TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/1 W134 2237183-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.02.2021
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Entscheidungsdatum

01.02.2021

Norm

BVergG 2018 §125 Abs6
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §334
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W134 2237183-2/32E
W134 2237183-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1)

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Thomas Gruber als Vorsitzender sowie Dr. Yara Hofbauer als fachkundige Laienrichterin der Auftraggeberseite und Dr. Manfred Müllner als fachkundiger Laienrichter der Auftragnehmerseite betreffend das Vergabeverfahren „Bahnsteiganzeiger mit Farbdisplay (PROVIA ID 39610)“, der Auftraggeberinnen Österreichische Bundesbahnen- Holding AG und ÖBB Infrastruktur AG vertreten durch die ÖBB Infrastruktur AG, vertreten durch die vergebende Stelle ÖBB Business Competence Center GmbH, Erdberger Lände 40, 1030 Wien, alle vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte GmbH, Bartensteingasse 2, 1010 Wien, aufgrund des Antrages der XXXX , vertreten durch Diwok Hermann Petsche Rechtsanwälte LLP & Co KG, Schottenring 25, 1010 Wien, vom 23.11.2020 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.12.2020 zu Recht erkannt:

A)

I. Der Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge „die die Antragstellerin betreffende Ausscheidensentscheidung vom 12.11.2020 im Vergabeverfahren „Bahnsteiganzeiger mit Farbdisplay“ für nichtig erklären“ wird gemäß § 334 BVergG 2018 abgewiesen.

II. Der Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge „die Entscheidungen, eine Vergabeplattform im Vergabeverfahren „Bahnsteiganzeiger mit Farbdisplay“ zu verwenden, die die Abgabe eines Angebotes ohne qualifizierte elektronische Signatur durch einen ausländischen Bieter ermöglicht und keine Generierung eines Angebotshauptteiles eventuell nur für die Abgabe eines (Zweit)Angebotes durch einen ausländischen Bieter, für nichtig erklären“ wird gemäß § 334 BVergG 2018 abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2)

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag. Thomas Gruber betreffend das Vergabeverfahren „Bahnsteiganzeiger mit Farbdisplay (PROVIA ID 39610)“, der Auftraggeberinnen Österreichische Bundesbahnen- Holding AG und ÖBB Infrastruktur AG vertreten durch die ÖBB Infrastruktur AG, vertreten durch die vergebende Stelle ÖBB Business Competence Center GmbH, Erdberger Lände 40, 1030 Wien, alle vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte GmbH, Bartensteingasse 2, 1010 Wien, aufgrund des Antrages der XXXX , vertreten durch Diwok Hermann Petsche Rechtsanwälte LLP & Co KG, Schottenring 25, 1010 Wien, vom 23.11.2020 folgenden Beschluss:

A)

Der Antrag gerichtet auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren durch die Auftraggeberinnen wird gemäß § 341 BVergG 2018 abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Vorbringen der Parteien:

Mit Schreiben vom 23.11.2020, beim BVwG eingelangt am gleichen Tag nach Ende der Amtsstunden, begehrte die Antragstellerin unter anderem die Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung vom 12.11.2020, die Entscheidungen, eine Vergabeplattform zu verwenden, die die Abgabe eines Angebotes ohne qualifizierte elektronische Signatur durch einen ausländischen Bieter ermöglicht und keine Generierung eines Angebotshauptteiles eventuell nur für die Abgabe eines (Zweit)Angebotes durch einen ausländischen Bieter für nichtig zu erklären, die Erlassung einer einstweiligen Verfügung und den Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren durch die Auftraggeberinnen.

Begründend wurde von der Antragstellerin im Wesentlichen folgendes ausgeführt:

Ausgeschrieben sei ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit zwei Unternehmern im Bereich Lieferung und Inbetriebsetzung von doppelseitigen Anzeigegeräten mit Full Colour LED Technologie bestehend insbesondere aus Netzwerkkomponenten und Peripherie Komponenten im Zuge eines Prüfsystems. Die Antragstellerin habe sich im Rahmen dieser Leistungsvergabe in einem ersten Schritt für das Prüfsystem qualifiziert und in der Folge in diesem Vergabeverfahren am 02.06.2020 erfolgreich ein Erstangebot abgegeben. Danach sei eine Einladung zu einer (der bisher einzigen) Verhandlungsrunde erfolgt, worauf die Antragstellerin fristgerecht am 10.11.2020 ihr Zweitangebot abgegeben habe. Mit Schreiben vom 12.11.2020 sei die Antragstellerin über die Vergabeplattform Provia darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass die Auftraggeberinnen sie aus dem Vergabeverfahren ausgeschieden hätten.

Das Angebot der Antragstellerin sei nach Ansicht der Auftraggeberinnen deshalb auszuscheiden gewesen, weil die qualifizierte elektronische Signatur des Angebots gefehlt habe. Das System von Provia habe keine Fehlermeldung gezeigt. Es habe keine Überprüfungsmöglichkeit der elektronischen Signatur im Falle einer ausländischen elektronischen Signatur gegeben. Das System habe bei der Abgabe des Zweitangebote nicht darauf hingewiesen, dass eine qualifizierte elektronische Signatur erforderlich war und habe den zu signierenden "Angebotshauptteil" nicht generiert. Die Antragstellerin sei daher völlig zu Recht von der Gültigkeit ihres Angebots ausgegangen. Der Antragstellerin sei es de facto wegen eines technischen Fehlers der Vergabeplattform der ÖBB unmöglich gewesen, den Angebotshauptteil qualifiziert elektronisch zu signieren. Außerdem sei keine qualifizierte elektronische Signatur für das Zweitangebot erforderlich gewesen.

Die Antragstellerin habe ein Interesse am Vertragsabschluss, es drohe ihr ein Schaden und ihre Rechte würden verletzt.

In weiteren Schriftsätzen brachte die Antragstellerin im Wesentlichen vor, dass Punkt 8.3 der Aufforderung zur Angebotsabgabe in welchem es heißt: „Rechtsgültige Unterfertigung bedeutet, dass das Angebot […] unterzeichnet bzw. qualifiziert elektronisch signiert ist.“ so zu verstehen sei, dass eine Unterzeichnung oder qualifizierte elektronische Signatur zulässig sei.

Mit Schreiben der Auftraggeberinnen vom 26.11.2020 und vom 03.12.2020 gaben diese bekannt, dass Auftraggeberinnen die Österreichische Bundesbahnen- Holding Aktiengesellschaft sowie die die ÖBB Infrastruktur AG seien. Bei dem gegenständlichen Vergabeverfahren handle es sich um einen Lieferauftrag im Oberschwellenbereich der im Wege eines Verhandlungsverfahrens im Rahmen eines Prüfsystems mit vorheriger Bekanntmachung als Rahmenvereinbarung nach dem Bestbieterprinzip vergeben werden solle. Die Bekanntmachung in der EU sei am 15.03.2019 erfolgt. Das Angebot der Antragstellerin sei am 12.11.2020 ausgeschieden worden.

Mit Schreiben der Auftraggeberinnen vom 30.11.2020 brachten diese im Wesentlichen vor, dass das Zweitangebot der Antragstellerin nicht qualifiziert elektronisch signiert worden sei. Mangels der zwingend erforderlichen qualifizierten elektronischen Signatur sei das Angebot der Antragstellerin daher mit Schreiben vom 12.11.2020 ausgeschieden worden.

Mit Beschluss des BVwG vom 04.12.2020, W134 2237183-1/2E, wurde der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgewiesen.

Am 17.12.2020 fand darüber im Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt. Das Verhandlungsprotokoll lautet auszugsweise:

„R: Ich möchte zuerst den Sachverhalt klären und dann in einem zweiten Schritt die etwaigen Rechtsfolgen die sich daraus ableiten lassen.

R: Fragt die Antragstellerin ob folgende Randziffern des Schreibens der Auftraggeberinnen vom 30.11.2020 richtig sind?

Beginnen wir mit der Randziffer 16.

XXXX : Zu ergänzen ist nach dem ersten Satz der Satz: “Angebote sind ausschließlich auf elektronischem Weg abzugeben“. Weiters zu ergänzen ist ein wesentlicher Satz nämlich: “Neben seinem elektronisch abgegebenen Angebot, darf der Bieter weder ein Angebot noch Bestandteile des Angebots in Papierform abgeben“. Weiters folgen noch zwei weniger wesentliche Sätze.

XXXX : Es gibt die Ausschreibungsunterlage richtig wieder.

R: Ist die Randziffer 17 richtig?

XXXX : Hier wird auf Punkt 8.1 Bezug genommen. Der Sachverhalt ist diesbezüglich nicht korrekt.

XXXX : Es ist irrtümlich ein falscher Verweis angeführt, der richtige Verweis lautet 8.3.

XXXX : Der Satz ist korrekt wiedergegeben.

R: Ist die Randziffer 18 richtig?

XXXX : Nach meinen Informationen ist das insofern nicht korrekt, weil man nur einmal, wenn man sich registriert auf der Ausschreibungsplattform PROVIA, den Nutzungsbedingungen durch Anklicken der Schaltfläche zustimmen muss. Bei einer nachfolgenden späteren Nutzung der Ausschreibungsplattform PROVIA wird dies nicht mehr verlangt.

XXXX : um die PROVIA Plattform nutzen zu können, muss sich jeder Bieter auf der Plattform einloggen. Unter dem Feld für die Anmeldung zur Nutzung einloggen, ist der in der Randziffer 18 genannte Hinweis enthalten. Jeder Bieter, der die Plattform benutzen will, muss bei einer Registrierung den Nutzungsbedingungen zustimmen und stimmt auch durch die Verwendung des Benutzerportals den Nutzungsbedingungen zu.

R: Fragt die Antragstellerin: Ist es richtig, dass der Punkt 4.3 der Nutzungsbedingungen der Vergabeplattform PROVIA wie folgt lautet:

„4.3 Technische Störungen
4.3.1 Der ProVia-Nutzer ist verpflichtet, technische Störungen, Fehlfunktionen oder Mängel im Zusammenhang mit der Nutzung des Bieterportals den Auftraggebern unverzüglich bekannt zu geben.

4.3.2 Die Auftraggeber sowie der Betreiber behalten sich vor, bei Vorliegen technischer Störungen Teilnahme- und Angebotsfristen (kurzfristig) zu erstrecken, um die Gleichbehandlung aller am Beschaffungsprozess teilnehmenden Unternehmen sicherzustellen.“

XXXX : Das ist richtig. Ich habe nur den Herrn Kollegen so verstanden, dass er gemeint hätte, der Bieter müsste jedes Mal, wenn er sich einloggt die Nutzungsbedingungen anklicken und daher den Nutzungsbedingungen zustimmen.

XXXX : Wenn Sie die Plattform verwenden, dann müssen Sie sich den Nutzungsbedingungen unterwerfen.

XXXX : Aber, er muss die Nutzungsbedingungen nur bei der erstmaligen Verwendung anklicken.

R: Fragt die Antragstellerin: Haben Sie eine technische Störung im Sinne des Punkt 4.3 der PROVIA Nutzungsbedingungen den Auftraggebern bekannt gegeben?

XXXX : Nein.

R: Ist die Randziffer 19 richtig?

XXXX : Der erste Absatz, der ist korrekt Herr R. Der Punkt 2.4.5 wurde ausgelassen. Die RZ 19 gibt die PROVIA Nutzungsbedingungen, bis auf den Absatz 2.4.5 wieder.

R: Wir kommen nun zu den Randziffern 20 bis 22, sind diese richtig?

XXXX : Die Randziffer 20, ist, wenn das die Servicezone ist, dann ist das offenbar so. Zur Randziffer 21 ist zu sagen, dass die Antragstellerin die Einladung zur Erstangebotsabgabe erhalten hat.

XXXX : In der Einladung zur Erstangebotsabgabe, damit meine ich, die automatisch von der PROVIA generierte E-Mail vom 26.03.2020, 12:28 Uhr, enthält folgenden Passus: „Informationen zur Angebotsabgabe und Erstellung einer qualifizieren elektronischen Signatur finden Sie im Menü „Service“ erreichbar unter dem Symbol „Werkzeugschlüssel“ (rechts oben).

Es wird folgender Screenshot unter https://www.provia.at/bieterportal/Service/Detail angefertigt.

XXXX : Aufgrund der Verweise der PROVIA Nutzungsbedingungen 1.4 und der Festlegungen in der Einladung zur Erstangebotsabgabe ist der Leitfaden „elektronische Signatur-Infoblatt für Bieter“ Teil der Ausschreibungsunterlagen.

XXXX : Die Ausschreibungsunterlagen werden in Punkt 3 der Aufforderung zur Angebotsabgabe ausdrücklich angeführt. Die Nutzungsbedingungen der PROVIA Plattform sind dort nicht angeführt und daher auch nicht Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen. Dies hat nach Ansicht der Antragstellerin auch den Zweck die Anforderungen an die Angebotsabgabe für jedes Vergabeverfahren einzeln zu regeln. Im konkreten Fall wurde beispielsweise festgelegt, dass das Angebot rechtsgültig unterfertigt sein muss. Dabei wurde festgelegt, dass rechtsgültige Unterfertigung bedeutet, dass das Angebot von Personen welche den Bieter rechtsgeschäftlich wirksam vertreten können, unterzeichnet beziehungsweise qualifiziert elektronisch signiert ist Vergleiche Punkt 8.3 der Aufforderung zur Angebotsabgabe Seite 8 von 17. Der Leitfaden ist aus den genannten Gründen nicht Teil der Ausschreibungsunterlagen. Der Leitfaden ist auch deshalb nicht Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen, weil er in der Einladung zum Zweitangebot nicht angeführt wurde.

XXXX : Sowohl die PROVIA Nutzungsbedingungen als auch der Leitfaden sind Teil der Ausschreibungsunterlagen, weil im Punkt 7.1 der Aufforderung zur Angebotsabgabe festgelegt ist, dass die PROVIA Plattform zu verwenden ist.

R: Wir kommen nun zu den Randziffern 23 und 24, sind diese richtig?

XXXX : Das was in der Randziffer 23 hier angeführt wird, steht auch in der Beilage 7. Die Randziffern 23 und 24 sind korrekt, mit Ausnahme der Feststellung, dass diese bestandsfest seien.

R: Ich ersuche die Auftraggeberin dem Senat zu demonstrieren, wie eine Angebotsabgabe auf der Plattform PROVIA funktioniert.

Dies wird von der Auftraggeberin auf einem Laptop allen Parteien vorgeführt.

XXXX : Grundsätzlich funktioniert eine Angebotsabgabe wie folgt: Der Bieter klickt auf der Vergabeplattform im Bieterportal auf „Preisangebot erstellen“. Dann öffnet sich ein Fenster. Um das Angebot einzureichen müssen drei Schritte durchgeführt werden. Im Schritt 1 ist der Angebotspreis einzutragen. Danach muss der Bieter auf „weiter“ klicken. Im Schritt 2 kann der Bieter alle Angebotsdokumente hochladen (z.B. Preisblatt, Leistungsverzeichnis). Dann muss der Bieter auf „weiter“ klicken. Im dritten Schritt ist das Angebot zu signieren. Dazu hat der Bieter zwei Möglichkeiten. Eine Signatur innerhalb der PROVIA Plattform oder außerhalb der PROVIA Plattform. Für eine Signatur außerhalb der PROVIA Plattform ist auf „Angebotshauptteil“ zu klicken. Wenn der Bieter auf „Angebotshauptteil“ klickt generiert das System ein PDF. Das PDF enthält eine Liste aller von Bieter hochgeladenen Angebotsbestandteile samt Hashwert für jedes Dokument. Der Bieter muss den Angebotshauptteil herunterladen, qualifiziert elektronisch signieren und das qualifizierte elektronisch signierte PDF „Angebotshauptteil“ wieder hochladen. Um das Angebot einzureichen, muss der Bieter nur mehr auf den Button „Angebot einreichen“ klicken. Die Antragstellerin hat diesen letzten Schritt, nämlich hochladen der elektronisch signierten Angebotshauptteils nicht durchgeführt, sondern ein eingescanntes, handschriftlich unterzeichnetes Begleitschreiben hochgeladen und danach auf den Button „Angebot einreichen“ geklickt.

Wir konnten bei der Vorführung der PROVIA Plattform folgendes demonstrieren: In der Produktivumgebung der Vergabeplattform PROVIA wurde dem Senat gezeigt, wie das Bieterportal funktioniert und wie ein Bieter ein Angebot abgeben kann. Dazu wurde gezeigt, wie Dokumente des Angebots hochgeladen werden können und wie der Angebotshauptteil generiert werden kann. Der Angebotshauptteil beinhaltet eine Übersicht aller hochgeladenen Angebotsdokumente, die jeweils mit einem Hashwert versehen werden, sodass eine nachträgliche Manipulation der hochgeladenen Angebotsdokumente nicht mehr möglich ist bzw. sofort ersichtlich wäre. Gezeigt wurde auch wie die Vergabeplattform reagiert, wenn das von der Antragstellerin behauptete Prozedere insbesondere das Anklicken der „Zurück“ und „Vor“-Button im Browser vorgenommen wird. Der von der Antragstellerin behauptete Fehler der PROVIA Plattform konnte durch das Zurück und Vorklicken nicht reproduziert werden. Eine Fehlermeldung im PROVIA System lag am Tag der Zweitangebotsabgabe durch die Antragstellerin nämlich am 10.11.2020 von 00:00 bis 11:00 Uhr nicht vor. Dies konnten wir nachvollziehen, weil kein Serverausfall im System in diesem Zeitraum protokolliert wurde. Hätte es einen Fehler im System gegeben, wäre dem Bieter schon auf seinem Computer ein Popup Fenster aufgegangen mit dem Hinweis sich ans Servicesupportteam zu wenden.

LR1: Haben Sie die Angebotsdokumente für die Zweitangebotsabgabe der Antragstellerin erhalten?

XXXX : Die Angebotsdokumente der Antragstellerin für die Zweitangebotsabgabe wurden auf dem Server hochgeladen und abgespeichert. Nicht hochgeladen wurde von der Antragstellerin der Angebotshauptteil.

LR1: Wie kam der Antragsteller zum Versendenbutton der nach Ihrer Angabe notwendig ist, damit sie die Unterlagen erhalten, wenn Sie gleichzeitig gesagt haben, dass wenn man im Browser auf den „Zurück“ und „Vor“-Button geht, die gesamte Maske verschwindet und man bei Null anfangen muss?

XXXX : Wenn man im Browser auf den „Zurück“-button geht schließt sich das Iframe (Fenster). Die hochgeladenen Dokumente bleiben gespeichert. Um wieder zum Iframe (Fenster) zu kommen, muss man neuerlich auf „Preisangebot erstellen“ klicken, wobei das Iframe (Fenster) wieder aufgeht. Man beginnt jedoch wieder bei Schritt 1 von 3. Die bei Schritt 1 zuletzt eingegebenen Daten (Gesamtpreis) bleiben gespeichert und ist wieder ersichtlich. Der Preis vom Angebot kann verändert werden. Wenn man auf „weiter“ geht, kommt man auf Schritt 2: Angebotsbestandteile hochladen. Die zuletzt hochgeladenen Angebotsbestandteile sind nach wie vor hochgeladen und können nun ergänzt bzw. hochgeladen werden. Wenn man weiterklickt kommt man zur Signatur, wo man wieder die Möglichkeit hat innerhalb der Vergabeplattform oder außerhalb der Vergabeplattform zu signieren und den Angebotshauptteil zu generieren. Um das Angebot abzuschicken muss man innerhalb der Angebotsfrist auf den Button „Angebot einreichen“ klicken.

LR1: Ist es technisch möglich, dass auch ohne dass ein Angebotshauptteil generiert wird, man gleich zum nächsten Schritt nämlich das Hochladen eines externen Dokumentes („letzter Schritt“) erfolgt?

XXXX : Um das Angebot einzureichen muss ein PDF-Dokument hochgeladen werden. Welchen Inhalt dieses Dokument hat, prüft das System PROVIA nicht. Das System prüft insbesondere nicht, ob tatsächlich ein elektronisch signiertes Angebotshauptteil hochgeladen wurde. Um ein Dokument hochzuladen ist es nicht zwingend erforderlich vorher auf „Angebotshauptteil“ zu klicken. Ein Bieter könnte daher sämtliche in einem PDF zusammengefasste Angebotsinhalte qualifiziert, elektronisch signiert hochladen. Es ist nicht notwendig einen „Angebotshauptteil“ abzugeben um ein gültiges Angebot abzugeben. Es ist auch möglich und zulässig aus allen Angebotsbestandteilen ein PDF zu bilden und dieses dann elektronisch signiert abzugeben.

XXXX : Ist es tatsächlich möglich und zulässig, dass die einzelnen Schritte, die Sie geschildert haben im System zu überspringen und ein Angebot abzugeben ohne einen Angebotshauptteil zu generieren?

XXXX : Es ist nicht möglich die einzelnen Schritte zu überspringen, es muss insbesondere auch bei Schritt 2 mindestens ein Dokument hochgeladen werden, um bei Schritt 3 zum Signieren zu kommen. Es ist aber möglich und zulässig das Angebot vorher einzureichen ohne den Angebotshauptteil vorher signiert zu haben, wenn im letzten Schritt ein elektronisch signiertes Dokument hochgeladen wird, dass sämtliche Angebotsbestandteile enthält.

XXXX : Ihre Aussage steht in Widerspruch zu Punkt 7.1 der Aufforderung zur Angebotsabgabe. Dort ist geregelt, dass der Angebotshauptteil mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen ist. Dies schließt die Abgabe eines Angebots ohne Angebotshauptteil aus.

XXXX : Dieser Satz bezieht sich darauf, dass wie im Fall der Antragstellerin, wenn das Angebot aus mehreren Angebotsbestandteilen besteht und diese jeweils in einzelnen PDFs hochgeladen werden, diese dann zu verketten und mit dem Angebotshauptteil elektronisch signiert eingereicht werden müssen.

XXXX : Wie wird die Vollständigkeit des Angebots sichergestellt, wenn kein Angebotshauptteil erstellt wird, sondern ein vom Bieter generiertes PDF hochgeladen wird?

XXXX : Durch die qualifizierte elektronische Signatur auf dem PDF.

XXXX : Das ist nach Ansicht der Antragstellerin nicht korrekt. Die Vollständigkeit des Dokumentes wird nicht durch die elektronische Signatur gewährleistet. Es ist nicht richtig, es trifft nicht zu, dass der Bieter nur ein PDF hochladen kann, die Antragstellerin hat mehrere PDF Dokumente hochgeladen.

R: Was ist bei der Zweitangebotsabgabe der Antragstellerin passiert?

XXXX : Ich habe die PROVIA Zweitangebotsabgabe durchgeführt. Ich habe den ersten Schritt durchgeführt, die Angebotssumme eingegeben. Im zweiten Schritt habe ich sechs angebotsrelevante Dokumente hochgeladen. Ich bin dann auf den Schritt 3 gegangen, wo der Angebotshauptteil generiert wird. Den Link zur „Angebotshauptteil“ habe ich angeklickt, da ist nichts passiert. Ich bin dann nochmal mit dem Browserbutton „Pfeil nach links“ zurückgegangen und habe dann noch einmal geschaut, welche Dokumente ich hochgeladen habe und ob ich etwas vergessen habe. Ich habe dann auf dem Browserbutton „Pfeil nach rechts“ geklickt und bin dann wieder auf das Fenster gekommen, wo man dann den „Angebotshauptteil“ generieren könnte. Der Link war nach wie vor nicht aktiv. Um den Vorgang abzuschließen, habe ich den Coverletter, den mein Kollege XXXX zuvor ausgedruckt und handschriftlich signiert hat, nochmals auf PROVIA hochgeladen. Ich habe dann auf „Angebot einreichen“ geklickt und habe die Bestätigung erhalten, dass alles korrekt ist. Ich verweise dazu auf die Beilagen ./3 und Beilage./ 4 des Nachprüfungsantrages.

XXXX : Die Bestätigung der Angebotsabgabe Beilage 3 listet die Bezeichnungen aller auf der PROVIA hochgeladenen Dokumente auf und versieht diese auch mit einem Zahlencode. Die Bestätigung Beilage ./4 beinhaltet des Weiteren, dass die Dokumente verschlüsselt sind und von niemanden einsehbar sind.

XXXX : Ich möchte noch zur Beilage 3 des Nachprüfungsantrages ergänzend vorbringen, dass sich der Hashwert, der im Zuge der Angebotsabgabe durch die Antragstellerin abgegeben Dokumente eindeutig aus Beilage 3 ergibt, womit auch durch die Angebotsabgabe, sowie sie durch die Antragstellerin vorgenommen wurde über die PROVIA Plattform die Unverfälschtheit ihres Angebotes sichergestellt und nachgewiesen ist. Die Vollständigkeit ihres Angebotes ergibt sich ebenfalls durch den Zeitstempel (vergleiche Beilage 3 zum Nachprüfungsantrag) der die Angebotsbestandteile im Einzelnen auflistet. Die Echtheit der Signatur ist durch die eigenhändige Unterschrift des Herrn XXXX ebenfalls gewährleistet und gegeben. Die Antragstellerin hat nie einen Serverausfall behauptet, sondern dargelegt, dass die PROVIA Plattform in dem besagten Zeitpunkt am 10.11.2020 konkret zwischen 10:34 Uhr und 10:50 Uhr die von Herrn XXXX dargestellten Funktionsstörungen aufwies. Die Antragsgegnerin hat nicht dargelegt, dass eine solche Störung im System zum fraglichen Zeitpunkt auszuschließen war. Es wäre der Antragstellerin innerhalb der ihr noch verbliebenen restlichen Zeit nicht möglich gewesen die von der Antragsgegnerin dargestellten Schritte 1 bis vier nochmals so rechtzeitig durchzuführen, dass das Angebot rechtzeitig mit einer elektronischen Signatur versehen, abgegeben hätte werden können. Entgegen den Behauptungen der Antragsgegnerin ist im fraglichen Zeitpunkt auch kein Fenster mit einem Hinweis auf eine Hotline aufgepoppt. Die Antragstellerin hat daher alles in ihrer Verfügung Stehende getan, um sicherzustellen das ihr Angebot trotz des technischen Fehlers der PROVIA Plattform, welcher ausschließlich der Antragsgegnerin zuzurechnen ist, abgegeben werden kann. Das Angebot von der Antragstellerin wurde vom Herrn XXXX eigenständig signiert. An der Echtheit seiner Unterschrift kann kein Zweifel bestehen. Wenn daher die vom Bieter zwingend zu verwendende Vergabeplattform nicht so funktioniert, dass ein Angebot wie von der Antragsgegnerin angeblich gefordert abgegeben werden kann, dann ist dies nicht dem Bieter zuzurechnen sondern der Antragsgegnerin, wenn die Antragsgegnerin eine Plattform für die Angebotsabgabe zur Verfügung stellt, ist sie dafür verantwortlich, dass sie auch funktioniert. Ein allfälliger gänzlicher Haftungsausschluss in den Nutzungsbedingungen der PROVIA Plattform ist im Lichte des § 879 Abs 3 ABGB nichtig. Auch gilt gemäß § 864 a ABGB, dass ungewöhnliche Vertragsbedingungen und um solche handelt es sich bei einem gänzlichen Haftungsausschluss wie er in den PROVIA Plattform Nutzungsbedingungen vorgesehen ist, nicht Vertragsinhalt werden können. Sofern die PROVIA Nutzungsbedingungen Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen sind, was von der Antragstellerin unter Berufung auf Punkt 3, der Aufforderung zur Angebotsabgabe in Abrede gestellt wird, so ist festzuhalten, dass Festlegungen in den Ausschreibungsunterlagen gesetzeskonform auszulegen sind (VwgH 01.07.2020 Zl 2012/04/0066). Der Grundsatz von Treu und Glauben verbietet es, aus einem eigenen vertragswidrigen Verhalten Rechte abzuleiten. Die Antragsgegnerin ist wie erwähnt verpflichtet eine vollfunktionstüchtige Plattform für die Angebotsabgabe zur Verfügung zu stellen. Sie hat es darüber hinaus zu unterlassen, die Bieter durch falsche Angaben auf ihrer Plattform hinsichtlich der Angebotsabgabe in eine falsche Richtung zu lenken. Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin noch nicht nachgewiesen, dass bei einer Abgabe eines elektronischen Angebotes durch einen inländischen Bieter, eine Angebotsangabe ohne elektronische Signatur möglich ist, während hingegen bei einer Angebotsabgabe durch einen ausländischen Bieter eine Angebotsabgabe ohne elektronische Signatur möglich ist, sowie dies im gegenständlichen Fall der Fall ist. Es handelt sich hierbei um eine unzulässige Diskriminierung, sowie Wettbewerbsverfälschung. Aus Sicht der Antragstellerin erfüllt das von ihr abgegebene Angebot, alle gesetzlichen Anforderungen an die Unverfälschtheit, Vollständigkeit und Echtheit der Signatur. Es wäre daher, wenn überhaupt von einem quasi behebbaren Mangel auszugehen, da das Angebot von der Antragstellerin nachträglich nicht mehr verändert werden kann und der Antragstellerin auch kein Wettbewerbsvorteil entstünde. Im Gegenteil die Antragstellerin hat durch das Nichtfunktionieren der PROVIA Ausschreibungsplattform tatsächlich einen größeren Aufwand gehabt in dem sie auch noch die eigenhändige Unterfertigung des Coverletters sehr rasch organisieren musste. Es ist daher kein Grund ersichtlich, weshalb das Angebot der Antragstellerin auszuscheiden wäre, zumal insbesondere auch die Ausschreibungsunterlagen Interpretationsspielraum diesbezüglich offenlassen (gemeint ist hier 8.3 der Aufforderung zur Angebotsabgabe). Alles in allem entsteht der Antragsgegnerin durch die Zulassung des Angebotes der Antragstellerin kein wie immer gearteter Schaden. Den Anforderungen des Bundesvergabegesetzes, sowie der dahinterstehenden EU-Vergaberichtlinie wird auch durch die Zulassung eines Angebotes, wie im gegenständlichen Fall Rechnung getragen. Im Gegenteil durch die Nichtzulassung des Angebotes der Antragstellerin wird der Wettbewerb eingeschränkt.

XXXX : Die AG kann sehr wohl ausschließen, dass es entgegen der Behauptung der Antragstellerin zu einer Störung der PROVIA Plattform im fraglichen Zeitraum gekommen ist. Fakt ist, dass es in diesem Zeitraum keine Störung gab. Das ergibt sich auch schon aus dem Vorbringen der Antragstellerin selbst, wonach kein Fenster mit einer Fehlermeldung aufgepoppt ist. Fakt ist, dass die Antragstellerin ihr Angebot nicht qualifiziert elektronisch signiert hat. Dass dies erforderlich war, ergibt sich schon aus den gesetzlichen Vorgaben.

R: Wurde ihr Zweitangebot qualifiziert, elektronisch signiert?

XXXX : Nein.

R: Ist bei der Abgabe des Zweitangebotes eine Fehlermeldung aufgepoppt?

XXXX : Nein. Es gab jedoch eine Störung des PROVIA Systems.

XXXX : Darüber hinaus ist die Verpflichtung das Angebot qualifiziert, elektronisch zu signieren noch einmal in den Ausschreibungsunterlagen ausdrücklich festgelegt. Die Antragstellerin interpretiert Punkt 8.3 der Aufforderung zur Angebotsabgabe entgegen den klaren Festlegungen, wonach das Angebot qualifiziert, elektronisch zu signieren ist. Das Wort „bzw.“ bedeutet nicht, wie die Antragstellerin behauptet „oder“, sondern laut Duden „genauer gesagt“. Bestritten wird auch, dass die Nutzungsbedingungen der PROVIA Plattform ungewöhnlich oder gesetzeswidrig seien. Im Übrigen sind diese von der Antragstellerin akzeptiert und nicht angefochten worden.

R: Wann wurden der Antragstellerin die Ausschreibungsunterlagen, insbesondere die PROVIA Nutzungsbedingungen und der Leitfaden „elektronische Signatur-Infoblatt für Bieter“ bekannt?

XXXX : Die Antragstellerin hat mit E-Mail vom 26.03.2020 die Ausschreibungsunterlagen zur Abgabe des Erstangebotes erhalten. In dieser E-Mail wurde festgehalten, dass Informationen zur Angebotsabgabe und Erstellung einer qualifizierten, elektronischen Signatur im Menü „Werkzeugschlüssel“ (siehe oben) zu finden sind.

R: Wann wurden der Antragstellerin die Ausschreibungsunterlagen, insbesondere die PROVIA Nutzungsbedingungen und der Leitfaden „elektronische Signatur-Infoblatt für Bieter“ bekannt?

XXXX : Wir haben die Nutzungsbedingungen von der Antragsgegnerin nicht zugesandt bekommen und auch nicht den Leitfaden.

XXXX : Die Bekanntmachung der gegenständlichen Ausschreibung erfolgte über die Bekanntmachung eines Prüfsystem, welches laufend veröffentlicht werden muss, wobei die letzte Veröffentlichung am 15.03.2019 erfolgte. Die Bedingungen für die Aufnahme des Prüfsystem sind in den Unterlagen zum Prüfsystem festgelegt, wobei dort auch festgelegt ist das Teilnahmeanträge über die Vergabeplattform PROVIA abgegeben werden müssen. Die Antragstellerin hat sich im März 2019 auf der Vergabeplattform PROVIA registriert und spätestens zu diesem Zeitpunkt die Nutzungsbedingungen kennen müssen.

R: Ist das richtig?

XXXX : Die Antragstellerin hat im Dezember 2018 Unterlagen an die Antragsgegnerin per E-Mail übermittelt und wurde in weiterer Folge im März 2019 von dieser für die Plattform freigeschalten.

XXXX : Falsch ist auch, dass nur ausländische Bieter außerhalb der PROVIA signieren können. Die Möglichkeit in der PROVIA oder außerhalb der PROVIA signieren zu können besteht für alle Anbieter gleichermaßen. Lediglich eine Signaturmöglichkeit innerhalb der PROVIA mittels Bürgerkarte ist – soweit dies der AG bekannt ist – nicht möglich, weil Bürgerkarten nur inländischen Staatsbürgern ausgestellt werden. Ausländische Bieter können jedoch innerhalb der PROVIA mittels Handysignatur signieren. Unrichtig ist auch, dass eine mangelnde elektronische Signatur ein behebbarer Mangel sei, (siehe BVA 25.10.2005, 16 N-91/05-20, sowie KROMER, ZVB 2020/14). Eine Behebung wäre auch deshalb unzulässig, weil der Datensatz für die elektronische Signatur erst nachträglich erstellt werden müsste und es sich nicht um das Nachreichen von bereits bestehenden Nachweisen handelt.

XXXX : Die Antragstellerin hat keine Handysignatur gehabt, in dem Zeitpunkt, als sie das Zweitangebote abgeben wollte, da sie wie beim Erstangebot über die externe Plattform signieren wollte. Für die Handysignatur ist für ausländische Bieter eine Erfassung im österreichischen Ergänzungsregister für natürliche Personen vorgesehen.

XXXX : Ich biete an Herrn XXXX über Zoom zu dieser Verhandlung zuzuschalten, damit er den Vorgang zur Angebotsabgabe, sowie ihn heute Herr XXXX geschildert hat, bestätigen kann.

R: Ich schlage vor, dass Sie Herrn XXXX das Verhandlungsprotokoll der heutigen Verhandlung übermitteln und dass Herr XXXX die Aussagen von Herrn XXXX gegebenenfalls eidesstattlich bestätigt bzw. ergänzt. Sind Sie damit einverstanden und welche etwaige Frist benötigen Sie dafür?

XXXX : Ich bin damit einverstanden und schlage als Frist dafür vor Montag 21.12.2020.

XXXX : Ich bin damit auch einverstanden.

R: Die Antragstellerin hat die Möglichkeit bis spätestens 21.12.2020 hg einlangend, das entsprechende oben genannte Schreiben vorzulegen.

XXXX : Die AG weist darauf hin, dass die Antragstellerin das Erstangebot außerhalb der PROVIA Plattform mit der Handysignatur von A-trust signiert hat. Mit einer Handysignatur von A-Trust kann auch innerhalb der PROVIA Plattform signiert werden.

R: Fragt die Antragstellerin: Ist dies richtig?

XXXX : Bei der Signierung des Erstangebotes hat die Antragstellerin über die externe Plattform signiert. Diese externe Plattform verwendet die Signatur von A-Trust. Die externe Plattform nennt sich www.xidentity.eu und diese verwendet die Signatur von A-Trust. Informationen zu www.xidentity.eu finden sich in Beilage 7 des Schriftsatzes der Antragsgegnerin vom 30.11.2020. Es ist nicht eine Handysignatur die GDS angemeldet hat. Die obenstehende Aussage von XXXX ist damit falsch. Zu Punkt 8.3 der Aufforderung zur Angebotsabgabe und hier insbesondere zum Wort „bzw.“ ist anzumerken, dass der Duden von einer Doppelbedeutung ausgeht, indem er „bzw.“ auch mit „oder“ übersetzt. Aus anwaltlicher Vorsicht richtet sich der Nachprüfungsantrag jedenfalls auch gegen die ÖBB Infrastruktur AG.

XXXX : Ich wiederhole hiermit nochmals mündlich den bereits im Schriftsatz vom 15.12.2020 mit Randziffer 8 gestellten Antrag.

XXXX : Es gibt kein Datenprotokoll darüber, dass der Angebotshauptteil von der Antragstellerin im Zweitangebot nicht generiert werden konnte. Das ist auch der Grund, warum die Auftraggeberin davon ausgeht, dass ein solcher Fehler im PROVIA System nicht vorgekommen ist. Die Auftraggeberin hat auch in Vorbereitung zur Verhandlung mit den technischen Mitarbeitern, welche die PROVIA Plattform betreuen, versucht den behaupteten Fehler selbst hervorzurufen. Dazu wurde der Vorgang den die Antragstellerin behauptet hat nachgestellt, wobei der behauptete Fehler nicht eingetreten ist. Die AG hat auch andere Varianten von Klickreihenfolgen durchprobiert, wobei bei keiner Variante, der behauptete Fehler aufgetreten ist. Bei jedem Versuch hat die PROVIA Plattform den Angebotshauptteil generiert.

XXXX : Ich gehe davon aus, dass auf einer elektronischen Plattform wie der PROVIA auf der elektronische Angebote abgewickelt werden, jeder Vorgang mitprotokolliert wird. Ist das richtig?

XXXX : Vom System wird jeder Fehler protokolliert und die Ein- und Ausloggzeiten. Ich lege diese vom 10.11.2020 für die Antragstellerin vor. Dies wird als Beilage./1 zum Verhandlungsprotokoll genommen und der Antragstellerin zur Einsichtnahme übergeben.

XXXX : Die vorgelegte Beilage 1 scheint offenbar das ein- und ausloggen einer Person, in diesem Fall des Herrn XXXX aufzuzeigen. Aus dieser Beilage ist nicht ersichtlich, dass es auf der PROVIA Plattform in diesem besagten Zeitraum keine Störung gegeben hat. Die Antragsgegnerin hat bisher lediglich behauptet, dass kein Serverausfall stattgefunden hat. Die von der Antragstellerin leider festgestellte Funktionsstörung ist nicht mit einem Serverausfall gleichzustellen und stellt daher der von der Antragsgegnerin vorgelegte Nachweis, es hätte kein Serverausfall stattgefunden, kein geeignetes Beweismittel dar, um zu belegen, dass die PROVIA Plattform trotz der Aussagen des Herrn XXXX im besagten Zeitraum eben leider nicht, wie erforderlich funktioniert hat. Ich beantrage weiters die Einvernahme des technischen Betreuers für die Plattform zum Nachweis dafür, dass Funktionsstörungen, wie sie von der Antragstellerin geschildert wurden nicht ausgeschlossen sind und auch im System verfolgbar sind.

XXXX : Die AG weist daraufhin, dass es unmöglich ist etwas zu beweisen was nicht stattgefunden hat. Abgesehen davon handelt es sich um einen Erkundungsbeweis.

XXXX : Das nichtvorliegen dieses Fehlers kann durch ein Datenprotokoll nachgewiesen werden.“

Mit Schreiben der Antragstellerin vom 21. 12.2020 wurde eine eidesstättige Erklärung von Herrn XXXX vorgelegt, mit welcher er im Wesentlichen erklärt, dass die Erklärungen von Herrn XXXX in der Verhandlung am 17.12.2020 zur Abgabe des Angebotes der Antragstellerin am 10.11.2020 auch seiner Wahrnehmung entsprechen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt (schlüssiges Beweismittel)

Die Österreichische Bundesbahnen- Holding Aktiengesellschaft sowie die ÖBB Infrastruktur AG haben einen Lieferauftrag im Oberschwellenbereich der im Wege eines Verhandlungsverfahrens im Rahmen eines Prüfsystems mit vorheriger Bekanntmachung als Rahmenvereinbarung nach dem Bestbieterprinzip vergeben werden soll, ausgeschrieben. Die Bekanntmachung in der EU ist am 15.03.2019 erfolgt.

(Schreiben der Auftraggeberinnen vom 26.11.2020 und vom 03.12.2020, Akt des Vergabeverfahrens)

Die Antragstellerin hat ihr Erstangebot am 02.06.2020 qualifiziert elektronisch signiert abgegeben.

(Nachprüfungsantrag vom 23.11.2020, Rz 13; Akt des Vergabeverfahrens)

Die Antragstellerin hat ihr Zweitangebot am 10.11.2020 nicht qualifiziert elektronisch signiert abgegeben. Einzelne Bestandteile des Zweitangebotes wurden händisch unterfertigt und eingescannt, wobei nicht mit der Qualität einer qualifizierten elektronischen Signatur vergleichbar eindeutig erkennbar ist, wer diese Unterschriften geleistet hat. Bei der Abgabe des Zweitangebotes der Antragstellerin ist keine Fehlermeldung aufgepoppt.

(Nachprüfungsantrag vom 23.11.2020, Rz 15; Vorbringen der Antragstellerin in der Verhandlungsschrift der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2020, insbesondere Seiten 12 und 13; Akt des Vergabeverfahrens)

Das Angebot der Antragstellerin ist am 12.11.2020 ausgeschieden worden.

(Schreiben der Auftraggeberinnen vom 26.11.2020, Akt des Vergabeverfahrens)

Die Aufforderung zur Angebotsabgabe (Fassung vom 26.03.2020) lautet auszugsweise (Hervorhebungen durch das BVwG):

„7.1 Das Angebot ist spätestens bis zu dem auf der Ausschreibungsplattform PROVIA bekannt gegebenen Angebotstermin auf der Plattform einzureichen.

Angebote sind ausschließlich auf elektronischem Weg abzugeben. Der Bieter hat das Angebot mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen. Besteht es aus mehreren Angebotsbestandteilen, so hat der Bieter diese sicher zu verketten und den Angebotshauptteil mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen. Neben seinem elektronisch abgegebenen Angebot darf der Bieter weder ein Angebot noch Bestandteile des Angebots in Papierform abgeben. […]

8.3 Das Angebot muss rechtsgültig unterfertigt sein. Rechtsgültige Unterfertigung bedeutet, dass das Angebot von Personen, welche den Bieter rechtsgeschäftlich wirksam vertreten können, unterzeichnet bzw qualifiziert elektronisch signiert ist.“

(Schreiben der Auftraggeberinnen vom 30.11.2020, Rz. 16 und 17; Vorbringen der Auftraggeberinnen und der Antragstellerin in der Verhandlungsschrift der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2020, insbesondere Seite 4; Akt des Vergabeverfahrens)

Die Antragstellerin hat sich im März 2019 auf der Vergabeplattform ProVia registriert und wurde in weiterer Folge für die Vergabeplattform ProVia freigeschaltet. Dabei stimmte sie den Nutzungsbedingungen der Vergabeplattform ProVia zu.

(Schreiben der Auftraggeberinnen vom 30.11.2020, Rz. 18 und 19; Vorbringen der Auftraggeberinnen und der Antragstellerin in der Verhandlungsschrift der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2020, insbesondere Seiten 4, 13 und 14)

Die Nutzungsbedingungen für die Vergabeplattform ProVia lauten auszugsweise (Hervorhebungen durch das BVwG):

„1.1.1 ProVia ist die elektronische Beschaffungs- und Kommunikationsplattform der Österreichische Bundesbahnen-Holding Aktiengesellschaft […]

2.1.1 Eine Nutzung des Bieterportals erfolgt immer nur auf Basis der aktuell gültigen Nutzungsbedingungen.

2.4.2 Soweit eine rechtsgültige Unterfertigung des Teilnahmeantrags/Angebots erforderlich ist, kann diese bei elektronischer Einreichung nur durch eine qualifizierte elektronische Signatur hergestellt werden. ProVia bietet die Möglichkeit, hochgeladene Dokumente direkt auf der Plattform qualifiziert elektronisch zu signieren. Alternativ steht es dem ProVia-Nutzer frei, die qualifizierte elektronische Signatur außerhalb der Plattform ProVia vorzunehmen.

2.4.3 Die ordnungsgemäße Signatur des Teilnahmeantrags/Angebots liegt in der alleinigen Verantwortung des ProVia-Nutzers.

2.4.4 Die Möglichkeit der Signatur auf der Plattform ProVia stellt ein freiwilliges Service der Auftraggeber da. Die Auftraggeber sowie der Betreiber leisten weder Gewähr für eine durchgängige Verfügbarkeit dieses Services noch für eine Freiheit von technischen Mängeln. Soweit eine Signatur über die Plattform ProVia nicht möglich ist, liegt es in der alleinigen Verantwortung des ProVia-Nutzers, die qualifizierte elektronische Signatur außerhalb von ProVia durchzuführen.

2.4.6 Für die fristgerechte Einreichung und das fristgerechte Einlangen des Teilnahmeantrags/Angebots ist allein der ProVia-Nutzer verantwortlich. Es wird daher empfohlen, ausreichend Zeit für die Abgabe von Teilnahmeanträgen/Angeboten (insbesondere für den Dateiupload und das korrekte Ausfüllen sämtlicher erforderlicher Felder) sowie die ordnungsgemäße Signatur einzuplanen.

4.3.1 Der ProVia-Nutzer ist verpflichtet, technische Störungen, Fehlfunktionen oder Mängel im Zusammenhang mit der Nutzung des Bieterportals den Auftraggebern unverzüglich bekannt zu geben.

4.3.2 Die Auftraggeber sowie der Betreiber behalten sich vor, bei Vorliegen technischer Störungen Teilnahme- und Angebotsfristen (kurzfristig) zu erstrecken, um die Gleichbehandlung aller am Beschaffungsprozess teilnehmenden Unternehmen sicherzustellen.

5.1.3 Der ProVia-Nutzer anerkennt, dass die von ihm bereitgestellten Daten, Unterlagen, Dokumente und sonstigen Informationen vom System nicht auf Richtigkeit, Vollständigkeit oder Gesetzmäßigkeit (insbesondere Einhaltung der Fristen oder Gültigkeit der Signatur) geprüft werden und eine solche Prüfpflicht der Auftraggeber oder des Betreibers auch nicht besteht.“

(Schreiben der Auftraggeberinnen vom 30.11.2020, Rz. 16 und 17; Vorbringen der Auftraggeberinnen und der Antragstellerin in der Verhandlungsschrift der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2020, insbesondere Seiten 13 und 14; Akt des Vergabeverfahrens)

In der Einladung zur Erstangebotsabgabe ist folgendes festgelegt: „Informationen zur Angebotsabgabe und Erstellung einer qualifizierten elektronischen Signatur finden sie im Menü „Service“ erreichbar unter dem Symbol „Werkzeugschlüssel“ (rechts oben).“ Die Antragstellerin hat diese Ausschreibungsunterlagen zur Abgabe des Erstangebotes mit E-Mail vom 26.3.2020 erhalten.

(Schreiben der Auftraggeberinnen vom 30.11.2020, Rz. 21 bis 24; Vorbringen der Auftraggeberinnen und der Antragstellerin in der Verhandlungsschrift der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2020, insbesondere Seiten 13 und 14; Akt des Vergabeverfahrens)

Der Leitfaden „Elektronische Signatur-Infoblatt für Bieter“, welcher der Antragstellerin mit der Einladung zur Erstangebotsabgabe zur Kenntnis gebracht wurde, lautet auszugsweise auf Seite 2 (Hervorhebungen durch das BVwG):

„Angebote und Teilnahmeanträge, die nicht qualifiziert elektronisch signiert sind, sind ungültig und in weiterer Folge auszuscheiden.“

(Schreiben der Auftraggeberinnen vom 30.11.2020, Rz. 21 bis 24; Vorbringen der Auftraggeberinnen und der Antragstellerin in der Verhandlungsschrift der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2020, insbesondere Seiten 13 und 14; Akt des Vergabeverfahrens)

Durch die Antragstellerin ist keine Mitteilung gemäß § 125 Abs. 6 BVergG 2018 bzw. § 292 Abs. 6 BVergG 2018 erfolgt.

(Schreiben der Auftraggeberinnen vom 22.01.2021; Schreiben der Antragstellerin vom 22.01.2021)

2. Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen ergeben sich schlüssig aus den in Klammer genannten Quellen, deren Echtheit und Richtigkeit außer Zweifel steht oder die Feststellungen sind unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die Ausschreibungsunterlagen, welche mangels rechtzeitiger Anfechtung bestandsfest wurden und an welche daher alle am Vergabeverfahren Beteiligten gebunden sind, sind nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen (VwGH 17. 6. 2014, 2013/04/0029; VwGH 14. 4. 2011, 2008/04/0065; VwGH 15. 03. 2017, Ra 2014/04/0052). Im Zweifel sind Festlegungen der Ausschreibung gesetzeskonform und sohin in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Bestimmungen zu lesen (VwGH 18.03.2015, Ra 2015/04/00 17).

3.a) Zu Spruchpunkt 1) A) I. und II.:

Die Antragstellerin brachte zusammengefasst vor, dass das angefochtene Ausscheiden ihres Angebotes wegen der fehlenden elektronischen Signatur ihres Angebotes rechtswidrig sei, weil ihr die Abgabe einer elektronischen Signatur durch die Plattform Provia nicht möglich gewesen sei, da ein Button gefehlt habe und auch kein Angebotshauptteil generiert worden sei. Der Antragstellerin sei es wegen eines technischen Fehlers, der der Sphäre der Auftraggeberinnen zuzurechnen sei, unmöglich gewesen, den Angebotshauptteil qualifiziert elektronisch zu signieren. Es sei auch für das Erfordernis eines rechtsgültig unterfertigten Angebotes nicht erforderlich gewesen, mit einer qualifizierten elektronischen Signatur das Zweitangebot zu signieren, da aufgrund der Ausschreibungsunterlagen auch eine alternativ eigenhändige Unterzeichnung zulässig gewesen sei.

Die Auftraggeberin hat dagegen vorgebracht, dass das Angebot der Antragstellerin auszuscheiden gewesen sei, weil das Zweitangebot der Antragstellerin nicht qualifiziert elektronisch signiert gewesen sei und eine solche Signatur zwingend durch die Ausschreibungsunterlagen gefordert gewesen sei.

Zu prüfen ist daher vorerst, ob im gegenständlichen Vergabeverfahren Angebote aufgrund der bestandsfesten Ausschreibungsunterlagen zwingend qualifiziert elektronisch zu signieren waren.

Gemäß § 2 Z 7 BVergG 2018 ist die Ausschreibung die an eine bestimmte oder unbestimmte Zahl von Unternehmern gerichtete Erklärung des Auftraggebers, in der er festgelegt, welche Leistungen er zu welchen Bedingungen erhalten möchte (Bekanntmachung sowie Ausschreibungs- und Wettbewerbsunterlagen). Entsprechend den Erläuterungen (Erl RV 69 BlgNR 26. GP 8) ist der Begriff „Ausschreibung“ ein weiter: Der Begriff umfasst alle Bekanntmachungen sowie Ausschreibungs- und Wettbewerbsunterlagen. Damit sind auch alle sonstigen, für die Durchführung des Vergabeverfahrens erforderlichen Unterlagen inkludiert).

Im Sinne der oben genannten weiten Auslegung des Begriffs Ausschreibungsunterlagen sind im gegenständlichen Vergabeverfahren jedenfalls die Aufforderung zur Angebotsabgabe, die Nutzungsbedingungen für die Vergabeplattform ProVia, die Einladung zur Erstangebotsabgabe und der Leitfaden „Elektronische Signatur-Infoblatt für Bieter“ bestandsfest gewordene Ausschreibungsunterlagen.

Der objektive Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt der bestandsfesten Ausschreibungsunterlagen – insbesondere Punkt 7.1 der Aufforderung zur Angebotsabgabe iVm. Punkt 2.4.2 der Nutzungsbedingungen für die Vergabeplattform ProVia iVm. dem Leitfaden „Elektronische Signatur-Infoblatt für Bieter“ – ergibt, dass Angebote im gegenständlichen Vergabeverfahren zwingend qualifiziert elektronisch zu signieren waren, widrigenfalls diese auszuscheiden sind. Da die Antragstellerin zwar ihr Erstangebot nicht aber ihr Zweitangebot qualifiziert elektronisch signiert hat, haben die Auftraggeberinnen schon aus diesem Grund das Angebot der Antragstellerin zu Recht ausgeschieden.

Das BVwG übersieht dabei nicht, dass Punkt 8.3 der Aufforderung zur Angebotsabgabe fordert, dass das Angebot rechtsgültig unterfertigt sein muss und rechtsgültige Unterfertigung bedeutet, dass das Angebot von Personen, welche den Bieter rechtsgeschäftlich wirksam vertreten können, unterzeichnet bzw qualifiziert elektronisch signiert ist. Diese Ausschreibungsbestimmung ist insofern undeutlich, als sie Zweifel an dem zwingenden Erfordernis einer qualifizierten elektronischen Signatur aufkommen lassen könnte. Im Zweifel sind Festlegungen der Ausschreibung gesetzeskonform und sohin in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Bestimmungen zu lesen (VwGH 18.03.2015, Ra 2015/04/00 17). Die maßgebliche gesetzliche Bestimmung ist hier § 217 Abs. 12 BVergG 2018, welche im Zusammenhang mit der mehrfach in den Ausschreibungsunterlagen geforderten zwingenden qualifizierten elektronischen Signatur bei Angeboten für den objektiven Erklärungswert eines Erfordernisses einer qualifizierten elektronischen Signatur bei Angeboten im gegenständlichen Vergabeverfahren spricht.

Im Übrigen hätte ein durchschnittlich fachkundiger Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt angesichts der Tatsache, dass es sowohl in § 217 Abs. 12 BVergG 2018 als auch in den Ausschreibungsunterlagen an mehreren Stellen (insbesondere Punkt 7.1 der Aufforderung zur Angebotsabgabe iVm. Punkt 2.4.2 der Nutzungsbedingungen für die Vergabeplattform ProVia iVm. dem Leitfaden „Elektronische Signatur-Infoblatt für Bieter“) Hinweise darauf gibt, dass Angebote qualifiziert elektronisch zu signieren sind und an einer Stelle möglicherweise einen Hinweis gibt, dass Angebote nicht qualifiziert elektronisch zu signieren sind (Punkt 8.3 der Aufforderung zur Angebotsabgabe), wenn er sich auf diese eine Stelle berufen will, gemäß § 125 Abs. 6 BVergG 2018 bzw. § 292 Abs. 6 BVergG 2018 die Pflicht gehabt, dem Auftraggeber mitzuteilen, dass diesbezüglich eine Berichtigung der Ausschreibung erforderlich ist. Eine solche Mitteilung hat die Antragstellerin nicht vorgenommen, was als Obliegenheitsverletzung anzusehen ist (vgl. dazu die Erläuterungen: Erl RV 69 BlgNR 26. GP 149), weshalb die Antragstellerin sich nicht auf diese undeutliche Ausschreibungsbestimmung (Punkt 8.3 der Aufforderung zur Angebotsabgabe) berufen kann.

Die Antragstellerin bringt weiters vor, dass es ihr aufgrund eines Softwarefehlers der ProVia-Plattform der in der Sphäre der Auftraggeberinnen liege, technisch nicht möglich gewesen sei, ein Angebot mit qualifizierter elektronischer Signatur abzugeben. Zwei Mitarbeiter der Antragstellerin gaben an, dass es bei der Abgabe des Zweitangebots der Antragstellerin zu technischen Problemen gekommen sei, wobei jedoch keine Fehlermeldung aufgepoppt sei.

Die Auftraggeberinnen gaben dazu schlüssig und nachvollziehbar an, dass sie nach entsprechender Recherche und dem Versuch, den behaupteten Fehler selbst hervorzurufen sowie Durchsicht der Protokolle des Computersystems ausschließen könne, dass es zu einer Störung der ProVia-Plattform im fraglichen Zeitraum der Zweitangebotsabgabe durch die Antragstellerin gekommen ist. Sie gaben schlüssig und nachvollziehbar an, dass die Tatsache, dass bei der Antragstellerin kein Fenster mit einer Fehlermeldung aufgepoppt ist dafür spricht, dass es im fraglichen Zeitraum zu keinem Fehler und zu keiner Störung gekommen ist.

Nicht ausgeschlossen werden kann, dass es grundsätzlich zu einer technischen Störung bei der Zweitangebotsabgabe durch die Antragstellerin gekommen ist, die möglicherweise in der Sphäre der Antragstellerin gelegen ist. Die beiden Mitarbeiter der Antragstellerin, die das Zweitangebot abgegeben haben, dürften mit der ProVia-Plattform und ihren Nutzungsbedingungen nicht zu 100 % vertraut gewesen sein. Wären sie nämlich besser mit den Nutzungsbedingungen der ProVia Plattform vertraut gewesen, hätten sie gewusst, dass sie gemäß Punkt 4.3.1 der Nutzungsbedingungen der ProVia Plattform verpflichtet gewesen wären, bei technischen Störungen, Fehlfunktionen oder Mängeln im Zusammenhang mit der Nutzung des Bieterportals, dies den Auftraggebern unverzüglich bekannt zu geben. Die Auftraggeber hätten sodann die Möglichkeit gehabt, bei Vorliegen technischer Störungen die Angebotsfristen kurzfristig zu erstrecken um die Gleichbehandlung aller am Beschaffungsprozess teilnehmenden Unternehmen sicherzustellen (Punkt 4.3.2 der Nutzungsbedingungen der ProVia Plattform). Diese Unterlassung durch die beiden Mitarbeiter der Antragstellerin lässt daran zweifeln, dass die Antragstellerin im Umgang mit der ProVia Plattform in ihrer Sphäre fehlerfrei gearbeitet hat. Es ist daher bei Betrachtung einerseits der oben genannten schlüssigen und nachvollziehbaren Erklärungen der Auftraggeberinnen und andererseits der Unterlassung der Bekanntgabe einer vermuteten technischen Störung davon auszugehen, dass es bei der Zweitangebotsabgabe durch die Antragstellerin zu keinen technischen Störungen bei der ProVia Plattform gekommen ist.

Im Übrigen ist davon auszugehen, dass selbst wenn es bei der Angebotsabgabe durch die Antragstellerin zu technischen Störungen bei der ProVia Plattform gekommen sein sollte (wovon das BVwG nicht ausgeht), die Antragstellerin gemäß Punkt 4.3.1 der Nutzungsbedingungen der ProVia Plattform verpflichtet gewesen wäre, dies den Auftraggeberinnen unverzüglich bekanntzugeben, damit diese die Möglichkeit haben gegebenenfalls die Angebotsfristen kurzfristig zu erstrecken. Im Falle einer Verletzung einer solchen Bekanntgabepflicht könnte die Antragstellerin die Tatsache einer etwaigen technischen Störung den Auftraggeberinnen nicht vorwerfen.

Bezüglich dem Vorbringen der Antragstellerin, es sei bei Angebotsabgabe keine Fehlermeldung oder sonstige Meldung ergangen die die Antragstellerin an der korrekten Funktionsweise der Plattform hätte zweifeln lassen ist auf Punkt 5.1.3 der bestandsfesten Nutzungsbedingungen der ProVia Plattform zu verweisen, wonach keine Prüfpflicht der Auftraggeberinnen betreffend die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Gesetzmäßigkeit (insbesondere die Gültigkeit der Signatur) besteht.

Zu Spruchpunkt 1) A) II. ist zu sagen, dass kein Grund hervorgekommen ist, warum die Verwendung der Vergabeplattform ProVia rechtswidrig sein sollte.

Zusammenfassend kann somit gesagt werden, dass die Auftraggeberinnen das Angebot der Antragstellerin zu Recht ausgeschieden haben und dass die Verwendung der Vergabeplattform ProVia nicht rechtswidrig ist.

3.b) Zu Spruchpunkt 2.) A) - Gebührenersatz:

Da die Antragstellerin nicht obsiegt hat, hat sie gemäß § 341 BVergG 2018 keinen Anspruch auf Gebührenersatz durch die Auftraggeberin.

B) Revision (Spruchpunkte 1) B) und 2) B)):

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art 133 Abs 9 iVm Abs 4 B-VG ist gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn dieser von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Ist die Rechtslage eindeutig, liegt keine die Zulässigkeit einer Revision begründende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (vgl. VwGH 28.02.2018, Ro 2017/04/0120).

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 9 iVm Abs 4 B-VG nicht zulässig, da keiner der vorgenannten Fälle vorliegt. Auch ist die Rechtslage eindeutig und es sind keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage ersichtlich.

Schlagworte

Angebotsabgabe Auslegung der Ausschreibung Ausscheiden eines Angebotes Ausscheidensentscheidung Ausscheidensgrund Bekanntgabepflicht Berichtigung der Ausschreibung bestandfeste Ausschreibung Bestandsfestigkeit Bietergleichbehandlung elektronische Signatur Gleichbehandlung Grundsatz der Gleichbehandlung Gültigkeit Lieferauftrag mündliche Verhandlung Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren Nachvollziehbarkeit Nichtigerklärung objektiver Erklärungswert Rahmenvereinbarung Schlüssigkeit Unterfertigung Vergabeverfahren Verhandlungsverfahren vorherige Bekanntmachung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W134.2237183.2.00

Im RIS seit

09.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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