Entscheidungsdatum
01.04.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W170 2240545-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Militärkommandos Niederösterreich vom 10.02.2021, Zl. P1675170/3-MilKdo NÖ/Kdo/ErgAbt/2021, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 28 Abs. 1 und 2 VwGVG, 26 Abs. 1 WG 2001 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. XXXX (in Folge: Beschwerdeführer) ist ein tauglicher Wehrpflichtiger, der am 25.01.2021 die Befreiung vom ordentlichen Präsenzdienst, gemeint: die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes, beantragte.
Dieser Antrag wurde mit im Spruch bezeichneten Bescheid des Militärkommandos Niederösterreich (in Folge: Behörde) vom 10.02.2021, Zl. P1675170/3-MilKdo NÖ/Kdo/ErgAbt/2021, abgewiesen; der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 11.02.2021 zugestellt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die am 09.03.2021 zur Post gegebene Beschwerde.
1.2. Die Tauglichkeit des Beschwerdeführers wurde am 23.10.2020 festgestellt, der Beschwerdeführer hat keinen Grund angeführt, der ihn an seiner Tauglichkeit hat zweifeln lassen.
Es wird der Entscheidung als wahr unterstellt, dass der Beschwerdeführer seit 01.01.2021 Betriebsführer eines Schweinemastbetriebes mit 340 Mastplätzen mit Strohhaltung sowie dieser Betrieb Mitglied beim VLV-Gustino-Strohprogramm mit AMA-Gütesiegel ist. Der Betrieb umfasst 40,56 ha Ackerfläche, davon sind 1,66 ha Energieholz im Kurzumtrieb und der Rest Getreide und Mais. Der Beschwerdeführer ist die einzige Arbeitskraft des Betriebes, neben den Traktorarbeiten ist die tägliche Entmistung mit Gabel und Frontlader notwendig.
Weiters wird der Entscheidung als wahr unterstellt, dass der Betrieb am 01.11.2020 gegründet worden ist, dieser Betriebsgründung allerdings monatelange Planungen, erschwert durch die derzeitige COVID-19-Situation, vorausgegangen sind; der Betrieb wurde unmittelbar nach dem Abschluss der schulischen Ausbildung des Beschwerdeführers, die rechtliche Voraussetzung für die Betriebsgründung ist, vorgenommen. Zum Zeitpunkt der Betriebsgründung hat sich für den Beschwerdeführer die Möglichkeit ergeben, größere Flächen, die zur Betriebsgründung notwendig waren, zu pachten.
Der Antrag auf Befreiung vom ordentlichen Präsenzdienst des Beschwerdeführers wird von der Bezirksbauernkammer XXXX unterstützt.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zu 1.1. ergeben sich aus der Aktenlage, hinsichtlich der Tauglichkeit des Beschwerdeführers zum Wehrdienst aus den unwidersprochen gebliebenen Ausführungen der Behörde im Bescheid.
2.2. Die Feststellungen zu 1.2. ergeben sich im Wesentlichen aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verfahren vor der Behörde und aus dem Vorbringen in der Beschwerde sowie aus dem Formular „Betriebsneuanlage“ der AMA vom 19.11.2020 und dem Schreiben der Bezirksbauernkammer XXXX vom 25.01.2021.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Gemäß § 26 Abs. 1 WG 2001 sind taugliche Wehrpflichtige, soweit zwingende militärische Erfordernisse nicht entgegenstehen, von der Verpflichtung zur Leistung eines Präsenzdienstes zu befreien (1.) von Amts wegen, wenn und solange es militärische Rücksichten oder sonstige öffentliche Interessen erfordern, und (2.) auf ihren Antrag, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern. Als sonstige öffentliche Interessen gelten insbesondere gesamtwirtschaftliche oder familienpolitische Interessen sowie die Tätigkeiten von Fachkräften der Entwicklungshilfe nach § 15 des Entwicklungshelfergesetzes. Als familiäre Interessen gelten auch solche aus einer eingetragenen Partnerschaft. Eine Befreiung ist auch zulässig, wenn eine Voraussetzung nach Z 1 oder 2 während eines Präsenzdienstes eintritt. Befreiungen nach Z 1 hat der Bundesminister für Landesverteidigung zu verfügen.
3.2. Der Beschwerdeführer hat weder in seinem verfahrensgegenständlichen Antrag auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung eines Präsenzdienstes noch im Verfahren das Vorliegen der Voraussetzungen nach Z 1 leg.cit. auch nur behauptet; selbiges gilt im Wesentlichen für besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen.
Es ist daher nur zu prüfen, ob besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen vorliegen.
3.3. Zur vorhandenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auszuführen, dass der Verwaltungsgerichtshof erst kürzlich und zum wiederholten Male ausgesprochen hat, dass ein Wehrpflichtiger gehalten ist, seine wirtschaftlichen Dispositionen zur Wahrung seiner wirtschaftlichen Interessen so zu treffen, dass für den Fall seiner Einberufung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes voraussehbare Schwierigkeiten vermieden und nicht durch die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit solche Schwierigkeiten erst geschaffen werden. Ist ihm bekannt, dass er seiner Präsenzdienstpflicht werde nachkommen müssen, so trifft ihn die Obliegenheit, seine wirtschaftlichen Dispositionen so zu gestalten, dass er in der Lage ist, seiner Präsenzdienstpflicht nachzukommen. Unterlässt er die derart gebotene Harmonisierung seiner wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der Wehrpflicht, so können die daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig im Sinne der Bestimmungen des WG 2001 angesehen werden („Harmonisierungspflicht“ – VwGH 10.06.2015, 2013/11/0166).
In einem dem vorliegenden Fall ähnlichen Fall hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass auch wenn der Wehrpflichtige im Zeitpunkt seiner maßgebenden wirtschaftlichen Dispositionen, etwa des Abschlusses eines Pachtvertrags, noch nicht zum Grundwehrdienst einberufen war, er doch aufgrund der Feststellung seiner Tauglichkeit mit der Einberufung zur Leistung des Grundwehrdienstes rechnen musste. Indem er dennoch den landwirtschaftlichen Betrieb gepachtet hat, hat er damit die Schwierigkeiten, die für seinen landwirtschaftlichen Betrieb durch die Leistung seines Grundwehrdienstes verbunden sind, selbst geschaffen, so der Verwaltungsgerichtshof weiter. Der Wehrpflichtige hätte somit wegen der aufgrund der Tauglichkeitsfeststellung zu erwartenden Einberufung zum Grundwehrdienst seine wirtschaftlichen Angelegenheiten so einrichten müssen, dass er der Einberufung ohne voraussehbare Schwierigkeiten nachkommen kann. Ließe sich somit die Führung des gepachteten Betriebes mit der Leistung des Grundwehrdienstes nicht vereinbaren, so hätte der Wehrpflichtige das Pachtverhältnis nicht eingehen dürfen, selbst wenn es sich dabei um eine besondere wirtschaftliche Gelegenheit gehandelt haben sollte. Entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde führt dies zu keinem Berufsverbot in der Phase vor Ableistung des Grundwehrdienstes, stehen dem Wehrpflichtigen doch vor der Einberufung zum Grundwehrdienst alle beruflichen z.B. unselbständigen Erwerbsmöglichkeiten offen, die für die Dauer des Ableistens des Grundwehrdienstes ohne größere Schwierigkeiten unterbrochen werden können (VwGH 27.01.2014, 2013/11/0246).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes spielt es im Wesentlichen auch keine Rolle, ob diese wirtschaftlichen Dispositionen zur Wahrung der wirtschaftlichen Interessen des Wehrpflichtigen vor oder nach der Stellung erfolgen; jedenfalls ist keinesfalls davon auszugehen, dass die Obliegenheit zur Harmonisierung etwa erst mit der Feststellung der Tauglichkeit besteht, wenn es an Anhaltspunkten dafür fehlt, dass der Wehrpflichtige vor seiner Stellung vernünftigerweise hätte annehmen können, dass es ihm an der Tauglichkeit fehle, (VwGH 23.09.2014, Ro 2014/11/0081; VwGH 10.06.2015, 2013/11/0166).
Die Obliegenheit zur Harmonisierung der (beruflichen) Dispositionen mit der Wehrpflicht beinhaltet nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch, rechtzeitig und vorausschauend - somit durch geeignete wirtschaftliche Dispositionen - für die Möglichkeit einer Vertretung des Wehrpflichtigen während der Dauer des Grundwehrdienstes zu sorgen (VwGH 23.09.2014, Ro 2014/11/0081; VwGH 29.09.2005, 2003/11/0026; VwGH 27.03.2008, 2008/11/0011; VwGH 27.03.2008, 2007/11/0202).
Als keinen Verstoß gegen die Harmonisierungspflicht hat der Verwaltungsgerichtshof etwa die mit sieben Jahren begonnene Ausbildung und Karriere als Balletttänzer gesehen (vgl. VwGH 23.09.2014, 2012/11/0187), insbesondere hingegen schon das Eingehen eines Pachtvertrages (siehe oben VwGH 27.01.2014, 2013/11/0246).
3.4. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass die Ableistung des Präsenzdienstes den Beschwerdeführer vor eine schwierige wirtschaftliche Situation stellt und die Betriebsgründung einerseits in seinem wirtschaftlichen Interesse liegt und andererseits durch eine besondere Gelegenheit hinsichtlich der gerade möglichen Pacht der Betriebsflächen bedingt war. Allerdings ist hinsichtlich der Frage, ob es sich um besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen handelt, auf die klare Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, die dem Bundesverwaltungsgericht keinen Raum für eine stattgebende Entscheidung lässt; selbst bei einer besonderen wirtschaftlichen Gelegenheit hätte der Beschwerdeführer seine Obliegenheit auf Harmonisierung seiner wirtschaftlichen Entscheidungen mit der Wehrpflicht wahrnehmen müssen und kann sich nunmehr nicht auf besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen berufen, wenn er die Umstände, die die vorgebrachten wirtschaftlichen Interessen begründen in zeitlicher Nähe zu seiner Tauglichkeitsfeststellung, wenn er keinen guten Grund hatte, an seiner Tauglichkeit zu zweifeln, oder danach selbst geschaffen hat.
Im gegenständlichen Fall ist der Beschwerdeführer alleiniger Betriebsführer eines Schweinemastbetriebes mit 340 Mastplätzen mit Strohhaltung, er hat diesen Betrieb allerdings erst nach der Feststellung seiner Tauglichkeit am 23.10.2020 gegründet. Dass dieser Betriebsgründung monatelange Planung vorausgegangen ist, spielt im Lichte dessen, dass der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet hat, dass er mit gutem Grund von seiner Untauglichkeit ausgegangen ist – und er auch schon vor der tatsächlichen Feststellung seiner Tauglichkeit damit rechnen musste – und im Lichte der Rechtsprechung, dass auch eine besondere wirtschaftliche Gelegenheit unbeachtlich ist, keine Rolle.
Daher ist die Beschwerde abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Revision ist im Lichte der unter A) 3.3. dargestellten Rechtsprechung, die alle verfahrensgegenständlichen Rechtsfragen beantwortet, nicht zulässig.
Schlagworte
Befreiungsantrag besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen Betriebsführung Einberufung Grundwehrdienst Harmonisierungspflicht Präsenzdienst TauglichkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W170.2240545.1.00Im RIS seit
09.06.2021Zuletzt aktualisiert am
09.06.2021