TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/2 W117 2240279-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.04.2021
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Entscheidungsdatum

02.04.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z3
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
Dublin III-VO Art28 Abs2
FPG §76 Abs2 Z3
FPG §76 Abs3 Z1
FPG §76 Abs3 Z6
VwG-AufwErsV §1 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z4
VwG-AufwErsV §1 Z5
VwGVG §35 Abs1

Spruch


W117 2240281-1/22E

W117 2240279-1/23E

Schriftliche Ausfertigung der in der Verhandlung am 16.03.2021 mündlich verkündeten Erkenntnisse

Im Namen der Republik!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX (BF1), geb. XXXX , und XXXX (BF2), geb. XXXX , beide StA. TUNESIEN, vertreten durch LTRA Rechtsanwälte, gegen die Bescheide des BFA, Regionaldirektion Tirol (BFA-T), vom 28.02.2021, Zl. MasSchub,1271752901-210279510 (BF1), Zl. BenSchub,1271752803-210279145 (BF2) sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 28.02.2021 nach Durchführung einer am 16.03.2021 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerden werden gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF, Art 28 Abs. 2 Dublin III VO, § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Z 1, 6 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG idgF, Art 28 Abs. 2 Dublin III VO, § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Z 1, 6 FPG idgF wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF iVm § 1 Z. 3 und Z. 4, Z 5 VwG-AufwErsV idgF, hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 887,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Parteien auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF abgewiesen.

V. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

In beiden Verfahren ging die Verwaltungsbehörde auf der Ebene des Sachverhaltes davon aus, dass die jeweilige Identität nicht feststehe und die Beschwerdeführer (im Folgenden auch BF genannt; Beschwerdeführerin = BF1, Beschwerdeführer = BF2) über keine Dokumente verfügen würden, die die Identität bezeugen könnten. Die BF würden über unzureichende Barmittel verfügen, um sich ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können und seien beide haft- und vernehmungsfähig. Sie seien illegal nach Österreich eingereist und hätten versucht, weiter illegal in die Schweiz auszureisen. Die Asylanträge seien zurückgewiesen worden. Weiters (disloziert), dass Rumänien für das Asylverfahren zuständig sei und Rumänien bereits die Zustimmung zur Übernahme erteilt hätte.

Rechtlich unterstellte die Verwaltungsbehörde diese Sachverhaltselemente dem Artikel 28 Abs. 1 und 2 der Dublin-VO sowie den innerstaatlichen Bestimmungen des § 76 Abs. 2 Z 3 FPG und sah die Fluchtgefahrtatbestände des § 76 Abs. 3 Z 1, Z 6 und Z 9 FPG als erfüllt an.

Z 1 insofern, als die BF trotz ausdrücklicher Belehrung angaben, nicht nach Rumänien zu wollen und sie stattdessen versucht hätten, illegal in die Schweiz zu reisen.

Z 6 insofern, als ein EURODAC-Treffer in Bezug auf Rumänien vorliegt, die BF versucht hätten, stattdessen in einen anderen Staat zu reisen und weiterhin diese Absicht hegen würden.

Z 9 sei erfüllt, weil die BF über unzureichende Barmittel verfügen würden, um sich hier in Österreich den Lebensunterhalt finanzieren zu können und keine familiären Beziehungen bestünden.

Die Beschwerdeführer erhoben gegen diese Bescheide und die darauf basierende Anhaltung binnen offener Frist mit fast gleichlautenden Schriftsätzen Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht.

Übereinstimmend begründend rügten sie das Fehlen einer amtswegigen Ermittlungstätigkeit; dass keine erhebliche Fluchtgefahr vorliege und die Beschwerdeführer entgegen der Ansicht der Verwaltungsbehörde sehr wohl über familiäre Bezugspunkte in Österreich verfüge, bei diesem Verwandten auch Unterkunft nehmen und finanziell unterstützt werden könne.

Bei den Schubhafteinvernahmen hätte es Verständigungsschwierigkeiten gegeben, weil der Dolmetscher nicht „Tunesisch-Arabisch“ gesprochen habe.

BF1 und BF2 hätten dem Rechtsvertreter die „Verweigerung der Nahrungsmittel und Trinkwasseraufnahme“ anlässlich seines Besuches am 08.03.2021 mitgeteilt und sei die Haft daher unverhältnismäßig.

In Bezug auf die BF1 sei im Verfahrensgang des Schubhaftbescheides der Name des BF2 angeführt, im Sachverhalt sie sie aber wiederum (namentlich und mit Geburtsdatum) als BF1 geführt, es sei daher unklar, ob über die Beschwerdeführerin die Schubhaft verhängt worden sei.

Die Beschwerdeführer beantragten die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Schubhaft, die Einräumung der aufschiebenden Wirkung – in der nachfolgenden Verhandlung verbessert auf Ausspruch der Unzulässigkeit der Fortsetzung der Anhaltung – sowie Kostenzuspruch.

Die Verwaltungsbehörde legte den Schubhaftakt vor, gab eine den Schubhaftbescheid verteidigende Stellungnahme ab und beantragte neben der Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung die Fortsetzung der Anhaltung sowie Kostenzuspruch.

Am 16.03.2021 wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt und das Erkenntnis spruchgemäß verkündet; die Verhandlung nahm folgenden Verlauf:

„(…)

Verlesen werden die Befunde und GA in beiden Verfahren betreffend den Gesundheitszustand; der BF2 befindet sich in Hungerstreik, sein Gesundheitszustand wird als gut bezeichnet. Die BF1 bekommt seit ihrer Festnahme „Magenschutz“ Vitalparameter liegen gleichfalls im Normbereich.

BF1: Jetzt geht es mir wieder ein bisschen besser, aber in letzter Zeit ging es mir schlechter.

Verlesen wird, die Mitteilung der Verwaltungsbehörde vom 12.03.2021, womit für den Fall der Hungerstreik bedingten Verschlechterung des Gesundheitszustandes einer etwaigen erforderlichen Heilbehandlung § 78 Abs. 6 FPG, vorbehaltlich der Zustimmung des ärztlichen Konsilium von Amtsarzt und Anstaltsarzt „zugestimmt wird“.

RI befragt die beschwerdeführende Partei ob diese psychisch und physisch in der Lage ist, der heute stattfindenden mündlichen Verhandlung zu folgen und an sie gerichteten Fragen wahrheitsgemäß beantworten?

BF: Mir geht es gesundheitlich gut.
Eröffnung des Beweisverfahrens:

Da keine Einwendungen vorliegen, werden die für das Ermittlungsverfahren wesentlichen Aktenteile verlesen. Der RI erklärt diese Aktenteile zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und zum Inhalt der hier zu Grunde liegenden Niederschrift. Die Aktenteile beziehen sich insbesondere auf alle Niederschriften, auf alle Schriftsätze der Parteien im Verfahren, auf alle vorliegenden Bescheinigungsmittel sowie sonstigen Ermittlungsergebnisse.

RI an BF2: Sie befinden sich in Hungerstreik, warum?

BF2: Weil ich nicht weiß, warum ich im Gefängnis bin und weshalb ich im Gefängnis bin. Ich habe auch niemanden gefunden, der mir zuhört und mir erklärt, weshalb ich im Gefängnis bleiben muss bzw. was für einen Fehler ich begangen habe um im Gefängnis eingesperrt bleiben zu müssen.

Die Beschwerdeführenden Parteien werden dahingehend belehrt, dass Schubhaft dann zur Anwendung kommt, wenn wie im gegenständlichen Fall, erhebliche Fluchtgefahr seitens der Verwaltungsbehörde angenommen wird; dies war gegenständlich der Fall und dieses Problem wird heute verhandelt.

BF2: Aber wir waren nicht flüchtig, ich habe eine Adresse hier. Ich habe einen Asylantrag gestellt, einen Anwalt für das Asylverfahren beauftragt und bezahle diesen auch privat und warte auf seine Antwort. Ich habe um einen Einvernahme Termin urgiert und möchte hier in Österreich bleiben. Ich möchte Österreich nicht verlassen.

Beide BF werden dahingehen informiert, dass ihre entsprechenden Dublin/Asylverfahren seit 15.01.2021 negativ abgeschlossen sind. Dass nach § 16 BFAVG die Entscheidungen nicht nur durchsetzbar, sondern auch durchführbar sind, dass Rumänien der Überstellung zugestimmt hat und das die Rückführung nach Rumänien am 18.03.2021 geschehen wird.

BF2: Das war mir bislang nicht bewusst, mein Anwalt hat mir diesbezüglichen nicht in Kenntnis gesetzt. Ich lehne die Überstellung nach Rumänien komplett ab und zwar aus den folgenden Gründen: Als ich mit meiner Frau in Rumänien war, wurde ich geschlagen, das Handy meiner Ehefrau, wurde zerstört, im Camp, in dem wir untergebracht wurden, gab es 86 Männer, mich und meine Frau, in dem Zimmer, in dem wir in dem Camp untergebracht wurden, wurden wir mit 3 anderen Männern untergebracht, es waren als ich, meine Frau und 3 andere Männer in einem Zimmer. Die anderen Männer sind oft nur mit Unterhosen im Zimmer gewesen. Als ich mich diesbezüglich beim rumänischen Polizisten beschwer habe, hat er mich zu Gartenarbeiten geschickt und hat mir gesagt, wenn mir dies nicht gefallen würde, dann kann ich meine Frau nehmen und weggehen. In den ersten 3 Tagen, waren wir auf der Straße. Wir mussten im Park einen Schlafplatz finden und auch als wir dann untergebracht wurden, waren die Zimmer in dem wir untergebracht wurden, sehr dreckig. Es gab Flöhe in der Unterkunft und die Zustände waren sehr schlecht. Aus diesen Gründen wollen wir nicht mehr nach Rumänien zurück und wollen wir hier in Österreich bleiben. Wir kamen nach Österreich, weil wir denken, dass Österreich ein Land ist, welches die Menschenrechte respektiert und gewährleistet.

RI an B1 und BF2: Warum haben Sie dann zuvor versucht, nach Deutschland einzureisen und wurde Ihr Dublin/Asylverfahren, nachdem Sie aus Deutschland zurückgeführt wurden, in Österreich geführt.

BF2: Herr Rat, Österreich war von Anfang an mein Zielland. Ich muss aber dazu sagen, dass ich das österreichische Grenzgebiert nicht kenne. Ich kenne Österreich nicht und wenn ich in einen Zug einsteige, weiß ich nicht wohin ich fahre. Ich bin damals in einen Zug eingestiegen und als ich angehalten wurde, wusste ich nicht, dass ich Österreich bereits verlassen habe. Es war mir zu dem Zeitpunkt nicht bewusst, dass ich in Deutschland war. Es wurde mir erst dann klar, als mich die Beamten darüber aufgeklärt haben.

RI an BF2: Wie können Sie dann eigentlich Österreich als Zielland beschreiben, wenn Sie nicht einmal über die Gebietsumrisse Bescheid wissen?

BF2: Herr Rat, ich wollte nach Österreich kommen und es ist mein Zielland gewesen. Ich weiß nicht, wo die österreichischen Grenzen sind. Als ich im Zug von der Polizei angehalten wurde, habe ich zu diesem Zeitpunkt geschlafen. Herr Rat, bevor wir in den Zug eingestiegen sind, haben meine Frau und ich, einen 45 km Fußmarsch hinter uns gehabt. Wir sind dann in den ersten Zug eingestiegen, den wir sahen und sind dann gleich eingeschlafen.

RI an BF1: Bis jetzt hat immer der BF2 die Antworten gegeben, stimmen Sie den Antworten Ihres Gatten zu oder möchten Sie etwas dazu sagen?

BF1: Das was er gesagt hat, entspricht dem, was wir gemeinsam erlebt haben. Es war unsere gemeinsame Erfahrung.

RI an BF1: Wie schaut es mit Ihrer Ablehnung gegen Rumänien aus?

BF1: Sie haben uns großes Leid dort angetan. Wir haben dort Gewalt erfahren und ich wurde ein einer Unterkunft, in der nur andere Männer untergebracht waren. Es war schmutzig und sogar die Polizisten, die dort Dienst hatten, haben hin und wieder die Türe aufgemacht und uns gesagt, flieht doch von hier. Wir wissen, dass es hier sehr schlecht ist. Ihr könnt aber flüchten, wenn es euch hier nicht gefällt und in einem Park Zuflucht finden. Sie haben uns kein Essen gegeben und haben uns nur 70 Lei, für die Verpflegung für 1 Monat gegeben. Ich möchte in kein Land zurück, wo die Gesetze nicht eingehalten werden, wo es keinen Schutz für Frauen gibt. Ich möchte kein Leben in Angst leben, sondern in Sicherheit und Ruhe.

RI an B1 und BF2: Sie waren bis zum 19.12.2020 im Grundversorgungsquartier in Talham gemeldet und wurden dann als unstet am 19.12.2020 abgemeldet und scheinen im Zentralen Melderegister erst wieder ab dem 08.01.2021 auf. Warum haben Sie sich in dieser Zeitspanne, zwischen 19.12.2020 und 08.01.2021, nicht gemeldet. Wo haben Sie sich aufgehalten?

BF2: Nein, wir waren privat in einer Unterkunft. Es stimmt, dass wir vom 01.12.2020 bis 19.12.2020 dort untergebracht waren, aber wir haben keinen Cent bekommen, sondern nur Verpflegung. Am 19.12.2020 sind wir privat umgezogen. Ich habe am Tag meines Auszuges dort bekanntgegeben, dass ich in eine private Wohnung umziehe. Ich habe mich dann auch an dieser Adresse gemeldet und am 07.01.2021, hatte ich ein Interviewtermin. Ich bin zu diesem Termin von Wien zum Camp zurückgekehrt, um das Interview wahrzunehmen.

RI an BF2: Warum haben Sie sich erst ab 08.01.2021 gemeldet? Im zentralen Melderegister scheinen Sie erst am diesem Datum auf.

BF2: Wir sind am 19.12. oder am 20.12. zur Meldestelle gegangen, um uns an unserer neuen Adresse melden zu lassen. Damals wurde uns ein Zettel gegeben und uns wurde erklärt, dass es unser Termin für die Anmeldung sei. Auf dem Zettel stand der 08.01.2021. Uns wurde erklärt, dass wegen Corona, kein Parteienverkehr ohne Termin stattfindet und dass man zu vereinbarten Terminen kommen muss, um sich an einer neuen Adresse zu melden.

RI an BF1: Stimmen Sie diesen Angaben des BF2 zu oder wollen Sie etwas Separates sagen?

BF1: Alles was ich sagen würde, hat er schon gesagt.

RI an B1 und BF2: Sie wurden beide am 28.02.2021 in Vorarlberg und zwar in St. Anton am Arlberg im Zug von Innsbruck nach Hohenems aufgegriffen. In Wien sind Sie eigentlich gemeldet gewesen, was haben Sie im Zug von Innsbruck nach Hohenems verloren?

BF2: Herr Rat, davor waren wir unzählige Tage zuhause, wegen Corona. Das hat uns dann zu der Idee gebracht, dass wir zwei Tage wo Urlaub machen. Ich habe im Internet recherchiert, wo es mögliche Urlaubsziele gibt und bin auf diese Region gestoßen. Urlaub in dieser Region kam mir als eine gute Idee vor, da es dort Seilbahnen gibt und Möglichkeiten für Aktivitäten in den Bergen gibt, daher haben wir den Entschluss gefasst, dort zwei Tage Urlaub zu machen und sind dorthin gefahren. Wir wollten dann wieder zurück nach Wien, weil wir ja in Wien gemeldet sind und dort leben möchten. Herr Rat, wir möchten hier leben. Wir wollen nirgendswo hin, sonst hätte ich ja nicht aus eigener Tasche einen Anwalt für unser Verfahren beauftragt und hätte ich mich nicht ordentlich an einer Adresse in Wien gemeldet und die Kosten für diese Wohnung übernommen. Ich möchte anmerken, dass wir zu dem Zeitpunkt unseres Urlaubes, nicht über die über letzten Ergebnisse betreffend unserem Asylverfahren, in Kenntnis gesetzt wurden.

RI an BF2: Damit ich das mit dem Urlaub besser nachvollziehen kann, könnten Sie mir Ihre Urlaubsrecherche näherbringen? Könnten Sie mir das etwas genauer erklären?

BF2: Wir haben im Internet gesehen, dass es dort Seilbahnen gibt, dass man in der Bergregion Skifahren kann und das hatten wir vor. Wir wollten Wanderungen machen und es war unser Plan, dass, sobald wir ankommen, dass wir uns auf die Suche nach einer günstigen Unterkunft machen. Wir hatten auch nicht viel Geld mit. Wir hatten ca. EUR 250,00 mit, also nicht viel. Vielleicht genug für ein oder 2 Tage, um etwas frische Luft zu bekommen und aus den gewohnten Alltag rauszukommen, da wir davor wegen Corona, 2 Monate, in unseren 4 Wänden bleiben mussten und uns gegen Ende dieser Zeit, die Decke auf den Kopf gefallen ist.

BF2: Wir hatten uns Orte wie Linz und Salzburg schon angeschaut und haben uns gedacht, dass wir etwas Neues von Österreich sehen wollen. Wir wollten einen Tapetenwechsel machen, wobei wir nach wie vor in Wien weiterleben wollten und wollen.

BF1: Wir möchten nicht woanders leben. Wir möchten in Wien bleiben. Wien gefällt mir sehr gut. Ich möchte hier weiterleben.

RI an B1 und BF2: Jetzt sind Sie uns noch schuldig, Ihre Zieldestination zu benennen. Tirol und Vorarlberg ist groß und Seilbahnen und Gondeln gibt es viele, aber was genau war Ihre Zieldestination?

BF2: Wir wollten eben dort ankommen, in Hohenems. Ich kann es nicht so gut aussprechen, aber der Ort der so ähnlich heißt, haben wir angepeilt und sobald wir dort ankommen, wollten wir über Google Maps anschauen, wo wir hinkönnen. Es gibt dort Seilbahnen und alles.

RI an B1 und BF2: Eines ist mir noch nicht klar, wenn man 2 Tage wo bleiben will, muss man einmal Übernachten. Wenn, wie auch Ihnen offensichtlich bekannt, Corona bedingter Lockdown war und nichts offen hatte? Wie wollten Sie das machen mit dem Hostel?

BF2: Unseres Wissens nach, reicht ein Corona Test und der Grüne Ausweis den wir haben, dass wir in einem Hostel einchecken können, das war unseres Wissens nach dem letzten Stand.

RI an B1 und BF2: Sie haben gesagt, Sie hatten EUR 250,00. War das für beide oder hatte jeder diesen Betrag?

BF2: Zusammen.

RI an B1 und BF2: Wo ist das Geld jetzt? Es wurde nicht bei Ihnen gefunden.

BF2 fordert BF1 auf, die EUR 250,00 zu zeigen.

BF1 erklärt, ich bin von meinen Erfahrungen in Rumänien vorsichtiger geworden und in dem Moment als wir angehalten wurden, hatte ich Angst, dass uns dasselbe passiert wie in Rumänien. Dort wurde uns oft Geld weggenommen und mein Handy wurde kaputt gemacht und ich habe es versteckt.

RI an B1 und BF2: Wo ist es?

BF1: Ich habe es hier, aber ich habe schon EUR 50,00 ausgegeben.

BF1 zeigt zwei 100 Euro Scheine, die sie zusammengefaltet in Ihrer Jackentasche, offensichtlich versteckt, hielt.

RI an B1 und BF2: Tirol ist ein teures Pflaster und das Übernachten ist eigentlich auch nicht möglich. Dann wollen Sie aber von Hohenems wieder zurückfahren. Das geht sich mit EUR 250,00 nicht aus.

BF2: Herr Rat, ich habe einen Verwandten hier in Österreich, der mir solche Sachen wir Zugtickets, Hotelübernachtungen, nur mit einem Anruf von mir, per Visa zahlt. Die EUR 250,00, die wir mithatten, waren für Verpflegung und etwaige Ausflüge gedacht.

RI an B1 und BF2: Und dass Hohenems der schönste Ort Österreichs ist, aber es nicht daran liegt, dass dieser zufällig an der Grenze zur Schweiz liegt und man einfach rüber spazieren könnte, hat nichts damit zu tun?

BF2: Herr Rat, wir haben das nicht berücksichtigt, wir wollten einfach Urlaub machen und haben diesen Ort ausgesucht. Wir haben uns dabei nichts gedacht, außer dass wir dort Urlaub machen wollen. Zudem war uns wirklich nicht bewusst, dass wir, wenn ich das richtig verstanden habe, am 15.01.2021 eine negative Entscheidung erteilt bekommen haben. Dies wurde uns von unserem Anwalt nicht bekanntgegeben und wir hatten ja erst am 13.01 oder 14.01.2021, Beschwerde erhoben gehabt. Wir haben zudem ja auch einen Termin bei der Bank gehabt, um ein Konto in Österreich zu eröffnen.

RI an B1 und BF2: Haben Sie Verwandte in der EU oder in Österreich?

BF2: Ja, in Wien.

RI an B1 und BF2: Ist das der Zeuge der draußen wartet? In welcher Beziehung stehen Sie zu ihm?

BF1: Ja, ich bin die Cousine mütterlicherseits von seiner Ehefrau.

BF2: Er kommt für uns auf, seit dem Zeitpunkt, als wir das Camp verlassen haben.

RI an B1 und BF2: Jetzt rein theoretisch, wenn ich Sie freilassen würde und am 18.01.2021 kommt die Polizei an Ihre Wiener Adresse und sagen, dass die Reise nach Rumänien losgeht. Wie kann ich mir Ihr Verhalten dann vorstellen? Oder glauben Sie, dass sie rein zufällig einen Tagesausflug.

BF2: Herr Rat, wir werden zuhause sein. Wir werden keinen Urlaub machen. Wir haben das Haftübel verspürt und so etwas werde ich und will ich nicht mehr durchmachen müssen. Wir sind nicht für das Gefängnis gemacht, wir halten es nicht aus und deswegen werden sie uns zuhause finden, sollten wir heute freikommen.

BF1 beginnt zu weinen.

RI an RV: Wollen Sie den Zeugen wirklich befragen?

RV bringt vor, dass mit dem Zeugen bescheinigt werden soll, dass das Ehepaar dort wohnen könne, dass die Unterstützung bis zum 18.01.2021 dort erfolgen könne.

Aus richterlicher Sicht, besteht daher keinerlei Bedarf, den Zeugen zu befragen. All diese Vorbringensteile werden als Sachverhaltsparameter der Entscheidung zu Grunde gelegt.

Mit dem RV wird der Schubhaftbeschwerdeschriftsatz rechtlich erörtert, insbesondere das § 22 a BFA-VG keinen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Schubhaft vorsieht; RV führt dazu aus, dass dieser Antrag dahingehend zu verstehen ist, dass die Schubhaft nicht weiter fortgesetzt wird.

Verlesen werden die Entscheidungen im Dublin Verfahren, der zuständige Einzelrichter W158 hat in beiden Verfahren, mit jeweiligen Erkenntnissen vom 12.03.2021, die Asylbeschwerden gem. § Asylgesetzt und § 61 FPG, abgewiesen. Die Entscheidungen wurden dem in diesem Verfahren zuständigen Anwälten – abweichend von heute einschreitenden Anwalt – im ERV-Verkehr am 15.03.2021 rechtskräftig zugestellt.

BF1: Was bedeutet das?

RI: Dass Ihrer Rückführung am 18.03.2021 nicht im Wege steht.

BF1 beginnt zu weinen.

BF2: Aber seitdem wir nach Österreich gekommen sind und einen Asylantrag gestellt haben, wurden wir bei keiner Gelegenheit nach unserem Fluchtgründen gefragt, es ging nur um Rumänien.

RI: Darum geht es auch im Dublin Verfahren.

BF2 beginnt zu weinen.

BF2: Wenn wir nach Rumänien zurückgeschickt werden, werden wir ins Gefängnis gebracht, wir werden eingesperrt.

RI an BehV: Haben Sie Fragen?

BehV: Ja.

BehV: Der BF2 ist offensichtlich mit der Handhabung mit dem Internet sehr vertraut und hatte auch Unterstützung durch den in Wien lebenden Verwandten. Es erscheint daher, die Rechtfertigung es habe eine Ausreise nach Deutschland, versehentlich stattgefunden, nicht glaubhaft. Wie können Sie sich eigentlich die Diskrepanz, die Fähigkeit einerseits einen Urlaub umfassend zu planen und andererseits unabsichtlich das Bundesgebiert (Richtung Deutschland) hinter sich zu lassen.

BF2: Als wir damals in Österreich ankamen, war das unsere erste Ankunft. Wir sind nach einem langen Marsch in einen Zug eingestiegen und hatten nur ein Handy ohne Akku. Wir waren erschöpft und sind eingeschlafen. Wir hatten zu dem Zeitpunkt keine Möglichkeit unseren Verwandten zu kontaktieren und dadurch kam es, dass wir erst mit unserer Anhaltung draufgekommen sind, dass wir in Deutschland sind.

BF1: Erst als wir kurz angehalten wurden und dann in das Camp gebracht wurden, hatten wir zum ersten Mal, nach unserer Ankunft in Österreich die Möglichkeit unseren Verwandten anzurufen. Dieser erklärte uns, dass wir die Möglichkeit haben, privat zu wohnen und dass wir für diesen Zweck, zu ihm kommen können. Wir haben dann ausgemacht, dass wir ein paar Tage im Camp verbringen, um unseren Umzug nach Wien vorzubereiten und damit er sich nach einem Anwalt für unser Asylverfahren umschaut.

BehV: Keine Fragen.

RI an RV: Haben Sie Fragen?

RV: Ja.

RV: Sie haben ja bereits dem Gericht gesagt, wenn sie freigelassen würden, am 18.03.2021 in der Wohnung aufhältig sein werden, wenn die Polizei kommt. Wären Sie auch dazu bereit, sich regelmäßig bei der Polizei zu melden, wenn Sie freigelassen werden würden?

BF1 und BF2: Ja.

RV: Keine weiteren Fragen.

RI: Haben wir noch Anträge?

BehV: Ich verweise auf die Beschwerdevorlage und die Mandatsbescheide, wobei die inhaltlichen Vorbringen der beiden BF, aus Sicht der belangten Behörde, als Schutzbehauptungen zu qualifizieren sind. Es wird daher beantragt, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen, sowie wie die weitere Anhaltung gem. § 22a BFA VG, als rechtlich zulässig, und verhältnismäßig zu erkennen. Die Behörde stellt für den Fall des Obsiegens den Antrag auf Zuerkennung des Verhandlungsaufwandersatzes.

RV: Ich verweise auf die Beschwerde. Die beiden BF haben sich offensichtlich keinem Verfahren entzogen und haben sogar 2 Anwaltskanzleien beauftragt. Sie kümmern sich um Ihre eigenen Anliegen und sind polizeilich gemeldet und deswegen besteht keine Fluchtgefahr.“

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Sachverhalt:

Die Identität der Beschwerdeführer steht (mangels identitätsbezeugender Dokumente) nicht fest.

Am 30.11.2020 wurden die Beschwerdeführer am Bahnhof Freilassing im RJX 64, aus Salzburg kommend, anlässlich des Versuches ihrer Einreise in Deutschland kontrolliert. Beide Beschwerdeführer konnten anlässlich der Kontrolle keine Dokumente vorweisen und wurden daraufhin nach Österreich zurückgewiesen (Email der BPOLI Freilassing vom 30.11.2021 an das BFA Regionaldirektion Tirol).

Beide Beschwerdeführer waren ursprünglich bis 18.12.2020 im Rahmen der Grundversorgung untergebracht. Sie wurden jedoch am 19.12.2020 von der Grundversorgung mit dem Vermerk „Quartier unstet“ abgemeldet (aktueller GVS-Auszug). Erst einen knappen Monat später erfolgte die Anmeldung im ZMR an einer Privatadresse in Wien (aktuelle ZMR-Abfrage).

Die von Österreich durchgeführten Asylverfahren wurden mit Bescheid des BFA EAST WEST vom 14.01.2021, durchsetzbar seit 18.01.2021 und durchführbar seit 04.02-2021, gemäß § 5 Absatz 1 Asylgesetz als unzulässig zurückgewiesen, Rumänien für zuständig erklärt und gemäß § 61 Absatz 1 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz eine Anordnung zur Außerlandesbringung erlassen. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.03.20121, W185 2239283-1/4E, W185 2239284-1/4E, zugestellt am 15.03.2021 wurden die Beschwerden rechtskräftig verworfen (angeführte Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes, Zustellnachweise).

Beide Beschwerdeführer kamen der Ihnen auferlegten Ausreiseverpflichtung nicht nach. Mangels gültiger Reisedokumente können sie Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen (Aktenlage, PV).

Am 28.02.2021 wurden die Beschwerdeführer im Zuge einer Kontrolle im Zug von Innsbruck nach Hohenems auf der Höhe von St. Anton am Arlberg aufgegriffen – sie wollten sich in die Schweiz absetzen (Verhandlung v. 16.03.2021).

Zum damaligen Zeitpunkt herrschte österreichweit ein Corona-bedingter Lockdown (notorische Tatsache).

Der Beschwerdeführer befand sich vom 11.03.2021 bis nach der am 16.03.2021 von 09:00 Uhr – 13:20 Uhr vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten Verhandlung im Hungerstreik; diesen beendete er erst nach der Verhandlung um 16:45 Uhr (Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres).

Beide Beschwerdeführer waren/sind haftfähig (ärztliche Befunde vom 15.03.2021; VH-Protokoll 16.03.2021)

Seit 15.03.2021 besteht ein Festnahmeauftrag (zur geplant gewesenen Abschiebung am 18.03.2021).

Die Beschwerdeführer haben in Österreich einen Verwandten, bei dem sie Unterkunft nehmen und von diesem finanziell unterstützt werden könnten; aufgrund des Bestehens erheblicher Fluchtgefahr kommt diesem Umstand keine Bedeutung zu, da die Beschwerdeführer statt bis zur Abschiebung Unterkunft zu nehmen, untergetaucht wären – denn:

der Vollständigkeit halber (nach Verkündung):

Am 18.03.2021 um 12:10 Uhr wurden die Abzuschiebenden von den Beamten GrInsp. (…) und Ml. zu Kurs OS 791, Vorfeldposition F 31, mittels Dienst-KFZ verbracht. (…)

Beim LFZ angekommen und nach erfolgter Kontaktaufnahme mit dem Kapitän der Austrian Airlines wurden die Abzuschiebenden über die vordere Stiege zum Eingang begleitet.

Unmittelbar vor dem Betreten des LFZ begann XXXX plötzlich und unvermittelt zu weinen, setzte sich nieder und gab an, dass sie nicht nach Bukarest fliegen will. Auf Grund dieses Verhaltens wurde von Ml. die Abschiebung um 12:17 Uhr abgebrochen.

Die Abzuschiebenden wurden wieder über die Stiege zum Dienst-KFZ verbracht, wo sich XXXX direkt vor dem Einsteigen wieder auf den Boden fallen lies. (…) (Abschiebebericht des Stadtpolizeikommando Schwechat vom 18.03.2021).

Beweiswürdigung:

Auch die Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht führt im Ergebnis hinsichtlich der Annahme der erheblichen Fluchtgefahr zu keinem von der Verwaltungsbehörde abweichenden Ergebnis:

Beide BF konnten nicht glaubwürdig darlegen, dass ihre beabsichtigte Reise nach Hohenems tatsächlich aus Urlaubsgründen und nicht zum Zwecke der Weiterreise in die Schweiz erfolgte. Zunächst ist einmal anzuführen, dass der dargelegten Urlaubsplanung der österreichweite Lockdown entgegensteht. Die BF hätten nämlich vor dem Hintergrund der österreichweiten Schließung der Gastronomie und des Beherbergungsverbotes gar nicht zwei Tage, wie in der Verhandlung behauptet, Urlaub machen können. Dass die BF diesbezüglich nicht Bescheid wussten, wie gleichfalls vorgebracht, erscheint schon deswegen nicht glaubwürdig, als es sich beim BF2 um einen offensichtlich mit Internet erfahrenen jungen Mann handelt, der überdies, wie er auch in der Verhandlung vorbrachte, eine umfassende Urlaubsplanung vorgenommen hatte. Dass beiden BF überhaupt die Corona-Situation entgangen sei, kann auch vor dem Hintergrund, dass sie den behaupteten Urlaub deshalb ins Auge fassten, weil sie durch die Corona-Situation so belastest gewesen seien, nicht der Fall sein.

Überdies spricht auch noch die finanzielle Situation der Beschwerdeführer gegen einen geplanten Urlaub im teuren Vorarlberg. Es ist nicht glaubwürdig, dass sie sich, gemeinsam ausgestattet mit EUR 250,00, den entferntest gelegenen Ort, der außerdem unmittelbar an der Grenze zur Schweiz liegt, als Urlaubsort aussuchen, da die damit verbundenen Kosten (lange Anreise, lange Rückreise) praktisch das ganze Budget beanspruchen. Diesbezüglich überzeugt auch die Angabe der BF1, dass der Verwandte für die Kosten aufkomme, nicht, denn dann ist wiederum nicht erklärlich, dass die Beschwerdeführer überhaupt mit einem derart geringen Betrag die „Urlaubs“reise antraten – das gesamte Verhalten, wie vorgebracht – mutet doch völlig irrational an.

Die Verwaltungsbehörde durfte jedenfalls dieses Verhalten der BF als Versuch der illegalen Weiterreise in die Schweiz werten, noch dazu, da sie nicht dem Gebot eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens unterliegt, sondern zutreffend ein sogenanntes Mandatsverfahren führte – siehe dazu auch noch rechtliche Beurteilung..

In diesem Zusammenhang ist auch mit dem Einwand, dass die Schubhafteinvernahmen nicht unter Zuziehung eines Dolmetschers, der mit den tunesischen Spracheigenheiten der arabischen Sprache bewandert gewesen sei, durchgeführt wurde und insofern Verständigungsschwierigkeiten aufgetreten seien, nichts gewonnen, da sich die Verantwortung in der Verhandlung unter Zuziehung eines Dolmetschers für „Tunesisch-Arabisch“ als noch unplausibler darstellt als jene in den Schubhafteinvernahmen.

Darüber hinaus indiziert auch der Umstand, dass die BF noch bevor ihre Asylverfahren in Österreich geführt wurden, offensichtlich die Einreise in Deutschland versuchten. Auch insofern lag die Verwaltungsbehörde ganz richtig, als sie nun annahm, dass sich die BF eben jetzt in die Schweiz begeben wollten.

Die Verhandlung hat nämlich auch zur Problematik des Versuches der Weiterreise nach Deutschland kein anderes Bild ergeben, zudem wirkt es völlig unglaubwürdig, dass der BF2 nicht um die entsprechenden territorialen Kenntnisse Bescheid weiß, da er offensichtlich, wie schon angemerkt, mit dem Internet sehr vertraut ist und beide BF im Rahmen des Dublin Verfahrens detailliert über ihre vorhergehenden Aufenthalte in der Türkei, Serbien, Rumänien und Ungarn Auskunft geben konnte. Auch die ins Spiel gebrachte Erschöpfung vermag diesbezüglich nicht zu überzeugen, denn mussten die BF, als sie seinerzeit in den Zug stiegen, jedenfalls damit rechnen, dass sie bald die deutsch-österreichische Grenze erreichen.

Auffällig ist jedenfalls, dass beide BF partout nicht nach Rumänien zurückreisen wollen; sie haben auch in der Verhandlung nochmals und ausdrücklich ihre Einstellung zu Rumänien dargelegt und handelt es sich hierbei nicht um eine schlichte Ausreiseunwilligkeit, sondern um die qualifizierte, innere Weigerung, dem Außerlandesbringungsbefehl im jeweiligen Dublin Bescheid nachzukommen. Beide wurden sehr emotional bei diesem Thema.

In Bezug auf den BF2 ist auch der ab 11.03.2021 bis über den Zeitpunkt der Erkenntnisverkündung hinausgehende Hungerstreik, mit dem er sich offensichtlich freizupressen versuchte, hervorzuheben.

Seine Rechtfertigung auf den entsprechenden Vorhalt

„Ich habe auch niemanden gefunden, der mir zuhört und mir erklärt, weshalb ich im Gefängnis bleiben muss bzw. was für einen Fehler ich begangen habe um im Gefängnis eingesperrt bleiben zu müssen“

vermag nicht zu überzeugen:

Der seit 28.02.2021 in Schubhaft Angehaltene erfuhr vor Beginn des Hungerstreiks (am 11.03.2021) am 01.03.2021 in der Zeit von 10:15 – 10:35, am selben Tag auch noch von 14:00 – 14:30 Rechtsberatung durch die BBU, am 03.03.2021 in der Zeit von 13:47 – 14:02 Rückkehrberatung seitens der BBU, am 08.03.2021 von 10:55 – 11.05 Uhr erhielt er Besuch von seinem Rechtsanwalt.

In diesem Zusammenhang fällt dann der nachmittägige Besuch des Rechtsanwalts am 12.03.2021 in der Dauer von circa einer Stunde auf, der den BF2 aber auch nicht davon abhielt, den Hungerstreik fortzusetzen – von mangelnder rechtlicher Information kann also keine Rede sein.

Letztlich hat sich die Annahme erheblicher Fluchtgefahr durch das Verhalten der BF1 anlässlich der versuchten Rückführung nach Rumänien bestätigt – die Abschiebung musste, wie dem entsprechend zitierten Bericht zu entnehmen ist, abgebrochen werden.

An dieser Stelle sei auch noch auf die teilweise aktenwidrige Beschwerdebehauptung, der Dublin-Bescheid sei (im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung) noch nicht rechtskräftig durchsetzbar gewesen: zwar noch nicht rechtskräftig, aber schon nach der erstinstanzlichen Entscheidung durchsetzbar – siehe dazu § 16 Abs. 4 BFA-VG; diesbezüglich bedarf es daher keiner weiteren Erörterung auf der Tatsachenebene.

Rechtliche Beurteilung

Zuständigkeit

Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) idgF erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;

4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

§ 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr 87/2012 idgF, lautet:

(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes,

2. Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,

3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,

4. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes und

5. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§ 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 und 4 Abs. 1 Z 1 und 2

Gemäß § 7 Abs. 2 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision oder der Verfassungsgerichtshof einer Beschwerde gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß Abs. 1 stattgegeben hat.

Für das gegenständliche Verfahren ist sohin das Bundesverwaltungsgericht zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Zu Spruchpunkt A) I. (Schubhaftbescheid, bisherige Anhaltung):

Gesetzliche Grundlagen:

Entsprechend dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 - FrÄG 2015 vom 18.06.2015, BGBl. I Nr. 70/2015, lautet §22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) wie folgt:

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

Die Bestimmungen des §22a BFA-VG idgF, konkret jene der Z 3 (Schubhaftanhaltung), bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage.

Materielle Rechtsgrundlage:

Darauf aufbauend wiederum folgende innerstaatliche Normen des des Fremdenpolizeigesetzes, welche in der anzuwendenden geltenden Fassung lauten:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

§ 76 Abs. 4 FPG normiert ausdrücklich die Pflicht zum Vorgehen im Rahmen eines Mandatsverfahrens; der Verwaltungsbehörde ist daher schon vor diesem gesetzlichen Hintergrund kein Vorwurf unter dem Aspekt des Fehlens eines umfassenden Ermittlungsverfahrens zu machen.

Im Übrigen geht dieser Vorwurf aber auch insofern ins Leere, als tatsächlich Schubhafteinvernahmen mit beiden Beschwerdeführern stattfanden, die letztlich zu keinem anderen Ergebnis als die Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht führten: Die (auch schon) teilweise Version einiger ins Auge gefassten Urlaubstage in Hohenems war nach der Verhandlung noch weniger glaubhaft als nach den Schubhafteinvernahmen; sowohl bei den Schubhafteinvernahmen als auch bei der Verhandlung brachten beide Beschwerdeführer ihre völlige Abneigung gegen eine Rückführung nach Rumänien zum Ausdruck. Insofern fehlte also auch dem Einwand des Bestehens von Sprachproblemen die argumentative Grundlage.

Verfahrensrechtlich ist noch anzumerken, dass auch mit dem Argument in Bezug auf die BF1, wonach nicht erkennbar sei, ob ihr gegenüber überhaupt ein Schubhaftbescheid erlassen worden sei, weil im Verfahrensgang der Name des BF2 und unter den Feststellungen der Name der BF1 angeführt worden sei, nichts gewonnen ist, weil unzweifelhaft unter dem Aspekt der Gesamtbetrachtung aus dem ganzen Bescheid hervorgeht, dass damit die BF1 gemeint ist.

Nur nebstbei sei angeführt, dass kurioserweise auch dem Rechtsvertreter in seiner Beschwerde, den BF2 betreffend, gleichfalls ein entsprechender Schreibfehler unterlief: So führte er zu nächst unter der Rubrik „Sachverhalt“ folgendes an (Hervorhebung durch den Einzelrichter:

Der Beschwerdeführer brachte am 1. Dezember 2020 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ein. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des BFA EAST WEST vom 14. Jänner 2021 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Anordnung zur Außerlandesbringung nach Rumänien angeordnet.

Um aber sogleich von der Beschwerdeführerin zu sprechen:

Dieser Bescheid wurde von der rechtlichen Vertretung der Beschwerdeführerin angefochten

und ist bislang weder rechtskräftig noch durchsetzbar.

Auch hier wird niemand ernstlich auf die Idee kommen, dass man nun nicht mehr wisse, auf wen sich die weiteren Beschwerdeausführungen beziehen.

Art 28 Abs. 1 und 2 Dublin VO:

(1) Die Mitgliedstaaten nehmen eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt.

(2) Zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren, dürfen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dieser Verordnung, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen und nur im Falle dass Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.

§ 77 FPG - Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, 2012/21/0114; 02.08.2013, 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Es lag schon zum Zeitpunkt der Schubhaftbescheiderlassung erhebliche Fluchtgefahr vor – kein einziger Umstand spricht für eine gegenteilige Annahme: Die BF wollen einfach nur in Österreich bleiben und sich hier ein Leben aufbauen bzw. alternativ, als sie den erstinstanzlich negativen Asyl-/Dublinbescheid erhielten, sich in die Schweiz begeben.

Die Verwaltungsbehörde hatte daher vor dem Hintergrund, dass sich die Beschwerdeführer schon einmal zuvor nach Deutschland begeben wollten, auch zu Recht kein gelindes Mittel angewandt.

Rechtlich gesehen war nur ein Tatbestand retrospektiv nicht aufrechtzuerhalten: §76 Abs. 3 Z 9 lag offensichtlich nicht in jenem Maße vor, dass daraus auf Fluchtgefahr geschlossen werden konnte, denn verfügen die Beschwerdeführer entgegen der Ansicht der Erstbehörde über einen verwandtschaftliche Bezugspunkt.

Im Besonderen ist zum BF2 noch anzumerken, dass dieser einen weiteren und erheblichen Fluchtgrund während der bisherigen Anhaltung setzte, in dem er sich mit Hungerstreik offensichtlich freizupressen versuchte.

In diesem Sinne ist in Bezug auf den BF2, ab dem 08.03.2021 auch noch § 76 Abs. 3 Z 1 FPG, zusätzlich durch die Aufnahmen des Hungerstreikes erfüllt.

Die bisherige Haft stellt sich alleine schon vor dem Hintergrund ihrer Kürze – der gesetzliche Rahmen ist bei weitem nicht ausgeschöpft – als verhältnismäßig dar.

Auch der Gesundheitszustand beider Beschwerdeführer ließ und lässt keine Relativierung der Verhältnismäßigkeit zu: Sowohl Befund/Gutachten vom 15.03.2021 als auch die entsprechende Antwort zum eigenen Gesundheitszustand in der Verhandlung zeigen das Bild gesunder Angehaltener – dies gilt auch für den BF2, dem der ärztliche Befund vom 15.03.2021 trotz Hungerstreiks einen guten Allgemeinzustand bescheinigt.

Im Ergebnis ergibt sich daher die Rechtmäßigkeit des Schubhaftbescheides und der darauf aufbauenden Anhaltung sowie deren Verhältnismäßigkeit; hinsichtlich letzteren Aspekts ist auch noch hinzuzufügen, dass die beabsichtigte weitere Anhaltung nur bis zum 18.03.2021 währen hätte sollen, weil an diesem Tag die Rückführung nach Rumänien vorgesehen war.

Zu Spruchpunkt A II. (Fortsetzung der Anhaltung):

Die entscheidungsrelevante Bestimmungen des § 22 Abs. 3 BFA-VG idgF lautet:

Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Als das soeben Gesagte hat auch Gültigkeit für den Fortsetzungsausspruch. Die erhebliche Fluchtgefahr ist aber noch weiter als gesteigert anzusehen, da den BF nunmehr auch der Abschiebetermin, der unmittelbar bevorsteht/bevorstand, nämlich der 18.03.2021, bekanntgegeben wurde. Die entsprechende Reaktion auf diesen Termin fiel dementsprechend äußerst emotional aus.

Mit dem Vorbringen in der Verhandlung in Bezug auf allfällige Verhältnisse in Rumänien vermögen die BF nicht die Nichtverwirklichbarkeit des Schubhaftzwecks aufzuzeigen, weil die Rückführung nach Rumänien nicht möglich sein soll:

Das Bundesverwaltungsgericht hatte nämlich erst vor ganz kurzem die Dublin-Bescheide der Verwaltungsbehörde bestätigt, konkret mit Erkenntnissen vom 12.03.2021, und sich umfassend mit der Situation in Rumänien auseinandergesetzt. Abgesehen von dem Umstand, dass eine Bindungswirkung in Bezug auf die rechtskräftigen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes in diesen Dublin-Verfahren besteht, hat auch das Vorbringen für sich allein mangels Aufzeigen von systematischen Mängeln, die Art. 3 EMRK relevant sein könnten, die Unzulässigkeit der Rückführung nicht bescheinigt, mögen auch entsprechende Mängel und Widrigkeiten in Rumänien nicht auszuschließen seien.

In Bezug auf die restlichen zwei Tage in Haft stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die Dauer der Anhaltung nicht. Wie schont unter Spruchpunkt I. ausgeführt, lieferte auch der Gesundheitszustand beider keine Anhaltspunkte für eine Relativierung der Verhältnismäßigkeit, der BF2 ist trotz Hungerstreikes in guter Verfassung.

Ein gelinderes Mittel kommt gleichfalls, aus den schon angeführten Gründen, nicht in Frage.

In diesem Sinne war die Schubhaftfortsetzung auszusprechen.

Der Vollständigkeit halber sei auch hier nochmals auf das Scheitern der Abschiebung vom 18.03.3021 infolge des Verhaltens der BF1 hinzuweisen.

Zu Spruchpunkt III. und IV (Kosten):

In der Frage des Kostenanspruches – beide Verfahrensparteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen - sind gemäß § 56 (3) leg. cit. die §§22 (1a) leg. cit. und § 35 VwGVG die maßgeblichen No

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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