TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/23 W207 2153749-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.03.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

23.03.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W239 2153751-4/4E

W239 2153749-4/4E

W239 2153750-4/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , und 3.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Afghanistan, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU GmbH), gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.02.2021, Zahlen 1.) 1105547610/200980466, 2.) 1105547708/200980377 und 3.) 1105547904/200980474, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide werden gemäß § 68 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Verfahren über die ersten Anträge auf internationalen Schutz (in Rechtskraft erwachsen):

Der Erstbeschwerdeführer ( XXXX ) ist der Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin ( XXXX ). Der Drittbeschwerdeführer ( XXXX ) ist deren gemeinsamer Sohn; er ist minderjährig und wird gesetzlich vertreten durch die Zweitbeschwerdeführerin.

Die Beschwerdeführer, alle afghanische Staatsangehörige und Angehörige der Volksgruppe der Sadat (auch Sayed)/Hazara, stellten im österreichischen Bundesgebiet im Rahmen eines Familienverfahrens am 15.02.2016 (erste) Anträge auf internationalen Schutz.

Am 15.02.2016 erfolgte eine Erstbefragung des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin. Dabei gab der Erstbeschwerdeführer an, dass in seinem Land seit langer Zeit Krieg herrsche. In den letzten Jahren seien die Taliban sehr stark geworden. Sie würden Hazara hassen und ohne Grund töten. Zudem sei in den letzten zwei bis drei Jahren auch eine IS-Gruppe nach Afghanistan gekommen. Diese sei noch viel schlimmer und töte das gesamte Volk. Die Beschwerdeführer hätten keine Chance mehr in Afghanistan, da ihre Volksgruppe verfolgt und getötet werde. Bei einer Rückkehr habe der Erstbeschwerdeführer Angst vor den Taliban und dem IS. Die Zweitbeschwerdeführerin gab für sich und für den minderjährigen Drittbeschwerdeführer an, sie habe Angst davor, dass die Taliban sie und ihre Familie töten würden, da sie Hazara seien. Dasselbe befürchte sie auch bei einer Rückkehr nach Afghanistan.

In weiterer Folge wurden seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) Konsultationsverfahren nach der Dublin-III-VO mit Kroatien geführt, welche im Ergebnis grundsätzlich die Zuständigkeit Kroatiens gemäß Art. 13 Abs. 1 iVm Art. 22 Abs. 7 Dublin-III-VO ergaben. Dadurch, dass die Überstellungsfrist jedoch ungenützt verstrich, ohne, dass eine Überstellung der Beschwerdeführer nach Kroatien stattgefunden hätte, ging die Zuständigkeit zur Führung der inhaltlichen Verfahren auf Österreich über.

Daher wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin am 02.12.2016 abermals einer Erstbefragung unterzogen. Hierbei gaben beide an, dass die Gründe, welche sie bei ihrer Antragstellung im Februar 2016 angegeben hätten, aufrecht seien und sich auch nicht geändert hätten. Die Zweitbeschwerdeführerin gab an, dass der minderjährige Drittbeschwerdeführer keine eigenen Fluchtgründe habe.

Am 21.02.2017 wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Der Erstbeschwerdeführer gab dabei an, dass in Afghanistan seit Jahrzehnten Krieg herrsche und es dort sehr unsicher sei. Als die Taliban nach Mazar-e Sharif gekommen seien, sei er am linken Bein von zwei oder drei Patronen getroffen und verletzt worden. Ferner sei er vor vier Jahren mit Freunden unterwegs zu einer Pilgerstätte in Sare-e Pol gewesen. Da sei plötzlich auf sie geschossen worden und er sei am rechten Bein und am rechten Zeigefinger getroffen worden. Zudem würden die Schiiten und die Minderheit der Sadat von den Taliban und dem Daesh verfolgt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan habe er Angst um sein Leben, weil die Sicherheitslage dort schlecht sei. Die Zweitbeschwerdeführerin führte zusammengefasst an, dass sie Afghanistan wegen der schlechten Sicherheitslage verlassen hätten. Eine Rückkehr sei für sie nicht möglich, da sie dort keine Rechte habe. Zudem sei Afghanistan ein sehr schlechtes Land.

Mit Bescheiden vom 31.03.2017 wies das BFA die Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) ab. Gleichzeitig wurden die Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde den Beschwerdeführern nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurden gegen die Beschwerdeführer Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Gegen diese Bescheide des BFA erhoben die Beschwerdeführer durch ihre Vertretung am 18.04.2017 fristgerecht gleichlautende Beschwerden. Ausgeführt wurde im Wesentlichen, dass die Beschwerdeführer Afghanistan aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit verlassen hätten, sowie, dass sie aufgrund der Mitgliedschaft bei der Haraket-e Islami verfolgt worden seien und auch deshalb ihr Heimatland verlassen hätten müssen. Zudem habe die Zweitbeschwerdeführerin ihr Heimatland auch aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der westlich orientierten Frauen verlassen. Hinsichtlich des Non-Refoulements wurde im Wesentlichen auf die prekäre Sicherheitslage in Mazar-e Sharif bzw. in Kabul hingewiesen. In diesem Zusammenhang wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführer noch nie in Kabul gelebt hätten und dort nicht ortskundig seien. Zudem würden sie dort auch über kein soziales Netzwerk verfügen.

Die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnissen vom 07.03.2018 zu den Zahlen W245 2153749-1/8E, W245 2153750-1/6E und W245 2153751-1/9E als unbegründet ab.

Mit Beschluss vom 26.06.2018, E 2446-2448/2018-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diese Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.03.2018 erhobene Beschwerde ab; mit Beschluss vom 11.07.2018, E 2446-2448/2018-7, wurde die Beschwerde über nachträglichen Antrag dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Mit Beschluss vom 05.09.2018, Ra 2018/01/0179 bis 0181-6, wies der Verwaltungsgerichtshof die Revision zurück.

Die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.03.2018 erwuchsen mit 09.03.2018 in Rechtskraft.

Verfahren über die zweiten Anträge auf internationalen Schutz (in Rechtskraft erwachsen):

Am 05.10.2018 stellten die Beschwerdeführer abermals (zweite) Anträge auf internationalen Schutz.

Im Zuge der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag (05.10.2018) gaben der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin an, dass der Bruder des Erstbeschwerdeführers, welcher sich in Afghanistan aufhalte, ihn bedroht habe. Es gehe um ein Grundstück seines Vaters, welches zwischen seinem Bruder, seiner Mutter und ihm aufgeteilt werden müsse. Wenn der Erstbeschwerdeführer nach Afghanistan zurückkehre, werde sein Bruder ihn umbringen, da dieser das Grundstück nicht mit ihm teilen wolle. Die Zweitbeschwerdeführerin fürchte, dass sie nach dem befürchteten Tod ihres Mannes als Frau in Afghanistan ihr Kind nicht alleine großziehen könne. Weiters habe sie Angst, dass die Leute in Afghanistan sie inzwischen als Ungläubige ansehen würden, da sie die letzten Jahre in Europa gelebt habe. Der Drittbeschwerdeführer habe keine eigenen Fluchtgründe.

Den seitens des BFA in Auftrag gegebenen gutachterlichen Stellungnahmen im Zulassungsverfahren (PSY-III-Gutachten) vom 11.11.2018 bzw. 12.08.2018 sind folgende Schlussfolgerungen zum psychischen Gesundheitszustand der Beschwerdeführer zu entnehmen:

Betreffend den Erstbeschwerdeführer:

„Zur Zeit der Befundaufnahme findet sich eine nachvollziehbare, adäquate Belastung, durch das laufende Asylverfahren und die für den Asylwerber unklare Zukunft. Diese Belastung ist in Art, Dauer und Intensität jedoch derzeit noch nicht krankheitswertig.“

Betreffend die Zweitbeschwerdeführerin:

„Zur Zeit der Befundaufnahme findet sich eine belastete Frau, die in der Konzentration etwas reduziert ist, jedoch reichen die kognitiven Funktionen, auch die Konzentration, für die Exploration. Die Asylwerberin kann zeitliche Abläufe einordnen und beantwortet adäquat und sinnvoll auf die ihr gestellten Fragen. Gelegentlich kommt es zum Vergessen von Inhalten. Insgesamt kann aber die Befundaufnahme ungestört erfolgen. Für eine krankheitswertige Störung liegen derzeit noch keine ausreichenden Symptome vor. Die Belastung und der Stress in Art, Dauer und Intensität anlassbedingt und noch nicht krankheitswertig.“

Betreffend den Drittbeschwerdeführer:

„Es handelt sich um einen gesunden Buben, der zwar laut Mutter wenig lerne und aufsässig sei, dies ist jedoch in unserem Kulturkreis in der Pubertät durchaus üblich und stellt keine besondere Auffälligkeit dar. Hierorts bei der Befundaufnahme angepasst, kooperativ und freundlich. Es kann derzeit keine krankheitswertige Störung festgestellt werden.“

Am 31.10.2018 wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin niederschriftlich vor dem BFA einvernommen. Der Erstbeschwerdeführer gab dabei an, im letzten Verfahren zu seiner Person und den Fluchtgründen die Wahrheit gesagt zu haben. Er habe psychische Probleme, befinde sich derzeit aber nicht in Therapie und nehme auch keine Medikamente. Seine Frau und sein Sohn seien auch beide krank, sie seien aber noch nicht im Spital gewesen. Sein Sohn sei wegen eines Blähbauches im Krankenhaus gewesen. In seinem Heimatland befinde sich nur noch ein Bruder, mit dem er Streitigkeiten wegen eines Grundstückes habe. Seine Mutter sei im Iran und sein Vater sei bereits im August 2017 verstorben.

Darauf hingewiesen, dass er bei der Einvernahme im Februar 2017 angegeben habe, dass sein Vater vor einem Jahr verstorben sei, als er aus Afghanistan weggegangen sei, gab der Erstbeschwerdeführer an, dass sein Vater gesund gewesen sei, als er von Afghanistan weggegangen sei. Etwa ein Jahr nach ihrer Einreise in Österreich sei er gestorben, also müsse es etwa im Frühjahr 2017 gewesen sein, er kenne sich aber mit dem Kalender nicht aus. Über den Tod seines Vaters informiert habe ihn seine Mutter. Nachdem die Streitigkeiten mit seinem einen Bruder XXXX begonnen hätten, hätten seine Mutter und sein anderer Bruder XXXX in den Iran flüchten müssen. Die Streitigkeiten mit seinem einen Bruder hätten begonnen, als sein Vater noch gelebt habe. Der Bruder sei nur gekommen, habe seine Anteile abgeholt und sei wieder gegangen. Der andere Bruder XXXX lebe mit seiner Mutter im Iran; sie seien dorthin geflüchtet, nachdem der Vater gestorben sei. Mit diesem Bruder habe der Erstbeschwerdeführer keine Probleme. Nach dem Tod des Vaters habe der eine Bruder XXXX die Grundstücke seines Vaters beansprucht und habe dabei seine Mutter und den anderen Bruder so unter Druck gesetzt, dass diese in den Iran geflüchtet seien. Der Erstbeschwerdeführer glaube, dass der eine Bruder XXXX in Afghanistan sei. Dieser habe ihm eine Nachricht per WhatsApp hinterlassen, in welcher er ihn bedroht habe. Das sei vor etwa einem Monat gewesen.

Sodann wurde die Sprachnachricht vorgespielt und vom Dolmetscher übersetzt. Diese lautete: „Nachdem ich dich von meinem Telefon aus nicht erreicht habe, habe ich das Telefon meines Nachbarn benützt. Ich sag dir… Arschloch, dass das Grundstück unserer Mutter und mir gehört. Solltest du irgendwo auftauchen, werde ich dich schlachten.“ Der Erstbeschwerdeführer gab dazu an, dass es sein könne, dass sein Bruder ihn nur warnen habe wollen und deswegen das Gespräch nicht so aufgebracht geklungen habe. Befragt, ob das die erste Bedrohung durch seinen Bruder gewesen sei, erklärte der Erstbeschwerdeführer, dass damals, als sein Bruder hin und wieder gekommen sei, um seine Anteile abzuholen, er gesagt habe, dass er sich dieses Grundstück irgendwann holen werde. Seit dem negativen „Bescheid“ im März 2018 passiere dies öfter. Nachgefragt, warum die Bedrohungen erst seit dem negativen Bescheid stattgefunden hätten, gab der Erstbeschwerdeführer zu Protokoll, dass er vorher keinen Kontakt gehabt habe. Er habe Freunde und Bekannte in Afghanistan und sein Bruder werde sich vermutlich von diesen die Nummer geholt haben. Er könne nicht sagen, warum der Bruder nicht schon vorher angerufen habe, vielleicht sei er ja wegen seinen Drogen unterwegs gewesen oder mit den Taliban. Der Erstbeschwerdeführer habe nur einen Freund im Dorf seiner Heimat; die übrigen Angehörigen sowie die Schwiegereltern würden im Iran leben. Er sei in Afghanistan niemals in Haft gewesen oder strafrechtlich verurteilt worden. Auch habe er nie Probleme mit der Polizei, dem Militär oder den Behörden gehabt. In Österreich würden sehr weit entfernte Verwandte wohnen, mit denen er Kontakt habe.

Zu einer etwaigen Integration in Österreich gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er bereits Kurse besucht habe und auch derzeit Kurse besuchen würde. Er habe sich auch angepasst. Der Erstbeschwerdeführer wurde daraufhin auf Deutsch aufgefordert, zu erzählen, was er gestern Abend gemacht habe; darauf gab er keine Antwort. Über weitere Nachfrage gab er an, in dem Heim, in dem er lebe, freiwillig als Reinigungskraft zu arbeiten. Er sei weder in einem Verein, in einer kirchlichen Organisation, noch in einer Hilfsorganisation tätig, da er sich noch nicht so gut auskenne.

Darauf hingewiesen, dass der letzte Asylantrag am 09.03.3018 rechtskräftig in zweiter Instanz abgewiesen worden sei, und befragt, ob er damals betreffend die Fluchtgründen die Wahrheit gesagt habe, bejahte der Erstbeschwerdeführer dies; die alten Gründe seien noch aufrecht. Nachgefragt, ob sich seit der rechtskräftigen Entscheidung seines Vorverfahrens irgendetwas Wesentliches in seinem Leben geändert habe, gab der Erstbeschwerdeführer an, das, was sie jetzt unter Druck gesetzt habe, sei die Hilflosigkeit und keine Unterkunft zu haben. Sie wüssten nicht, wo sie hingehören würden. Seiner Frau und seinem Sohn gehe es gleich. Sie wüssten nicht, was mit ihnen geschehe werde. Seine Familie belaste es, dass sie nicht nach Hause zurückkönnten und hier keine Antwort auf die Frage bekämen, wie es mit ihnen weitergehen werde, und, dass sie keine Unterkunft bekämen.

Nachgefragt, warum sie am 05.10.2018 neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hätten, erklärte der Erstbeschwerdeführer, dass er erstens nicht zurückkehren könne, da er dort niemanden mehr habe, der ihm helfen und ihn unterstützen könne. Zweitens sei die Lage in Afghanistan nicht sicher und drittens warte sein Bruder und wolle ihn umbringen.

Aufgefordert, nochmals genau die Bedrohung durch seinen Bruder zu schildern, erklärte der Erstbeschwerdeführer abermals, dass es um das Grundstück gehe, das seinem Vater gehört habe. Dieses gehöre seit dem Tod seines Vaters seiner Mutter und ihm, aber sein Bruder wolle es für sich haben. Die anderen Brüder hätten bereits zu Lebzeiten seines Vaters ihre Anteile erhalten. Nachgefragt, warum die Bedrohung erst jetzt seit Oktober stattgefunden habe, obwohl der Vater schon ein Jahr lang tot sei, gab der Erstbeschwerdeführer an, der Bruder sei ein Feind. Genaueres könne/wolle er nicht angeben. Befragt, ob es zu diesem Bruder vor Oktober gar keinen Kontakt gegeben habe, erklärte der Erstbeschwerdeführer, dass der Bruder keine Nummer von ihm gehabt habe und ihn nicht erreichen habe können. Jetzt habe er sie durch einen Freund, der in dem Dorf wohne, bekommen. Der Erstbeschwerdeführer habe nach wie vor Kontakt zu diesem Freund, um zu wissen, wie die Lage im Dorf und in Afghanistan sei. Derzeit halte sich nur der eine Bruder, der ihn bedrohe und mit Drogen handle und zudem Verbindungen zu den Taliban habe, in Afghanistan auf. Im Falle einer Rückkehr befürchte der Erstbeschwerdeführer, dass dieser Bruder ihn umbringen werde. Darauf hingewiesen, dass sein Bruder in der Sprachnachricht gesagt habe, dass das Grundstück ihm selbst und seiner Mutter gehöre und die Mutter doch geflüchtet sei, erklärte der Erstbeschwerdeführer, dass eine Mutter ja auch etwas brauche, um zu leben. Sie sei geflüchtet, weil er sie unter Druck gesetzt habe, damit er das Grundstück verkaufen könne.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab zu Beginn abermals an, dass der Drittbeschwerdeführer keine eigenen Fluchtgründe habe. Zu ihrem gesundheitlichen Befinden führte sie aus, dass sie Probleme mit dem Rücken und Kopfschmerzen habe. Ihrem Mann und Sohn gehe es gut. Der Ehemann habe Splitter im ganzen Körper, sei aber nicht versichert und könne daher nicht operiert werden. Der Ehemann habe dies auch bereits im Vorverfahren angegeben. Zu etwaigen Angehörigen in Afghanistan erklärte die Zweitbeschwerdeführerin, es befinde sich nur ein jüngerer Schwager dort, der Bruder ihres Mannes. Die Eltern und die fünf Geschwister der Zweitbeschwerdeführerin seien im Iran. Etwa ein Mal pro Woche, im Monat zwei Mal, telefoniere sie mit ihnen. Der Bruder ihres Ehemannes, welcher in Afghanistan lebe, heiße XXXX und sei etwa 24 Jahre alt. Ein weiterer Bruder, XXXX , lebe im Iran. Dass sich der eine Bruder in Afghanistan befinde, wisse sie ganz sicher, da ihre Schwiegermutter ihr das mitgeteilt habe. Auch die Bekannten in Afghanistan hätten ihnen das gesagt. Die Zweitbeschwerdeführerin verneinte über Nachfrage, in Afghanistan jemals in Haft gewesen oder jemals strafrechtlich verurteilt worden zu sein. Auch habe sie nie Probleme mit der Polizei, dem Militär oder den Behörden gehabt. In Österreich gebe es weitschichtige Verwandte, die anerkannte Flüchtlinge seien. Befragt, welche Integrationsschritte sie selbst bereits gesetzt habe, gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass sie nicht sehr gut lernen habe können, da sie alle gestresst gewesen seien und es ihnen psychisch nicht gut gegangen sei. Sie könne nicht sehr gut sprechen, könne aber auf Deutsch lesen und schreiben. Die vorgeschriebenen Kurse habe sie alle besucht. Sie sei in Österreich nicht berufstätig und auch in keinem Verein, in keiner kirchlicher Organisation und keiner Hilfsorganisation tätig.

Darauf hingewiesen, dass der letzte Asylantrag am 09.03.3018 rechtskräftig in zweiter Instanz abgewiesen worden sei, und befragt, ob sie damals betreffend die Fluchtgründen die Wahrheit gesagt habe, bejahte die Zweitbeschwerdeführerin dies. Ihre alten Gründe seien noch aufrecht. Seit der rechtskräftigen Entscheidung habe sich nichts geändert, außer, dass sie neue Deutschkurse besucht habe. Befragt, warum sie neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, erklärte die Zweitbeschwerdeführerin, dass ihr Ehemann Probleme habe und sie in Afghanistan wie eine Gefangene gewesen sei. Sie habe dort nichts machen dürfen. Nach den Problemen ihres Ehemannes befragt, gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass am Anfang die Taliban sein Problem gewesen seien. Vier Jahre vor ihrer Flucht sei er von den Taliban verletzt worden. Es habe Grundstücksstreitigkeiten gegeben, wegen einem Grundstück, das auch anderen Familienangehörigen gehört habe. Etwa ein Jahr und vier Monate nach ihrer Ankunft in Österreich sei ihr Schwiegervater verstoben. Der eine Bruder ihres Mannes, XXXX , habe gesagt, dass das sein Grundstück sei und niemand sonst Anspruch darauf habe. Er habe sehr oft seine Mutter unter Druck gesetzt, um eine Vollmacht zu bekommen, damit er das Grundstück verkaufen könne. Die Mutter sei dann mit einem anderen Sohn in den Iran geflogen. Dieser Bruder, der immer Umgang mit den Taliban gehabt habe, sei immer jemand gewesen, der sich für alles interessiert habe und alles gemacht habe, bis der Vater gestorben sei. Jetzt versuche er, das Grundstück ganz für sich zu nehmen. Zudem habe er für die Taliban gearbeitet. Er habe sie bedroht und gesagt, dass er jeden, der zurückkomme, töten werde, und, dass diese Ungläubige seien, weil sie geflüchtet seien. Nachgefragt, ob ihr Mann ihr Beweise gezeigt oder am Handy vorgespielt habe, bejahte dies die Zweitbeschwerdeführerin. Sie habe eine Aufnahme gehört. Befragt, was sie da genau gehört habe, gab sie an, dass er ihr mehrere Mittschnitte vorgespielt habe: „Wenn du nach Afghanistan kommst, bringe ich dich um, und deinen Kopf abreißen und auf deinen Bauch stellen, weil du keinen Anspruch auf das Grundstück hast. Du hast deine Familie beschämt“. Es seien mehrere Sprachnachrichten gewesen.

Mit Bescheiden vom 23.01.2019 wies das BFA die (Folge)Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I. und II.) und erteilte den Beschwerdeführern keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführer keinen neuen Sachverhalt vorgebracht hätten bzw. ihr neues Vorbringen hinsichtlich der behaupteten Verfolgung durch den Bruder des Erstbeschwerdeführers keinen glaubhaften Kern aufweise.

Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer durch ihre Vertretung am 04.02.2019 fristgerecht gleichlautende Beschwerden. Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass die belangte Behörde den Beschwerdeführern zu Unrecht die Glaubwürdigkeit betreffend die Bedrohung durch den Bruder des Erstbeschwerdeführers abgesprochen habe. Die Beschwerdeführer hätten ihre Heimat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen und in ihrem Asylverfahren soweit als möglich mitgewirkt.

Die gegen diese Bescheide vom 23.01.2019 erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.04.2019 zu den Zahlen W239 2153751-2/5E, W239 2153749-2/5E und W239 2153750-2/5E hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide gemäß § 68 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerden hinsichtlich der Spruchpunkte III. bis VI. der angefochtenen Bescheide wurden gemäß § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, § 52 FPG und § 55 Abs. 1a FPG als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen – hier verkürzt dargtestellt – ausgeführt, im Erstverfahren sei in den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.03.2018 umfassend dargelegt worden, dass das Vorbringen betreffend eine Bedrohung bzw. Verfolgung des Erstbeschwerdeführers und seiner Familie wegen der Teilnahme am Bürgerkrieg, betreffend eine Bedrohung bzw. Verfolgung des Erstbeschwerdeführers und seiner Familie aufgrund seiner Mitgliedschaft bei den Harakat-e Islami und betreffend eine Bedrohung und Verfolgung durch die Taliban bzw. die Daesh nicht substantiiert und unglaubwürdig gewesen sei und der rechtlichen Beurteilung daher nicht zu Grunde gelegt werden habe können. Auch hinsichtlich einer vorgebrachten Bedrohung bzw. Verfolgung der Beschwerdeführer aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Sadat und der schiitischen Glaubensrichtung habe von den Beschwerdeführern keine individuelle und konkrete Betroffenheit aufgezeigt werden und sei vom Bundesverwaltungsgericht auch eine Gruppenverfolgung der Sadat bzw. der Schiiten in Afghanistan nicht angenommen worden. Zur vorgebrachten Bedrohung bzw. Verfolgung der Zweitbeschwerdeführerin aufgrund eines selbstständigen und selbstbestimmten Lebensstils sei vom Bundesverwaltungsgericht festgestellt worden, dass - entgegen des vagen Vorbringens - die persönliche Haltung der Zweitbeschwerdeführerin über die grundsätzliche Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft nicht im Widerspruch zu den in Afghanistan bislang vorherrschenden gesellschaftlich-religiösen Zwängen, denen Frauen dort mehrheitlich unterworfen sind, stehe, und, dass sich ihre persönliche Wertehaltung nicht an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als „westlich“ bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiere. Auch hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers habe das Bundesverwaltungsgericht keine Bedrohung bzw. Verfolgung wegen der vorgebrachten westlichen Lebensweise erkannt. Ebenso wenig habe seitens des Bundesverwaltungsgerichts alleine aus der Minderjährigkeit des Drittbeschwerdeführers eine individuelle konkrete Bedrohung seiner Person abgeleitet werden können.

Diese genannten Themenkomplexe seien von der Rechtskraft der Vorentscheidung umfasst; daher vermöge den Beschwerdeführern das neuerliche Vorbringen von bereits genannten Fluchtgründen nicht zum Erfolg zu verhelfen. Sofern die Beschwerdeführer im Folgeverfahren aber ergänzende Ausführungen getätigt hätten, sei festzuhalten, dass diese nicht dazu geeignet seien, einen glaubhaften Kern des Vorbringens aufzuzeigen; damit sei kein neuer Sachverhalt vorgebracht worden, sondern sollten die im Erstverfahren getätigten Ausführungen offensichtlich nur untermauert bzw. gesteigert werden. Weder der Erstbeschwerdeführer noch die Zweitbeschwerdeführerin seien in der Lage gewesen, auf die Frage nach dem Grund der neuerlichen Antragstellung ein substantiiert neues Vorbringen zu erstatten, das auch glaubhaft gewesen wäre. Betreffend die im Familienbesitz des Erstbeschwerdeführers befindlichen Grundstücke sei vom Bundesverwaltungsgericht bereits im Vorverfahren aufgezeigt worden, dass vom Erstbeschwerdeführer dazu keine gleichlautenden Angaben gemacht worden seien. Nunmehr sollten diese Grundstücke im Folgeverfahren plötzlich eine zentrale Rolle spielen, ohne jedoch, dass sich die jetzigen Aussagen mit den Angaben im Erstverfahren vereinbaren ließen. Zusammengefasst würden sich die Beschwerdeführer auf ein bereits im ersten Asylverfahren rechtskräftig als unglaubwürdig bzw. als nicht asylrelevant qualifiziertes Vorbringen stützen. Die Beschwerdeführer würden ihre zweiten Anträge auf internationalen Schutz auf die gleichen Fluchtgründe, die sie bereits im Verfahren über ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz geltend gemacht hatten, stützen. Sie hhätten keine neuen Gründe bzw. keine neuen Gründe, denen ein glaubwürdiger Kern innewohnen würde, vorgebracht.

Eine akute lebensbedrohende Krankheit der Beschwerdeführer, welche eine Überstellung nach Afghanistan gemäß der dargestellten Judikatur des EGMR verbieten würde, liege im konkreten Fall nicht vor. Auch sei nicht konkret dargelegt worden, dass sich der Gesundheitszustand der Beschwerdeführer im Falle einer Überstellung, in den Schutzbereich von Art. 3 EMRK fallend, verschlechtern würde. Zudem habe sich auch die im Vorverfahren ergangene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.03.2018 mit dem Gesundheitszustand der Beschwerdeführer und einer eventuell notwenigen Behandlung auseinandergesetzt und das Bestehen einer grundsätzlichen Behandlungsmöglichkeit in Afghanistan bejaht.

Hinsichtlich der Integrationsbemühungen der Beschwerdeführer in Österreich hätten sich seit Rechtskraft der Entscheidung im Vorverfahren keine Änderungen ergeben. Es seien zwar betreffend den Erstbeschwerdeführer und betreffend die Zweitbeschwerdeführerin Teilnahmebestätigungen an weiteren Deutschkursen vorgelegt worden, ohne jedoch, dass von ihnen die dazugehörigen Prüfungen bestanden worden wären. Die geringen Deutschkenntnisse der beiden Eltern seien im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA einmal mehr deutlich geworden; ein positiver Fortschritt in beachtenswertem Ausmaß sei zwischenzeitlich offenbar nicht erzielt worden. Auch hinsichtlich des Drittbeschwerdeführers hätten sich in Bezug auf seine Integration in Österreich keine wesentlichen Neuerungen ergeben, die nicht schon im Vorverfahren mitberücksichtigt worden seien.

Diese mit 12.04.2019 datierten Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes erwuchsen mit deren Zustellung am 18.04.2019 in Rechtskraft.

Verfahren über die dritten Anträge auf internationalen Schutz (in Rechtskraft erwachsen):

Am 16.10.2019 langte von den deutschen Behörden ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Artikel 18 (1) b Dublin Verordnung betreffend die Beschwerdeführer bei h.o. Behörde ein. Mit Schreiben vom 17.10.2019 stimmte Österreich dem gestellten Wiederaufnahmeersuchen gem. Artikel 18 (1) d Dublin Verordnung zu. Am 04.03.2020 wurden die Beschwerdeführer am Landweg von Deutschland nach Österreich überstellt.

Am 04.03.2020 stellten die Beschwerdeführer in Österreich abermals (nunmehr bereits dritte) Anträge auf internationalen Schutz.

Zu den Gründen für diese dritte Antragstellung gab der Erstbeschwerdeführer im Rahmen seiner Erstbefragung im Wesentlichen an, seine Fluchtgründe seien dieselben wie zu Beginn. Er werde von den Taliban bedroht. Es habe sich nichts geändert hätte und seine alten Fluchtgründe würden aufrecht bleiben. Die Zweitbeschwerdeführerin gab an, sie habe das gleiche Problem wie beim ersten Interview. Jetzt würden die Taliban die ganze Zeit bei ihrem Schwager nach ihrem Sohn rufen. Die Taliban würden immer wieder anrufen. Sie habe Angst, dass sie sie umbringen würden, weil die Taliban einen Grund von mir haben wollten. Sie hätten wirklich große Probleme, sie lüge nicht. Danach befragt, ob sie konkrete Hinweise habe, dass ihr bei ihrer Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe, die Todesstrafe droht, oder sie mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen haben, führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, dass sie keine habe.

Am 22.04.2020 wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin niederschriftlich vor dem BFA einvernommen. Der Erstbeschwerdeführer gab an, er habe noch Schmerzen im Fuß wegen eines Splitters. Er könne an der linken Hand einige Finger nicht bewegen. In Österreich sei er in Behandlung, er habe Schmerzmittel bekommen. Er sei auch wegen psychischer Probleme beim Arzt gewesen, dieser habe gesagt, dass derzeit keine Behandlung nötig sei, er habe nur Schlaftabletten bekommen. Die medizinischen Unterlagen seien alle in Deutschland verblieben. Nachdem er die letzte negative Entscheidung vom Gericht in Österreich erhalten habe, habe er von Mitarbeitern des afghanischen Konsulates in Wien erfahren, dass er hier keine Chance auf Asyl habe. Er müsste zurück nach Afghanistan und versuchen auf legalem Wege nach Österreich zu kommen. Er habe diesen Leuten des Konsulats gesagt, dass er nicht nach Afghanistan zurückkehren könne, weil sein Leben dort in Gefahr sei. Sie würden nun schon einige Jahre hier in Österreich leben und sein Sohn gehe hier zur Schule. Die beiden Mitarbeiter des Konsulats hätten ihn dazu bringen wollen, freiwillig nach Afghanistan zurückzukehren. Er habe dies abgelehnt. Er habe Angst bekommen, dass er nach Afghanistan abgeschoben werde und sei weiter nach Deutschland gereist. Zu seinen Fluchtgründen führte er aus, er halte seine Asylgründe aus den Vorverfahren weiterhin aufrecht. Er habe Feinde in Afghanistan, diese würden ihn und seine Familie finden und umbringen. Auf ausdrückliche Nachfrage, ob der Erstbeschwerdeführer den nunmehr dritten Antrag auf Asyl ausschließlich aus den Gründen, welche er bereits in seinen Vorverfahren vorgebracht habe, entgegnete der Erstbeschwerdeführer, ja, das stimme so, andere Gründe habe er nicht. Er wolle aber noch hinzufügen, dass er, seine Frau und sein Sohn in Österreich immer in Ungewissheit gelebt hätten. Genau aus diesem Grund habe er in Österreich keine medizinische Behandlung, welche eigentlich dringend nötig gewesen sei, bekommen. Erst nachdem er erfahren habe, dass sie nach Afghanistan abgeschoben würden, habe er panisch reagiert und sie seien weiter nach Deutschland gereist. Österreich hätte zu ihnen sagen können, dieses Land zu verlassen, aber nicht, dass sie unbedingt nach Afghanistan müssten. Sie würden hoffen, hier in Europa bleiben zu können, das sei ihr Wunsch. Auf das Neuerungsverbot aufmerksam gemacht, gab der Erstbeschwerdeführer an, er habe sämtliche Gründe, die sie veranlasst hätten, ihren Herkunftsstaat zu verlassen, vollständig geschildert, er habe ausreichend Zeit gehabt, ihre Probleme vollständig und ausführlich zu schildern. Er habe wahrheitsgemäß geantwortet.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab an, sie habe psychische Probleme, vor allem leide sie an Schlafstörungen, deshalb müsse sie auch Medikamente einnehmen. Außerdem habe sie schlechte Augen und Ohren, sie benötige eine Brille und ein Hörgerät, welches sie derzeit nicht mehr habe. Ihr Sohn, der Drittbeschwerdeführer, sei in Afghanistan sehr aufgeregt und ängstlich geworden, es sei hier in Österreich besser geworden, er erhalte aber Beruhigungstabletten. Jetzt sei ihr Mann, der Erstbeschwerdeführer, psychisch sehr beeinträchtigt, er könne sich nicht beherrschen, erhabe ihr Mobiltelefon aus dem Fenster geworfen. Ihr Mann hat nach der letzten negativen Entscheidung psychische Probleme bekommen. Zu ihren Fluchtgründen führte sie aus, sie könnten nicht nach Afghanistan zurück, weil ihr Mann dort Feinde habe. Sie habe die gleichen Fluchtgründe wie in den ersten beiden Verfahren. Andere Fluchtgründe habe sie nicht. Sie halte ihre Asylgründe aus den Vorverfahren weiterhin aufrecht. Ihr Mann sei in Afghanistan zweimal brutal geschlagen und fast getötet worden. Sie habe keine Familienangehörigen mehr in Afghanistan; eigentlich würden alle wegen Corona aus dem Iran nach Afghanistan zurückkehren, in dieser Zeit sei ihre Familie jedoch in den Iran geflüchtet. Auf das Neuerungsverbot aufmerksam gemacht, gab die Zweitbeschwerdeführerin an, sie habe sämtliche Gründe, die sie veranlasst hätten, ihren Herkunftsstaat zu verlassen, vollständig geschildert, sie habe ausreichend Zeit gehabt, ihre Probleme vollständig und so ausführlich wie sie es wollen habe zu schildern.

Mit Bescheiden des BFA vom 04.06.2020 wurden die abermaligen Folgeanträge der Beschwerdeführer vom 04.03.2020 neuerlich hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde den Beschwerdeführern nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA- VG wurde gegen die Beschwerdeführer abermals eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.) und dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.), gem. §53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein befristetes Einreiseverbot für die Dauer von 2 Jahren erlassen (Spruchpunkt VII.), sowie gem. § 15b Absatz 1 Asylgesetz 2005 die Unterkunftnahme der Beschwerdeführer in der BS Thalham aufgetragen (Spruchpunkt VIII.).

Die Abweisung der Folgeanträge begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführer keinen neuen Sachverhalt vorgebracht hätten, welcher nach rechtskräftigen Abschluss des letzten Vorverfahrens entstanden wäre, bzw. im Vorverfahren alle bis zur Entscheidung dieses Asylverfahrens entstandene Sachverhalte berücksichtigt wurden. Seitens des BFA sei kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festzustellen gewesen. Die Begründungen des neuen Asylantrages würden nicht ausreichen, um einen wesentlich geänderten entscheidungsrelevanten Sachverhalt entstehen zu lassen. Eine besondere Integrationsverfestigung der Beschwerdeführer im Bundesgebiet könne nicht festgestellt werden. Die maßgebliche Lage im Herkunftsstaat, dies insbesondere auch unter Berücksichtigung der gegenwärtigen weltweiten Corona Pandemie, habe sich seit den rechtskräftigen Abschlüssen der Vorverfahren nicht geändert. Die Beschwerdeführer hätten trotz Aufforderung Österreich nicht verlassen, bzw. würden über keine Mittel zu Bestreitung des Unterhaltes verfügen. Aus diesen Gründen würde sich die Verhängung eines Einreiseverbotes für die Dauer von 2 Jahren nach Durchführung einer Abwägungsentscheidung mit den familiären und privaten Anknüpfungspunkten als gerechtfertigt und notwendig darstellen. Die Auftragung der Unterkunftnahme sei im Interesse der öffentlichen Ordnung und aus Gründen der zügigen Bearbeitung und wirksamen Überwachung des Antrags auf internationalem Schutz geboten.

Gegen diese Bescheide vom 04.06.2020 erhoben die Beschwerdeführer durch ihre Vertretung gleichlautende Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht.

Die gegen diese Bescheide vom 04.06.2020 erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.07.2020 zu den Zahlen W168 2153751-3/3E, W168 2153749-3/3E und W168 2153750-3/3E hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide gemäß § 68 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerden hinsichtlich der Spruchpunkte III. bis VIII. der angefochtenen Bescheide wurden gemäß § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, § 52 FPG, § 55 Abs. 1a FPG, § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG und § 15b AsylG als unbegründet abgewiesen.

Diese mit 24.07.2020 datierten Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes, beinhaltend gegen die Beschwerdeführer erlassene Rückkehrentscheidungen und befristete Einreiseverbote für die Dauer von 2 Jahren, erwuchsen mit deren Zustellung an den Rechtsvertreter der Beschwerdeführer am 28.07.2020 in Rechtskraft.

Verfahren über die nunmehr verfahrensgegenständlichen vierten Anträge auf internationalen Schutz:

Am 09.10.2020 stellten die Beschwerdeführer – anstatt ihrer Ausreiseverpflichtung aus dem österreichischen Bundesgebiet nachzukommen - in Österreich neuerlich (nunmehr bereits vierte) Anträge auf internationalen Schutz.

Im Zuge der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag (09.10.2020) gab der Erstbeschwerdeführer zu den Gründen für die neuerliche Antragstellung befragt Folgendes an:

„Ihr Verfahren wurde am 31.07.2020 bereits rechtskräftig entschieden.

Warum stellen Sie jetzt einen (neuerlichen) Asylantrag? Was hat sich seit der Rechtskraft konkret gegenüber Ihrem bereits entschiedenen Verfahren - in persönlicher Hinsicht und im Hinblick auf die Gefährdungslage im Herkunftsstaat - verändert?

Erläutern Sie umfassend und detailliert sämtliche Gründe für Ihre neuerliche Asylantragstellung und legen Sie nun alle Ihnen nunmehr zur Verfügung stehenden (neuen) Bescheinigungsmittel vor.

Ja ich habe einen neuen Grund, warum ich neuerlich einen Asylantrag stelle. Damals wurde ich auf dem Weg nach Österreich von einem Sachbearbeiter angehalten, welcher mir mitgeteilt hat, dass wenn ich aus Iran kommen sollte, ja nicht das beim Asylantrag angeben soll. Ich soll angeben, dass ich aus Afghanistan komme. Deshalb habe ich damals fälschlicher Weise angeben, dass ich nur 4 Tage im Iran war und hauptsächlich in Afghanistan gelebt habe. Dies ist aber nicht korrekt. Ich komme schon ursprünglich aus Afghanistan, aber habe fast 20 Jahre meines Lebens im Iran verbracht. Ich möchte das nun richtigstellen. Deshalb habe ich Beweismittel mitgebracht, welche meinen damaligen Aufenthalt bestätigen.

Ich wurde leider von Anfang an schlecht beraten und habe bei meiner Erstbefragung in der Steiermark viele wichtige Dinge nicht bekanntgegeben. Ich war zum damaligen Zeitpunkt einfach sehr verwirrt und wusste nicht genau was ich sagen sollte. Außerdem wurde mir gesagt, dass ich nur die mir gestellten Fragen beantworten soll und nicht mehr.

Haben Sie alle Ausreise-, Flucht, oder Verfolgungsgründe genannt?

Im Iran musste ich für meinen Aufenthaltstitel in den Krieg (in Syrien) ziehen. Nur so lang ich im Krieg war durften meine Kinder zur dortigen Schule gehen. Jeden Monat musste ich erneut in den Krieg ziehen und nur dann wurde mir und meiner Familie ein Aufenthaltstitel gegeben. Von der Iranischen Regierung wurde mir, wenn ich in den Krieg ziehe eine iranische Staatsbürgerschaft versprochen worden. Dies ist nie geschehen.

Was befürchten Sie bei einer Rückkehr in Ihre Heimat?

Ich stamme von der Volksgruppe „Hazara“ ab. Mein Heimatort ist eine „Taliban-Hofburg“. Also ich würde nicht überleben, wenn zurückgehe! Als Beweismittel kann ich ein Video zur Verfügung stellen, worin deutlich gemacht wird, wenn ich als „Hazare“ zu meinem Heimatort zurück gehe werde ich umgebracht.

Gibt es konkrete Hinweise, dass Ihnen bei Ihrer Rückkehr unmenschliche Behandlung,

unmenschliche Strafe, die Todesstrafe droht, oder sie mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen haben? (ja, welche?/keine)

nein

Seit wann sind Ihnen die Änderungen der Situation/Ihrer Fluchtgründe bekannt?

(genaues Datum oder überprüfbarer Anlass) 

Seitdem ich von Deutschland zurückgekommen bin möchte ich nur noch die Wahrheit bekannt geben.

Sonstige sachdienliche Hinweise

Ich habe durch den Krieg viele Verletzungen erlitten. Deshalb muss ich sehr viele Medikamente nehmen. Außerdem bin ich sehr vergesslich.“

Im Zuge der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 09.10.2020 gab die Zweitbeschwerdeführerin zu den Gründen für die neuerliche Antragstellung befragt Folgendes an:

„Ihr Verfahren wurde am 31.07.2020 bereits rechtskräftig entschieden.

Warum stellen Sie jetzt einen (neuerlichen) Asylantrag? Was hat sich seit der Rechtskraft konkret gegenüber Ihrem bereits entschiedenen Verfahren - in persönlicher Hinsicht und im Hinblick auf die Gefährdungslage im Herkunftsstaat - verändert?

Erläutern Sie umfassend und detailliert sämtliche Gründe für Ihre neuerliche Asylantragstellung und legen Sie nun alle Ihnen nunmehr zur Verfügung stehenden (neuen) Bescheinigungsmittel vor.

Ich und mein Sohn haben dieselben Fluchtgründe wie mein Mann

Haben Sie alle Ausreise-, Flucht, oder Verfolgungsgründe genannt?

ja

Was befürchten Sie bei einer Rückkehr in Ihre Heimat?

Ich fürchte meinen Tod und den meiner Familie

Gibt es konkrete Hinweise, dass Ihnen bei Ihrer Rückkehr unmenschliche Behandlung,

unmenschliche Strafe, die Todesstrafe droht, oder sie mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen haben? (ja, welche?/keine)

nein

Seit wann sind Ihnen die Änderungen der Situation/Ihrer Fluchtgründe bekannt?

(genaues Datum oder überprüfbarer Anlass) 

Seit der Abschiebung aus Deutschland

Sonstige sachdienliche Hinweise

Ich und mein Sohn sind angeschlagen, da wir von Anfang an nicht die Wahrheit gesagt haben und auch keine Hilfe beantragt haben. Wir wollen in Österreich bleiben, mein Sohn geht in Villach in die Schule (7 Schulstufe). Ich möchte einen Deutschkurs machen.“

Am 16.12.2020 wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin niederschriftlich vor dem BFA einvernommen. Der Erstbeschwerdeführer gab dabei an, sein Sohn sei nicht in Afghanistan, sondern im Iran geboren. Er stelle den nunmehrigen vierten Antrag auf internationalen Schutz, weil er bis jetzt – der Beschwerdeführer zählte im Rahmen dieser Einvernahme auf entsprechende Nachfrage durch das BFA die in den bisherigen Asylverfahren von ihm angegebenen Fluchtgründe konkret auf - alles gelogen habe. Er wolle jetzt die Wahrheit sagen. Er habe in seinem ersten Asylverfahren angegeben, dass er direkt aus Afghanistan nach Österreich gekommen sei. Er habe gelogen und nicht korrekte Angaben gemacht. Er habe Afghanistan vor 20 Jahren verlassen. Er habe 16 Jahre im Iran gelebt. Er habe Angst gehabt, dass wenn er sage, dass er im Iran gelebt habe, die österreichischen Behörden an seiner afghanischen Nationalität zweifeln würden. Er habe dies auch nie in den Einvernahmen angegeben, er Angst gehabt habe, abgeschoben werden zu können. Er habe Fotos, die belegen würden, dass er in Syrien gewesen sei. Die iranische Behörde habe ihm versprochen, wenn er in Syrien in den Krieg ziehe, dann bekämen sie, also er und seine Familie, einen dauerhaften Aufenthaltstitel im Iran. Er sei war innerhalb von drei Jahren 10 bis 11 Mal in Syrien gewesen. Er habe von 2013 bis 2016 in Syrien gekämpft. Er sei auch mehrmals verletzt worden in Syrien. Er sei von Kugeln getroffen worden und auch von Splittern. Er habe auch Teile seines linken Zeigefingers durch einen Schuss verloren. Nach drei Jahren habe er gesehen, dass er keine Dokumente im Iran bekomme. Sie hätten ihn belogen und ausgenutzt. Dann habe er beschlossen nach Europa auszuwandern. Er habe auch nicht nach Afghanistan zurückkehren können, da die Taliban und die afghanischen Behörden bereits wissen würden, dass er in Syrien gewesen sei. In Afghanistan habe er keine Verwandten. Was seinen Gesundheitszustand angehe, so sei er in Behandlung und nehme seit einem Jahr Medikamente, Zolpidem, Wirkstoff: Zolpidemtartat, und ganz normale schmerzstillende Medikamente gegen seine Gelenksschmerzen. Er habe auch Medikamente gegen seine Schlafstörung. Er habe auch Gedächtnisprobleme. Er habe keine Befunde, er bekomme die Medikamente vom Hausarzt verschrieben.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab an, bei allen vier Verfahren habe sie nicht die Wahrheit gesagt. Sie habe gesagt, dass sie direkt aus Afghanistan gekommen seien, sie hätten Afghanistan aber bereits vor 20 Jahren verlassen. Als sie noch in Afghanistan gelebt hätten, habe ihr Mann gegen die Taliban gekämpft. Damals seien sie in den Iran geflüchtet. Sie hätten im Iran vor 16 Jahren gelebt. Ihr Mann habe in Syrien an der Front gekämpft. Sie seien illegal im Iran gewesen und hätten Angst gehabt, nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Deshalb hätten sie sich entschlossen nach Europa zu kommen. Ihr ganzes Leben habe sie zu Hause verbracht, sie habe keine Freiheit gehabt und immer mit Angst gelebt. Sie habe immer Angst vor den Taliban gehabt. Sie habe immer gedacht, die Taliban würden sie umbringen. Hier lebe sie in Freiheit. Sie könne selbst entscheiden ob sie ein Kopftuch tragen wolle oder nicht. In Afghanistan habe sie eine Burka tragen müssen. Sie habe in mehreren Asylunterkünften gearbeitet und arbeite noch immer. In Afghanistan habe sie nicht diese Möglichkeit. Frauen hätten keine Rechte in Afghanistan. Ihr Sohn sei nie in Afghanistan gewesen, er sei im Iran geboren worden. Sie würden in Afghanistan getötet werden. Wenn sie in Afghanistan leben könnten, dann hätten sie Afghanistan nie verlassen. Ihr Mann habe in Syrien gekämpft, weil ihnen versprochen worden sei, wenn er in den Krieg ziehe, dann würden sie einen dauerhaften Aufenthalt im Iran bekommen. Er sei innerhalb von drei Jahren mehrmals in Syrien gewesen. Er sei nur auf Besuch im Iran gewesen, den Rest der Zeit habe er an der Front verbracht. Was ihren Gesundheitszustand betreffe, so habe sie Schlafstörungen wie ihr Ehemann. Sie nehme Medikamente, wisse aber nicht, wie die Medikamente heißen, sie nehme auch schmerzstillende Medikamente wegen Schmerzen im Fuß. Sie habe keine Befunde, sie bekomme immer nur Rezepte, diese gebe sie in der Apotheke ab.

Mit – den nunmehr angefochtenen - Bescheiden des BFA vom 24.02.2021 wurden die abermaligen Folgeanträge der Beschwerdeführer vom 09.10.2020 neuerlich hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) – letzteres (wie auch bereits in den dritten Asylverfahren) unter besonderer Berücksichtigung der COVID-19-Situation in Afghanistan - gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Weitere Spruchpunkte beinhalten diese Bescheide nicht, insbesondere wurde keine neuerliche Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführer erlassen. Begründend wurde diesbezüglich ausgeführt, der VwGH habe in den Erkenntnissen 19.11.2015, Ra 2015/20/0082-0087 und 16.12.2015, Ro 2015/21/0037 ausgesprochen, dass eine aufrechte Rückkehrentscheidung iSd § 59 Abs. 5 FPG dann vorliege, wenn gleichzeitig ein aufrechtes Einreiseverbot bestehe. Diese Konstellation liege in den gegenständlichen Fällen vor, daher liege eine aufrechte Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot vor und sei keine neuerliche Rückkehrentscheidung zu erlassen.

Gegen diese Bescheide vom 24.02.2021 erhoben die Beschwerdeführer mit Schriftsätzen vom 10.03.2021 durch ihre rechtliche Vertretung gleichlautende Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht. Diese Beschwerden wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 16.03.2021 zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind verheiratet und die Eltern des minderjährigen Drittbeschwerdeführers. Die Beschwerdeführer sind afghanische Staatsangehörige, Angehörige der Volksgruppe der Sadat (auch Sayed)/Hazara und bekennen sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Ihre Muttersprache ist Dari, zudem sprechen sie auch Farsi, der Drittbeschwerdeführer spricht außerdem noch Englisch. Die Beschwerdeführer geben an, die in den Sprüchen angeführten Namen zu führen und an den in den Sprüchen angeführten Tagen geboren zu sein.

Der unter I. beschriebene Verfahrensgang steht fest.

Festgestellt wird, dass es sich beim nunmehrigen Vorbringen der Beschwerdeführer im Rahmen ihrer nunmehr vierten Anträge auf internationalen Schutz vom 21.02.2021 - in den bisherigen drei Asylverfahren hätten sie gelogen, nun wollten sie die Wahrheit angeben, sie hätten die letzten 20 Jahre gar nicht in Afghanistan, sondern (jedenfalls 16 davon) im Iran gelebt, der Erstbeschwerdeführer habe habe von 2013 bis 2016 im Auftrag des Iran in Syrien gekämpft, weil die iranischen Behörde ihm versprochen hätten, wenn er in Syrien in den Krieg ziehe, dann bekämen er und seine Familie einen dauerhaften Aufenthaltstitel im Iran, was die iranischen Behörden aber nicht eingehalten hätten, der Erstbeschwerdeführer sei auch mehrmals verletzt worden in Syrien, dann habe er beschlossen nach Europa auszuwandern, er habe auch nicht nach Afghanistan zurückkehren können, da die Taliban und die afghanischen Behörden bereits wissen würden, dass er in Syrien gewesen sei – selbst bei hypothetischer Wahrunterstellung dieses Vorbringens um (behauptete) Tatsachen handelt, die bereits während der letzten drei rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren – und daher insbesondere auch bereits während des ersten (und letzten inhaltlich in der Sache entschiedenen) Asylverfahrens - existent gewesen wären bzw. dass es sich hierbei um einen Sachverhalt handelt, der während der letzten drei rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren bereits existent und den Beschwerdeführern auch bekannt gewesen wäre, aber von den Beschwerdeführern nicht vorgebracht wurde. Nicht jedoch handelt es sich bei diesem nunmehr im gegenständlichen Folgeantragsverfahren erstatteten Vorbringen um das Vorbringen von erst nach Abschluss der rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren neu entstandenen Tatsachen.

Was die von den Beschwerdeführern im nunmehrigen Folgeantragsverfahren vorgebrachten gesundheitlichen Probleme betrifft, so ist – wie bereits in den rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren - festzustellen, dass die Beschwerdeführer an keinen besonders schwerwiegenden und lebensbedrohlichen Krankheiten leiden.

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer sind gegenüber den in den rechtskräftig negativ abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen – auch unter Bedachtnahme auf die COVID-19-Situation in Afghanistan; diesbezüglich wurden bereits im dritten rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren entsprechende Feststellungen getroffen - keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer stützen sich auf deren Angaben in den bisherigen, insbesondere im ersten rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren; diesbezüglich tätigten die Beschwerdeführer auch gegenständlichen Folgeverfahren kein abweichendes Vorbringen.

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus den unbedenklichen verwaltungsbehördlichen und gerichtlichen Akten.

Die Feststellung, dass dass es sich beim nunmehrigen Vorbringen der Beschwerdeführer im Rahmen ihrer nunmehr vierten Anträge auf internationalen Schutz - bei hypothetischer Wahrunterstellung dieses Vorbringens - um (behauptete) Tatsachen handelt, die während der letzten drei rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren bereits existent und den Beschwerdeführern bekannt gewesen wären, nicht jedoch um das Vorbringen von erst nach Abschluss der rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren neu entstandenen Tatsachen, ergibt sich aus dem im nunmehr vierten Asylverfahren erstatteten, oben dargestellten Vorbringen der Beschwerdeführer selbst, gaben diese zudem auch selbst an, von Anfang an nicht die Wahrheit gesagt und viele wichtige Dinge nicht angegeben zu haben. Erst nach rechtskräftigem Abschluss des letzten Asylverfahrens neu entstandene Tatsachen brachten die Beschwerdeführer im nunmehr verfahrensgegenständlichen Folgeverfahren hingegen nicht vor.

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführer an keinen besonders schwerwiegenden und lebensbedrohlichen Krankheiten leiden, gründet sich ebenfalls auf das Vorbringen der Beschwerdeführer, die zwar angaben, unter näher genannten gesundheitlichen Problemen wie Schlafstörungen, psychischen Beschwerden und Gelenksschmerzen zu leiden, aber lediglich Medikamente einzunehmen, die vom Hausarzt verschrieben würden. Über unabdingbar erforderliche lebensnotwendige medizinische Dauertherapien bzw. erforderliche stationäre Aufenthalte zur Behandlung schwerster Erkrankungen erstatteten die Beschwerdeführer hingegen kein Vorbringen.

Die Feststellung, dass hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat gegenüber den in den rechtskräftig negativ abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgebliche Änderung eingetreten ist, ergibt sich aus einem Vergleich der in den bisherigen, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren beigezogenen Länderberichtsmaterialien mit dem dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Länderberichtsmaterial. Auch im nunmehrigen, auf einem Folgeantrag basierenden Verfahren wurden den Beschwerdeführern vom BFA umfassende Länderberichte zur Kenntnis gebracht, die von den Beschwerdeführern nicht substantiiert bestritten wurden und die keine entscheidungserhebliche Veränderung der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat im Vergleich zur Lage, die bereits im Rahmen des letzten rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens einer Beurteilung unterzogen wurde, zeigen, was auch für die getroffenen Feststellungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Situation in Afghanistan gilt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Vorab ist auf Folgendes hinzuweisen: Da mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des BFA vom 24.02.2021 die abermaligen Folgeanträge der Beschwerdeführer vom 09.10.2020 (neuerlich) hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurden, diese Bescheide aber mit näherer, oben dargestellter (zutreffender) Begründung keine weiteren Spruchpunkte – insbesondere auch keine neuerliche Rückkehrentscheidung - beinhalten, ist die Sache und damit der Beschwerdegegenstand der gegenständlichen Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ausschließlich auf die Beurteilung der Frage, ob die Zurückweisung der verfahrenseinleitenden Anträge auf internationalen Schutz durch das BFA gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht erfolgt ist, eingeschränkt. Darüber hinausgehende Aspekte sind – entgegen der in den Beschwerden zum Ausdruck gebrachten offenkundigen Rechtsauffassung – hingegen nicht verfahrensgegenständlich.

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266). Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung – nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen – berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. etwa VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN).

In Beschwerdeverfahren über zurückweisende Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG ist "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht die Frage, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags auf internationalen Schutz durch die erstinstanzliche Behörde gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht erfolgt ist, ob die Behörde also auf Grundlage des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht davon ausgegangen ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entsch

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten