TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/29 W145 2223829-1

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Veröffentlicht am 29.03.2021
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Entscheidungsdatum

29.03.2021

Norm

AlVG §1 Abs1 lita
ASVG §4 Abs1 Z1
ASVG §4 Abs2
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W145 2223829-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela HUBER-HENSELER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX KG, vormals XXXX KG, vertreten durch Wirtschaftstreuhänder & Steuerberater XXXX , gegen den Bescheid der (vormals:) Wiener Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse) vom 22.08.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 22.08.2019 hat die (damalige) Wiener Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse, im Folgenden: belangte Behörde) festgestellt, dass Frau XXXX , VSNR XXXX , (im Folgenden: Mitbeteiligte) aufgrund ihrer Beschäftigung bei der (damaligen) Schönheitssalon „ XXXX “ KG (nunmehr: XXXX KG, im Folgenden: Beschwerdeführerin) von 22.02.2018 bis 27.12.2018 der Voll-(Kranken-, Unfall- und Pensions)versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz) ASVG und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) unterliege.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Mitbeteiligte sich aufgrund ihrer Tätigkeit bei der Beschwerdeführerin bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (kurz: SVS, vormals: SVA) zur Sozialversicherung gemeldet habe. Bei dieser habe sie angegeben, sie übe seit 22.02.2018 die Tätigkeit „Kommanditistin (Kosmetikerin bei XXXX „ XXXX “ KG)“ aus. Am 03.05.2018 gegen 14:30 Uhr sei die Mitbeteiligte in Arbeitskleidung (schwarzes T-Shirt mit Firmenlogo), die Tätigkeit als Frisörin ausübend am Betriebsort durch Organe der belangten Partei angetroffen worden. In weiterer Folge wurde die Mitbeteiligte niederschriftlich zu ihrer Tätigkeit bei der Beschwerdeführerin befragt. Nach Rücksprache mit der SVA stellte die belangte Behörde fest, dass die Mitbeteiligte Dienstnehmerin gemäß § 4 Abs. 1 und 2 ASVG sei, erließ den verfahrensgegenständlichen Bescheid und führte dies in der rechtlichen Würdigung genauer aus.

2. Mit Schreiben vom 27.08.2019 erhob der Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und brachte vor, dass die Mitbeteiligte Kommanditistin und keine Dienstnehmerin der Beschwerdeführerin gewesen sei. Sie sei Eigentümerin der wesentlichen Betriebsmittel gewesen und habe sich ihre Arbeitszeit frei einteilen können. Die Arbeitskleidung habe dem betrieblichen Zusammengehörigkeitsgefühl gedient.

3. Mit Schreiben vom 23.09.2019 wurde die verfahrensgegenständliche Angelegenheit dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

4. Mit Beschluss vom 15.10.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der Abteilung W145 neu zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Frau XXXX , VSNR XXXX , kroatische Staatsbürgerin, war von 22.02.2018 bis 27.12.2018 Kommanditistin der Beschwerdeführerin (FN XXXX ). Die Mitbeteiligte ist der deutschen Sprache nicht mächtig.

1.1.1. Die als Kommanditistin zu leistende Einlage betrug EUR 100, --. Beschlüsse wurden mit einfacher Mehrheit gefasst, die Mitbeteiligte war nicht zur Geschäftsführung befugt. Die von der Mitbeteiligten übernommene Haftsumme war auf ihre Einlage beschränkt.

1.2. Die Mitbeteiligte hatte in Österreich nur von 02.02.2018 bis 28.12.2018 einen Wohnsitz gemeldet. Unterkunftgeberin war die persönlich haftende Gesellschafterin der Beschwerdeführerin.

1.3. Die Mitbeteiligte war bei der Beschwerdeführerin als Frisörin auf unbestimmten Zeitraum tätig. Sie verfügte über keinen Gewerbeschein und keine eigene betriebliche Struktur.

1.4. Zwischen der Beschwerdeführerin und der Mitbeteiligten gab es keinen schriftlichen Vertrag.

1.5. Die Mitbeteiligte verfügte über keine eigenen Betriebsmittel. Lediglich die Schwere und die Maschine waren ihr Eigentum. Die anderen Betriebsmittel (wie Föhn und Materialien) wurden ihr von der Beschwerdeführerin zur Verfügung gestellt. Der Mitbeteiligten wurden zwei T-Shirts mit Firmenlogo zur Verfügung gestellt, das sie im Salon tragen musste. Am Empfang der Beschwerdeführerin befand sich ein Sparschwein mit dem Namen der Mitbeteiligten. Die Kunden machen sich die Termine im Salon oder per Anruf am Handy der Mitbeteiligten aus. Die Mitbeteiligte musste ihr Arbeitspflicht persönlich erbringen. Bei Verhinderung musste sie die Termine absagen. Eine Vertretung war nicht gegeben und nicht möglich.

1.6. Die Mitbeteiligte war ausschließlich in den Räumlichkeiten der Beschwerdeführerin in XXXX Wien, XXXX , tätig. Einen anderen Arbeitsort hatte sie nicht. Sie hat auch keinen Schlüssel zu den Räumlichkeiten. Am 03.05.2018 gegen 14:30 Uhr wurde die Mitbeteiligte dort in ihrer Arbeitskleidung die Tätigkeit als Frisörin ausübend durch Organe der belangten Behörde angetroffen.

1.7. Die Mitbeteiligte arbeitete ca. 35 Stunden pro Woche in den Räumlichkeiten der Beschwerdeführerin. Sie musste nicht während der gesamten Öffnungszeiten anwesend sein, sondern lediglich, wenn Kunden einen Termin hatten. Über ihre Abwesenheit musste die Mitbeteiligte die Komplementärin der Beschwerdeführerin informieren.

1.8. Die Tätigkeit der Mitbeteiligten als Frisörin unterschied sich nicht von jener der anderen im Betrieb angestellten Mitarbeiterinnen.

1.9. Weisungen betreffend ihr arbeitsbezogenes Verhalten erhielt die Mitbeteiligte nicht und unterlag sie auch keiner Konkurrenzklausel. Sie war jedoch ausschließlich für die Beschwerdeführerin tätig.

1.10. Die Mitbeteiligte erhielt keine ausdrücklichen Weisungen und war auch nicht befugt den anderen Mitarbeiterinnen Weisungen zu erteilen.

1.11. Die Mitbeteiligte erhielt ein monatliches Entgelt in Höhe von EUR 1.000, --.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Ausführungen zum Verfahrensgang und den Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts. Dem Akt inne liegen auch ein Firmenbuchauszug und ein Auszug aus dem zentralen Melderegister die Mitbeteiligte betreffend.

2.2. Die Feststellungen zur Eigenschaft der Mitbeteiligten als Kommanditistin ergeben sich aus dem Firmenbuch und der im Akt aufliegenden Kommanditistenerklärung vom 12.03.2018.

2.3. Das Ende der Tätigkeit der Mitbeteiligten per 27.12.2018 fußt auf einem Schreiben des Rechtsvertreters an die belangte Behörde. Der festgestellte Zeitraum der Tätigkeit der Mitbeteiligten bei der Beschwerdeführerin ist unstrittig.

2.3. Die übrigen Feststellungen zur Tätigkeit der Mitbeteiligten für die Beschwerdeführerin ergeben sich aus dem Erhebungsbericht der belangten Behörde von der Erhebung am 03.05.2018, bei welcher die Mitbeteiligte die Tätigkeit als Frisörin ausübend in den Räumlichkeiten der Beschwerdeführerin in Arbeitskleidung (schwarze T-Shirt mit Firmenlogo), angetroffen wurden sowie aus den glaubhaften Angaben im Rahmen der Niederschrift der Mitbeteiligten vom 09.05.2018 vor der belangten Behörde sowie aus den Angaben in der Einvernahme der Mitbeteiligten vom 09.05.2018. Die Aussagen der Mitbeteiligten sind nachvollziehbar und es besteht kein Grund an deren Glaubwürdigkeit zu zweifeln.

2.4. Auch eine Vorabprüfung nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG seitens der SVA ergab, dass diese nicht von einer Versicherungszugehörigkeit zum GSVG ausgeht (siehe Mail vom 07.06.2018).

2.5. Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag, oder wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Nach der Rechtsprechung des EGMR kann eine mündliche Verhandlung in Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK unterbleiben, wenn besondere beziehungsweise außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (vgl. EGMR 05.09.2002, Speil/Österreich, Appl. 42057/98, VwGH 17.09.2009, 2008/07/0015). Derartige außergewöhnliche Umstände hat der EGMR etwa bei Entscheidungen über sozialversicherungsrechtliche Ansprüche, die ausschließlich rechtliche oder in hohem Maße technische Fragen aufwerfen, als gegeben erachtet. Hier kann das Gericht unter Berücksichtigung der Anforderungen an die Verfahrensökonomie und Effektivität von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn der Fall auf Grundlage der Akten und schriftlichen Stellungnahmen der Parteien als angemessen entschieden werden kann (vgl. EGMR 12.11.2002, Fall Döry, Appl. 28.394/95, Z 37 ff.; EGMR 8.2.2005, Fall Miller Appl. 55.853/00).

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrages von der Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und der Entfall der mündlichen Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1985, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Abl. Nr. 83 vom 30.03.2010, S. 389 entgegenstehen. Im gegenständlichen Fall wurde keine mündliche Verhandlung beantragt. Zudem ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache mehr zu erwarten war und sich der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als hinreichend geklärt darstellte. Die belangte Behörde führte ein ordnungsgemäßes Beweisverfahren durch. Der Sachverhalt war weder in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Es wurden keine Rechts- und Tatfragen aufgeworfen, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte (vgl. ua VwGH 18.06.2012, B 155/12, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität ist). Desweiteren ist festzuhalten, dass die Mitbeteiligte keine ladungsfähige Adresse hat. Die belangte Behörde hat unter der im Melderegister angeführten Adresse die Zustellung versucht, jedoch erfolglos. Auf Nachfrage bei dem die Beschwerdeführerin vertretenden Steuerberater, gab dieser an, dass er auch keinen aktuellen Wohnsitz beziehungsweise aktuellen Wohnort der Mitbeteiligten kennt. Dem Entfall der mündlichen Verhandlung stehen weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen Bescheide einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Nach § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend die (damalige:) Wiener Gebietskrankenkasse.

§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

In Ermangelung einer entsprechenden Anordnung der Senatszuständigkeit liegt im gegenständlichen Fall Einzelrichterzuständigkeit vor.

3.2. Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte im Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. Nr. 33/2013, idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.3. Prüfungsumfang und Entscheidungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts

§ 27 VwGVG legt den Prüfungsumfang fest und beschränkt diesen insoweit als das Verwaltungsgericht (bei Bescheidbeschwerden) prinzipiell (Ausnahme: Unzuständigkeit der Behörde) an das Beschwerdevorbringen gebunden ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 1 zu § 27 VwGVG). Konkret normiert die zitierte Bestimmung: „Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung aufgrund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.“

Die zentrale Regelung der Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte bildet § 28 VwGVG. Die vorliegend relevanten Abs. 1 und 2 dieser Bestimmung lauten wie folgt:

„§ 28 (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.       der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.       die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.“

Gegenständlich steht der maßgebliche Sachverhalt im Sinne des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat folglich in der Sache selbst zu entscheiden.

3.4. Zu A) Abweisung der Beschwerde

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin bezog sich vor allem darauf, dass die Mitbeteiligte nicht Arbeitnehmerin, sondern Kommanditistin gewesen sei. Dazu ist zunächst auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es für die Beurteilungen von Sachverhalten nach dem ASVG im Sinnes des § 539a ASVG nicht (primär) auf die vertragliche Vereinbarung bzw. auf die Bezeichnung des Vertrages ankommt, sondern auf den wahren wirtschaftlichen Gehalt der Tätigkeit (VwGH 29.04.2015, 2013/08/0196). Insbesondere soll auch eine Umgehung der Versicherungspflicht durch Vortäuschen von Gesellschaftsverhältnissen bzw. der Stellung als persönlich haftender bzw. geschäftsführungsbefugter Gesellschafter durch § 539a ASVG iVm § 4 Abs. 2 ASVG verhindert werden (VwGH 24.11.2016, Ra 2016/08/0011; VwGH 11.06.2014, 2012/08/0157). Ein Gesellschafter kann – neben seiner durch Gesellschaftsvertrag begründeten Stellung als Gesellschafter – auch in einem Dienstverhältnis zur Gesellschaft stehen (VwGH 25.05.2005, 2003/08/0131).

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich insbesondere mit der Stellung von Kommanditisten einer KG bereits mehrmals befasst und ausgeführt, dass es keineswegs ausgeschlossen ist, dass ein an der Geschäftsführung nicht beteiligter Kommanditist in einem Verhältnis wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit zur Gesellschaft als Dienstgeberin beschäftigt sein kann (vgl. VwGH 02.05.2012, 2010/08/0083; VwGH 10.06.2009, 2007/08/0142). Andererseits könnte die Rechtsstellung eines Kommanditisten durch entsprechende Vertragsgestaltung, insbesondere durch Einräumung von Geschäftsführungsbefugnissen auch der eines Komplementär so weit angenähert werden, dass seine Tätigkeit der eines selbständig Erwerbstätigen entspricht (vgl. VwGH 17.03.2004, 2001/08/0170; VwGH 14.01.2004, 2000/08/0108). Auch im Fall einer Gesellschafterin einer OEG hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass bei Ausschluss von der Vertretung und Geschäftsführung ein Dienstverhältnis zur Gesellschaft zu prüfen ist (VwGH 23.04.1996, 94/08/0073). In einem zur Pflichtversicherung in der Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung von Skilehrern, die Kommanditisten einer GmbH & Co KG sind, ergangenen Erkenntnis vom 11. Juni 2014, 2012/08/0157, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf die gesetzgeberischer Wirkung in § 2 Abs. 4 AuslBG festgehalten, dass für eine Tätigkeit als Ausfluss der Gesellschafterstellung spricht, wenn der Gesellschafter tatsächlich persönlich einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft ausübt.

Die war im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Mitbeteiligte war nicht zur Geschäftsführung befugt und hatte auch nicht das Recht anderen Mitarbeitern Weisungen zu erteilen. Da die Mitbeteiligte keinen wesentlichen bzw. überhaupt keinen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft hatte, ist im gegenständlichen Fall zur prüfen, ob die Mitbeteiligte Dienstnehmerin der Beschwerdeführerin war:

Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 ASVG von der Versicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 ASVG nur eine Teilversicherung begründet.

Gemäß § 4 Abs. 2 1. Satz ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Gemäß § 35 Abs. 1 1. Satz ASVG gilt als Dienstgeber im Sinne des ASVG unter anderem derjenige, auf dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist.

Im gegenständlichen Fall ist hinsichtlich der Feststellung der Umstände der Beschäftigung in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Nach dieser gilt, dass die Behörde berechtigt ist, von einem Dienstverhältnis auszugehen, wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen arbeitend unter solchen Umständen angetroffen wird, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. VwGH 21.04.2004, 2003/08/0182; VwGH 08.08.2008, 2008/09/0119). Spricht also die Vermutung für ein Dienstverhältnis, dann muss die Partei ein ausreichend substantiiertes Vorbringen erstatten, aus dem man anders ableiten könnte (vgl. auch VwGH 26.05.2014, 2013/08/0165). Weiteres kann man bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfsarbeiten, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und auf die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des Dienstnehmer erlauben, bei Integration des Beschäftigten in den Betrieb des Beschäftigers in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG ohne weitere Untersuchungen vorausgesetzt werden (vgl. VwGH 20.09.2006, 2003/08/0274).

Verfahrensgegenständlich steht fest, dass die Mitbeteiligte in dem Schönheitssalon der Beschwerdeführerin als Frisörin tätig war und nicht bei der Sozialversicherung angemeldet war. Die Mitbeteiligte wurde, in Arbeitskleidung (schwarzes T-Shirt mit Firmenlogo) durch Organe der belangten Behörde die Tätigkeit als Frisörin ausübend angetroffen. Bei dieser Tätigkeit handelt es sich um eine solche einfache manuelle Tätigkeit, bei denen kein ins Gewicht fallender Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers vorhanden ist und die nach der Lebenserfahrung üblicherweise im Rahmen eines Dienstverhältnisses im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG erbracht werden. Für die Mitbeteiligte bestand – verfahrensgegenständlich unstrittig - kein die persönliche Arbeitspflicht ausschließendes Vertretungsrecht. Sehr wohl war sie durch das verpflichtende Tragen der Arbeitskleidung an die Ordnungsvorschriften über arbeitsbezogenes Verhalten gebunden (vgl Mosler in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 4 RZ 105). Persönliche Arbeitspflicht in den Räumlichkeiten der Beschwerdeführerin, Termingebundenheit, Bekanntgabe von Abwesenheiten und Einbindung in die betriebliche Struktur (Sparschein mit Namen der Mitbeteiligten an der Rezeption), keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel, usw. prägten das Bild der Beschäftigung der Mitbeteiligten bei der Beschwerdeführerin und führen zur rechtlichen Bejahung der von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Voraussetzungen eines Beschäftigungsverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt.

Atypische Umstände, die einer solchen Deutung entgegenstehen würden, wurden von der Beschwerdeführerin nicht substantiiert entgegengetreten. Wie bereits ausgeführt, beschränkte sich das Vorbringen der Beschwerdeführerin darauf, dass die Mitbeteiligte Kommanditistin der Beschwerdeführerin gewesen sei. Wie bereits oben ausgeführt, schließt diese Eigenschaft ein Dienstverhältnis nicht aus.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.5. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Abweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum ASVG. Die gegenständliche Entscheidung weicht daher weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch mangelt es an derartiger Rechtsprechung; sie ist auch nicht uneinheitlich. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.

Schlagworte

Betriebsmittel Dienstverhältnis Einflussnahme Geschäftsführung Kommanditist persönliche Abhängigkeit Pflichtversicherung wahrer wirtschaftlicher Gehalt wirtschaftliche Abhängigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W145.2223829.1.00

Im RIS seit

09.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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