Entscheidungsdatum
01.04.2021Norm
ASVG §410Spruch
W151 2213635-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Doris KOHL, MCJ über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch Klarkurs Steuerberatungs GmbH, 7100 Neusiedl am See, Peter-Floridan-Gasse 4, gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse (vormals Niederösterreichische Gebietskrankenkasse) vom 05.12.2018, Zl: XXXX wegen Nachverrechnung von Beiträgen zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Im Zuge einer bei der Beschwerdeführerin durchgeführten Prüfung lohnabhängiger Abgaben (GPLA) für den Zeitraum 01.01.2014 bis 31.12.2016 wurde festgestellt, dass die Dienstnehmer XXXX , XXXX sowie XXXX während dieser Zeiten einkommensmäßig nicht so gestellt worden seien, als hätten sie die ausgefallenen Arbeiten geleistet. Sie hätten während der Ausfallszeiten nicht das Entgelt erhalten, das sie bei Arbeitsleistung verdient hätten. Zusätzlich sei bei der Dienstnehmerin XXXX festgestellt worden, dass dieser ein Firmen-PKW auch zur privaten Verwendung zur Verfügung gestanden sei, wofür in der Lohnverrechnung der halbe PKW-Bezug angesetzt worden sei, obwohl nicht belegt sei, dass weniger als 6.000 Kilometer privat gefahren worden sei.
2. Mit dem gegenständlich bekämpften Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse (vormals Niederösterreichische Gebietskrankenkasse) stellte diese fest, dass die Beschwerdeführerin aufgrund der Feststellung der GPLA-Prüfung in ihrer Eigenschaft als Dienstgeberin zur Zahlung des Nachrechnungsbetrages in Höhe von insgesamt € 11.593,18 verpflichtet sei.
Die Dienstnehmer würden einen im jeweiligen Dienstvertrag definierten Prozentanteil von den eingegangen Nettoprovisionen erhalten. Mit diesem Prozentanteil seien sämtliche Entgeltansprüche des Dienstnehmers (alle Leistungs- und Nichtleistungsentgelte) umfasst. Insbesondere seien Entgeltfortzahlungsansprüche (zB: im Sinne des § 9 ARG oder § 6 UrlG) enthalten. Von jeweils anzuwendenden Provisionssatz würden 80% auf das Leistungsentgelt und 20% auf diverse Entgeltfortzahlungsansprüche entfallen. Nach dem aus den Bestimmungen des AngG, des UrlG sowie des ARG abzuleitenden Ausfallsprinzip seien Arbeitnehmer im Falle einer Arbeitsverhinderung durch Krankheit bzw. Unfall oder bei urlaubs- bzw. feiertagsbedingten Abwesenheiten einkommensmäßig so zu stellen, als hätte diese die Arbeit tatsächlich erbracht, ohne dadurch einen wirtschaftlichen Nachteil oder einen wirtschaftlichen Vorteil zu erringen. Gemäß § 2 Abs. 4 Generalkollektivvertrag seien Entgelte in Form von Provisionen mit dem Durchschnitt der letzten 12 Kalendermonate vor Urlaubsantritt in das Urlaubsentgelt einzubeziehen. Dies sei analog auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und auf Feiertagsentgelt anzuwenden. Die von er Dienstgeberin ins Treffen geführte Vereinbarung, wonach die Entlohnung der Nichtleistungszeiten mit der Provisionszahlung abgegolten sei, beschränke die dem Arbeitnehmer nach dem Ausfallsprinzip zustehenden Rechte und sei damit unwirksam.
3. In der dagegen erhobenen Beschwerde machte die Beschwerdeführerin geltend, aufgrund der mit den Dienstnehmern abgeschlossenen Dienstverträge seien mit den vereinbarten Provisionen alle Entgeltbestandteile, seien sie in Leistungsentgeltansprüchen oder in Nichtleistungsentgeltansprüchen begründet, abgegolten. Der diesbezügliche Parteiwille ergebe sich unter anderem aus den mit 26.02.2018 datierten und dem Prüforgan vorgelegten „Erläuterungen/Klarstellungen zum Dienstvertrag“. Eine Einschränkung der Arbeitnehmerrechte sei deshalb nicht erfolgt, da durch die Vereinbarung eines Jahresgehaltes auch die Nichtleistungsentgelte nach UrlG, ARG, AngG etc. abgedeckt seien. Dass diese Form der Provisionsvereinbarung zulässig sei, werde in der Judikatur (VwGH vom 26.04.2006, 2003/08/0245) und Literatur bestätigt. Auch im vorliegenden Fall sei es daher den Vertragsparteien überlassen, eine Provisionsstaffel zu vereinbaren, welche auch die Nichtleistungsentgeltsbestandteile beinhalte oder eben eine niedrigere Provisionsstaffel mit zusätzlichem Anspruch auf Nichtleistungsentgelte.
4. Die gegenständliche Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 25.01.2019 vorgelegt.
5. Mit Schreiben vom 03.07.2020 forderte das erkennende Gericht die Beschwerdeführerin binnen 8 Wochen zur Vorlage aller Dienstverträge und Erläuterungen, sowie zur nachvollziehbaren Darlegung der Zusammensetzung der gesetzeskonform ausbezahlten Entgelte und Provisionsanteile auf.
6. Mit Eingabe vom 21.09.2020 übermittelte die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme unter Beilage diverse Dokumente.
7. Mit Schreiben vom 12.10.2020 erstattete die belangte Behörde eine Stellungnahme, in der den Ausführungen der Beschwerdeführerin entgegengetreten wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zwischen der Beschwerdeführerin und den Dienstnehmern XXXX , XXXX sowie XXXX wurde jeweils das Entgelt auf Basis eines Provisionssystems im Wesentlichen mit folgender Ausgestaltung vereinbart: Demnach sollen die Dienstnehmer einen im jeweiligen Dienstvertrag definierten Prozentanteil von den eingegangen Nettoprovisionen erhalten. Mit diesem Prozentanteil sollen sämtliche Entgeltansprüche der Dienstnehmer, dh. alle Leistungsentgelte und Entgeltfortzahlungsansprüche abgegolten sein. Vom jeweils anzuwendenden Provisionssatz sollen 80% auf das Leistungsentgelt und 20% auf Nichtleistungsentgeltansprüche entfallen.
1.2. Das von der Beschwerdeführerin mit den Dienstnehmern vereinbarte, unter Punkt 1.1. dargelegte Provisionssystem, wonach die Nichtleistungsentgeltzahlung pauschal auf der Basis eines mit 20% angenommenen durchschnittlichen Nichtleistungszeitraumes vorzunehmen sind, entspricht nicht den zu Gunsten des Dienstnehmers zwingenden Bestimmungen zur Entgeltfortzahlung im Nichtleistungsfall (§ 8 AngG, § 6 Urlaubsgesetz iVm § 2 Abs. 4 des Generalkollektivvertrags und § 9 ARG). Damit ist nämlich nicht sichergestellt, dass im Einzelfall die Entgeltfortzahlung tatsächlich in der Höhe erfolgt, wie sich dies aus einer Durchschnittsberechnung der letzten 12 Kalendermonate vor Arbeitsverhinderung ergeben würde.
1.3. Die gegenständlichen Provisionsvereinbarungen sind folglich unzulässig, wenn in die zu Gunsten des Arbeitnehmers zwingenden Bestimmungen zur Entgeltfortzahlung im Nichtleistungsfall eingegriffen wird.
1.4. Die belangte Behörde hat zu Recht Beiträge zur Kranken-, Unfalls- und Pensionsversicherung sowie zur Arbeitslosenversicherung nachberechnet. Die Berechnungsmethode der belangten Behörde wurde nicht angefochten.
1.5. Im gegenständlichen Fall liegt dem Bundesverwaltungsgericht die zur Klärung der Rechtsfrage nötige Aktenlage vor. Die Tatsachenfrage, ob das gegenständlich zu beurteilende Provisionssystem zwischen der Beschwerdeführerin und den Dienstnehmern tatsächlich vereinbart wurde, ist aufgrund der Vorlage ergänzender Unterlagen von Seiten der Beschwerdeführerin als geklärt anzusehen. Bei der Frage der Zulässigkeit des Provisionssystems handelt es sich um eine vom erkennenden Gericht zu beurteilende Rechtsfrage, deren Erörterung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung – zumal den Parteien ausreichend Parteiengehör eingeräumt wurde – aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten ließ. Somit war der Sachverhalt entscheidungsreif und konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, sowie den Ermittlungsergebnissen des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht.
2.2. Die Feststellungen zu dem zwischen der Beschwerdeführerin und den Dienstnehmern vereinbarten Provisionssystem ergeben sich aus den mit Eingabe vom 21.09.2020 vorgelegten Dienstverträgen in Zusammenschau mit als „Erläuterungen/Klarstellung zum Dienstvertrag“ bezeichneten und mit 26.02.2018 datierten Beilagen. Den Dienstverträgen ist jeweils zu entnehmen, dass im jeweiligen Provisionsanteil Bruttogehalt, Dienstnehmeranteile, Sozialversicherung und Lohnsteuer sowie auch Fahrtkosten enthalten sind. Aus den genannten Erläuterungen zum Dienstvertrag ergibt sich ferner, dass im Prozentanteil sämtliche Entgeltsansprüche des Dienstnehmers, dh. alle Leistungs- und Nichtleistungsentgelte nach einem Verhältnis 80% zu 20%, umfasst sein sollen. Das erkennende Gericht folgt dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach es sich bei den Zusätzen tatsächlich lediglich um Erläuterungen der mit den Dienstnehmern abgeschlossenen Dienstverträge und nicht – wie von der belangten Behörde moniert – um erst nach der GPLA-Prüfung zusätzlich abgeschlossene Vereinbarungen handelt. Daraus folgt, dass das beschriebene Provisionssystem tatsächlich seit Abschluss der Dienstverträge der betrieblichen Entlohnungspraxis zwischen der Beschwerdeführerin und den Dienstnehmern entsprach.
2.3. Die Berechnungsmethode der Behörde und der Höhe der konkret verrechneten Beträge wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten, sodass von deren Richtigkeit auszugehen war.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. § 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag einer Partei durch einen Senat.
Gegenständlich wurde kein Antrag auf Senatsentscheidung gestellt. Somit obliegt die Entscheidung der vorliegenden Beschwerdesache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
3.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Die zentrale Regelung zur Frage der Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte bildet § 28 VwGVG. Die vorliegend relevanten Abs. 1 und 2 dieser Bestimmung lauten wie folgt:
„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.“
Gegenständlich steht der maßgebliche Sachverhalt im Sinne von § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat folglich in der Sache selbst zu entscheiden.
Zu A):
3.2. Maßgebliche Normen:
§ 44 Abs. 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 101/2000:
„Allgemeine Beitragsgrundlage, Entgelt
§ 44.
(1) Grundlage für die Bemessung der allgemeinen Beiträge (allgemeine Beitragsgrundlage) ist für Pflichtversicherte, sofern im folgenden nichts anderes bestimmt wird, der im Beitragszeitraum gebührende auf Cent gerundete Arbeitsverdienst mit Ausnahme allfälliger Sonderzahlungen nach § 49 Abs. 2. Als Arbeitsverdienst in diesem Sinne gilt:
1. bei den pflichtversicherten Dienstnehmern und Lehrlingen das Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1, 3, 4 und 6;
[…]“
§ 49 Abs. 1 und 2 ASVG:
„Entgelt
§ 49.
(1) Unter Entgelt sind die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.
(2) Sonderzahlungen, das sind Bezüge im Sinne des Abs. 1, die in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen gewährt werden, wie zum Beispiel ein 13. oder 14. Monatsbezug, Weihnachts- oder Urlaubsgeld, Gewinnanteile oder Bilanzgeld, sind als Entgelt nur nach Maßgabe der Bestimmungen des § 54 und der sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, in denen die Sonderzahlungen ausdrücklich erfaßt werden, zu berücksichtigen.“
§ 6 Urlaubsgesetz, BGBl. Nr. 390/1676:
„Urlaubsentgelt
§ 6.
(1) Während des Urlaubes behält der Arbeitnehmer den Anspruch auf das Entgelt nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen.
(2) Ein nach Wochen, Monaten oder längeren Zeiträumen bemessenes Entgelt darf für die Urlaubsdauer nicht gemindert werden.
(3) In allen anderen Fällen ist für die Urlaubsdauer das regelmäßige Entgelt zu zahlen. Regelmäßiges Entgelt ist jenes Entgelt, das dem Arbeitnehmer gebührt hätte, wenn der Urlaub nicht angetreten worden wäre.
(4) Bei Akkord-, Stück- oder Gedinglöhnen, akkordähnlichen oder sonstigen leistungsbezogenen Prämien oder Entgelten ist das Urlaubsentgelt nach dem Durchschnitt der letzten dreizehn voll gearbeiteten Wochen unter Ausscheidung nur ausnahmsweise geleisteter Arbeiten zu berechnen.
(5) Durch Kollektivvertrag im Sinne des § 18 Abs. 4 Arbeitsverfassungsgesetz, BGBl. Nr. 22/1974, kann geregelt werden, welche Leistungen des Arbeitgebers als Urlaubsentgelt anzusehen sind. Die Berechnungsart für die Regelung der Höhe des Urlaubsentgeltes kann durch Kollektivvertrag abweichend von Abs. 3 und 4 geregelt werden.
(6) Das Urlaubsentgelt ist bei Antritt des Urlaubes für die ganze Urlaubsdauer im voraus zu zahlen.“
§ 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG), BGBl. Nr. 399/1974:
„Höhe des fortzuzahlenden Entgelts
§ 3.
(1) Ein nach Wochen, Monaten oder längeren Zeiträumen bemessenes Entgelt darf wegen einer Arbeitsverhinderung für die Anspruchsdauer gemäß § 2 nicht gemindert werden.
(2) In allen anderen Fällen bemißt sich der Anspruch gemäß § 2 nach dem regelmäßigen Entgelt.
(3) Als regelmäßiges Entgelt im Sinne des Abs. 2 gilt das Entgelt, das dem Arbeitnehmer gebührt hätte, wenn keine Arbeitsverhinderung eingetreten wäre.
(4) Bei Akkord-, Stück- oder Gedinglöhnen, akkordähnlichen oder sonstigen leistungsbezogenen Prämien oder Entgelten bemißt sich das fortzuzahlende Entgelt nach dem Durchschnitt der letzten 13 voll gearbeiteten Wochen unter Ausscheidung nur ausnahmsweise geleisteter Arbeiten.
(5) Durch Kollektivvertrag im Sinne des § 18 Abs. 4 Arbeitsverfassungsgesetz, BGBl. Nr. 22/1974, kann geregelt werden, welche Leistungen des Arbeitgebers als Entgelt nach diesem Gesetz anzusehen sind. Die Berechnungsart für die Ermittlung der Höhe des Entgelts kann durch Kollektivvertrag abweichend von Abs. 3 und 4 geregelt werden.“
§ 9 Arbeitsruhegesetz (ARG), BGBl. 144/1983:
„Entgelt für Feiertage und Ersatzruhe
§ 9.
(1) Der Arbeitnehmer behält für die infolge eines Feiertages oder der Ersatzruhe (§ 6) ausgefallene Arbeit seinen Anspruch auf Entgelt.
(2) Dem Arbeitnehmer gebührt jenes Entgelt, das er erhalten hätte, wenn die Arbeit nicht aus den im Abs. 1 genannten Gründen ausgefallen wäre.
(3) Bei Akkord-, Stück- oder Gedinglöhnen, akkordähnlichen oder sonstigen leistungsbezogenen Prämien oder Entgelten ist das fortzuzahlende Entgelt nach dem Durchschnitt der letzten 13 voll gearbeiteten Wochen unter Ausscheidung nur ausnahmsweise geleisteter Arbeiten zu berechnen. Hat der Arbeitnehmer nach Antritt des Arbeitsverhältnisses noch keine 13 Wochen voll gearbeitet, so ist das Entgelt nach dem Durchschnitt der seit Antritt des Arbeitsverhältnisses voll gearbeiteten Zeiten zu berechnen.
(4) Durch Kollektivvertrag im Sinne des § 18 Abs. 4 Arbeitsverfassungsgesetz, BGBl. Nr. 22/1974, kann geregelt werden, welche Leistungen des Arbeitgebers als Entgelt anzusehen sind. Die Berechnungsart für die Ermittlung der Höhe des Entgeltes kann durch Kollektivvertrag abweichend von Abs. 2 und 3 geregelt werden.
(5) Der Arbeitnehmer, der während der Feiertagsruhe beschäftigt wird, hat außer dem Entgelt nach Abs. 1 Anspruch auf das für die geleistete Arbeit gebührende Entgelt, es sei denn, es wird Zeitausgleich im Sinne des § 7 Abs. 6 vereinbart.“
§ 2 Abs. 4 Kollektivvertrag für ArbeiterInnen und Angestellte über den Begriff des Entgelts gemäß § 6 Urlaubsgesetz gültig ab 1.9.1974:
„(4) Entgelte in Form von Provisionen sind in das Urlaubsentgelt mit dem Durchschnitt der letzten 12 Kalendermonate vor Urlaubsantritt einzubeziehen. Provisionen für Geschäfte, die ohne unmittelbare Mitwirkung des Arbeitnehmers zustandegekommen sind (Direktgeschäfte), sind jedoch in diesem Durchschnitt nur insoweit einzubeziehen, als für während des Urlaubes einlangende Aufträge aus derartigen Geschäften keine Provision gebührt. Diese Regelung gilt sinngemäß für laufend gebührende, provisionsartige Entgelte (z. B. Umsatzprozente, Verkaufsprämien).“
Fallbezogen folgt daraus:
Vorab ist festzuhalten, dass das erkennende Gericht – wie beweiswürdigend ausgeführt – entgegen der Auffassung der belangten Behörde es als erwiesen annimmt, dass die Beschwerdeführerin mit den Dienstnehmern ein Provisionssystem vereinbarte und dies auch der betrieblichen Entlohnungspraxis entsprach, wonach diese von den eingegangenen Nettoprovisionen jeweils einen festgelegten Prozentanteil erhielten, in welchen nach einem Verhältnis 80% zu 20% sowohl Leistungsentgelt, als auch sämtliche Entgeltfortzahlungsansprüche für den Nichtleistungsfall der Dienstnehmer (iSd. § 9 ARG, § 6 UrlG etc.) abgegolten sein sollten und es auch tatsächlich so gehandhabt wurde.
Zur Zulässigkeit dieses Provisionssystem ist wie folgt auszuführen:
Provisionen sind Entgelt und gebühren daher grundsätzlich auch für Zeiten der Entgeltfortzahlung wegen Urlaubs, Krankheit, Pflege- und Dienstfreistellung. Beinhalten Provisionen allerdings auch Aufwandersätze, so können diese zulässigerweise aus der Entgeltfortzahlung herausgerechnet werden (s dazu Rz 21). Soweit aber eine Provision Entgelt ist, ist eine Schmälerung für Zeiten der Entgeltfortzahlung unzulässig und eine dahingehende Vereinbarung unwirksam (OGH 8 ObA 2046/96g, ZAS 1997/19, 168 [Risak] = infas 1997 A 71). (Preiss in Neumayr/Reissner, ZellKomm³ § 10 AngG Rz 23)
Was die Berechnung der Entgeltfortzahlung – sowohl für das Urlaubsentgelt als auch für die Dienstverhinderung gem § 8 Abs 1 – betrifft, gilt seit der E OGH 8 ObA 67/02i (DRdA 2003/45, 442 [Kallab] = ARD 5379/1/2003) Folgendes: Dem AN steht für Abschlussprovisionen der Durchschnitt der in den letzten zwölf Monaten vor dem Entgeltfortzahlungsfall erarbeiteten Provisionen zu. In ausdrücklicher Abkehr von der früheren Rsp (OGH 9 ObA 109/89, DRdA 1990, 229 = RdW 1990, 87) entschied der OGH, dass die Durchschnittsberechnung auch dann gilt, wenn feststeht, dass der AN während der Entgeltfortzahlungszeit keine Abschlussprovision hätte erwerben können. Begründet wird dieser Judikaturschwenk mit dem Entgeltbegriff des – auf Basis des § 6 Abs 5 UrlG abgeschlossenen – General-KollV (§ 2 Abs 4 General-KollV; zu diesem auch § 6 UrlG Rz 17 f). (Preiss in Neumayr/Reissner, ZellKomm³ § 10 AngG Rz 24)
Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 24.11.2010, 2008/08/0261 hat dieser ausgesprochen, dass man die Entgeltfortzahlung im Nichtleistungsfall - welche sowohl nach § 8 Angestelltengesetz als auch nach § 6 Urlaubsgesetz iVm § 2 Abs. 4 des Generalkollektivvertrags und nach § 9 Arbeitsruhegesetz im Sinne des Ausfallsprinzips auch von den regelmäßig verdienten Provisionen auszugehen sei - nicht pauschal auf Basis eines angenommenen durchschnittlichen Nichtleistungszeitraums erfolgen dürfe (vgl. zum Ausfallsprinzip aus der jüngeren Rechtsprechung das hg. Erkenntnis vom 13. Mai 2009, Zl. 2006/08/0226). Es gebühre den Dienstnehmern neben dem monatlichen (Grund)gehalt eine Provision. Die Mitarbeiter hätten nicht nur die laufende Provision erhalten, sondern auch jenen Teil, den die Dienstgeberin in den betreffenden Gehaltsabrechnungen pauschal für die durchschnittlich zu erwartenden "Nichtleistungszeiträume" ausgewiesen habe. Zum Ausgleich für allfällige Fehlzeiten oder Nichtleistungszeiträume sei von der Provisionssumme zusätzlich monatlich ein weiterer Anteil von 15,6% als pauschale Entgeltprovision ausbezahlt worden. Aus diesem Sachverhalt ergebe sich auf Grund des erwähnten Ausfallsprinzips, dass nicht nur die als solche bezeichneten laufenden monatlichen Provisionszahlungen, sondern auch die als "pauschale Entgeltprovision" bezeichneten monatlichen Provisionszahlungen der Ermittlung jenes Entgelts, das dem Arbeitnehmer gebührt hätte, wenn keine Arbeitsverhinderung eingetreten bzw. der Urlaub nicht angetreten worden wäre, zu Grunde zu legen sei. Zur konkreten Berechnung des für Nichtleistungszeiträume gebührenden Entgelts habe der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 26. April 2006, Zl. 2003/08/0245, ausgeführt, dass die Entgeltfortzahlung im Nichtleistungsfall nicht pauschal erfolgen dürfe und der jeweilige Anspruchslohn unter Berücksichtigung der konkreten Entgeltfortzahlungszeiträume im Einzelnen zu prüfen sei.
Die Beschwerdeführerin stützt sich in ihrer Beschwerde auf dieses Erkenntnis des VwGH vom 26. April 2006, Zl. 2003/08/0245 und moniert damit die Zulässigkeit der vereinbarten Provisionszahlungen.
Dies ist jedoch nicht der Fall, da der VwGH im gegenständlichen Erkenntnis zum gegenteiligen Ergebnis kommt: Ausgehend von der oben angeführten Judikatur des VwGH (insbesondere Zl. 2003/08/0245 und dem Folgeerkenntnis Zl. 2008/08/0261) ist die von der Beschwerdeführerin vorgenommene Pauschalierung der Entgeltfortzahlungsansprüche für den Nichtleistungsfall als Prozentanteil der Nettoprovision nicht mit den zu Gunsten des Arbeitnehmers zwingenden Bestimmungen des ARG, des UrlG und des Generalkollektivvertrags vereinbar und damit unzulässig. Demnach steht den Dienstnehmern für Urlaubszeiträume jedenfalls das regelmäßige Entgelt im Sinn des § 6 Abs. 3 Urlaubsgesetz zu, was zur Folge hat, dass eine Schmälerung der Umsatzprovision wegen Urlaubs unzulässig ist. Dasselbe gilt für die infolge eines Feiertags oder der Ersatzruhe ausgefallene Arbeit gemäß § 9 ARG. Gemäß § 2 Abs. 4 des Generalkollektivvertrages betreffend den Entgeltbegriff sind Entgelte in Form von Provisionen in das Urlaubsentgelt mit dem Durchschnitt der letzten 12 Kalendermonate vor Urlaubsantritt einzubeziehen.
Im gegenständlichen Fall hätte die Entgeltfortzahlung im Nichtleistungsfall iSd der § 8 AngG, § 6 UrlG i.V.m. § 2 Abs. 4 des Generalkollektivvertrages und nach § 9 ARG im Sinne des Ausfallsprinzips auf Grundlage der regelmäßig verdienten Provisionen – ausgehend von einem Durchschnitt der letzten 12 Kalendermonate – bemessen werden müssen und so den Dienstnehmern bezahlt werden müssen.
Somit entspricht die Vereinbarung der Beschwerdeführerin mit ihren Dienstnehmern, die Entgeltfortzahlung pauschal auf der Basis eines mit 20% angenommenen durchschnittlichen Nichtleistungszeitraumes vorzunehmen – auch wenn dies mit den Dienstnehmern so vereinbart war – gerade nicht den oben genannten zwingenden Bestimmungen. Damit ist eben nicht sichergestellt, dass die Dienstnehmer die Nichtleistungsentgelte im ihnen zustehenden Ausmaß erhalten und so auch die Entgeltfortzahlung tatsächlich in der Höhe erfolgte, wie sich dies aus einer Durchschnittsberechnung der letzten 12 Kalendermonate vor Arbeitsverhinderung ergibt.
Die gegenständlichen Provisionsvereinbarungen sind folglich unzulässig, wenn in die zu Gunsten des Arbeitnehmers zwingenden Bestimmungen zur Entgeltfortzahlung im Nichtleistungsfall eingegriffen wird.
Anzumerken ist abschließend, dass die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde auf jene Textpassagen im Judikatur des VwGH vom 26.04.2006, Zl. 2003/08/0245 stützt, in denen der VwGH selbst Teile des aufgehobenen Bescheides zitiert, welche eben nicht der dargelegten Rechtsmeinung des Höchstgerichtes entspricht.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der BF die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Partei zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Im gegenständlichen Fall liegt dem Bundesverwaltungsgericht die zur Klärung der Rechtsfrage nötige Aktenlage vor. Wie oben festgestellt, ist die Tatsachenfrage, ob das gegenständlich zu beurteilende Provisionssystem zwischen der Beschwerdeführerin und den Dienstnehmern tatsächlich vereinbart wurde, durch Vorlage ergänzender Unterlagen von Seiten der Beschwerdeführerin als geklärt anzusehen. Bei der Frage der Zulässigkeit des Provisionssystems handelt es sich hingegen um eine vom erkennenden Gericht zu beurteilenden Rechtsfrage, deren Erörterung im Rahmen mündlichen Verhandlung – zumal den Parteien ausreichend Parteiengehör eingeräumt wurde – aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten ließ. Somit war der Sachverhalt iSd § 24 Abs. 4 VwGVG entscheidungsreif und konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das hg. Erkenntnis hält sich an die darin zitierte Judikatur des VwGH.
Schlagworte
Beitragsnachverrechnung Entgeltfortzahlungsanspruch GPLA Pauschalierung UrlaubsentgeltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W151.2213635.1.00Im RIS seit
09.06.2021Zuletzt aktualisiert am
09.06.2021