TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/31 W250 2240896-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.03.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

31.03.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs6
VwGVG §35 Abs3

Spruch


W250 2240896-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.02.2021, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid sowie die Anhaltung in Schubhaft bis 05.03.2021 wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft ab 05.03.2021 wird gemäß § 76 Abs. 6 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG stattgegeben und die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit 05.03.2021 für rechtswidrig erklärt.

III. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 6 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 18.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 07.12.2016 vollinhaltlich abgewiesen wurde. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt. Gleichzeitig wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Als Frist für die freiwillige Ausreise wurden zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.07.2018 als unbegründet abgewiesen.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 26.11.2018 wurde der BF gemäß § 46 Abs. 2a und Abs. 2b FPG iVm § 19 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG zu einem Interviewtermin bei der afghanischen Vertretungsbehörde geladen. Eine Zustellung dieses Bescheides an der Meldeadresse des BF war nicht möglich.

3. Am 08.03.2019 erließ das Bundesamt gemäß § 34 Abs. 3 Z. 3 BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG einen Festnahmeauftrag den BF betreffend. Eine Festnahme an der Meldeadresse des BF war nicht möglich, am 12.03.2019 wurde der BF von seiner Meldeadresse abgemeldet.

4. Am 18.02.2021 informierte die Lebensgefährtin des BF nach einem Streit die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes über den unrechtmäßigen Aufenthalt des BF, woraufhin dieser gemäß § 40 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG festgenommen und dem Bundesamt zur Einvernahme vorgeführt wurde.

5. In seiner Einvernahme am 18.02.2021 gab der BF vor dem Bundesamt an, dass er Anfang März 2019 erfahren habe, dass die Polizei nach ihm suche um ihn abzuschieben. Er habe daraufhin seine Unterkunft verlassen und sich ohne Meldeadresse im Bundesgebiet aufgehalten. Nach der Abweisung seines Asylantrages habe er beabsichtigt, nach Italien auszureisen, sei jedoch wegen seiner Freundin, mit der er seit 4 Jahren ein Paar sei, in Österreich geblieben. Er wolle in Österreich bleiben, da er eine Tochter habe. Bei seiner Freundin lebe er nicht, er sei nur ein bis zwei Mal pro Woche dort, um seine Tochter zu besuchen. Er sei in der Geburtsurkunde des Kindes nicht eingetragen und habe zum Zeitpunkt der Geburt keinen persönlichen Kontakt zu seiner Freundin gehabt, lediglich telefonisch habe er Kontakt gehabt. Er habe kein Sorgerecht und zahle auch keine Alimente. Er besitze keine Barmittel und finanziere sich seinen Aufenthalt durch Transporttätigkeiten, die er ein Mal pro Woche für einen Freund durchführe. Außer seiner Lebensgefährtin und seiner Tochter lebe noch ein Onkel sowie eine Tante in Österreich.

6. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 18.02.2021 wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung über den BF angeordnet. Begründend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9 FPG Fluchtgefahr vorliege. Gegen den BF bestehe eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare Rückkehrentscheidung, der BF habe jedoch die Frist für die freiwillige Ausreise verstreichen lassen und sich nicht mit der freiwilligen Ausreise befasst. Der BF habe bislang die Durchsetzung und Effektuierung der gegen ihn bestehenden Rückkehrentscheidung insofern verhindert, als er sich seit März 2019 unter Umgehung des Meldegesetzes im Bundesgebiet aufhalte. Der BF verfüge weder über eine Meldeadresse noch über eine stabile Unterkunft, an welcher er für ein Verfahren zur Durchsetzung und Effektuierung der gegen ihn bestehenden Ausreiseentscheidung mit der notwendigen Sicherheit greifbar wäre. Der BF sei zur Arbeitsaufnahme nicht berechtigt und daher nicht in der Lage, seinen Aufenthalt aus Eigenem zu finanzieren. Im Besitz von Barmittel sei der BF nicht, auf die Unterstützung anderer Personen habe er keinen Rechtsanspruch. Seine Lebensgefährtin und seine Tochter stünden der Erlassung des Bescheides nicht im Wege, es müsse festgehalten werden, dass der BF nicht in der Geburtsurkunde seiner Tochter eingetragen sei. Auch eine Vaterschaftsanerkennung habe er nicht vorgebracht. Seine Vaterschaft stehe daher nicht fest. Der BF habe darüber hinaus kein Sorgerecht und bezahle keine Alimente. Außerdem wohne er mit seiner Tochter und seiner Freundin nicht im gemeinsamen Haushalt und habe dies aktenkundig auch nicht in der Vergangenheit gemacht. Die Freunde und Familienangehörigen des BF hätten seinen illegalen Aufenthalt bislang gebilligt und unterstützt, so habe sein Onkel den BF unter Umgehung des Meldegesetzes zumindest zeitweise bei sich wohnen lassen.

Die Sicherung des Verfahrens sei erforderlich, da der BF über keinen Wohnsitz verfüge und auch nicht bereit gewesen sei, jene Adressen, an denen er sich in den vergangenen Monaten ohne Meldeadresse aufgehalten habe, bekannt zu geben.

Mit der Anordnung eines gelinderen Mittels könne nicht das Auslangen gefunden werden, da der BF auf Grund seines in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens nicht vertrauenswürdig sei und auch keine relevanten Bindungen im Bundesgebiet aufweise, die ihn von einem weiteren Untertauchen abhalten könnten.

Dieser Bescheid wurde dem BF am 18.02.2021 durch persönliche Übernahme zugestellt.

7. Am 05.03.2021 stellte der BF einen Asyl-Folgeantrag. In der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung gab er an, dass er neuerlich um internationalen Schutz in Österreich ansuche, da er vor ca. zwei Jahren Christ geworden sei, weil seine Verlobte ebenfalls Christin sei. Er habe mit ihr eine gemeinsame Tochter und wolle bei seiner Tochter bleiben. Er gehe mit seiner Familie sehr oft in die Kirche, getauft sei er jedoch noch nicht worden, er wolle dies aber natürlich machen.

8. Das Bundesamt hielt in einem Aktenvermerk gemäß § 76 Abs. 6 FPG fest, dass Gründe für die Annahme vorlägen, dass der BF den Asylantrag in der Absicht gestellt habe, die Vollstreckung der Rückkehrentscheidung zu verzögern. Dieser Aktenvermerk wurde dem BF am 05.03.2021 zur Kenntnis gebracht.

9. Am 16.03.2021 wurde der BF vom Bundesamt zu seinem Asyl-Folgeantrag einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass er sich psychisch und physisch in der Lage fühle, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Er sei nicht in ärztlicher Behandlung und nehme keine Medikamente ein. Er sei Ende 2015 nach Österreich eingereist und habe Österreich seither nicht mehr verlassen. Ob die Fluchtgründe aus dem Vorverfahren noch aufrecht seien, könne er nicht sagen. Er habe neue Fluchtgründe, da er zum Christentum konvertiert, aber noch nicht getauft sei. Er sei vor ca. zwei Jahren wegen seiner Lebensgefährtin zum Christentum konvertiert. Diese sei auch Christin und er wolle wie sie ein guter Mensch und ein guter Christ sein. Er habe mit seiner Lebensgefährtin ein gemeinsames Kind, er wolle mit dem Kind zusammenziehen und habe den falschen Weg verlassen, seit er Christ sei. Interesse am Christentum habe er, seitdem er seine Freundin vor drei bzw. dreieinhalb Jahren kennengelernt habe. Aus Angst vor seinem Vater habe er bisher keinen weiteren Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Wenn dieser davon erfahre, werde er den BF verstoßen. Seiner Mutter habe er vor ca. 3 Jahren erzählt, dass er eine Freundin habe und Christ werden wolle. Er sei konvertiert auf Grund des Verhältnisses der Österreicher untereinander, auf Grund des netten Umgangs mit anderen Menschen. Seine Tochter sei bisher nicht getauft worden, wenn er aus der Schubhaft entlassen werde, werde er einen Tauftermin für sich und seine Tochter organisieren. Er kenne die Voraussetzungen für die Taufe nicht und habe auch noch keinen Taufkurs besucht. Er habe nicht so viel Informationen über den christlichen Glauben. Er besuche ein Mal pro Woche die Kirche mit seiner Freundin, es handle sich um eine orthodoxe Kirche. Welche Richtungen es im Christentum gebe wisse er nicht, er wisse auch nicht, was orthodox bedeute. Die Messe finde auf Deutsch statt, er könne dem Pfarrer nicht bei allem folgen, was er sage. An der Messe gefalle ihm, dass er sich dort wohl fühle. Zuletzt habe er vor ca. zwei bis zweieinhalb Monaten die Kirche besucht, wie der Pfarrer der Kirche heiße wisse er nicht. Er habe zwar ein Bibel zu Hause, lese diese jedoch nicht. Er habe die ganze Zeit in XXXX gelebt, lediglich zwei bis drei Mal habe er in XXXX übernachtet. Zur Zeit der Geburt seiner Tochter habe er telefonisch Kontakt zu seiner Lebensgefährtin gehabt, drei Tage nach der Geburt habe er beide besucht und seitdem treffe er sie wieder. Er sei auch alleine in die Kirche gegangen, als er seine Freundin nicht getroffen habe. Der persönliche Kontakt zu seiner Freundin sei für ca. zwei Monate unterbrochen gewesen. Eine finanzielle Abhängigkeit zu seiner Lebensgefährtin und der Tochter bestehe nicht. Die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin bestehe seit 14.08.2016, er habe im Vorverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht auch angegeben, dass er eine Freundin habe. Beim Bundesverwaltungsgericht habe er nicht vorgebracht, dass er Interesse am Christentum habe, da er Angst gehabt habe, sein in Österreich lebender Onkel erzähle dies seinem Vater. Er gehe in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, sondern „arbeite schwarz“, Mitglied in einem Verein sei er nicht.

10. Mit mündlich verkündetem Bescheid des Bundesamtes vom 16.03.2021 wurde der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 Asylgesetz 2005 – AsylG gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.03.2021 wurde festgestellt, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nicht rechtmäßig war.

11. Am 29.03.2021 erhob der BF durch seine ausgewiesene Rechtsvertreterin Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom 18.02.2021 sowie die Anhaltung des BF in Schubhaft. Im Wesentlichen führte er aus, dass der angefochtene Bescheid im Zusammenhang mit der Begründung der Fluchtgefahr wesentliche Mängel aufweise und sich mit der konkreten Situation des BF nicht auseinandersetze. Durch das Vorliegen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme alleine könne keine Fluchtgefahr begründet werden und sei die erlassene Rückkehrentscheidung auf Grund des Asyl-Folgeantrages auch nicht mehr durchführbar. § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG sei im vorliegenden Fall nicht erfüllt, da der BF über eine Lebensgefährtin und eine Tochter im Bundesgebiet verfüge, was vom Bundesamt selbst festgestellt worden sei. Der BF lebe in aufrechter Beziehung zu seiner Lebensgefährtin, der es sehr leidtäte, dass sie den BF auf Grund eines Missverständnisses angezeigt habe. Bei seiner Entlassung aus der Schubhaft könne der BF in ihrer Wohnung leben. Seit der Schubhaftnahme des BF besuche ihn seine Lebensgefährtin zwei Mal pro Woche. Die Beziehung des BF zu seiner Verlobten und seiner Tochter spreche im vorliegenden Fall klar für eine soziale Verankerung in Österreich und gegen eine Fluchtgefahr. Im Fall des BF sei kein Tatbestand des § 76 Abs. 3 FPG erfüllt, weshalb die Schubhaft rechtswidrig sei.

Das Bundesamt stelle im Aktenvermerk gemäß § 76 Abs. 6 FPG lediglich den Verfahrensgang dar. Es werde nicht nachvollziehbar begründet, woraus sich ergebe, dass der Asylantrag lediglich aus Verzögerungsabsicht gestellt worden sei. Es könne auf Grund der vom BF vorgebrachten Gründe nicht davon ausgegangen werden, dass der Asylantrag einzig und allein in Verzögerungsabsicht gestellt worden sei. Zudem habe der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass auch ein Folgeasylantrag, in welchem keine neuen asylrelevanten Gründe vorgebracht werden und sogar wenn viele Aspekte für eine Verzögerungsabsicht sprechen würden, jedoch eine Änderung im Familien- und Privatleben argumentiert werde, bereits einer Annahme entgegenstehe, dass dieser Antrag ausschließlich zur Verzögerung gestellt worden sei.

Darüber hinaus wären gelindere Mittel zur Erfüllung des angenommenen Sicherungszweckes jedenfalls ausreichend gewesen. Durch die mangelnde Prüfung der gelinderen Mittel erweise sich die Schubhaft als unverhältnismäßig und der angefochtene Bescheid als rechtswidrig.

Der BF beantragte eine mündliche Verhandlung unter Einvernahme des BF und seiner Lebensgefährtin als Zeugin zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes durchzuführen, den angefochtenen Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgt sei, auszusprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des BF nicht vorliegen und der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen des BF gemäß Verwaltungsgerichts-Aufwandersatzverordnung sowie der Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die der BF aufzukommen habe, aufzuerlegen.

12. Das Bundesamt legte am 30.03.2021 den Verwaltungsakt vor. Eine Stellungnahme wurde innerhalb der eingeräumten Frist nicht abgegeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang

Der unter I.1. bis I.12. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Der BF ist afghanischer Staatsangehöriger. Er ist volljährig, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2. Der BF ist gesund und haftfähig.

2.3. Der BF wird seit 18.02.2021 in Schubhaft angehalten.

2.4. Für den BF wurde am XXXX von der afghanischen Vertretungsbehörde ein unbefristet gültiges Heimreisezertifikat ausgestellt.

2.5. Der BF weist in Österreich folgende strafrechtliche Verurteilung auf:

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 18.09.2017, rechtskräftig am 22.09.2017, wurde der BF nach § 27 Abs. 1 Z. 1 erster und zweiter Fall Suchtmittelgesetz – SMG sowie nach §§ 27 Abs. 1 Z. 1 achter Fall und 27 Abs. 2a SMG zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.

3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

3.1. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 07.12.2016 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, die nach Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.07.2018 in Rechtskraft erwuchs. Im Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft am 18.02.2021 lag eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.2. Der BF hat dadurch, dass er sich seit März 2019 ohne Meldeadresse im Bundesgebiet aufhält, seine Abschiebung zumindest erschwert.

3.3. In Österreich lebt die Freundin des BF, er behauptet, mit ihr eine gemeinsame Tochter zu haben. Der BF hat regelmäßig Kontakt zu seiner Freundin und deren ca. sechs Monate alten Tochter. Der BF lebte bisher mit seiner Freundin nicht in einem gemeinsamen Haushalt. Im Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft hatte der BF nicht die Möglichkeit, bei seiner Freundin zu wohnen.

3.4. Der BF verfügt in Österreich über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz, er besitzt kein Bargeld und finanzierte sich seinen unrechtmäßigen Aufenthalt durch Schwarzarbeit. Einer legalen Erwerbstätigkeit ging er in Österreich bisher nicht nach.

3.5. In Österreich leben ein Onkel des BF und dessen Frau. Der BF hat in Österreich Freunde. Sowohl der Onkel des BF als auch die Freunde des BF haben ihm den Aufenthalt in Österreich unter Missachtung der Bestimmungen des Meldegesetzes ermöglicht.

3.6. Der BF stellte am 05.03.2021 während seiner Anhaltung in Schubhaft einen Asyl-Folgeantrag nicht in der ausschließlichen Absicht, seine Abschiebung zu verzögern. Dem BF kommt auf Grund dieses Antrages faktischer Abschiebeschutz zu.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes, den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren sowie das Verfahren über die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend, in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungsinformationssystem und in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Verfahrensakt des Bundesamtes, dem vorliegenden Akt des Bundesverwaltungsgerichtes und aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren sowie das Verfahren über die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend. Diesen Feststellungen wurde in der Beschwerde nicht entgegengetreten.

2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Aus dem Zentralen Fremdenregister ergibt sich, dass von der afghanischen Vertretungsbehörde ein unbefristet gültiges Heimreisezertifikat für den BF ausgestellt wurde. Es konnte daher die Feststellung getroffen werden, dass es sich beim BF um einen afghanischen Staatsangehörigen handelt. Zweifel an seiner Volljährigkeit bestehen nicht, insbesondere wurde vom BF auch nicht behauptet, dass er minderjährig sei. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, finden sich im Verwaltungsakt ebensowenig wie dafür, dass er Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter ist, insbesondere wurde der vom BF in Österreich gestellte erste Antrag auf internationalen Schutz vollinhaltlich abgewiesen, über den Folgeantrag wurde noch nicht entschieden.

2.2. Im Verwaltungsakt finden sich keine Hinweise auf gesundheitliche Beschwerden des BF, insbesondere gab er bei seiner Einvernahme durch das Bundesamt am 16.03.2021 an, dass er nicht in ärztlicher Behandlung stehe und keine Medikamente einnehme. Auch in der Anhaltedatei finden sich keine Hinweise auf gesundheitliche Beeinträchtigungen des BF und wurden solche auch in der Beschwerde nicht vorgebracht.

2.3. Dass der BF seit 18.02.2021 in Schubhaft angehalten wird ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Angaben in der Anhaltedatei.

2.4. Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung des BF ergeben sich aus dem Strafregister.

3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

3.1. Die Feststellungen zu der mit Bescheid des Bundesamtes vom 07.12.2016 erlassenen Rückkehrentscheidung beruhen auf dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen diesen Bescheid betreffend.

3.2. Die Feststellungen zum Untertauchen des BF beruhen auf seinen Angaben in der Einvernahme durch das Bundesamt am 18.02.2021 sowie auf dem Akt des Bundesamtes. Daraus ergibt sich insbesondere, dass eine Festnahme an der damaligen Meldeadresse des BF im März 2019 nicht möglich war, da der BF dort von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes trotz mehrmaliger Versuche nicht angetroffen werden konnte. Auch in der Beschwerde räumt der BF ein, dass er längere Zeit unter Umgehung des Meldegesetzes in Österreich aufhältig war.

3.3. Die Feststellungen zur Freundin des BF und deren Tochter sowie zum Kontakt des BF zu diesen beruhen auf den diesbezüglichen Angaben des BF in seinen Einvernahmen vom 18.02.2021 und 16.03.2021 sowie in der Erstbefragung vom 05.03.2021. Dass der BF im Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft nicht die Möglichkeit gehabt hat, in der Wohnung seiner Freundin zu wohnen steht insofern fest, als die Freundin des BF die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf Grund eines Streites vom illegalen Aufenthalt des BF in Kenntnis gesetzt hat.

3.4. Die Feststellungen den mangelnden Wohnsitz, die Vermögensverhältnisse, die Ausübung von Schwarzarbeit sowie die mangelnde legale Erwerbstätigkeit des BF betreffend ergeben sich aus seinen Angaben in der Einvernahme durch das Bundesamt am 18.02.2021.

3.5. Die Feststellungen zu den weiteren familiären und sozialen Kontakten des BF in Österreich beruhen auf den Angaben des BF in seiner Einvernahme am 18.02.2021. Da der BF dabei insbesondere auch angab, bei seinem Onkel und bei Freunden unangemeldet gewohnt zu haben, konnte die Feststellung getroffen werden, dass diese Kontakte dem BF seinen Aufenthalt unter Missachtung des Meldegesetzes ermöglicht haben.

3.6. Dass der BF seinen Asyl-Folgeantrag am 05.03.2021 nicht ausschließlich in Verzögerungsabsicht gestellt hat, ergibt sich aus seinen Angaben in der Erstbefragung sowie in seiner Einvernahme vom 16.03.2021. Dabei gab der BF zwar als Fluchtgrund seine Konversion an, bezog sich jedoch auch ausdrücklich auf den Kontakt zu seiner Tochter, bei der er im Bundesgebiet verbleiben wolle. In der Geburtsurkunde des Kindes ist zwar kein Vater eingetragen und liegt auch kein Vaterschaftsanerkenntnis des BF vor, doch gab die Freundin des BF am 18.02.2021 gegenüber den einschreitenden Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes – entsprechend dem Anhalteprotokoll – an, dass der BF der Vater ihrer Tochter sei. Der BF stützt seinen Folgeantrag daher nicht ausschließlich auf seine Konversion sondern macht auch seine geänderten familiären Verhältnisse geltend. Dass er – wie er im Verfahren mehrfach angab – regelmäßig Kontakt zu dem Kind hatte, ist insofern glaubhaft, als der BF während seiner Anhaltung in Schubhaft mehrfach von seiner Freundin besucht wurde. Dies steht auf Grund der vom Polizeianhaltezentrum im Verfahren die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes mit Bescheid vom 16.03.2021 betreffend dem Bundesverwaltungsgericht übermittelten Besucherliste fest. Der BF versuchte daher durch seinen neuerlichen Asylantrag auch, eine Beurteilung der Zulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Grund seiner geänderten familiären Verhältnisse zu erreichen.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Spruchpunkt I. – Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft bis 05.03.2021

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes lautet:

„§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Verhängung der Schubhaft über den BF grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich war. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren oder der Abschiebung, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kommt darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

3.1.4. Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Mit einer Abschiebung des BF war im Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft insofern zu rechnen, als eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorlag und von der afghanischen Vertretungsbehörde für den BF ein unbefristet gültiges Heimreisezertifikat ausgestellt worden war.

3.1.5. Das Bundesamt geht auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9 FPG vom Vorliegen einer Fluchtgefahr aus.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Der BF ist im März 2019 untergetaucht und hat dadurch seine Abschiebung zumindest erschwert. Der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG ist daher erfüllt. In seiner Beschwerde führt der BF zwar aus, dass dieser Tatbestand nicht erfüllt sei, doch räumt er dabei selbst ein, dass er unter Umgehung des Meldegesetzes im Bundesgebiet aufhältig gewesen sei und dies bereue.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). Da im Sinne des § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG von Fluchtgefahr auszugehen ist und im Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft bereits eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorlag, war unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich der BF seit März 2019 dem Zugriff der Fremdenbehörde entzogen hat, auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG erfüllt. Die Ausführungen des BF in seiner Beschwerde, durch das Vorliegen einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme alleine sei dieser Tatbestand nicht verwirklicht, gehen insofern ins Leere, als das Bundesamt das Vorliegen von Fluchtgefahr nicht allein auf die Tatsache des Vorliegens einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestützt hat.

Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG auch der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. In Österreich lebt die Freundin des BF sowie deren Tochter, bei der es sich nach den Angaben des BF und seiner Freundin um das gemeinsame Kind handelt. Der BF hat mit den beiden noch nie im gemeinsamen Haushalt gelebt. Außerdem leben ein Onkel des BF und dessen Frau sowie Freunde des BF in Österreich. Über einen eigenen Wohnsitz verfügt der BF ebensowenig wie über Vermögen oder ein Einkommen aus einer legalen Erwerbstätigkeit. Dass der BF durch seine familiären und sozialen Bindungen in Österreich jedoch nicht vom Untertauchen abgehalten werden konnte, zeigte sich an seinem tatsächlichen Verhalten. So verließ er im März 2019 zur Vereitelung seiner Abschiebung seinen Wohnsitz, an dem er ordnungsgemäß gemeldet war, und lebte seither unangemeldet bei seinem Onkel und bei Freunden. Auch seine Freundin und seine Tochter konnten den BF nicht zu rechtskonformem Verhalten bewegen. Es liegen daher insgesamt keinerlei Umstände vor, die die Fluchtgefahr auch nur geringfügig vermindern könnten. Unter Berücksichtigung der in § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG genannten Kriterien liegt daher Fluchtgefahr vor. Soweit der BF in seiner Beschwerde ausführt, dass er nunmehr die Möglichkeit habe bei seiner Freundin zu wohnen und dies bei der Beurteilung der in § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG genannten Umstände zu berücksichtigen sei, ist ihm entgegen zu halten, dass im Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft eine Wohnmöglichkeit bei seiner Freundin nicht vorlag und die Freundin des BF vielmehr die Polizei von seinem unrechtmäßigen Aufenthalt verständigt hat.

Das Bundesamt ist daher insgesamt zu Recht vom Vorliegen einer Fluchtgefahr sowie eines Sicherungsbedarfes ausgegangen.

Dem diesbezüglichen Vorbringen in der Beschwerde, dass die belangte Behörde die Fluchtgefahr nicht an Hand des konkreten Sachverhaltes geprüft habe, war nicht zu folgen, da im angefochtenen Bescheid das bisherige Verhalten des BF umfassend dargestellt und unter die Tatbestände des § 76 Abs. 3 FPG subsumiert wurde.

3.1.6. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Das Bundesamt ist im Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft zu Recht davon ausgegangen, dass auch das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit vorlag. Der BF hielt sich seit fast zwei Jahren vor der Fremdenbehörde verborgen und konnte das Bundesamt auch zu Recht davon ausgehen, dass der BF über keine enge Bindung zu seiner Freundin verfügt, da diese selbst den unrechtmäßigen Aufenthalt des BF bei der Polizei angezeigt hat.

Insgesamt kam den persönlichen Interessen des BF im Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung.

Auch der Gesundheitszustand des BF lässt die Anordnung der Schubhaft nicht unverhältnismäßig erscheinen, da im Verfahren keine Hinweise auf entsprechende gesundheitliche Beschwerden des BF hervorgekommen sind.

Das Bundesamt ist seiner Verpflichtung auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken insofern nachgekommen, als seine Abschiebung zum nächstmöglichen Termin vorbereitet wurde.

Die angeordnete Schubhaft erfüllte daher bis 05.03.2021 auch das Kriterium der Verhältnismäßigkeit.

3.1.7. Die Prüfung, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt hätte, führt zu dem Ergebnis, dass ein gelinderes Mittel zu Recht nicht zur Anwendung kam. Der BF hat sich bereits seit März 2019 dem Zugriff der Fremdenbehörden entzogen und dabei seine familiären und sozialen Kontakte ausgenutzt. Da bereits eine durchsetzbare aufenthaltsbeende Maßnahme vorlag und ein gültiges Heimreisezertifikat ausgestellt war, lagen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass der BF einem gelinderen Mittel tatsächlich nachkommen und sich seiner Abschiebung stellen werde. Insbesondere konnte das Bundesamt auch zu Recht davon ausgehen, dass der BF über keine Wohnmöglichkeit bei seiner Freundin verfügte, zumal diese die Polizei vom illegalen Aufenthalt des BF verständigte und so seine Festnahme ermöglichte.

Das Bundesamt ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass mit der Anordnung eines gelinderen Mittels nicht das Auslangen gefunden werden kann.

In der Beschwerde führt der BF aus, die Anwendung eines gelinderen Mittels sei mangelhaft geprüft worden. Diesem Vorbringen kann insofern nicht gefolgt werden, als im angefochtenen Bescheid unter Berücksichtigung des bisherigen Verhaltens des BF nachvollziehbar ausgeführt wird, warum der Sicherungszweck bei Anordnung eines gelinderen Mittels nicht erreicht werden kann.

3.1.8. Die hier zu prüfende Schubhaft stellte bis 05.03.2021 eine „ultima ratio“ dar, da sowohl ein Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorlagen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt hätte.

Die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid sowie die Anhaltung des BF in Schubhaft bis 05.03.2021 war daher gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchteil A. – Spruchpunkt II. – Anhaltung in Schubhaft seit 05.03.2021

Der BF stellte am 05.03.2021 während seiner Anhaltung in Schubhaft einen – weiteren – Antrag auf internationalen Schutz. Gemäß § 76 Abs. 6 FPG kann diesfalls die Schubhaft aufrecht erhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat diesbezüglich ausgesprochen, dass § 76 Abs. 6 FPG unter Berücksichtigung von Art. 8 Abs. 3 lit. d der Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahme-RL) unionsrechtskonform auszulegen ist, sodass für die Zulässigkeit der Fortsetzung der Haft verlangt wird, dass der Antrag auf internationalen Schutz "einzig und allein" zu dem Zweck gestellt wurde, den Vollzug der Rückführungsentscheidung zu verzögern oder zu gefährden (vgl. VwGH vom 19.09.2019, Ra 2019/21/0204).

Da der BF seinen Folgeantrag auch auf seine geänderten familiären Verhältnisse stützt und mehrfach vorgebracht hat, bei seiner Tochter bleiben zu wollen, hat er diesen Antrag nicht in der ausschließlichen Absicht gestellt, die Vollstreckung der Rückkehrentscheidung zu verzögern, sondern tatsächlich beabsichtigt, eine neuerliche Überprüfung der Zulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu erreichen. Eine Fortsetzung der Schubhaft auf Grundlage des § 76 Abs. 6 FPG kam daher nicht in Betracht.

Der Beschwerde gegen die Anhaltung des BF seit der Stellung des Antrages auf internationalen Schutz am 05.03.2021 war daher gemäß § 76 Abs. 6 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG stattzugeben und die Anhaltung des BF in Schubhaft seit 05.03.2021 für rechtswidrig zu erklären.

3.3. Zu Spruchteil A. – Spruchpunkt III. – Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft

3.3.1. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Der BF befindet sich zum Zeitpunkt der Entscheidung in Schubhaft, es ist daher eine Entscheidung über die Fortsetzung der Schubhaft zu treffen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Fortsetzungsausspruch gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG ausgesprochen, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht an die im Schubhaftbescheid herangezogenen Rechtsgrundlagen gebunden ist, sondern die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft nach allen Richtungen zu prüfen hat. Diese Prüfung hat unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit der bisherigen Schubhaft zu erfolgen und „ermächtigt“ das Bundesverwaltungsgericht, auf Basis der aktuellen Sach- und Rechtslage „in der Sache“ zu entscheiden und damit gegebenenfalls einen neuen Schubhafttitel zu schaffen (vgl. VwGH vom 14.11.2017, Ra 2017/21/0143).

3.3.2. Über den vom BF am 05.03.2021 gestellten Folgeantrag wurde bisher noch nicht entschieden. Dem BF kommt auf Grund dieses Antrages auch weiterhin faktischer Abschiebeschutz gemäß § 12 Abs. 1 AsylG zu, weshalb eine Fortsetzung der Schubhaft nur unter den Voraussetzungen des § 76 Abs. 6 FPG möglich ist.

3.3.3. Da der BF den Asylantrag am 05.03.2021 nicht in ausschließlicher Verzögerungsabsicht gestellt hat, kommt seine Anhaltung in Schubhaft auf der Grundlage des § 76 Abs. 6 FPG auch weiterhin nicht in Betracht.

3.3.4. Es war daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 6 FPG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben da diese vom BF nicht beantragt wurde, der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

3.5. Zu Spruchteil A. – Spruchpunkt IV. – Kostenersatz

3.5.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

3.5.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Im gegenständlichen Verfahren wurde sowohl gegen den im Spruch genannten Schubhaftbescheid als auch gegen die Anhaltung in Schubhaft Beschwerde erhoben. Der BF hat einen Antrag auf Kostenersatz im Sinne des § 35 VwGVG gestellt, das Bundesamt hat keinen Kostenersatz beantragt.

3.5.3. Die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid sowie gegen die Anhaltung des BF in Schubhaft bis 05.03.2021 wurde zwar abgewiesen, gleichzeitig wurde jedoch der Beschwerde gegen die Anhaltung des BF seit 05.03.2021 stattgegeben und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft nicht vorliegen. Sowohl der BF als auch das Bundesamt sind somit hinsichtlich eines Teiles der zu beurteilenden Schubhaft als endgültig unterlegen zu betrachten. Das steht einem Kostenersatz nach dem gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG auch im Schubhaftbeschwerdeverfahren anwendbaren § 35 VwGVG entgegen (vgl. VwGH vom 26.04.2018, Ra 2017/21/0240). Das Kostenbegehren war daher abzuweisen.

3.6. Zu Spruchteil B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG),

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten