TE Bvwg Erkenntnis 2021/1/25 W249 2153031-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.01.2021
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Entscheidungsdatum

25.01.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
EMRK Art10
KOG §36
KOG §39
ORF-G §1 Abs3
ORF-G §10 Abs1
ORF-G §10 Abs5
ORF-G §10 Abs6
ORF-G §10 Abs7
ORF-G §35
ORF-G §36 Abs1 Z1 litb
ORF-G §36 Abs4
ORF-G §37 Abs1
ORF-G §37 Abs4
ORF-G §4 Abs5
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W249 2153031-1/27E

W249 2153031-2/26E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ingrid ZEHETNER als Vorsitzende sowie Vizepräsident Dr. Michael SACHS und Richter Mag. Eduard Hartwig PAULUS als Beisitzer über die Beschwerden des 1) Österreichischen Rundfunks und des 2) XXXX , beide vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid der Kommunikationsbehörde Austria vom XXXX , KOA XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Den Beschwerden wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

II. Die Beschwerde des XXXX gemäß § 36 Abs. 1 Z 1 lit. b ORF-G vom XXXX bei der belangten Behörde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Mit Schreiben vom XXXX erhob XXXX (im Folgenden „mitbeteiligte Partei“) bei der Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria; im Folgenden „belangte Behörde“) Beschwerde gegen den Österreichischen Rundfunk (ORF; im Folgenden „Erstbeschwerdeführer“) gemäß § 36 Abs. 1 Z 1 lit. b ORF-G und beantragte die Feststellung, dass der Erstbeschwerdeführer „dadurch, dass er durch den auf XXXX bezogenen Kommentar des XXXX in der XXXX vom XXXX
‚Ja ich fühle mich ehrlich gesagt eher hilflos, denn einerseits würde ich gerne die eigenen Parteimitglieder vom XXXX an einen Lügendetektor anschließen, um heraus zu finden, ob sie sich das denken, was vielleicht auch die Kürzestanalyse mancher Zuseher ist, in drei Worten nämlich: Er ist plemplem.‘

und durch die von der Sendungsmoderatorin XXXX im Anschluss an diesen Kommentar unterlassene Distanzierung von dieser persönlichen Beleidigung Bestimmungen des ORF-G, insbesondere die Bestimmungen des § 10 Abs 1, 5, 6 und 7 ORF-G, verletzt hat“.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom XXXX , KOA XXXX , wurde von der belangten Behörde ausgesprochen:

„1. Der Beschwerde vom XXXX wird gemäß § 35 und § 36 Abs. 1 Z 1 lit. b iVm § 37 Abs. 1 ORF-Gesetz (ORF-G), BGBI. Nr. 379/1984 idF BGBI. I Nr. 112/2015, Folge gegeben und es wird festgestellt, dass durch die auf XXXX bezogene Äußerung von XXXX in der Nachrichtensendung ‚ XXXX ‘ vom XXXX im Fernsehprogramm XXXX

‚Ja ich fühle mich ehrlich gesagt eher hilflos, denn einerseits würde ich gerne die eigenen Parteimitglieder vom XXXX an einen Lügendetektor anschließen, um heraus zu finden, ob sie sich das denken, was vielleicht auch die Kürzestanalyse mancher Zuseher ist, in drei Worten nämlich: Er ist plemplem.‘

von der sich der ORF nicht distanziert hat, die Bestimmung des § 4 Abs. 5 Z 3 iVm § 10 Abs. 7 ORF-G verletzt wurde.

2. Dem ORF wird gemäß § 37 Abs. 4 ORF-G innerhalb von sechs Wochen ab Rechtskraft dieses Bescheides aufgetragen, den Spruchpunkt 1. des Bescheides an einem Werktag im Fernsehprogramm XXXX in der Sendung ‚ XXXX ‘ durch Verlesung in folgender Weise zu veröffentlichen:

‚Die KommAustria hat aufgrund einer Beschwerde Folgendes festgestellt: Durch die am XXXX von XXXX im Rahmen der um XXXX Uhr im Fernsehprogramm XXXX ausgestrahlte Sendung ‚ XXXX ‘ getätigte Äußerung zu XXXX , welche eine polemische und unangemessene Formulierung enthielt und von der sich der ORF nicht distanziert hat, wurde das Objektivitätsgebot des ORF-Gesetzes verletzt.‘

3. Der KommAustria sind gemäß § 36 Abs. 4 ORF-G unverzüglich Aufzeichnungen dieser Veröffentlichung zum Nachweis der Erfüllung des Auftrages zur Veröffentlichung vorzulegen.“

Die belangte Behörde stellte den Gang des Verfahrens dar und traf Feststellungen zur Rundfunkteilnehmereigenschaft der mitbeteiligten Partei und der Unterstützer, zum Erstbeschwerdeführer sowie zu den Sendungen „ XXXX “ und „ XXXX am XXXX (vgl. Pkt. II.1.).

Rechtlich führte die belangte Behörde unter Verweis auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung (VfSlg 12.086/1989; 13.843/1994; 17.082/2003; 16.468/2002; 13.338/1993; sowie VwGH 10.11.2004, 2002/04/0053; 01.03.2005, 2002/04/0194; 15.09.2006, 2004/04/0074; 22.04.2009, 2007/04/0164) insbesondere aus, dass es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Interview um eine Sachanalyse handle, wobei sich die Sachlichkeit (Objektivität) einer Sendung grundsätzlich nach dem vorgegebenen Thema der Sendung bemesse. Bei der Beurteilung müsse im Sinne der gebotenen Gesamtbetrachtung stets der Gesamtzusammenhang berücksichtigt werden, der das Thema der Sendung bestimme. Dieser Gesamtkontext und der für den Durchschnittbetrachter daraus zu gewinnende Eindruck gebe der Beurteilung, ob die Gestaltung einer Sendung dem Objektivitätsgebot entsprochen habe, die Grundlage.

Thema der beschwerdegegenständlichen Analyse in der Sendung „ XXXX “ sei das – dieser Sendung vorangegangene – „ XXXX “ zwischen XXXX und XXXX wobei dabei auch die – generelle – Situation der politischen Partei XXXX im Hinblick auf den geplanten politischen Rückzug des XXXX beleuchtet werde.

Im Hinblick auf den von der mitbeteiligten Partei inkriminierten Kommentar des XXXX sei festzuhalten, dass dieser nicht als Nachricht, sondern als „analytischer Kommentar“ – innerhalb einer Nachrichtensendung – anzusehen sei. Ein Kommentar sei notgedrungen eine subjektive Bewertung von Information. Daher seien nur solche Kommentare und Sachanalysen zu beanstanden, die unter Verletzung journalistischer Sorgfaltspflichten auf unrichtigen Sachverhaltskonstellationen aufbauen oder abseits des Wertungsspielraums grob entstellte Sachinformationen transportieren würden (Twaroch/Buchner, Rundfunkrecht in Österreich5, E 33 zu § 2 RFG, mwN).

Zu prüfen sei jedoch, ob der konkrete, von der mitbeteiligten Partei beanstandete Kommentar („er ist plemplem“) – für sich genommen – eine Formulierung darstelle, die polemisch oder unangemessen sei und damit – unter Zugrundelegung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung – auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang gerechtfertigt werden könnte.

In diesem Zusammenhang sei zum einen wesentlich, dass sich der Dialog zwischen der Moderatorin und dem Politikwissenschaftler an dessen Ende von der Analyse des der Sendung vorangegangenen „ XXXX “ sowie der Vorgänge rund um das XXXX durch eine gezielte Fragestellung der Moderatorin auf die grundsätzliche „Analysefähigkeit“ des XXXX entferne.

Weiters sei die Wortbedeutung des – umgangssprachlichen – Wortes „plemplem“ einer Prüfung zu unterziehen. Das Österreichische Wörterbuch weise dabei als Bedeutung bzw. Synonyme dieses Adjektivs Folgendes auf: „(ugs) blöd, verrückt“ (vgl. Österreichisches Wörterbuch, 41. Auflage). Nach Ansicht der belangten Behörde stelle die vorliegende Erwähnung des Wortes „plemplem“ – in Bezug auf die Zuschreibung zu einer konkreten Person („Er [ XXXX ] ist plemplem“) – in angriffslustiger und auch überspitzter Form eine Aussage dar, die sich von der gebotenen Sachlichkeit einer Sachanalyse distanziere. Die Formulierung des Kommentars sei dabei durchaus abwertend gewählt worden und komme es damit für den Durchschnittskonsumenten zweifelsohne zu einer Bloßstellung der genannten Person.

Verstärkend dazu sei in diesem Zusammenhang nicht (nur) davon gesprochen worden, dass XXXX „plemplem“ sei, sondern diese Meinung und Interpretation der Person des XXXX sei als jene eines Teils der Öffentlichkeit („[…] was vielleicht auch die Kürzestanalyse mancher Zuseher ist, in drei Worten nämlich: Er ist plemplem“) darstellt worden. Nichts anderes könne auch für die Parteimitglieder des XXXX gelten, die XXXX zur Überprüfung der Beurteilung ihres Parteiobmanns an einen Lügendetektor anschließen würde. Im gegenständlichen Fall werde demnach eine „direkt“ getroffene Aussage bildlich ausgeschmückt und als vermeintlich öffentliche Meinung (der Parteimitglieder und mancher Zuseher) dargestellt, was für den Durchschnittsbetrachter eine verstärkte Wirkung entfalte.

Der Erstbeschwerdeführer sei im Rahmen einer Sachanalyse verpflichtet, ein zutreffendes Bild der Wirklichkeit zu zeichnen; diese Grenze sei im Hinblick auf die inkriminierte Äußerung, die eine polemische Aussage enthalte, überschritten worden, wodurch dem Objektivitätsgebot nicht entsprochen worden sei.

Dem Erstbeschwerdeführer sei die inkriminierte Aussage insofern zuzurechnen, als im Rahmen der Sendung keine Distanzierung vorgenommen worden sei, wobei es am Erstbeschwerdeführer gelegen wäre, für einen entsprechenden Ausgleich zu sorgen (VwGH 15.09.2006, 2004/04/0074).

Die belangte Behörde könne hingegen – entgegen der Auffassung der mitbeteiligten Partei – nicht finden, dass durch die inkriminierte Passage der Analyse § 10 Abs. 1 und 6 ORF-G verletzt seien.

3. Mit Beschwerde vom jeweils XXXX wurde der gegenständliche Bescheid sowohl vom Erstbeschwerdeführer, als auch vom XXXX (im Folgenden „Zweitbeschwerdeführer“) insbesondere wegen der Rechtswidrigkeit seines Inhalts angefochten. Es wurde der Antrag gestellt, das Bundesverwaltungsgericht möge „den angefochtenen Bescheid vom XXXX zu XXXX aufheben und die Beschwerde (damals an die KommAustria gerichtet) abweisen.“

Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdevorlage mit dem Verwaltungsakt am XXXX , hg. eingelangt am XXXX , vor. Die Beschwerden wurden der mitbeteiligten Partei und der belangten Behörde am XXXX vom Bundesverwaltungsgericht zur Kenntnis und allfälligen Stellungnahme übermittelt.

Die Beschwerdeführer brachten insbesondere folgende Beschwerdegründe vor:

?        § 4 Abs. 5 ORF-G regle, dass eigene Kommentare, Sachanalysen und Moderationen unter Wahrung des Grundsatzes der Objektivität erstellt werden müssten (Z 3). Hier werde schon evident, dass bereits im Gesetzestext zwischen der Moderation (im Konkreten der XXXX ) und der Sachanalyse (im Konkreten des XXXX ) unterschieden werde und es sich dabei um zwei völlig unterschiedliche Sendungsbestandteile handle. Die Vornahme von Wertungen sei wesentlicher Bestandteil eines analytischen Kommentars, da dessen Aufgabe nicht allein darin bestehe, Fakten wiederzugeben, sondern auch darin, aus den gewonnen Fakten entsprechende Schlüsse zu ziehen.

?        Thema der Analyse sei das „ XXXX “ bzw. „(a)bgeleitet aus den Aussagen von XXXX [...] auch die – generelle – Situation der politischen Partei XXXX im Hinblick auf den geplanten politischen Rückzug von XXXX “ gewesen. Das „ XXXX “ sei sohin Ausgangspunkt der Analyse des XXXX aber selbstverständlich beinhalte eine politikwissenschaftliche Analyse eines XXXX Minuten-Auftritts eines Politikers nicht isoliert diesen, sondern berücksichtige auch die politische Entwicklung im Vorfeld. Es sei daher unzulässig, wenn von der belangten Behörde dieser Teil des politischen Handelns aus dem Analysegegenstand und somit dem Thema ausklammert werde.

?        Aufgabe eines Politikwissenschaftlers sei es, öffentliche Meinungsbilder in die politische Analyse einzubeziehen. Die inkriminierte Aussage von XXXX stelle eine Zusammenfassung entsprechender Wählermeinungen dar bzw. gebe öffentliche Meinungsbilder wieder, wobei auch subjektive Wertungen der Wähler als mögliche Einschätzung erwähnt werden dürften. Objektiv zu berichten bedeute eben, ein zutreffendes Bild der Wirklichkeit zu zeichnen.

?        Kernpunkt der von der belangten Behörde erkannten Objektivitätsverletzung liege darin, dass sich die Moderatorin XXXX von den Äußerungen des XXXX nicht distanziert habe. Im Ergebnis bedeute dies, dass nach der Judikatur der belangten Behörde durch die Moderation eine Verletzung des Objektivitätsgebotes gesehen worden sei. Wie bereits dargelegt, seien die Moderation und die Sachanalyse völlig unabhängige Sendungsbestandteile (bzw. könnten dies sein). Nach dem ORF-G könne daher nicht eine Moderation aufgrund einer Sachanalyse unobjektiv sein bzw. eine Gesetzesverletzung darstellen.

?        Die Schlussfrage habe sich auch eindeutig generell auf Fernsehauftritte des XXXX nicht etwa nur auf das „ XXXX “, bezogen. Hier sei es die Einschätzung – und nicht etwa ein Sprachbild – des XXXX gewesen, dass manche Wähler/-innen und gerade politisch überdurchschnittlich interessierte „ XXXX “-Zuseher/-innen eine solche Wertung wie inkriminiert vornehmen würden. Die Tatsache, dass viele diese Meinung vertreten würden, sei objektivierbar. Es werde auch nicht die „vermeintlich öffentliche Meinung“ dargestellt, sondern die Meinung eines Teils der Bevölkerung („Kürzestanalyse mancher Zuseher“) und dies auch in der Sendung offengelegt.

4. Am XXXX erstattete die mitbeteiligte Partei eine Stellungnahme zu den Beschwerden der Beschwerdeführer vom XXXX ; diese wurde den Beschwerdeführern und der belangten Behörde am XXXX vom Bundesverwaltungsgericht zur Kenntnis und allfälligen Stellungnahme übermittelt.

Dabei wurden insbesondere die Beschwerdelegitimation des Zweitbeschwerdeführers in Frage gestellt und die Schlussfolgerungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid unterstützt, dass eine Verletzung des Sachlichkeits- und Objektivitätsgebotes durch den Erstbeschwerdeführer vorliege.

5. Mit Schreiben vom XXXX übermittelten die Beschwerdeführer eine ergänzende Stellungnahme; diese wurde der mitbeteiligten Partei und der belangten Behörde am XXXX vom Bundesverwaltungsgericht zur Kenntnisnahme und Vorbereitung auf die Beschwerdeverhandlung übermittelt.

Darin wurde insbesondere auf ein OGH-Urteil verwiesen, demgemäß Politiker in ihrer öffentlichen Eigenschaft eine größere Toleranz hinsichtlich kritischen Äußerungen als Privatpersonen zeigen müssten (OGH 22.12.2016, 6 Ob 245/16x).

In der verfahrensgegenständlichen Sendung sei es jedoch keinesfalls irgendjemandem darum gegangen, jemanden bloßzustellen. Zu berücksichtigen sei auch, dass die inkriminierte Äußerung von der Moderatorin unprovoziert getätigt worden sei. XXXX sei als externer Experte herangezogen worden, um aus politikwissenschaftlicher Sicht das „ XXXX “ zu analysieren, wobei der Erstbeschwerdeführer für diesen nicht einzustehen habe, weswegen es seitens der Moderatorin keine „Distanzierungspflicht“ gegeben habe (vgl. VwGH 15.09.2006, 2004/04/0074).

Weiters wurde auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte verwiesen (Beschwerde Nr. 38432/97, Abs. 58, vom 29.03.2001; Standard Verlags GmbH gegen Österreich, Beschwerde Nr. 1371/03; News gegen Österreich, Beschwerde 776918/01).

6. Am XXXX langte eine Replik der mitbeteiligten Partei beim Bundesverwaltungsgericht ein, worin im Wesentlichen die Argumentation der Beschwerdeführer in ihrer letzten Stellungnahme bestritten wurde. Diese Stellungnahme wurde den Beschwerdeführern und der belangten Behörde am XXXX vom Bundesverwaltungsgericht zur Kenntnisnahme und Vorbereitung auf die Beschwerdeverhandlung übermittelt.

7. Am XXXX fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, an der die Vertreterin der Beschwerdeführer, ein Rechtsvertreter der mitbeteiligten Partei, eine Vertreterin der belangten Behörde und ein Vertreter der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH teilnahmen.

8. Mit Erkenntnis vom 29.05.2020 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden als unbegründet ab.

Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht zunächst insbesondere aus, dass es sich beim Zweitbeschwerdeführer um eine Formalpartei handle, dem aufgrund § 39 Abs. 2 KOG Parteistellung (und Beschwerdelegitimation) zur Wahrung der Rechte des Erstbeschwerdeführers zukomme.

Zum Objektivitätsgebot hielt das Bundesverwaltungsgericht unter Zitierung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung im Wesentlichen fest, dass der Erstbeschwerdeführer durch die beanstandete Äußerung von XXXX („plemplem“) XXXX in seiner Persönlichkeit herabgesetzt und deswegen gegen das Objektivitätsgebot des § 4 Abs. 5 Z 3 iVm § 10 Abs. 7 ORF-G verstoßen habe. Das Bundesverwaltungsgericht ging davon aus, dass dem Erstbeschwerdeführer eine kritische Betrachtung des zuvor gesendeten XXXX “ in der nachfolgenden Nachrichtensendung unter Beiziehung eines selbst ausgewählten Politologen im Rahmen seiner journalistischen Freiheit nicht verwehrt sei und es sich bei der konkreten Aufarbeitung des ausgestrahlten Interviews mit XXXX um eine Sachanalyse gehandelt habe, die den Anforderungen des § 4 Abs. 5 Z 3 iVm § 10 Abs. 7 ORF-G genügen müsse. Für die vom Bundesverwaltungsgericht angenommene Verletzung dieser Vorschriften sei maßgeblich, dass Gegenstand der Analyse in der XXXX im Anschluss an das XXXX nicht auch die Person XXXX als solche und die Dimension seines politischen Wirkens und damit auch seine bisherige politische Entwicklung als XXXX -Obmann gewesen sei, sondern der Zuseher sich in erster Linie eine Einschätzung des vorangegangenen Fernsehauftrittes, der sich inhaltlich auf die politische Zukunft und nicht auf die politische Vergangenheit bezogen habe, erwartet habe. Die beanstandete Äußerung sei gegen eine einzelne politische Person im Rahmen einer Live-Analyse durch einen dem Erstbeschwerdeführer zuzuordnenden Politikwissenschafter erfolgt, von dem auf Grund seiner Funktion besondere Sachlichkeit erwartet werde. Daher gingen die Hinweise darauf, dass XXXX als Politiker im Interesse einer freien öffentlichen Debatte schärfere Angriffe hinnehmen müsse als Privatpersonen, fehl. Die negative Meinung über XXXX hätte XXXX auch auf andere Art und in einer mit dem Objektivitätsgebot im Einklang stehenden Wortwahl wiedergeben können.

9. Gegen dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts erhoben der Erst- und Zweitbeschwerdeführer am XXXX eine auf Art. 144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Meinungsäußerungs- und Rundfunkfreiheit behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht unterstelle den maßgeblichen Vorschriften, insbesondere den § 4 Abs. 5 Z 3 sowie § 10 Abs. 7 ORF-G, einen gegen Art. 10 EMRK verstoßenden Inhalt.

10. Mit Erkenntnis vom 10.12.2020, Zl. E 2281/2020-15, hob der Verfassungsgerichtshof das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.05.2020 auf, da die Beschwerdeführer durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Meinungsäußerungs- und Rundfunkfreiheit verletzt worden seien (s. II.3.4.).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Die folgenden Feststellungen des angefochtenen Bescheides (vgl. dessen Seiten 13 bis 16) werden vom Bundesverwaltungsgericht inhaltlich übernommen:

1.1. Erstbeschwerdeführer

Der Erstbeschwerdeführer ist gemäß § 1 Abs. 1 iVm Abs. 2 ORF-G eine Stiftung sui generis, deren Zweck die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags gemäß den §§ 3 bis 5 ORF-G darstellt.

1.2. Sendung „ XXXX “ am XXXX im Fernsehprogramm XXXX

Am XXXX strahlte der Erstbeschwerdeführer in seinem Fernsehprogramm XXXX von ca. XXXX Uhr bis XXXX Uhr die Sendung „ XXXX “ aus. Die Moderatorin XXXX diskutierte in dieser mit dem Parteichef des im Nationalrat vertretenen XXXX , XXXX .

Der Inhalt der Sendung konzentrierte sich im Wesentlichen auf ein Gespräch mit XXXX über sein Team sowie auf einen diesbezüglichen Ausblick in die Zukunft im Hinblick auf seine politischen Aktivitäten.

1.3. Sendung „ XXXX “ am XXXX im Fernsehprogramm XXXX mit der Analyse des Politikwissenschaftlers XXXX

In der auf die Sendung „ XXXX “ am XXXX nachfolgenden Sendung „ XXXX “ um XXXX Uhr hatte die Moderatorin XXXX den Politikwissenschaftler XXXX zu Gast, um die vorangegangene Live-Diskussion zu analysieren.

Das geführte Interview hatte folgenden Inhalt:

XXXX : „Und wir machen jetzt einen harten Schnitt, kommen zur österreichischen Innenpolitik und zum ersten XXXX dieses Jahres. Das hat ja gerade eben vor der XXXX stattgefunden. Der Gründer und Parteichef des XXXX , XXXX , war zu Gast bei XXXX , und zur Analyse der ‚ XXXX ‘ ist auch heuer wieder XXXX zu uns gekommen. Guten Abend.“

XXXX : „Guten Abend.“

XXXX : „Herr XXXX , man hat XXXX lange nicht gesehen, er taucht nur noch selten in Österreich auf, zuletzt im XXXX , da hat er uns mitgeteilt, dass er seinen politischen Rückzug plant, spätestens nach Ende dieser Legislaturperiode. Haben wir heute Abend erfahren, was denn aus diesem XXXX wird?“

XXXX : „Ja, allerdings wussten wir das schon vorher, politisch eine Art lebender Leichnam. Man muss ja nur den Parteinamen heranziehen. XXXX hat heute eine Art Abgesang, Rückblick voller Eigenlob, gestaltet und der XXXX der Partei XXXX ist sowieso der blanke Hohn, denn dieses XXXX war so stabil, dass im Vergleich dazu ein Kartenhaus eher stabiler ist und einen Betonbunker darstellt, weil da war ja ein Kommen und Gehen, dass sich die fast in einer Reihe hätten aufstellen müssen wöchentlich, damit man durchzählt, wer überhaupt noch beim XXXX ist. Das waren politische Glücksritter und Überläufer, die die Parteien teilweise gewechselt haben, bis zu vier Mal, wie andere Leute die Unterwäsche.“

XXXX : „Die Partei gibt es seit XXXX Jahren, seit XXXX Jahren ist so ein Zerbröselungsprozess im Gange, auch wichtige Mitstreiter wie zum Beispiel XXXX haben die Partei verlassen, sind zum Teil zu anderen Parteien übergelaufen. XXXX hatte XXXX auch auf seine Fehler angesprochen und da schauen wir jetzt einmal hinein.“

In der Folge wird eine kurze Sequenz des angesprochenen, davor stattgefundenen Gesprächs zwischen XXXX und XXXX aus der Sendung „ XXXX “ eingespielt.

XXXX : „Der Fehler war, dass ich, ich habe ja viele Aktivitäten auch in Amerika, meine Familie ist noch dort, meine Enkelkinder sind dort und, dass ich natürlich nicht so oft hier sein konnte. […]“

XXXX : „Also Parteichef aus der Ferne, funktioniert nicht so das Modell?“

XXXX : „Nein, das glaube ich, und dann war ich auch nicht so lange hier, dass ich die Leute besser kennen gelernt hätte. Nicht wenn ich hier gewohnt hätte, dann sieht man sich öfters, dann kann man sich das besser aussuchen. Natürlich war ich ein bisschen enttäuscht, dass Leute hier mit dabei waren, die hauptsächlich nur wegen dem Geld dabei waren.“

Danach wird das Gespräch aus dem „ XXXX “-Studio fortgesetzt:

XXXX : „Mein Fehler war, dass ich nicht so oft hier sein konnte, hat XXXX gesagt. War das wirklich sein größter Fehler?“

XXXX : „Nein, mit allem Respekt, der größte Fehler von XXXX war XXXX . Ich darf nur ein paar der heutigen Aussagen zusammenfassen: Er hat geglaubt, wir haben 300 statt 183 Nationalratsabgeordnete; er hat nicht gesagt, ob er bei der Präsidentschaftswahl eher für XXXX oder eher für XXXX ist; dafür war es bemerkenswert, wie unsicher er war, ob überhaupt der Präsident direkt gewählt wird, stattdessen kamen nicht ganz klare Aussagen, der Präsident soll irgendwas mit 20 000 Unterschriften tun. Und die Frage, ob ihm denn nun XXXX oder XXXX lieber ist, lassen wir einmal das XXXX ihm als Versprecher durchgehen, hat er beantwortet, die Finanz würde die Firmen nach Asien drängen. Das passt ja zu früheren Aussprüchen, wie beispielsweise die Neutralität brauchen wir, wenn die Chinesen einmarschieren, oder auf die Frage nach der Zukunft Europas hat er einmal gesagt: ‚Ja, die Hauptschuldirektoren sollen sich ihre Lehrer aussuchen.‘ Das ist also wirklich nur noch wirr.“

XXXX : „Er hat gesagt, man hätte so viel machen können und er hätte so viel machen wollen. Er habe mehrfach am Käfig gerüttelt, hat er gesagt, und als zentralen Fehler, kurz war es schon angesprochen, hat er immer wieder gesagt: Die Leute kennen mich zu wenig, die sollten mich einmal richtig kennen lernen. Kann man das wirklich gelten lassen? Welchen Parteichef, welchen Politiker, welche Politikerin kennen die Menschen denn schon so wirklich?“

XXXX : „Tut mir ehrlich leid, persönlich, das so hart sagen zu müssen, aber auch das ist Quatsch, denn erstens hat kaum ein Politiker einen so hohe Bekanntheitsgrad wie er gehabt und die Wähler wurden ja immer weniger, je mehr er auftrat und je bekannter er wurde über Medien.“

XXXX : „ XXXX Prozent hat das XXXX bei der letzten Nationalratswahl gehabt, schon seit längerem steht es in den Umfragen etwa bei XXXX Prozent. Gibt es in Österreich überhaupt genügend Platz, gäbe es den für eine Partei, wie XXXX sie erdacht hat, also eher wirtschaftsliberal, eher, aber trotzdem eine Protestpartei?“

XXXX : „Nicht für das XXXX . Gehen wir kurz mögliche Wahlmotive durch. Das Eine sind Kosten-Nutzen-Analysen, also eine Partei verspricht etwas, wovon ich mir persönlich einen Vorteil erwarte, beispielsweise Pensionserhöhungen, Steuersenkungen, mehr Sozialleistungen, was auch immer. Da hat das XXXX wenig Glaubwürdigkeit generell und außerdem glauben nur Fantasten, dass er das in der nächsten Regierung wirklich umsetzen kann, da muss man nämlich Koalitionspartner werden. Parteiloyalität als Wahlmotiv ist sowieso ein Widerspruch in sich bei einer Chaostruppe, die seit XXXX Jahren besteht. Und das Dritte, was Sie jetzt angesprochen haben, ein Gesellschaftsmodell wie Wirtschaftsliberalismus oder Sicherheit, das sagen andere auch, beim Wirtschaftsliberalismus XXXX , XXXX und auch XXXX , und beim Thema Sicherheit ist es sowieso immer derart, dass wenn man einen XXXX -Vertreter in eine Fernsehsendung einlädt, dann glaubt man, man hat versehentlich XXXX zwei Mal eingeladen und der sitzt jetzt doppelt da, denn es wird nur das nachgesagt, was die XXXX schon gesagt hat.“

XXXX : „Kurz zum Schluss, Sie haben einmal gesagt, an XXXX zerschellt jede Analysefähigkeit, Sie haben jetzt mehrere Minuten erfolgreich analysiert. Bleiben Sie dennoch bei dieser Analyse?“

XXXX : „Ja ich fühle mich ehrlich gesagt eher hilflos, denn einerseits würde ich gerne die eigenen Parteimitglieder vom XXXX an einen Lügendetektor anschließen um herauszufinden, ob sie sich das denken, was vielleicht auch die Kürzestanalyse mancher Zuseher ist, in drei Worten nämlich: Er ist plemplem. Dann wieder denke ich mir, die heutige Gesprächsatmosphäre war, auch wenn es inhaltlich nicht bewertbar war, ja doch recht angenehm, und er hat halt etwas versucht in hohem Alter, das er besser nicht hätte tun sollen.“

XXXX : „ XXXX , Sie sind auch nächste Woche wieder bei uns, dann hat XXXX den Chef der XXXX zu Gast, XXXX . Vielen Dank fürs Kommen.“

XXXX : „Bitte gerne.“

1.4. Stellung des XXXX zum Erstbeschwerdeführer

Bei XXXX handelt es sich nicht um einen journalistischen Mitarbeiter des Erstbeschwerdeführers, er ist nicht in die Redaktion der Nachrichtensendung XXXX eingebunden und trägt weder für diese Sendung noch für die damit in Zusammenhang stehende Sendung XXXX redaktionelle Verantwortung.

2. Beweiswürdigung

Die dem angefochtenen Bescheid entnommenen und vom Bundesverwaltungsgericht für zutreffend befundenen Feststellungen wurden weder in den Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht noch an den Verfassungsgerichtshof bemängelt und können daher auch dieser Entscheidung zugrunde gelegt werden.

Die Feststellungen der belangten Behörde zur Rundfunkteilnehmereigenschaft der mitbeteiligten Partei und der Unterstützer (im angefochtenen Bescheid unter Pkt. 2.1.) wurden vom Bundesverwaltungsgericht nicht übernommen, da die Beschwerdelegitimation der mitbeteiligten Partei zur Erhebung der verfahrenseinleitenden Beschwerde gemäß § 36 Abs. 1 Z 1 lit. b ORF-G von den Beschwerdeführern nicht in Frage gestellt wurde.

Die Feststellungen unter II.1.4. ergeben sich aus dem Vorbringen des Erstbeschwerdeführers im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor der belangten Behörde, sind unbestritten geblieben und wurden vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 10.12.2020, E 2281/2020-15, festgestellt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 36 KommAustria-Gesetz (KOG), BGBl. I Nr. 32/2001, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden in jenen Fällen, in denen die KommAustria belangte Behörde ist (§ 9 Abs. 2 VwGVG), durch Senat. Im gegenständlichen Fall richten sich die Beschwerden der Beschwerdeführer gegen einen Bescheid der KommAustria, die auch belangte Behörde im vorgenannten Sinne ist. Es besteht daher Senatszuständigkeit.

Gemäß § 38 VwGVG iVm § 39 Abs. 2 AVG wurden die vorliegenden Verfahren aus Gründen der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis zu einer gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Zu A)

3.2. Gesetzliche Grundlagen

3.2.1. Die im vorliegenden Fall relevanten Regelungen des Bundesgesetzes über den Österreichischen Rundfunk – ORF-Gesetz (ORF-G), BGBl. Nr. 379/1984 idF BGBl. I Nr. 10/2021, lauten auszugsweise:

„Stiftung ‚Österreichischer Rundfunk‘

§ 1. [...]

(3) Der Österreichische Rundfunk hat bei Erfüllung seines Auftrages auf die Grundsätze der österreichischen Verfassungsordnung, insbesondere auf die bundesstaatliche Gliederung nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Länder sowie auf den Grundsatz der Freiheit der Kunst, Bedacht zu nehmen und die Sicherung der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, der Berücksichtigung der Meinungsvielfalt und der Ausgewogenheit der Programme sowie die Unabhängigkeit von Personen und Organen des Österreichischen Rundfunks, die mit der Besorgung der Aufgaben des Österreichischen Rundfunks beauftragt sind, gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu gewährleisten.

[…]

Öffentlich-rechtlicher Kernauftrag

§ 4. [...]

(5) Der Österreichische Rundfunk hat bei Gestaltung seiner Sendungen und Angebote weiters für

1. eine objektive Auswahl und Vermittlung von Informationen in Form von Nachrichten und Reportagen einschließlich der Berichterstattung über die Tätigkeit der gesetzgebenden Organe und gegebenenfalls der Übertragung ihrer Verhandlungen;

2. die Wiedergabe und Vermittlung von für die Allgemeinheit wesentlichen Kommentaren, Standpunkten und kritischen Stellungnahmen unter angemessener Berücksichtigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen;

3. eigene Kommentare, Sachanalysen und Moderationen unter Wahrung des Grundsatzes der Objektivität

zu sorgen.

[…]

Inhaltliche Grundsätze

§ 10. (1) Alle Sendungen des Österreichischen Rundfunks müssen im Hinblick auf ihre Aufmachung und ihren Inhalt die Menschenwürde und die Grundrechte anderer achten.

[...]

(4) Die umfassende Information soll zur freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung im Dienste des mündigen Bürgers und damit zum demokratischen Diskurs der Allgemeinheit beitragen.

(5) Die Information hat umfassend, unabhängig, unparteilich und objektiv zu sein. Alle Nachrichten und Berichte sind sorgfältig auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen, Nachricht und Kommentar deutlich voneinander zu trennen.

(6) Die Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen ist angemessen zu berücksichtigen, die Menschenwürde, Persönlichkeitsrechte und Privatsphäre des Einzelnen sind zu achten.

(7) Kommentare, Analysen und Moderationen haben sachlich zu sein und auf nachvollziehbaren Tatsachen zu beruhen.

[…]“

3.2.2. Die im vorliegenden Fall relevante Regelung des Bundesgesetzes über die Einrichtung einer Kommunikationsbehörde Austria („KommAustria“) (KommAustria-Gesetz – KOG), BGBl. I Nr. 32/2001 idF BGBl. I Nr. 150/2020, lautet auszugsweise:

„Verfahrensvorschriften

§ 39. […]

(2) Dem Generaldirektor des Österreichischen Rundfunks oder einem von ihm bestellten Vertreter kommt im Verfahren vor der KommAustria und vor dem Bundesverwaltungsgericht, soweit es sich um ein Verfahren auf Grund der Bestimmungen des ORF-Gesetzes handelt, jedenfalls Parteistellung zur Wahrung der Rechte des Österreichischen Rundfunks zu.

[…]“

3.3. Zur Beschwerdelegitimation des Zweitbeschwerdeführers

Während der Zweitbeschwerdeführer XXXX davon ausgegangen ist, dass er im Beschwerdefall beschwerdelegitimiert sei, vertrat die mitbeteiligte Partei in ihrem Schriftsatz vom XXXX die Ansicht, dass diesem nicht das Recht auf Beschwerdeerhebung zustehe, weil nicht ersichtlich sei, in welchen einfach- oder verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten er durch den bekämpften Bescheid, der sich ausschließlich an den Erstbeschwerdeführer richte, verletzt worden sei.

Das Bundesverwaltungsgericht hält dazu fest, dass § 39 Abs. 2 KOG dem Zweitbeschwerdeführer im Verfahren vor der belangten Behörde und vor dem Bundesverwaltungsgericht, soweit es sich um ein Verfahren aufgrund der Bestimmungen des ORF-Gesetzes handelt, Parteistellung zur Wahrung der Rechte des Erstbeschwerdeführers verleiht. Es handelt sich sohin beim Zweitbeschwerdeführer um eine Formalpartei, deren Rolle gerade nicht die Vertretung eigener materieller subjektiver Rechte ist, sondern die Wahrung der objektiven Rechtmäßigkeit durch den das Verfahren abschließenden Bescheid bzw. die Wahrnehmung bestimmter öffentlicher Interessen in diesem Zusammenhang (VwGH 21.11.2001, 2001/08/0150; 25.07.2003, 2002/02/0281); nur zu diesem Zweck sind Formalparteien am Verfahren beteiligt, ohne ein rechtliches Interesse in der Sache selbst geltend machen zu können (Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit 89; vgl. auch VwSlg 13.487 A/1991).

Der Zweitbeschwerdeführer wird mit § 39 Abs. 2 KOG explizit vom Gesetzgeber zur Erhebung einer Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht im Rahmen seiner (beschränkten) Befugnisse als Formalpartei, d.h. betreffend die Wahrung der Rechte des Erstbeschwerdeführers, berechtigt. Eine allenfalls mangelnde Beschwerdelegitimation wurde auch vom Verfassungsgerichthof in seinem Erkenntnis vom 10.12.2020, E 2281/2020-15, nicht aufgegriffen.

Gegenständlich mangelte es dem Zweitbeschwerdeführer daher nicht an der für die zulässige Erhebung eines Rechtsmittels nötigen Beschwerdelegitimation.

3.4. Zum Objektivitätsgebot

3.4.1. Verfahrensgegenständlich ist die durch den Erstbeschwerdeführer gestaltete und am XXXX um XXXX Uhr im XXXX übertragene Nachrichtensendung „ XXXX “, konkret die dort vorgenommene politische Analyse des Studiogastes Politikwissenschaftler XXXX hinsichtlich des vorangegangenen Interviews zwischen dem Vorsitzenden der – inzwischen aufgelösten – politischen Partei XXXX , XXXX , und der Moderatorin XXXX in der Sendung „ XXXX “ von ca. XXXX bis XXXX Uhr im XXXX .

3.4.2. Der Verfassungsgerichtshof hat dazu in seinem Erkenntnis vom 10.12.2020, E 2281/2020-15, hinsichtlich des Objektivitätsgebotes Folgendes ausgeführt:

Der Erstbeschwerdeführer hat nach § 4 Abs. 5 ORF-G bei der Gestaltung seiner Sendungen und Angebote unter anderem für die Wiedergabe und Vermittlung von für die Allgemeinheit wesentlichen Kommentaren, Standpunkten und kritischen Stellungnahmen unter angemessener Berücksichtigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen (Z 2) und für eigene Kommentare, Sachanalysen und Moderationen unter Wahrung des Grundsatzes der Objektivität (Z 3) zu sorgen. § 10 Abs. 7 ORF-G zufolge haben Kommentare, Analysen und Moderationen sachlich zu sein und auf nachvollziehbaren Tatsachen zu beruhen. (RZ 17)

Diese im Interesse der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung und der Berücksichtigung der Meinungsvielfalt im Sinne des Art. I Abs. 2 BVG Rundfunk stehenden gesetzlichen Konkretisierungen des Objektivitätsgebotes tragen der Stellung des Erstbeschwerdeführers als öffentlich-rechtlicher Rundfunkveranstalter ebenso Rechnung wie seiner durch Art. 10 EMRK gewährleisteten besonderen Funktion als „public watchdog“ in der demokratischen Gesellschaft. Daher zählen nicht nur eine entsprechend umfassende Informationsvermittlung zum Kernauftrag des Erstbeschwerdeführers, sondern auch die Wiedergabe und Vermittlung von für die Allgemeinheit wesentlichen Kommentaren, Standpunkten und kritischen Stellungnahmen Dritter ebenso wie eigene Kommentare und Sachanalysen. Während § 4 Abs. 5 Z 2 ORF-G für die Wiedergabe und Vermittlung von Kommentaren und Stellungnahmen Dritter insbesondere eine angemessene Berücksichtigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen verlangt (VwSlg. 16.999 A/2006, 18.545 A/2012), stellt § 4 Abs. 5 Z 3 ORF-G eigene Kommentare und Sachanalysen des ORF unter ein spezielles Gebot der Objektivität. (RZ 18)

Das allgemeine Objektivitätsgebot des § 4 Abs. 5 ORF-G ist also differenziert zu sehen, je nachdem, welche Stellung demjenigen, der Kommentare oder Stellungnahmen und Sachanalysen vornimmt, in Bezug auf den Erstbeschwerdeführer zukommt (vgl. schon VfSlg. 17.082/2003). Erfolgt ein Kommentar oder eine Stellungnahme bzw. Sachanalyse von einer Person, die von den Sendungsverantwortlichen zu einer solchen Beurteilung in der Sendung eingeladen wird, die aber selbst in die redaktionelle Verantwortung nicht eingebunden ist, also in diesem Sinn von einem vom Erstbeschwerdeführer unabhängigen Dritten, so bemisst sich die (Auswahl-)Verantwortung des Erstbeschwerdeführers gemäß § 4 Abs. 5 Z 2 ORF-G insbesondere unter Vielfaltsgesichtspunkten. Handelt es sich demgegenüber um unmittelbar dem Erstbeschwerdeführer zuzurechnende, weil redaktionell verantwortliche Personen, trifft den Erstbeschwerdeführer insbesondere die (Inhalts-)Verantwortung nach § 4 Abs. 5 Z 3 ORF-G. Dabei kommt es auf die Beurteilung der jeweils in Rede stehenden Äußerungen in ihrem Gesamtzusammenhang im Hinblick auf Art und Inhalt der betreffenden Sendung und das Thema an, zu dem im Konkreten Kommentar und Sachanalyse erfolgen, wobei die durch Art. 10 EMRK geschützte journalistische Gestaltungs- und Meinungsäußerungsfreiheit immer zu berücksichtigen ist (siehe VfSlg. 12.086/1989). (RZ 19)

3.4.3. Stellung des XXXX zum Erstbeschwerdeführer

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 10.12.2020, E 2281/2020-15, weiters Folgendes ausgesprochen:

Zunächst ist zu bestimmen, welche Stellung dem vom Erstbeschwerdeführer in die Sendung XXXX eingeladenen Politikwissenschafter XXXX als Interviewpartner der „ XXXX “-Moderatorin zukommt: (RZ 20)

Unstrittig ist geblieben, dass es sich bei Politikwissenschafter XXXX nicht um einen journalistischen Mitarbeiter des Erstbeschwerdeführers handelt, der in die Redaktion der Nachrichtensendung XXXX eingebunden ist und für diese Sendung oder für die damit in Zusammenhang stehende Sendung „ XXXX redaktionelle Verantwortung trägt. (RZ 21)

Ausschlaggebend dafür, ob die beanstandeten Äußerungen von Politikwissenschafter XXXX am Maßstab der Z 2 oder der Z 3 des § 4 Abs. 5 ORF-G zu messen sind, ist zunächst allein der Umstand, dass dieser nicht in den Redaktionszusammenhang der einschlägigen Sendungen eingebunden ist und er an der redaktionellen Gestaltung der Sendungen nicht mitwirkt. Er ist Gast in der Sendung und Interviewpartner der „ XXXX Moderatorin. Es ist zwar davon auszugehen, dass die Zuseher XXXX als Experten wahrnehmen, der auf Grund seiner wissenschaftlichen Expertise um eine Analyse und Beurteilung gebeten wird; das macht ihn aber auch aus dem Blickwinkel der Zuseher noch nicht zum Teil des die Nachrichtensendung XXXX gestaltenden Redaktionsteams des Erstbeschwerdeführers, wird doch seine Rolle als „Studiogast“ auch im Gesamtzusammenhang der einschlägigen Nachrichtensendungen des Erstbeschwerdeführers entsprechend deutlich. (RZ 23)

Es handelt sich daher bei den Äußerungen von XXXX in der in Rede stehenden Sendung nicht um „eigene“ Kommentare oder Sachanalysen des Erstbeschwerdeführers (§ 4 Abs. 5 Z 3 ORF-G), sondern der Erstbeschwerdeführer kommt mit der Einladung von XXXX in die Sendung seiner Aufgabe der Vermittlung von für die Allgemeinheit wesentlichen Kommentaren, Standpunkten und kritischen Stellungnahmen im Sinne des § 4 Abs. 5 Z 2 ORF-G nach. Die Rolle von XXXX als „Studiogast“ und Interviewpartner der „ XXXX Moderatorin unterscheidet sich somit auch von Konstellationen, in denen im Zuge einer vergleichbaren Nachrichtensendung journalistische Mitarbeiter des Erstbeschwerdeführers für den Moderator der Nachrichtensendung als Gesprächspartner zur Verfügung stehen oder in denen Mitglieder einer ORF-Redaktion in dieser Funktion für eigene Kommentare oder Sachanalysen herangezogen werden. (RZ 24)

Die Äußerungen und Beurteilungen, die XXXX im hier einschlägigen Zusammenhang in der Nachrichtensendung getätigt hat, sind daher inhaltlich grundsätzlich nicht dem Erstbeschwerdeführer, sondern ihm selbst zuzurechnen. (RZ 25)

3.4.4. Prüfung nach den Bestimmungen des Objektivitätsgebotes

Somit ist im vorliegenden Verfahren ausschließlich die Verletzung von Bestimmungen des ORF-G durch den Erstbeschwerdeführer zu beurteilen, wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 10.12.2020, E 2281/2020-15, ausgeführt hat: Einerseits, ob die in der Sendung getätigte Äußerung von XXXX die nach § 10 Abs. 7 ORF-G gebotene sachliche Form und den gebotenen Sachzusammenhang zum Thema der Sendung nicht gewahrt hätte und ob andererseits die Moderatorin eine „Distanzierungspflicht“ nach § 4 Abs. 5 Z 3 ORF-G getroffen hätte.

Dazu hat der Verfassungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis wie folgt ausgesprochen:

3.4.4.1. Im Hinblick auf § 4 Abs. 5 Z 2 ORF-G trifft den Erstbeschwerdeführer für die Äußerungen von XXXX in der hier vorliegenden Sendung insbesondere eine (Auswahl-)Verantwortung im Hinblick auf eine angemessene Berücksichtigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen, wenn er ihm eine zwar nicht alleinige, aber doch qualifizierte Deutungshoheit über Geschehnisse aus politikwissenschaftlicher Sicht zuerkennt und anvertraut. Dabei können etwa vertragliche Bindungen zur Sicherung der Unparteilichkeit des Experten ebenso eine Rolle spielen, wie es entscheidend auf den Gesamtzusammenhang der einschlägigen Sendungen des Erstbeschwerdeführers insgesamt ankommt. (RZ 26)

Eine gewisse inhaltliche, unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Objektivitätsgebotes des § 4 Abs. 5 ORF-G wahrzunehmende Verantwortung für Kommentare und Stellungnahmen durch Dritte im Sinne des § 4 Abs. 5 Z 2 ORF-G trifft den Erstbeschwerdeführer aber insoweit, als gemäß § 10 Abs. 1 ORF-G alle Sendungen, mithin auch Kommentare und Stellungnahmen gemäß § 4 Abs. 5 Z 2 ORF-G, die Menschenwürde und die Grundrechte anderer zu achten haben (vgl. auch § 10 Abs. 6 ORF-G). Weiters stellt § 10 Abs. 7 ORF-G an Kommentare und Analysen, somit auch an entsprechende Expertenstellungnahmen im Sinne des § 4 Abs. 5 Z 2 ORF-G, wie im vorliegenden Zusammenhang durch XXXX , gewisse Anforderungen an die Sachlichkeit und nachvollziehbare Tatsachenbasiertheit. (RZ 27)

Die Qualifizierung der beanstandeten Äußerung des XXXX als eine Verletzung des Gebotes der Sachlichkeit und Objektivität, für das der Erstbeschwerdeführer einzustehen hätte, würde den einschlägigen Bestimmungen des ORF-G aber einen mit den für die Auslegung dieser Regelungen maßgeblichen Schranken des Art. 10 EMRK nicht zu vereinbarenden Inhalt unterstellen. Die beanstandete Meinungsäußerung findet nämlich im Gesamtzusammenhang des Themas des Interviews und in dem das Thema mitbestimmenden vorangegangenen „ XXXX “ eine Grundlage, die der Beurteilung des Experten ein nachvollziehbares Sachsubstrat bietet, und die verwendete Formulierung wahrt die Grenzen des § 10 Abs. 1 und Abs. 6 ORF-G iVm Art. 10 Abs. 2 EMRK: (RZ 28)

Das in Rede stehende Interview beginnt mit einer Einschätzung der Zukunftsaussichten des XXXX und von dessen Parteiobmann zum damaligen Zeitpunkt. In der Folge geht XXXX insbesondere auf Fehler im Sinne von tatsächlichen Unrichtigkeiten, politischen Unsicherheiten und nicht nachvollziehbaren Aussagen des Parteiobmannes XXXX im vorangehenden „ XXXX bzw. sonst in dieser Funktion ein und qualifiziert einige davon als „wirr“. Die von XXXX im XXXX geäußerte Einschätzung, die Leute würden ihn zu wenig kennen, qualifiziert XXXX mit Hinweis darauf, dass kaum ein Politiker einen so hohen Bekanntheitsgrad wie XXXX aufzuweisen habe, als unzutreffend. Anschließend analysiert der Politikwissenschafter, welche Chancen für eine eher XXXX in der österreichischen Parteienlandschaft bestünden. (RZ 29)

Das Thema, das durch die Sendung „ XXXX für die nachfolgende Analyse durch den Politikwissenschafter in der Sendung XXXX aufgespannt wird, beinhaltet nicht nur das konkrete, von einer ORF-Journalistin mit XXXX im Zuge der „ XXXX geführte Interview als solches, sondern schließt den Gesamtkontext der politischen Tätigkeit der von XXXX geführten, im Nationalrat vertretenen politischen Partei, ihre bisherige politische Entwicklung und das zukünftige Konzept ebenso mit ein. Wenn sich ein Spitzenpolitiker wie hier der Obmann einer (zum damaligen Zeitpunkt) im Parlament vertretenen Partei einer, nicht auf einen konkreten Anlass bezogenen, politischen Diskussion wie in den „ XXXX stellt, dann werden damit der Gesamtkontext der politischen Tätigkeit der von ihm geführten politischen Partei, ihre bisherige politische Entwicklung und das zukünftige Konzept dieser Partei ebenso zum Thema gemacht wie die politische Bedeutung des Parteiobmannes und die öffentliche Wahrnehmung seiner Funktion. (RZ 30)

Angesichts der im Zuge seiner Beurteilung von XXXX mehrfach thematisierten, im Einzelnen zumindest schwer nachvollziehbaren Aussagen des Parteiobmannes bezieht sich die Äußerung „plemplem“ deutlich auf diesen in der Analyse thematisierten Eindruck einer gewissen „Verwirrtheit“ des Parteiobmannes. Sie erfolgt damit im Sachzusammenhang mit dem Thema des Interviews und zielt auf die politische Funktion und deren Wahrnehmung durch den Politiker und nicht etwa losgelöst davon auf die unmittelbare Privat- oder Persönlichkeitssphäre des XXXX . Gibt der Politiker durch sein Verhalten und seine Äußerungen dazu Anlass, muss es der entsprechenden Beurteilung im Interesse jenes freien öffentlichen Diskurses, den Art. 10 EMRK gewährleistet, auch möglich sein, darauf hinzuweisen, „dass der Kaiser nackt ist“. (RZ 31)

Angesichts der Maßstäbe, die ein in der Öffentlichkeit stehender Spitzenpolitiker an öffentlicher Auseinandersetzung und, auch in scharfer, polemischer und angriffiger Form vorgetragener, Kritik gegen sich gelten lassen muss (vgl. in ständiger Rechtsprechung EGMR 8.7.1988, Fall Lingens, Appl. 9815/82, EuGRZ 1986, 424 [Z 42]; 23.5.1991, Fall Oberschlick [Nr. 1], Appl. 11.662/85, EuGRZ 1991, 216 [Z 59]; 26.2.2002, Fall Unabhängige Initiative Informationsvielfalt, Appl. 28.525/95, MR 2002, 149 [Z 36] sowie VfSlg. 12.086/1989), bleibt die für sich pointierte und polemische Wortwahl im Gesamtzusammenhang innerhalb dessen, was im Rahmen einer Stellungnahme wie der von XXXX im vorliegenden Zusammenhang gegenüber einem Politiker nach Art. 10 EMRK zulässig ist. (RZ 32)

Eine Äußerung wie die hier vorliegende durch den Interviewpartner XXXX in der konkreten Sendungssituation als gegen § 4 Abs. 5 iVm § 10 Abs. 7 ORF-G verstoßend zu qualifizieren, ist somit in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse jener Zielsetzungen, die die genannten Regelungen tragen, im Lichte des Art. 10 Abs. 2 EMRK nicht notwendig. (RZ 33)

3.4.4.2. Grundsätzlich besteht, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bereits mehrfach festgehalten hat (siehe EGMR 14.12.2006, Fall Verlagsgruppe News GmbH, Appl. 76.918/01, NL 2006, 311 [Z 33]; 14.2.2008, Fall July and Sarl Libération, Appl. 20.893/03 [Z 71]; 4.12.2018, Fall Magyar Jeti Zrt, Appl. 11.257/16, NLMR 2018, 539 [Z 80]), keine Verpflichtung eines Journalisten, sich vom Inhalt einer Äußerung eines Dritten, die er in Form einer Stellungnahme oder eines Zitates wiedergibt oder die er in einer Interviewsituation als Antwort erhält, in dem Sinn „zu distanzieren“, dass der Journalist Aussagen des Dritten bzw. seines Gegenübers relativieren müsste, weil sie „verletzen, schockieren oder beunruhigen“. Auch nach dem spezifisch für den ORF geltenden Objektivitätsgebot des § 4 Abs. 5 Z 3 ORF-G ist demgemäß ein journalistischer Mitarbeiter, etwa eine Moderatorin einer Nachrichtensendung wie im vorliegenden Zusammenhang, nicht gehalten, Aussagen ihres Interviewpartners über Dritte laufend zu bewerten und gegebenenfalls zu relativieren. Das schließt selbstverständlich nicht aus, dass ein interviewender Moderator in Wahrnehmung seiner journalistischen Funktion kritisch nachfrägt und einer pointierten Meinung des Interviewpartners andere Meinungen oder auch seine eigene entgegensetzt. Er ist dazu aber durch das Objektivitätsgebot grundsätzlich nicht verpflichtet. (RZ 35)

Eine Reaktionsnotwendigkeit kann sich aus dem Objektivitätsgebot des § 4 Abs. 5 ORF-G nur in besonderen Konstellationen ergeben. So etwa im Hinblick auf das Gebot der angemessenen Berücksichtigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen im Sinne des § 4 Abs. 5 Z 2 ORF-G, wenn angesichts der Zusammensetzung etwa einer Gesprächsrunde in einer Sendung oder auch eines Einzelinterviews darauf hinzuweisen ist, dass Dritte, über die entsprechend wertende Aussagen abgegeben werden, nicht anwesend sind und daher nicht reagieren können. Erforderlich ist eine solche Reaktion freilich nur dann, wenn im Gesamtzusammenhang des Sendungsangebotes und angesichts der Möglichkeiten der betroffenen Personen, sich in der öffentlichen Diskussion Gehör zu verschaffen, nicht davon auszugehen ist, dass den Betroffenen eine entsprechende Darstellung ihrer Sichtweise und damit eine vergleichbar öffentliche Reaktion ohnehin möglich ist. Solches ist bei einem Spitzenpolitiker, der in der öffentlichen medialen Aufmerksamkeit steht und diese auch regelmäßig sucht, von vorneherein anzunehmen, soweit nicht Äußerungen in Rede stehen, die offensichtlich im Sinne des § 10 Abs. 1 bzw. Abs. 6 ORF-G die Menschenwürde oder elementare Persönlichkeitsrechte verletzen oder sonst gegen vergleichbare Verfassungsgrundsätze verstoßen. Auch kann unter besonderen Umständen zur Wahrung von Vielfalt und Ausgewogenheit das Objektivitätsgebot für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Vorwahlzeiten erfordern, eine von der Moderatorin am Schluss einer Unterhaltungssendung geäußerte konkrete Wahlempfehlung im Anschluss an die Sendung als nicht vom ORF vertreten zu relativieren (VfSlg. 17.082/2003). (RZ 36)

Selbst wenn man die in Rede stehende Äußerung des XXXX als Verstoß des ORF gegen § 4 Abs. 5 iVm § 10 Abs. 7 ORF-G sehen wollte, weil die Anforderungen an die faktenbasierte Nachvollziehbarkeit oder die Grenzen auch kritischer Wortwahl bei einer Sachanalyse nicht eingehalten wären, liegt bei den hier in Rede stehenden Äußerungen jedenfalls kein Fall vor, der den in einer entsprechenden Reaktionspflicht liegenden Eingriff in die journalistische Gestaltungsfreiheit des Erstbeschwerdeführers und seiner Moderatorin im Lichte des Art. 10 Abs. 2 EMRK rechtfertigen würde. Eine gravierende Missachtung der unmittelbaren Persönlichkeits- und Privatsphäre von XXXX abseits seiner politischen Funktion(swahrnehmung), die allenfalls im Hinblick auf Art. 10 Abs. 1 und Abs. 6 ORF-G eine Reaktion der Moderatorin erfordern könnte, liegt jedenfalls nicht vor. Die Annahme einer „Distanzierungspflicht“ dahingehend, dass die Moderatorin gegenüber ihrem Interviewpartner sofort „Meinungsvielfalt“ herzustellen hätte, wäre – für Rundfunkunternehmen im Allgemeinen wie für ein öffentlich-rechtliches Rundfunkunternehmen im Besonderen – mit der durch Art. 10 EMRK gewährleisteten Freiheit der Rundfunkunternehmen und ihrer journalistischen Tätigkeit nicht zu vereinbaren, würde es doch das (außenplurale) Konzept des Art. 10 EMRK eines Wettstreites freier Meinungsäußerungen grundsätzlich verkennen. (RZ 37)

3.5. Ergebnis

Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 10.12.2020, E 2281/2020-15, ausgesprochen hat, hat der Erstbeschwerdeführer durch die beanstandete Äußerung von XXXX („plemplem“) nicht gegen das Objektivitätsgebot verstoßen und im Rahmen des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Meinungsäußerungs- und Rundfunkfreiheit gemäß Art. 10 EMRK agiert.

Eine (weitere) Verhandlung war angesichts des unstrittigen maßgeblichen Sachverhalts nicht durchzuführen und war mit dem vorliegenden Erkenntnis lediglich die Rechtsfrage der Einhaltung des Objektivitätsgebotes anhand des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 10.12.2020, E 2281/2020-15, zu entscheiden.

Aus dargelegten Gründen war den Beschwerden des Erst- und Zweitbeschwerdeführers seitens des Bundesverwaltungsgerichts Folge zu geben und der angefochtene Bescheid der belangten Behörde ersatzlos zu beheben. Unter einem war die ursprüngliche Beschwerde des XXXX gemäß § 36 Abs. 1 Z 1 lit. b ORF-G vom XXXX die dieser bei der belangten Behörde eingebracht hatte, als unbegründet abzuweisen.

Zu B)

3.6. Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung zum Objektivitätsgebot von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die vorliegende Entscheidung erfolgt in Beachtung des verfahrensgegenständlichen Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 10.12.2020, E 2281/2020-15.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Beleidigung Beschimpfung Beschwerdegründe Beschwerdelegimitation Beschwerderecht Ersatzentscheidung ersatzlose Behebung Kassation menschliche Würde Objektivität Objektivitätsgebot Sachlichkeitsprüfung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W249.2153031.1.00

Im RIS seit

07.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

07.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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