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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1993 §17 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Neumair, über die Beschwerde der B in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 11. Juli 1996, Zl. SD 236/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 11. Juli 1996 wurde die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.
Der am 5. August 1994 unter Vorlage eines in Belgrad ausgestellten Reisepasses bei der österreichischen Botschaft Preßburg postalisch eingebrachte Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 27. September 1994 mangels Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gemäß § 6 des Aufenthaltsgesetzes - AufG, BGBl. Nr. 466/1992, abgewiesen worden. Aus dem Hinweis der Beschwerdeführerin, daß sie gemäß § 3 Abs. 1 der Verordnung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1995, BGBl. Nr. 408/1995, zur Antragstellung im Inland berichtigt sei, könne nicht abgeleitet werden, daß sie deshalb Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung im Anschluß an den Touristensichtvermerk habe. Der Antrag sei daher auch abgelehnt worden.
Der Bundesminister für Inneres habe mit Bescheid vom 24. Oktober 1995 die Berufung gegen die Versagung der Aufenthaltsbewilligung abgewiesen. Die Beschwerdeführerin sei nämlich am 11. Mai 1994 mit einem von der österreichischen Botschaft Belgrad erteilten, bis 10. Juni 1994 gültigen Touristensichtvermerk in Österreich eingereist und sei seither aufrecht in Wien gemeldet. Der Aufenthalt der Beschwerdeführerin sei daher nur für die Dauer des Touristensichtvermerkes legal gewesen. Da eine Aufenthaltsbewilligung aber nicht unmittelbar an einen Touristensichtvermerk anschließen könne, bestehe für die Beschwerdeführerin nur die Möglichkeit auszureisen und den Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom Ausland aus zu stellen und dort die Entscheidung hierüber abzuwarten.
Aus den von der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung geltend gemachten Argumenten, sie würde einen Aufenthalt in Österreich anstreben, weil ihre Familie in Österreich lebte, sie wäre in Österreich geboren und hätte hier mehrere Voraufenthalte - wie lange sie seinerzeit in Österreich gewesen und wie lange sie vor ihrer letzten Einreise nicht in Österreich gewesen sei, verschweige sie -, sei für sie nichts Entscheidendes zu gewinnen. Da die Beschwerdeführerin nach Ablauf des Touristensichtvermerkes ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht nachgekommen sei, sondern (trotz der Ablehung ihres Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung) illegal im Bundesgebiet geblieben sei, bestehe kein Zweifel, daß die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 erster Halbsatz FrG gegeben seien. In einem solchen Fall sei die Ausweisung zu verfügen, sofern dem nicht § 19 FrG entgegenstehe.
Was die Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 19 leg. cit. betreffe, so bestehe kein Zweifel, daß die vorliegende fremdenpolizeiliche Maßnahme einen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin darstelle, weil ihre Eltern und ihr Bruder im Bundesgebiet lebten.
Dessen ungeachtet sei aber im Vergleich dazu die Ausweisung zum Schutz der öffentlichen Ordnung, im besonderen auf dem Gebiet des Fremdenwesens, dringend geboten. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein hoher Stellenwert zu. Immerhin halte sich die Beschwerdeführerin seit beinahe zwei Jahren unrechtmäßig im Bundesgebiet auf und sei ihr Antrag auf Aufenthaltsbewilligung rechtskräftig abgewiesen worden. Die Tolerierung eines weiteren illegalen Aufenthaltes erscheine nicht vertretbar.
2. Gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin zunächst eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof ein, der mit Beschluß vom 25. November 1996, B 2749/96, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Bereits in der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde machte die Beschwerdeführerin - für den Fall der Abtretung ihrer Beschwerde - für das verwaltungsgerichtliche Verfahren Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und stellte den Antrag, den Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde läßt die Auffassung der belangten Behörde, daß die Beschwerdeführerin nicht zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sei, unbekämpft. Gegen diese Auffassung bestehen aufgrund der unbestritten gebliebenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen keine Bedenken. Damit hat die belangte Behörde das Vorliegen der Voraussetzung des § 17 Abs. 1 FrG für die Erlassung einer Ausweisung gegen die Beschwerdeführerin - vorbehaltlich der Zulässigkeit dieser Maßnahme nach § 19 FrG - zutreffend bejaht.
2.1. Die Beschwerde bekämpft die Beurteilung der belangten Behörde im Grunde des § 19 FrG. Die Beschwerdeführerin sei in Österreich geboren, habe aber ihre "Jugendzeit in Jugoslawien" verbracht. Ihre gesamte Familie (Eltern und Geschwister) lebe in Österreich, "in Jugoslawien" verfüge sie über keinerlei familiäre Bindungen.
2.2. Dieses Vorbringen zeigt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die Auffassung der belangten Behörde, daß der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein hoher Stellenwert zukomme, folgt der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1996, Zl. 96/18/0435). Die Beschwerdeführerin hat dieses maßgebliche öffentliche Interesse durch ihren mehr als zweijährigen unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich - die Dauer ihres inländischen rechtmäßigen Aufenthaltes betrug demgegenüber lediglich einen Monat -, und zwar auch nach und trotz rechtskräftiger Abweisung ihres Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, erheblich beeinträchtigt. Dazu kommt, daß die Beschwerdeführerin - was der angefochtene Bescheid ebenfalls zutreffend festhält - ihren Aufenthalt auch nicht vom Inland aus legalisieren kann. Das somit sehr gewichtige öffentliche Interesse an der Ausreise der Beschwerdeführerin wird durch deren persönliche Interessen nicht aufgewogen, ist doch eine (allfällige) Integration der Beschwerdeführerin angesichts der äußerst geringeren Dauer ihres rechtmäßigen inländischen Aufenthaltes nicht wesentlich zu ihren Gunsten zu veranschlagen. Hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten privaten und familiären Interessen ist zu berücksichtigen, daß die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ihr
22. Lebensjahr überschritten hatte und die Beschwerde ein besonderes Angewiesensein der Beschwerdeführerin auf ihre Familie nicht erkennen läßt. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, "in Jugoslawien" keinerlei familiäre Bindungen zu haben, ist schließlich auch entgegenzuhalten, daß sich an diesem Umstand auch durch eine Ausweisung nichts ändert und im übrigen § 19 FrG sich nur auf das in Österreich geführte Privatleben des Fremden erstreckt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. April 1995, Zl. 94/18/0496, mwH).
3. Der Verfahrensrüge, die belangte Behörde hätte der Beschwerdeführerin gemäß § 45 Abs. 3 AVG die Möglichkeit zur Stellungnahme über den Stand des Ermittlungsverfahrens geben müssen, ist entgegenzuhalten, daß zum einen - nach Ausweis des Verwaltungsaktes - die Beschwerdeführerin von der Erstbehörde mit Schreiben vom 31. Oktober 1995 - unter Hinweis auf § 45 AVG - ohnehin vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und zur Stellungnahme hiezu eingeladen wurde, zum anderen die belangte Behörde kein neuerliches Ermittlungsverfahren durchgeführt, sondern den angefochtenen Bescheid auf das von der Erstbehörde geführte Ermittlungsverfahren gegründet hat. Der besagten Verfahrensrüge kommt somit keine Berechtigung zu.
4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997180079.X00Im RIS seit
20.11.2000