellter im XXXX sei. Dieser habe ihm empfohlen dort zu warten bis er komme. Das Auto habe der Beschwerdeführer jedoch nicht mitgenommen, da er auch bei anderen Stellen Anzeige erstattet habe. Damit habe der Beschwerdeführer den rechtlichen Weg einhalten wollen. Die Polizei hätte die gesamten Unterlagen an ihre Zentrale weitergeleitet und seinen ehemaligen Kollegen eingesperrt. Es seien 18 Tage vergangen und er habe sein Auto immer noch nicht zurückbekommen. Sein ehemaliger Kollege sei nach 18 Tagen bereits freigelassen worden, da er einen sehr einflussreichen Bekannten beim Höchstgericht gehabt habe. Sein ehemaliger Kollege hätte ihn daraufhin bedroht und ihm gesagt, dass sie über das Ganze normal reden werden. Während des Gefängnisaufenthaltes des ehemaligen Kollegen sei der Beschwerdeführer öfter telefonisch aufgefordert worden zuzustimmen, dass sein ehemaliger Kollege wieder freigelassen werde. Am 09.07.2015 habe er sein Auto wieder zurückbekommen. Er sei aber weiterhin angerufen und bedroht worden. Ihm sei vorgeworfen worden, dass er mit Ungläubigen zusammenarbeite. Man hätte ihn mit unterdrückter Nummer angerufen. Manche Anrufe seien aus Pakistan und manche aus der Türkei gekommen. Man habe ihn mit dem Umbringen bedroht, wenn er nicht mit den Taliban zusammenarbeite. Man hätte ihm gesagt, dass man alles über ihn wisse und ihn überall finden werde. Bei den Taliban handle es sich um eine Gruppe, welche gegen die Regierung und Ausländer arbeite. Er habe natürlich nicht mit ihnen zusammenarbeiten wollen. Er habe nach der Freilassung seines ehemaligen Arbeitskollegen täglich fünf Anrufe erhalten. Er wisse aber nicht, wann der Kollege freigelassen worden sei. Sein Auto sei am 16.06.2015 gefunden worden und am 09.07.2015 habe er es zurückbekommen. In dem Zeitraum sei der ehemaliger Bürokollege freigelassen worden.

Der Beschwerdeführer sei sich sicher, dass der ehemalige Kollege seinen Computer gehackt habe und diese Informationen an die Taliban weitergeleitet habe. Der ehemalige Bürokollege sei nach seiner Freilassung, der Sekretär des Gouverneurs der Provinz XXXX geworden. Er sei bereits vorher, vor seiner Tätigkeit bei UNHCR, schon Sekretär des Gouverneurs in XXXX gewesen.

Zum Schluss habe er immer mehr Drohanrufe bekommen. Er habe diese nicht mehr angenommen und versucht auf verschiedenen Wegen zur Arbeit zu fahren. Die letzte Begegnung habe stattgefunden, als er drei bewaffnete Männer gesehen habe. Er sei dann zu einem Freund gegangen und habe beschlossen Afghanistan zu verlassen.

Er habe XXXX aufgrund seiner Tätigkeit für eine ausländische Firma nicht verlassen können. Die Taliban hätten ihn jederzeit aufhalten, überprüfen und anhand der Dokumente herausfinden können wo er arbeite. Er hätte XXXX nur tagsüber, wenn er keine Dokumente dabei hatte, verlassen können.

Staatliche Verfolgung würde im nicht drohen. Er sei in Afghanistan nicht aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung bedroht oder verfolgt worden.

Zur Rückkehrsituation gab er an, in der Provinz XXXX , Distrik XXXX , Dorf XXXX (auch XXXX ) gelebt und in XXXX gearbeitet zu haben. Er habe zwölf Jahre die Schule besucht und eine zweijährige Ausbildung zu Elektrotechniker absolviert. Von 2008 bis 2010 habe er im IT-Bereich, von 2010 bis 2015 im Büro von UNHCR gearbeitet.

Eingangs hat der Beschwerdeführer angegeben, dass sein Vater verstorben sei und seine Gattin, zwei Töchter, seine Mutter und zwei Schwestern in XXXX leben und den Lebensunterhalt aus den Ersparnissen des Beschwerdeführers bestreiten würden. Der Beschwerdeführer habe täglich Kontakt zur Familie, welcher es nicht gutgehe und fast alle zwei bis drei Monate den Wohnort in XXXX wechseln müsse. Nachgefragt nach der Todesursache seines Vaters hat der Beschwerdeführer zugestanden, dass sein Vater noch am Leben, jedoch blind sei, und bei der Familie lebe. Er habe ursprünglich angegeben, dass sein Vater verstorben sei, weil ihm gesagt worden sei, dass dies besser für sein Verfahren sei.

Seine Ausreise habe selbst organisiert und mit seinen Ersparnissen finanziert.

Ein Onkel väterlicherseits, zu dem er keinen Kontakt habe, lebe in Frankreich.

Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme wurde dem Beschwerdeführer und seiner bevollmächtigten Vertretung das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Kenntnis gebracht. Die bevollmächtigte Vertretung hat darauf verzichtet, schriftlich dazu Stellung zu nehmen.

Zu seinem Leben in Österreich führte der Beschwerdeführer aus, gesund zu sein, Deutschkurse und Kurse an der XXXX zu besuchen, sowie ehrenamtlich für andere Geflüchtete zu dolmetschen.

Im Rahmen des verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahrens hat der Beschwerdeführer seine Tazkira, afghanische Ausbildungszertifikate, Ausdrucke aus Internetdokumenten betreffend den ehemaligen Kollegen, afghanische Polizeiberichte, Unterlagen über seine Tätigkeit für UNHCR, einen Schuldschein, und einen Ausweis seines Vaters, sowie integrationsbescheinigende Unterlagen vorgelegt.

1.2. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid der belangten Behörde wurde über den Antrag des Beschwerdeführers wie folgt abgesprochen:

„I.      Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 09.11.2015 wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen.

II.      Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wird Ihr Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Ihren Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen.

III.    Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt.

Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen.

Es wird gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist.

IV.      Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.“

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht habe glaubhaft machen können. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Zuerkennung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Er könne eine innerstaatliche Fluchtalternative in Anspruch nehmen. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstünde.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer im Wege der damaligen bevollmächtigten Vertretung fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang.

Zu den Fluchtgründen wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Tätigkeit für UNHCR in Afghanistan in das Blickfeld der Taliban geraten sei. In seinem Fall liege daher diesbezüglich wohlbegründete Furcht vor Verfolgung vor. Ein Talibanmitglied habe in der gleichen Geschäftsstelle wie der Beschwerdeführer gearbeitet und sei vom Beschwerdeführer eine Zusammenarbeit mit den Taliban verlangt worden. Der Beschwerdeführer habe aber die Zusammenarbeit verweigert. Aus diesem Grunde habe er täglich bis zu seiner Ausreise Drohanrufe erhalten.

Zur Untermauerung des Vorbringens betreffend Asylrelevanz und schlechter Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan wird aus UNHCR-Richtlinien und Berichten zur Lage in Afghanistan zitiert.

2.1. Mit Schreiben vom 03.11.2017 hat der Beschwerdeführer die Auflösung der Vollmacht bekannt gegeben und ergänzend zur Beschwerde vorgebracht, die belangte Behörde habe es unterlassen, sich ausreichend mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen bzw. entsprechende Ermittlungen zu führen. Der Beschwerdeführer habe widerspruchsfrei dargelegt, von Mitgliedern der Taliban aufgefordert worden zu sein zu kooperieren, andernfalls er getötet würde. Dass er für UNHCR bzw. Subfirmen gearbeitet habe, ergebe sich zweifelsfrei aus den vorgelegten Unterlagen und erkläre überdies, warum die Taliban ein besonderes Interesse daran gehabt hätten, den Beschwerdeführer für ihre Zwecke zu missbrauchen. Dem Konflikt mit dem Kollegen käme Asylrelevanz zu, weil die Drohungen der Taliban erst nach dessen Haftentlassung begonnen hätten. Das Interesse der Taliban gründe sich u.a. auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer Zugang zu Gebäuden, Räumlichkeiten und Lagern von UNHCR gehabt habe, und den Taliban im Falle der Kooperation bei einem Anschlagplan hätte helfen können. Zur Untermauerung der Verfolgungsgefahr wurde auszugsweise aus den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchenden zitiert und auf die entsprechenden Risikoprofile verwiesen. Dass der Beschwerdeführer ursprünglich angegeben habe, dass sein Vater verstorben sei, würde seine Glaubwürdigkeit nicht erschüttern, da er dies letztlich richtiggestellt habe. Auch stünde dem Beschwerdeführer aufgrund der prekären Sicherheitslage und mangels Schutzfähigkeit des afghanischen Staates keine innerstaatliche Schutzalternative zur Verfügung.

2.2. In der Folge hat der Beschwerdeführer integrationsbescheinigenden Unterlagen vorgelegt.

3. Zum Aufenthalt des Beschwerdeführers:

3.1. Am 25.06.2018 hat die belangte Behörde mitgeteilt, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 29.05.2018 unbekannt und deswegen ein amtliches Abmeldeverfahren eingeleitet worden sei. Lt. Auskunft des damaligen Quartiergebers habe der Beschwerdeführer am 29.05.2018 sein Zimmer geräumt und sei seither nicht mehr gesehen worden.

Eine telefonische Nachfrage beim ehemaligen Quartiergeber am 01.07.2020 hat ergeben, dass seit damals kein Kontakt mehr mit dem Beschwerdeführer bestehe. Der Beschwerdeführer sei ohne Vorankündigung verschwunden. Dem ehemaligen Quartiergeber sei die Abwesenheit des Beschwerdeführers schon einige Tage lang aufgefallen, weshalb er die Unterkunft aufgesucht und festgestellt habe, dass sich dessen persönliche Sachen nicht mehr dort befunden hätten, weshalb er die Behörden informiert habe.

3.2. Eine Nachfrage bei der Grundversorgungskoordination im BMI am 14.07.2020 und 13.08.2020 hat ergeben, dass der aktuelle Aufenthalt des Beschwerdeführers nicht bekannt ist.

3.3. Zum Entscheidungszeitpunkt scheint im zentralen Melderegister seit 07.08.2018 weder eine aufrechte Meldung des Beschwerdeführers in Österreich, noch ein Aufenthaltsort, wohin der Beschwerdeführer verzogen wäre, auf.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person

Der Beschwerdeführer führt den im Spruch genannten Namen, ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, und bekennt sich zur schiitischen Glaubensgemeinschaft des Islam.

Als Geburtsdatum wird der XXXX angenommen.

Er beherrscht die Sprache Dari in Wort und Schrift.

Er gelangte unter Umgehung der Einreisevorschriften nach Österreich und stellte am 09.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Zum Leben in Österreich

Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine außergewöhnlichen Integrationsschritte gesetzt. Anhaltspunkte für eine maßgebende Integrationsverfestigung des Beschwerdeführers in Österreich liegen nicht vor. In Österreich leben seinen Angaben nach keine Familienangehörigen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich zum Zeitpunkt dieser Entscheidung strafgerichtlich unbescholten.

Der Aufenthalt des Beschwerdeführers ist seit Mai 2018 unbekannt. Er ist ab diesem Zeitpunkt in Österreich nicht mehr in Erscheinung getreten.

Er hat, obwohl er Kenntnis vom Beschwerdeverfahren hat, dem Bundesverwaltungsgericht nicht mitgeteilt, wohin er verzogen ist.

Der derzeitige Aufenthaltsort des Beschwerdeführers ist dem Bundesverwaltungsgericht nicht bekannt und ist auch nicht leicht feststellbar. Es wird davon ausgegangen, dass er nicht mehr in Österreich aufhältig ist.

1.3. Zur Rückkehrsituation

Der Beschwerdeführer stammt aus der Provinz XXXX , Distrik XXXX , Dorf XXXX . Er hat die überwiegende Zeit seines Lebens in Afghanistan verbracht. Der Beschwerdeführer hat keine Ortskenntnisse betreffend Mazar-e Sharif. Er hat jedoch bereits in der Stadt XXXX gelebt, ihm sind städtische Strukturen bekannt.

Er hat in Afghanistan zwölf Jahre die Schule besucht und eine zweijährige Ausbildung zum Elektrotechniker absolviert. In der Folge war er fünf Jahre in XXXX im erlernten Beruf tätig.

Der Beschwerdeführer ist im erwerbsfähigen Alter, gesund sowie arbeits- und anpassungsfähig.

Die Familie (Ehefrau, vier Kinder, Eltern, zwei Schwestern) des Beschwerdeführers lebt in XXXX . Den Angaben des Beschwerdeführers nach leben diese von den Ersparnissen des Beschwerdeführers. Die Familie besitzt in XXXX ein Haus und ein Grundstück.

Das Bundesverwaltungsgericht geht nach den obigen Feststellungen davon aus, dass der Beschwerdeführer aufgrund der prekären Sicherheitslage in XXXX und der nicht hinreichend sicheren Erreichbarkeit, nicht in seine Heimatregion zurückkehren kann, weil ihm dort die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK drohen würde.

Dem Beschwerdeführer steht jedoch als interstaatliche Flucht- und Schutzalternative eine Ansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung, wo es ihm möglich ist, ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können bzw. in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben.

Er kann Mazar-e Sharif von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug auf Grund der vorhandenen internationalen Flughäfen erreichen.

Außergewöhnliche, in der Person des Beschwerdeführers gelegene, Umstände, dass er in Mazar-e Sharif grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht decken könnte, und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation geriete, sind nicht hervorgekommen. Er kann selbst für sein Aus- und Fortkommen sorgen, in Mazar-e Sharif einer Arbeit nachgehen, und sich selber erhalten.

Der Beschwerdeführer ist mit den kulturellen Gepflogenheiten und einer in Afghanistan gesprochenen Sprache (Dari) vertraut, er verfügt über die entsprechenden Sprachkenntnisse.

Seine Existenz kann er in Mazar-e Sharif – zumindest anfänglich – mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, eine einfache Unterkunft zu finden.

Der Beschwerdeführer hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen, sodass er im Falle der Rückkehr – neben den eigenen Ressourcen – auf eine zusätzliche Unterstützung zur Existenzsicherung greifen kann. Diese Rückkehrhilfe umfasst jedenfalls auch die notwendigen Kosten der Rückreise.

Es ist dem Beschwerdeführer daher auch ohne familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte möglich nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedelung in Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

Im Hinblick auf die Pandemie zum Corona-Virus SARS-CoV2 (COVID -19) ist festzuhalten, dass den Beschwerdeführer als 34 Jahre junger Mann, ohne Erkrankung, der nicht unter die Risikogruppe der älteren Personen und der Personen mit einschlägigen Vorerkrankungen (chronische Atemwegserkrankungen oder andere chronische Krankheiten, wie Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, geschwächtem Immunstatus, Krebs oder Fettleibigkeit) fällt, bei einer Überstellung nach Afghanistan kein reales Risiko einer Verletzung des Art. 3 EMRK trifft.

Im Falle der Rückkehr nach Mazar-e Sharif läuft der Beschwerdeführer nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten, oder dass sich seine Gesundheit in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern würde. Es sind auch sonst keine Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat entgegenstünden.

Im Falle einer Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat droht ihm kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention.

1.4. Zum Fluchtvorbringen

Im Falle der Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine landesweite Verfolgung wegen eines Konventionsgrundes in asylrelevantem Ausmaß.

Es droht dem Beschwerdeführer in Afghanistan weder staatliche Verfolgung, noch Verfolgung durch die Taliban bzw. regierungsfeindliche Gruppierungen.

Der Beschwerdeführer war weder politisch tätig noch gehörte er einer politischen Partei an. Er hatte keine Probleme mit den afghanischen Behörden aufgrund seiner Rasse, seines Glaubens oder seiner Volksgruppe.

Dem Beschwerdeführer droht in Afghanistan aktuell keine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete Verfolgung durch die Taliban aufgrund seiner Tätigkeit für UNHCR bzw. für Firmen, welche mit UNHCR zusammenarbeiten und seiner angeblichen Weigerung mit den Taliban zusammenzuarbeiten, und ihm vermeintlich unterstellter, gegen die Interessen der Taliban gerichteter, politischer Gesinnung. Es ist dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine landesweite Verfolgung durch regierungsfeindliche Gruppierungen glaubhaft zu machen. Es ist nicht davon auszugehen, dass seitens der Taliban wegen der vorgebrachten beruflichen Tätigkeit aktuell ein derart ausgeprägtes Interesse daran bestehen könnte, landesweit nach ihm zu suchen. Weder ist er eine politisch exponierte Person, noch stellt er sonst ein hochrangiges Ziel dar.

Es wird nicht davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer über einen längeren Zeitraum, mehrmals täglich von Taliban Drohanrufe erhalten hat.

Eine allgemeine systematische Verfolgung aller Rückkehrer durch die Taliban kann auf Basis der Quellenlage nicht erkannt werden.

Dem Beschwerdeführer droht wegen seines schiitischen Glaubens konkret und individuell keine physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan. Nicht jeder Angehörige der schiitischen Religion ist in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt.

Dem Beschwerdeführer droht im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan auch keine psychische und/oder physische Gewalt aufgrund seines Aufenthaltes in Europa, wegen einer ihm unterstellten Moral- und Wertehaltung, welche nicht jener in Afghanistan vorherrschenden entspricht. Eine allgemeine systematische Verfolgung aller Rückkehrer durch die Taliban bzw. regierungsfeindliche Gruppen, kann auf Basis der Quellenlage nicht erkannt werden.

Auch aus der allgemeinen Lage in Afghanistan lässt sich konkret für den Beschwerdeführer kein Status eines Asylberechtigten ableiten.

Es haben sich im Verfahren keine hinreichend sicheren Anhaltspunkte für eine wohlbegründete Furcht des Beschwerdeführers, dass ihm in Afghanistan individuell und aktuell Verfolgung droht, ergeben.

Der Beschwerdeführer ist im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan nicht aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht.

1.5. Zur Lage im Herkunftsstaat

1.5.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019 mit Stand vom 21.07.2020:

COVID-19:

21.07.2020

Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten Informationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.

Aktueller Stand der COVID-19 Krise in Afghanistan

Berichten zufolge, haben sich in Afghanistan mehr als 35.000 Menschen mit COVID-19 angesteckt (WHO 20.7.2020; vgl. JHU 20.7.2020, OCHA 16.7.2020), mehr als 1.280 sind daran gestorben. Aufgrund der begrenzten Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und der begrenzten Testkapazitäten sowie des Fehlens eines nationalen Sterberegisters werden bestätigte Fälle von und Todesfälle durch COVID-19 in Afghanistan wahrscheinlich insgesamt zu wenig gemeldet (OCHA 16.7.2020; vgl. DS 19.7.2020). 10 Prozent der insgesamt bestätigten COVID-19-Fälle entfallen auf das Gesundheitspersonal. Kabul ist hinsichtlich der bestätigten Fälle nach wie vor der am stärksten betroffene Teil des Landes, gefolgt von den Provinzen Herat, Balkh, Nangarhar und Kandahar (OCHA 15.7.2020). Beamte in der Provinz Herat sagten, dass der Strom afghanischer Flüchtlinge, die aus dem Iran zurückkehren, und die Nachlässigkeit der Menschen, die Gesundheitsrichtlinien zu befolgen, die Möglichkeit einer neuen Welle des Virus erhöht haben, und dass diese in einigen Gebieten bereits begonnen hätte (TN 14.7.2020). Am 18.7.2020 wurde mit 60 neuen COVID-19 Fällen der niedrigste tägliche Anstieg seit drei Monaten verzeichnet – wobei an diesem Tag landesweit nur 194 Tests durchgeführt wurden (AnA 18.7.2020).

Krankenhäuser und Kliniken berichten weiterhin über Probleme bei der Aufrechterhaltung oder Erweiterung der Kapazität ihrer Einrichtungen zur Behandlung von Patienten mit COVID-19. Diese Herausforderungen stehen im Zusammenhang mit der Bereitstellung von persönlicher Schutzausrüstung (PSA), Testkits und medizinischem Material sowie mit der begrenzten Anzahl geschulter Mitarbeiter - noch verschärft durch die Zahl des erkrankten Gesundheitspersonals. Es besteht nach wie vor ein dringender Bedarf an mehr Laborequipment sowie an der Stärkung der personellen Kapazitäten und der operativen Unterstützung (OCHA 16.7.2020, vgl. BBC-News 30.6.2020).

Maßnahmen der afghanischen Regierung und internationale Hilfe

Die landesweiten Sperrmaßnahmen der Regierung Afghanistans bleiben in Kraft. Universitäten und Schulen bleiben weiterhin geschlossen (OCHA 8.7.2020; vgl. RA KBL 16.7.2020). Die Regierung Afghanistans gab am 6.6.2020 bekannt, dass sie die landesweite Abriegelung um drei weitere Monate verlängern und neue Gesundheitsrichtlinien für die Bürger herausgeben werde. Darüber hinaus hat die Regierung die Schließung von Schulen um weitere drei Monate bis Ende August verlängert (OCHA 8.7.2020).

Berichten zufolge werden die Vorgaben der Regierung nicht befolgt, und die Durchsetzung war nachsichtig (OCHA 16.7.2020, vgl. TN 12.7.2020). Die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus unterscheiden sich weiterhin von Provinz zu Provinz, in denen die lokalen Behörden über die Umsetzung der Maßnahmen entscheiden. Zwar behindern die Sperrmaßnahmen der Provinzen weiterhin periodisch die Bewegung der humanitären Helfer, doch hat sich die Situation in den letzten Wochen deutlich verbessert, und es wurden weniger Behinderungen gemeldet (OCHA 15.7.2020).

Einwohner Kabuls und eine Reihe von Ärzten stellten am 18.7.2020 die Art und Weise in Frage, wie das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) mit der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie im Land umgegangen ist, und sagten, das Gesundheitsministerium habe es trotz massiver internationaler Gelder versäumt, richtig auf die Pandemie zu reagieren (TN 18.7.2020). Es gibt Berichte wonach die Bürger angeben, dass sie ihr Vertrauen in öffentliche Krankenhäuser verloren haben und niemand mehr in öffentliche Krankenhäuser geht, um Tests oder Behandlungen durchzuführen (TN 12.7.2020).

Beamte des afghanischen Gesundheitsministeriums erklärten, dass die Zahl der aktiven Fälle von COVID-19 in den Städten zurückgegangen ist, die Pandemie in den Dörfern und in den abgelegenen Regionen des Landes jedoch zunimmt. Der Gesundheitsminister gab an, dass 500 Beatmungsgeräte aus Deutschland angekauft wurden und 106 davon in den Provinzen verteilt werden würden (TN 18.7.2020).

Am Samstag den 18.7.2020 kündete die afghanische Regierung den Start des Dastarkhan-e-Milli-Programms als Teil ihrer Bemühungen an, Haushalten inmitten der COVID-19-Pandemie zu helfen, die sich in wirtschaftlicher Not befinden. Auf der Grundlage des Programms will die Regierung in der ersten Phase 86 Millionen Dollar und dann in der zweiten Phase 158 Millionen Dollar bereitstellen, um Menschen im ganzen Land mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Die erste Phase soll über 1,7 Millionen Familien in 13.000 Dörfern in 34 Provinzen des Landes abdecken (TN 18.7.2020; vgl. Mangalorean 19.7.2020).

Die Weltbank genehmigte am 15.7.2020 einen Zuschuss in Höhe von 200 Millionen US-Dollar, um Afghanistan dabei zu unterstützen, die Auswirkungen von COVID-19 zu mildern und gefährdeten Menschen und Unternehmen Hilfe zu leisten (WB 10.7.2020; vgl. AN 10.7.2020).

Auszugsweise Lage in den Provinzen Afghanistans

Dieselben Maßnahmen – nämlich Einschränkungen und Begrenzungen der täglichen Aktivitäten, des Geschäftslebens und des gesellschaftlichen Lebens – werden in allen folgend angeführten Provinzen durchgeführt. Die Regierung hat eine Reihe verbindlicher gesundheitlicher und sozialer Distanzierungsmaßnahmen eingeführt, wie z.B. das obligatorische Tragen von Gesichtsmasken an öffentlichen Orten, das Einhalten eines Sicherheitsabstandes von zwei Metern in der Öffentlichkeit und ein Verbot von Versammlungen mit mehr als zehn Personen. Öffentliche und touristische Plätze, Parks, Sportanlagen, Schulen, Universitäten und Bildungseinrichtungen sind geschlossen; die Dienstzeiten im privaten und öffentlichen Sektor sind auf 6 Stunden pro Tag beschränkt und die Beschäftigten werden in zwei ungerade und gerade Tagesschichten eingeteilt (RA KBL 16.7.2020; vgl. OCHA 8.7.2020).

Die meisten Hotels, Teehäuser und ähnliche Orte sind aufgrund der COVID-19 Maßnahmen geschlossen, es sei denn, sie wurden geheim und unbemerkt von staatlichen Stellen geöffnet (RA KBL 16.7.2020; vgl. OCHA 8.7.2020).

In der Provinz Kabul gibt es zwei öffentliche Krankenhäuser die COVID-19 Patienten behandeln mit 200 bzw. 100 Betten. Aufgrund der hohen Anzahl von COVID-19-Fällen im Land und der unzureichenden Kapazität der öffentlichen Krankenhäuser hat die Regierung kürzlich auch privaten Krankenhäusern die Behandlung von COVID-19-Patienten gestattet. Kabul sieht sich aufgrund von Regen- und Schneemangel, einer boomenden Bevölkerung und verschwenderischem Wasserverbrauch mit Wasserknappheit konfrontiert. Außerdem leben immer noch rund 12 Prozent der Menschen in Kabul unter der Armutsgrenze, was bedeutet, dass oftmals ein erschwerter Zugang zu Wasser besteht (RA KBL 16.7.2020; WHO o.D).

In der Provinz Balkh gibt es ein Krankenhaus, welches COVID-19 Patienten behandelt und über 200 Betten verfügt. Es gibt Berichte, dass die Bewohner einiger Distrikte der Provinz mit Wasserknappheit zu kämpfen hatten. Darüber hinaus hatten die Menschen in einigen Distrikten Schwierigkeiten mit dem Zugang zu ausreichender Nahrung, insbesondere im Zuge der COVID-19-Pandemie (RA KBL 16.7.2020).

In der Provinz Herat gibt es zwei Krankenhäuser die COVID-19 Patienten behandeln. Ein staatliches öffentliches Krankenhaus mit 100 Betten, das vor kurzem speziell für COVID-19-Patienten gebaut wurde (RA KBL 16.7.2020; vgl. TN 19.3.2020) und ein Krankenhaus mit 300 Betten, das von einem örtlichen Geschäftsmann in einem umgebauten Hotel zur Behandlung von COVID-19-Patienten eingerichtet wurde (RA KBL 16.7.2020; vgl. TN 4.5.2020). Es gibt Berichte, dass 47,6 Prozent der Menschen in Herat unter der Armutsgrenze leben, was bedeutet, dass oft ein erschwerter Zugang zu sauberem Trinkwasser und Nahrung haben, insbesondere im Zuge der Quarantäne aufgrund von COVID-19, durch die die meisten Tagelöhner arbeitslos blieben (RA KBL 16.7.2020; vgl. UNICEF 19.4.2020).

In der Provinz Daikundi gibt es ein Krankenhaus für COVID-19-Patienten mit 50 Betten. Es gibt jedoch keine Auswertungsmöglichkeiten für COVID-19-Tests – es werden Proben entnommen und zur Laboruntersuchung nach Kabul gebracht. Es dauert Tage, bis ihre Ergebnisse von Kabul nach Daikundi gebracht werden. Es gibt Berichte, dass 90 Prozent der Menschen in Daikundi unter der Armutsgrenze leben und dass etwa 60 Prozent der Menschen in der Provinz stark von Ernährungsunsicherheit betroffen sind (RA KBL 16.7.2020).

In der Provinz Samangan gibt es ebenso ein Krankenhaus für COVID-19-Patienten mit 50 Betten. Wie auch in der Provinz Daikundi müssen Proben nach Kabul zur Testung geschickt werden. Eine unzureichende Wasserversorgung ist eine der größten Herausforderungen für die Bevölkerung. Nur 20 Prozent der Haushalte haben Zugang zu sauberem Trinkwasser (RA KBL 16.7.2020).

Wirtschaftliche Lage in Afghanistan

Verschiedene COVID-19-Modelle zeigen, dass der Höhepunkt des COVID-19-Ausbruchs in Afghanistan zwischen Ende Juli und Anfang August erwartet wird, was schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft Afghanistans und das Wohlergehen der Bevölkerung haben wird (OCHA 16.7.2020). Es herrscht weiterhin Besorgnis seitens humanitärer Helfer, über die Auswirkungen ausgedehnter Sperrmaßnahmen auf die am stärksten gefährdeten Menschen – insbesondere auf Menschen mit Behinderungen und Familien – die auf Gelegenheitsarbeit angewiesen sind und denen alternative Einkommensquellen fehlen (OCHA 15.7.2020). Der Marktbeobachtung des World Food Programme (WFP) zufolge ist der durchschnittliche Weizenmehlpreis zwischen dem 14. März und dem 15. Juli um 12 Prozent gestiegen, während die Kosten für Hülsenfrüchte, Zucker, Speiseöl und Reis (minderwertige Qualität) im gleichen Zeitraum um 20 – 31 Prozent gestiegen sind (WFP 15.7.2020, OCHA 15.7.2020). Einem Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO (FAO) und des Ministeriums für Landwirtschaft, Bewässerung und Viehzucht (MAIL) zufolge sind über 20 Prozent der befragten Bauern nicht in der Lage, ihre nächste Ernte anzubauen, wobei der fehlende Zugang zu landwirtschaftlichen Betriebsmitteln und die COVID-19-Beschränkungen als Schlüsselfaktoren genannt werden. Darüber hinaus sind die meisten Weizen-, Obst-, Gemüse- und Milchverarbeitungsbetriebe derzeit nur teilweise oder gar nicht ausgelastet, wobei die COVID-19-Beschränkungen als ein Hauptgrund für die Reduzierung der Betriebe genannt werden. Die große Mehrheit der Händler berichtete von gestiegenen Preisen für Weizen, frische Lebensmittel, Schafe/Ziegen, Rinder und Transport im Vergleich zur gleichen Zeit des Vorjahres. Frischwarenhändler auf Provinz- und nationaler Ebene sahen sich im Vergleich zu Händlern auf Distriktebene mit mehr Einschränkungen konfrontiert, während die große Mehrheit der Händler laut dem Bericht von teilweisen Marktschließungen aufgrund von COVID-19 berichtete (FAO 16.4.2020; vgl. OCHA 16.7.2020; vgl. WB 10.7.2020).

Am 19.7.2020 erfolgte die erste Lieferung afghanischer Waren in zwei Lastwagen nach Indien, nachdem Pakistan die Wiederaufnahme afghanischer Exporte nach Indien angekündigt hatte um den Transithandel zu erleichtern. Am 12.7.2020 öffnete Pakistan auch die Grenzübergänge Angor Ada und Dand-e-Patan in den Provinzen Paktia und Paktika für afghanische Waren, fast zwei Wochen nachdem es die Grenzübergänge Spin Boldak, Torkham und Ghulam Khan geöffnet hatte (TN 20.7.2020).

Einreise und Bewegungsfreiheit

Die Türkei hat, nachdem internationale Flüge ab 11.6.2020 wieder nach und nach aufgenommen wurden, am 19.7.2020 wegen der COVID-19-Pandemie Flüge in den Iran und nach Afghanistan bis auf weiteres ausgesetzt, wie das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur mitteilte (TN 20.7.2020; vgl. AnA 19.7.2020, DS 19.7.2020).

Bestimmte öffentliche Verkehrsmittel wie Busse, die mehr als vier Passagiere befördern, dürfen nicht verkehren. Obwohl sich die Regierung nicht dazu geäußert hat, die Reisebeschränkungen für die Bürger aufzuheben, um die Ausbreitung von COVID-19 zu verhindern, hat sich der Verkehr in den Städten wieder normalisiert, und Restaurants und Parks sind wieder geöffnet (TN 12.7.2020).

29.06.2020

Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten Informationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.

Berichten zufolge, haben sich mehr als 30.000 Menschen in Afghanistan mit COVID-19 angesteckt (WP 25.5.2020; vgl. JHU 26.6.2020), mehr als 670 sind daran gestorben. Dem Gesundheitsministerium zufolge, liegen die tatsächlichen Zahlen viel höher; auch bestünde dem Ministerium zufolge die Möglichkeit, dass in den kommenden Monaten landesweit bis zu 26 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert werden könnten, womit die Zahl der Todesopfer 100.000 übersteigen könnte. Die COVID-19 Testraten sind extrem niedrig in Afghanistan: weniger als 0,2% der Bevölkerung – rund 64.900 Menschen von geschätzten 37,6 Millionen Einwohnern – wurden bis jetzt auf COVID-19 getestet (WP 25.6.2020).

In vier der 34 Provinzen Afghanistans – Nangahar, Ghazni, Logar und Kunduz – hat sich unter den Sicherheitskräften COVID-19 ausgebreitet. In manchen Einheiten wird eine Infektionsrate von 60-90% vermutet. Dadurch steht weniger Personal bei Operationen und/oder zur Aufnahme des Dienstes auf Außenposten zur Verfügung (WP 25.6.2020).

In Afghanistan sind landesweit derzeit Mobilität, soziale und geschäftliche Aktivitäten sowie Regierungsdienste eingeschränkt. In den größeren Städten wie z.B. Kabul, Kandahar, Mazar-e Sharif, Jalalabad, Parwan usw. wird auf diese Maßnahmen stärker geachtet und dementsprechend kontrolliert. Verboten sind zudem auch Großveranstaltungen – Regierungsveranstaltungen, Hochzeitsfeiern, Sportveranstaltungen – bei denen mehr als zehn Personen zusammenkommen würden (RA KBL 19.6.2020). In der Öffentlichkeit ist die Bevölkerung verpflichtet einen Nasen-Mund-Schutz zu tragen (AJ 8.6.2020).

Wirksame Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung von COVID-19 scheinen derzeit auf keiner Ebene möglich zu sein: der afghanischen Regierung zufolge, lebt 52% der Bevölkerung in Armut, während 45% in Ernährungsunsicherheit lebt (AF 24.6.2020). Dem Lockdown folge zu leisten, "social distancing" zu betreiben und zuhause zu bleiben ist daher für viele keine Option, da viele Afghan/innen arbeiten müssen, um ihre Familien versorgen zu können (AJ 8.6.2020).

Gesellschaftliche Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Auswirkungen

In Kabul, hat sich aus der COVID-19-Krise heraus ein "Solidaritätsprogramm" entwickelt, welches später in anderen Provinzen repliziert wurde. Eine afghanische Tageszeitung rief Hausbesitzer dazu auf, jenen ihrer Mieter/innen, die Miete zu reduzieren oder zu erlassen, die aufgrund der Ausgangsbeschränkungen nicht arbeiten konnten. Viele Hausbesitzer folgten dem Aufruf (AF 24.6.2020).

Bei der Spendenaktion „Kocha Ba Kocha“ kamen junge Freiwillige zusammen, um auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zu reagieren, indem sie Spenden für bedürftige Familien sammelten und ihnen kostenlos Nahrungsmittel zur Verfügung stellten. In einem weiteren Fall startete eine Privatbank eine Spendenkampagne, durch die 10.000 Haushalte in Kabul und andere Provinzen monatlich mit Lebensmitteln versorgt wurden. Außerdem initiierte die afghanische Regierung das sogenannte „kostenlose Brot“-Programm; bei dem bedürftige Familien – ausgewählt durch Gemeindeälteste – rund einen Monat lang mit kostenlosem Brot versorgt werden (AF 24.6.2020). In dem mehrphasigen Projekt, erhält täglich jede Person innerhalb einer Familie zwei Stück des traditionellen Brots, von einer Bäckerei in der Nähe ihres Wohnortes (TN 15.6.2020). Die Regierung kündigte kürzlich an, das Programm um einen weiteren Monat zu verlängern (AF 24.6.2020; vgl. TN 15.6.2020). Beispielsweise beklagten sich bedürftige Familien in der Provinz Jawzjan über Korruption im Rahmen dieses Projektes (TN 20.5.2020).

Weitere Maßnahmen der afghanischen Regierung

Schulen und Universitäten sind nach aktuellem Stand bis September 2020 geschlossen (AJ 8.6.2020; vgl. RA KBL 19.6.2020). Über Fernlernprogramme, via Internet, Radio und Fernsehen soll der traditionelle Unterricht im Klassenzimmer vorerst weiterhin ersetzen werden (AJ 8.6.2020). Fernlehre funktioniert jedoch nur bei wenigen Studierenden. Zum Einen können sich viele Familien weder Internet noch die dafür benötigten Geräte leisten und zum Anderem schränkt eine hohe Analphabetenzahl unter den Eltern in Afghanistan diese dabei ein, ihren Kindern beim Lernen behilflich sein zu können (HRW 18.6.2020).

Die großen Reisebeschränkungen wurden mittlerweile aufgehoben; die Bevölkerung kann nun in alle Provinzen reisen(RA KBL 19.6.2020). Afghanistan hat mit 24.6.2020 den internationalen Flugverkehr mit einem Turkish Airlines-Flug von Kabul nach Istanbul wieder aufgenommen; wobei der Flugplan aufgrund von Restriktionen auf vier Flüge pro Woche beschränkt wird (AnA 24.6.2020). Emirates, eine staatliche Fluglinie der Vereinigten Arabischen Emirate, hat mit 25.6.2020 Flüge zwischen Afghanistan und Dubai wieder aufgenommen (AnA 24.6.2020; vgl. GN 9.6.2020). Zwei afghanische Fluggesellschaften Ariana Airlines und der lokale private Betreiber Kam Air haben ebenso Flüge ins Ausland wieder aufgenommen (AnA 24.6.2020). Bei Reisen mit dem Flugzeug sind grundlegende COVID-19-Schutzmaßnahmen erforderlich (RA KBL 19.6.2020). Wird hingegen die Reise mit dem Auto angetreten, so sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich. Zwischen den Städten Afghanistans verkehren Busse. Grundlegende Schutzmaßnahmen nach COVID-19 werden von der Regierung zwar empfohlen – manchmal werden diese nicht vollständig umgesetzt (RA KBL 19.6.2020).

Seit 1.1.2020 beträgt die Anzahl zurückgekehrter Personen aus dem Iran und Pakistan: 339.742; 337.871 Personen aus dem Iran (247.082 spontane Rückkehrer/innen und 90.789 wurden abgeschoben) und 1.871 Personen aus Pakistan (1.805 spontane Rückkehrer/innen und 66 Personen wurden abgeschoben) (UNHCR 20.6.2020).

Situation in der Grenzregion und Rückkehr aus Pakistan

Die Grenze zu Pakistan war fast drei Monate lang aufgrund der COVID-19-Pandemie gesperrt. Mit 22.6.2020 erhielt Pakistan an drei Grenzübergängen erste Exporte aus Afghanistan: frisches Obst und Gemüse wurde über die Grenzübergänge Torkham, Chaman und Ghulam Khan nach Pakistan exportiert. Im Hinblick auf COVID-19 wurden Standardarbeitsanweisungen (SOPs – standard operating procedures) für den grenzüberschreitenden Handel angewandt (XI 23.6.2020). Der bilaterale Handel soll an sechs Tagen der Woche betrieben werden, während an Samstagen diese Grenzübergänge für Fußgänger reserviert sind (XI 23.6.2020; vgl. UNHCR 20.6.2020); in der Praxis wurde der Fußgängerverkehr jedoch häufiger zugelassen (UNHCR 20.6.2020).

Pakistanischen Behörden zufolge waren die zwei Grenzübergänge Torkham und Chaman auf Ansuchen Afghanistans und aus humanitären Gründen bereits früher für den Transithandel sowie Exporte nach Afghanistan geöffnet worden (XI 23.6.2020).

Situation in der Grenzregion und Rückkehr aus dem Iran

Die Anzahl aus dem Iran abgeschobener Afghanen ist im Vergleich zum Monat Mai stark gestiegen. Berichten zufolge haben die Lockerungen der Mobilitätsmaßnahmen dazu geführt, dass viele Afghanen mithilfe von Schmugglern in den Iran ausreisen. UNHCR zufolge, gaben Interviewpartner/innen an, kürzlich in den Iran eingereist zu sein, aber von der Polizei verhaftet und sofort nach Afghanistan abgeschoben worden zu sein (UNHCR 20.6.2020).

18.05.2020

Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten Informationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.

In 30 der 34 Provinzen Afghanistans wurden mittlerweile COVID-19-Fälle registriert (NYT 22.4.2020). Nachbarländer von Afghanistan, wie China, Iran und Pakistan, zählen zu jenen Ländern, die von COVID-19 besonders betroffen waren bzw. nach wie vor sind. Dennoch ist die Anzahl, der mit COVID-19 infizierten Personen relativ niedrig (AnA 21.4.2020). COVID-19 Verdachtsfälle können in Afghanistan aufgrund von Kapazitätsproblem bei Tests nicht überprüft werden – was von afghanischer Seite bestätigt wird (DW 22.4.2020; vgl. QA 16.4.2020; NYT 22.4.2020; ARZ KBL 7.5.2020). Auch wird die Dunkelziffer von afghanischen Beamten höher geschätzt (WP 20.4.2020). In Afghanistan können derzeit täglich 500 bis 700 Personen getestet werden. Diese Kapazitäten sollen in den kommenden Wochen auf 2.000 Personen täglich erhöht werden (WP 20.4.2020). Die Regierung bemüht sich noch weitere Testkits zu besorgen – was Angesicht der derzeitigen Nachfrage weltweit, eine Herausforderung ist (DW 22.4.2020).

Landesweit können – mit Hilfe der Vereinten Nationen – in acht Einrichtungen COVID-19-Testungen durchgeführt werden (WP 20.4.2020). Auch haben begrenzte Laborkapazitäten und -ausrüstung einige Einrichtungen dazu gezwungen Testungen vorübergehend einzustellen (WP 20.4.2020). Unter anderem können COVID-19-Verdachtsfälle in Einrichtungen folgender Provinzen überprüft werden: Kabul, Herat, Nangarhar (TN 30.3.2020) und Kandahar. COVID-19 Proben aus angrenzenden Provinzen wie Helmand, Uruzgan und Zabul werden ebenso an die Einrichtung in Kandahar übermittelt (TN 7.4.2020a).

Jahrzehntelange Konflikte in Afghanistan machen das Land anfällig für den Ausbruch von Krankheiten: nach wie vor ist Polio dort endemisch (als eines von drei Ländern weltweit) (WP 20.4.2020) außerdem ist das Gesundheitssystem fragil (AnA 21.4.2020; vgl. QA 16.4.2020; ARZ KBL 7.5.2020). Beispielsweise mangelt es an adäquaten Medikamenten für Patient/innen, die an COVID-19 erkrankt sind. Jedoch sind die wenigen Medikamente, die hierfür zur Verfügung stehen, kostenfrei (ARZ KBL 7.5.2020). Der landesweite Mangel an COVID-19-Testkits sowie an Isolations- und Behandlungseinrichtungen verdeutlichen diese Herausforderung (AnA 21.4.2020; vgl. ARZ KBL 7.5.2020). Landesweit stehen 10.400 Krankenhausbetten (BBC 9.4.2020) und 300 Beatmungsgeräte zur Verfügung (TN 8.4.2020; vgl. DW 22.4.2020; QA 16.4.2020). 300 weitere Beatmungsgeräte plant die afghanische Regierung zu besorgen. Weiters mangelt es an geschultem Personal, um diese medizinischen Geräte in Afghanistan zu bedienen und zu warten (DW 22.4.2020; vgl. ARZ KBL 7.5.2020). Engpässe bestehen bei den PPE (personal protective equipment), persönlichen Schutzausrüstungen für medizinisches Personal; außerdem wird mehr fachliches Personal benötigt, um Patient/innen auf den Intensivstationen zu betreuen (ARZ KBL 7.5.2020).

Aufgrund der Nähe zum Iran gilt die Stadt Herat als der COVID-19-Hotspot Afghanistans (DW 22.4.2020; vgl. NYT 22.4.2020); dort wurde nämlich die höchste Anzahl bestätigter COVID-19-Fälle registriert (TN 7.4.2020b; vgl. DW 22.4.2020). Auch hat sich dort die Anzahl positiver Fälle unter dem Gesundheitspersonal verstärkt. Mitarbeiter/innen des Gesundheitswesens berichten von fehlender Schutzausrüstung – die Provinzdirektion bestätigte dies und erklärtes mit langwierigen Beschaffungsprozessen (TN 7.4.2020b). Betten, Schutzausrüstungen, Beatmungsgeräte und Medikamente wurden bereits bestellt – jedoch ist unklar, wann die Krankenhäuser diese Dinge tatsächlich erhalten werden (NYT 22.4.2020). Die Provinz Herat verfügt über drei Gesundheitseinrichtungen für COVID-19-Patient/innen. Zwei davon wurden erst vor kurzem errichtet; diese sind für Patient/innen mit leichten Symptomen bzw. Verdachtsfällen des COVID-19 bestimmt. Patient/innen mit schweren Symptomen hingegen, werden in das Regionalkrankenhaus von Herat, welches einige Kilometer vom Zentrum der Provinz entfernt liegt, eingeliefert (TN 7.4.2020b). In Hokerat wird die Anzahl der Beatmungsgeräte auf nur 10 bis 12 Stück geschätzt (BBC 9.4.2020; vgl. TN 8.4.2020).

Beispiele für Maßnahmen der afghanischen Regierung

Eine Reihe afghanischer Städte wurde abgesperrt (WP 20.4.2020), wie z.B. Kabul, Herat und Kandahar (TG 1.4.2020a). Zusätzlich wurde der öffentliche und kommerzielle Verkehr zwischen den Provinzen gestoppt (WP 20.4.2020). Beispielsweise dürfen sich in der Stadt Kabul nur noch medizinisches Personal, Bäcker, Journalist/innen, (Nahrungsmittel)Verkäufer/innen und Beschäftigte im Telekommunikationsbereich bewegen. Der Kabuler Bürgermeister warnte vor "harten Maßnahmen" der Regierung, die ergriffen werden, sollten sich die Einwohner/innen in Kabul nicht an die Anordnungen halten, unnötige Bewegungen innerhalb der Stadt zu stoppen. Die Sicherheitskräfte sind beauftragt zu handeln, um die Beschränkung umzusetzen (TN 9.4.2020a).

Mehr als die Hälfte der afghanischen Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze (WP 22.4.2020): Aufgrund der Maßnahmen sorgen sich zehntausende Tagelöhner in Kabul und Herat um ihre Existenz. UNICEF zufolge, arbeiten allein in Kabul mindestens 60.000 Kinder, um das Familieneinkommen zu ersetzen (TG 1.4.2020). Offiziellen Schätzungen zufolge können z.B. in Herat-Stadt 150.000 Tagelöhner aufgrund des Lockdowns nicht arbeiten und haben somit kein Einkommen. Weil es in Herat an Ressourcen mangelt, um Hunderttausende zu ernähren, nimmt die Bevölkerung die Bedrohung durch das Virus nicht ernst. Zwar hat die Bevölkerung anfangs großzügig gespendet, aber auch diese Spenden werden weniger, nachdem die langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen auf Unternehmen sichtbar werden (NYT 22.4.2020).

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die International Organization for Migration (IOM) unterstützen das afghanische Ministerium für öffentliche Gesundheit (MOPH) (WHO MIT 10.5.2020; vgl. IOM 11.5.2020); die WHO übt eine beratende Funktion aus und unterstützt die afghanische Regierung in vier unterschiedlichen Bereichen während der COVID-19-Krise (WHO MIT 10.5.2020): 1. Koordination; 2. Kommunikation innerhalb der Gemeinschaften 3. Monitoring (durch eigens dafür eingerichtete Einheiten – speziell was die Situation von Rückkehrer/innen an den Grenzübergängen und deren weitere Bewegungen betrifft) und 4. Kontrollen an Einreisepunkten – an den 4 internationalen Flughäfen sowie 13 Grenzübergängen werden medizinische Kontroll- und Überwachungsaktivitäten durchgeführt (WHO MIT 10.5.2020; vgl. IOM 11.5.2020).

Taliban und COVID-19

Ein Talibansprecher verlautbarte, dass die Taliban den Konflikt pausieren könnten, um Gesundheitsbehörden zu erlauben, in einem von ihnen kontrollierten Gebiet zu arbeiten, wenn COVID-19 dort ausbrechen sollte (TN 2.4.2020; vgl. TD 2.4.2020). In der nördlichen Provinz Kunduz, hätten die Taliban eine Gesundheitskommision gegründet, die direkt in den Gemeinden das öffentliche Bewusstsein hinsichtlich des Virus stärkt. Auch sollen Quarantänezentren eingerichtet worden sein, in denen COVID-19-Verdachtsfälle untergebracht wurden. Die Taliban hätten sowohl Schutzhandschuhe, als auch Masken und Broschüren verteilt; auch würden sie jene, die aus anderen Gebieten kommen, auf COVID-19 testen (TD 2.4.2020). Auch in anderen Gebieten des Landes, wie in Baghlan, wird die Bevölkerung im Rahmen einer Informationsveranstaltung in der Moschee über COVID-19 informiert. Wie in der Provinz Kunduz, versorgen die Taliban die Menschen mit (Schutz)material, helfen Entwicklungshelfern dabei zu jenen zu gelangen, die in Taliban kontrollierten Gebieten leben und bieten sichere Wege zu Hilfsorganisationen, an (UD 13.3.2020).

Der Umgang der Taliban mit der jetzigen Ausnahmesituation wirft ein Schlaglicht auf den Modus Operandi der Truppe. Um sich die Afghanen in den von ihnen kontrollierten Gebieten gewogen zu halten, setzen die Taliban auf Volksnähe. Durch die Präsenz vor Ort machten die Islamisten das Manko wett, dass sie kein Geld hätten, um COVID-19 medizinisch viel entgegenzusetzen: Die Taliban können Prävention betreiben, behandeln können sie Erkrankte nicht (NZZ 7.4.2020).

Aktuelle Informationen zu Rückkehrprojekten

IOM Österreich unterstützt auch derzeit Rückkehrer/innen im Rahmen der freiwilligen Rückkehr. Aufgrund des stark reduzierten Flugbetriebs ist die Rückkehr seit April 2020 nur in sehr wenige Länder tatsächlich möglich. Neben der Reiseorganisation bietet IOM Österreich dabei, wie bekannt, Unterstützung bei der Ausreise am Flughafen Wien Schwechat an (IOM AUT 18.5.2020).

IOM Österreich bietet derzeit, aufgrund der COVID-19-Lage, folgende Aktivitäten an:

?        Qualitätssicherung in der Rückkehrberatung (Erarbeitung von Leitfäden und Trainings)

?        Unterstützung bei der freiwilligen Rückkehr und Reintegration im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten (Virtuelle Beratung, Austausch mit Rückkehrberatungseinrichtungen und Behörden, Monitoring der Reisemöglichkeiten) (IOM AUT 18.5.2020).

Das Projekt RESTART III – Unterstützung des österreichischen Rückkehrsystems und der Reintegration freiwilliger Rückkehrer/innen in Afghanistan“ wird bereits umgesetzt. Derzeit arbeiten die österreichischen IOM-Mitarbeiter/innen vorwiegend an der ersten Komponente (Unterstützung des österreichischen Rückkehrsystems) und erarbeiten Leitfäden und Trainingsinhalte. Die Unterstützung der freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan ist derzeit aufgrund fehlender Flugverbindungen nicht möglich. IOM beobachtet die Situation und steht diesbezüglich in engem Austausch mit den zuständigen Rückkehrberatungseinrichtungen und den österreichischen Behörden (IOM AUT 18.5.2020)

Mit Stand 18.5.2020, sind im laufenden Jahr bereits 19 Projektteilnehmer/innen nach Afghanistan zurückgekehrt. Mit ihnen, als auch mit potenziellen Projektteilnehmer/innen, welche sich noch in Österreich befinden, steht IOM Österreich in Kontakt und bietet Beratung/Information über virtuelle Kommunikationswege an (IOM AUT 18.5.2020).

Informationen von IOM Kabul zufolge, sind IOM-Rückkehrprojekte mit Stand 13.5.2020 auch weiterhin in Afghanistan operativ (IOM KBL 13.5.2020).

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 22.4.2020

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 17.3.2019). Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren. Nichtsdestotrotz, hat die afghanische Regierung wichtige Transitrouten verloren (USDOD 12.2019).

Der Konflikt in Afghanistan befindet sich nach wie vor in einer "strategischen Pattsituation", die nur durch Verhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban gelöst werden kann (SIGAR 30.1.2020). Die afghanische Regierung führte zum ersten Mal persönliche Gespräche mit den Taliban, inhaltlich wurde über den Austausch tausender Gefangener verhandelt; bis dahin hatten die beiden Seiten sich nur per Videokonferenz unterhalten (BBC 1.4.2020). Ein erster Schritt Richtung inner-afghanischer Verhandlungen, welcher Teil eines zwischen Taliban und US-Amerikanern unterzeichneten Abkommens ist (TD 2.4.2020). Die Gespräche fanden vor dem Hintergrund anhaltender Gewalt im Land statt (BBC 1.4.2020).

Für den Ber

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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