Entscheidungsdatum
02.04.2021Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W200 2240282-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Kuzminski sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 09.02.2021, OB: 46742012500059, mit welchem der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 42 und 47 des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. I Nr. 283/1990, idF BGBl. I Nr. 39/2013 iVm § 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die beschwerdeführende Partei stellte am 14.12.2020 unter Vorlage medizinischer Unterlagen einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses sowie den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“.
Das vom Sozialministeriumservice eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin vom 01.12.2020, basierend auf einer Begutachtung am selben Tag, ergab Folgendes:
„Anamnese:
Letztes Gutachten vom 23.8.2017: GdB 30 vH wegen Neurodermitis
AL: Neurodermitis, Analfissur, Allergien
Derzeitige Beschwerden:
AW möchte früheren Termin, da sie dem Arbeitgeber bis Ende der Woche sagen muss, ob es eine einvernehmliche Kündigung gibt oder sie einen Behindertenpass bekommt.
‚Alles wird immer schlechter, muss die Sonne meiden. Einkaufen kann ich nur mit Hut und Sonnenschirm. Besonders der Hals, das Gesicht und die Arme betroffen. Bekomme durch die Sonne sofort einen Schub. (Legt mehrere Fotos zur Dokumentation vor). Gehe seit April zur UVB Bestrahlung, aber ich kann die Therapie nicht steigern. ich kann mit meiner Tochter zum Beispiel nicht auf den Spielplatz gehen, oder am Abend Essen gehen, geht auch nicht, ein einfacher Sonnenschirm hilft nicht. Bin sozial stark beeinträchtigt. Das Cortison macht alles nur noch schlechter. Die Maske ist eine Katastrophe für mich. Analfissur seit 2 Jahren, da kann mir kein Arzt helfen. Bei jedem Stuhlgang reißt sie auf. Wenn ich Benefiber nehme, geht der Stuhl daneben.‘
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel
Cortisonsalbe, Lorano (ist zu schwach, andere Antihistaminika werden aber wegen Müdigkeit nicht vertragen), Scheriproct, Optifibre
Sozialanamnese: verheiratet, 1 Kind (wird im Jänner 2 Jahre), dzt Karenz, Personalwesen in einer Bank
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Befund Dr. XXXX vom 13.10.2020: schwere Form der atopischen Neurodermitis, Schimmelpilz, Gräserpollenallergie, Sonnenlichteinstrahlung
Labor vom 13.10.2020: IgE 816kU/l
Befund Dr. XXXX Dermatologie vom 23.10.2020: Neurodermitis, Kur in Bad Gleichenberg hat keine Besserung gebracht, Überempfindlichkeit gegen Sonnenlicht, UVB: prinzipiell ansprechend jedoch nur geringe Dosis möglich
Befund Stockerau Chirurgie vom 12.11.2019; Rectocele, winzige Analfissur, Obstipation
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: gut Ernährungszustand: normal
Größe: 157,00 cm Gewicht: 57,00 kg Blutdruck: 120/70
Klinischer Status – Fachstatus:
HNAP frei,
Hals: keine Struma, keine pathologischen Lymphknoten palpabel
Thorax: symmetrisch Pulmo: VA, SKS
Herztöne: rein, rhythmisch, normofrequent
Abdomen: Leber und Milz nicht palpabel, keine Druckpunkte, keine Resistenzen, Darmgeräusche lebhaft
UE: keine Ödeme, Fußpulse palpabel
OE rechts: oberflächliche Venen verstärkt
Haut: blass, unauffällig
Faustschluss: möglich, NSG: möglich, FBA: möglich ZFS: möglich
Untersuchung im Sitzen und Liegen, selbständiges An- und Ausziehen
Gesamtmobilität – Gangbild: unauffällig, keine Hilfsmittel
Status Psychicus: allseits orientiert, Ductus kohärent.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd.
Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
atopische Neurodermitis
unterer Rahmensatz, da anhaltendes erhöhtes Therapieerfordernis,
klinisch stabilisierbar, Allergien mitberücksichtigt
01.01.03
50
Gesamtgrad der Behinderung: 50 v. H.
(…) Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Analfissur: nicht über einen behinderungsrelevanten Zeitraum hinaus befundbelegt
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Nach Therapieintensivierung Anheben des GdB um 2 Stufen
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
Siehe oben, insgesamt wird der GdB um 2 Stufen höher eingestuft
(…) Nachuntersuchung 12/2022 – Besserung von Leiden 1 ist möglich (…)
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine. Das Zurücklegen kurzer Wegstrecken, das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist, bei hierorts gutem Allgemein- und Ernährungszustand, sowie freiem und unauffälligem Gangbild, durch die dokumentierten Leiden nicht erheblich erschwert.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein. (…)“
In ihrer Stellungnahme vom 08.01.2021 im gewährten Parteiengehör führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, dass sie an einer schweren Neurodermitis leide und sich aufgrund der Sonneneinstrahlung kaum fortbewegen könne. Sie müsse spezielle UV-Kleidung tragen, die sie aber auch nur bedingt schütze, weshalb sie mehrfach Entzündungen davontrage. Die großen Fensterscheiben der öffentlichen Verkehrsmittel bewirkten, dass ihre chronisch entzündete Haut schmerze, da sie ihr Gesicht und den Hals kaum bis gar nicht bedecken könne. Autofahren und das tägliche Leben seien an sich erschwert. Auch das Schwitzen in den öffentlichen Verkehrsmitteln im Sommer würde ihre Neurodermitis massiv verschlechtern. Beim Umsteigen sei sie ebenfalls einer Sonneneinstrahlung ausgesetzt. Sonnencreme würde nicht helfen, da sie hautreizende Stoffe beinhalte, die ihren Zustand verschlechtere. Sie gehe regelmäßig UVB bestrahlen zu ihrer Hautärztin, jedoch sei das Ergebnis nicht zufriedenstellend. Die Kälte im Winter würde ihre Haut ebenfalls belasten, was wiederum Entzündungen hervorrufe. Es bestehe auch eine große psychische Belastung. Die Beschwerdeführerin übermittelte medizinische Unterlagen (Allergiebefund vom 13.10.2020, Befundbericht einer FÄ für Dermatologie vom 23.10.2020, einen Laborbefund vom 14.10.2020 und Fotos.
Die aufgrund dieses Vorbringens vom Sozialministeriumservice eingeholte Stellungnahme der Fachärztin für Innere Medizin vom 09.02.2021 ergab Folgendes:
„Antworten:
Die Antragstellerin erklärt sich mit dem Ergebnis der Begutachtung vom 1.12.2020 nicht einverstanden und bringt in der Stellungnahme vom 7.1.2021 vor, dass sie wegen der Neurodermitis die öffentlichen Verkehrsmittel nicht benutzen kann. Sie kann bei Sonnenlicht das Haus nicht verlassen, da die Neurodermitis vor allem das Gesicht und den Hals betrifft. Auch das Autofahren und das tägliche Leben an sich ist erschwert. Sonnenlicht bedeutet das Gefühl einer heißen Herdplatte, es sind besondere Vorkehrungen notwendig. Es besteht daher eine gr0ße psychische Belastung.
Neue Befunde werden nicht nachgereicht, die Befunde wurden bereits im Gutachten berücksichtigt.
Bei der hierorts durchgeführten Begutachtung präsentierte sich die AW in gutem Allgemein- und Ernährungszustand, sowie freiem und unauffälligem Gangbild, die Haut blass jedoch unauffällig. Laut vorliegendem dermatologischem Befund vom 23.10.2020 Befund spricht die AW auf die eingeleitete UVB Therapie an. Daher sind die Kriterien nach der derzeit geltenden EVo bezüglich Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel‘ nicht vorliegend und das Gutachten wird weiter vertreten.“
In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführerin ein Behindertenpass mit Befristung bis 30.06.2023 und mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 vH ausgestellt.
Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid des Sozialministeriumservice vom 09.02.2021 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen. Begründend wurde auf das eingeholte Gutachten sowie die Stellungnahme vom 09.02.2021 verwiesen, wonach die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorlägen.
Die Beschwerdeführerin erhob dagegen fristgerecht Beschwerde. Sie wiederholte erneut ihr Vorbringen, das sie bereits mit Stellungnahme vom 08.01.2021 schilderte und übermittelte erneut die bereits bekannten Fotos.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die Beschwerdeführerin ist im Besitz eines (befristeten) Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 50 von Hundert.
1.2. Der Beschwerdeführerin ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
1.2.1. Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:
Klinischer Status - Fachstatus:
Allgemeinzustand: gut, Ernährungszustand: normal.
HNAP frei.
Hals: keine Struma, keine pathologischen Lymphknoten palpabel.
Thorax: symmetrisch Pulmo: VA, SKS.
Herztöne: rein, rhythmisch, normofrequent.
Abdomen: Leber und Milz nicht palpabel, keine Druckpunkte, keine Resistenzen, Darmgeräusche lebhaft.
Untere Extremitäten: keine Ödeme, Fußpulse palpabel.
Obere Extremitäten: rechts: oberflächliche Venen verstärkt.
Haut: blass, unauffällig.
Faustschluss: möglich, NSG: möglich, FBA: möglich ZFS: möglich.
Untersuchung im Sitzen und Liegen, selbständiges An- und Ausziehen.
Gesamtmobilität - Gangbild: unauffällig, keine Hilfsmittel.
Status Psychicus: allseits orientiert, Ductus kohärent.
Funktionseinschränkungen:
Atopische Neurodermitis, anhaltendes erhöhtes Therapieerfordernis, klinisch stabilisierbar, Allergien mitberücksichtigt.
1.2.2. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Die körperliche Belastbarkeit ist ausreichend vorhanden. Es liegen keine erheblichen Funktionsstörungen der oberen und unteren Extremitäten sowie der Wirbelsäule vor. Die Beschwerdeführerin kann sich im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen und eine kurze Wegstrecke (ca. 300 - 400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurücklegen.
Die festgestellte Funktionseinschränkung wirkt sich nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus. Es besteht keine erhebliche Einschränkung der Mobilität. Es besteht auch keine Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit, es besteht keine schwere Erkrankung des Herz-Kreislaufsystems oder der Lunge. Es sind keine Behelfe erforderlich, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung unter Verwendung von Ausstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen. Es besteht auch keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit.
Die Greif- und Haltefunktionen sind ausreichend erhalten. Das Ein- und Aussteigen und Anhalten sowie ein sicherer Transport sind möglich. Der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist gesichert durchführbar. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit der Beschwerdeführerin sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend.
Bei der Beschwerdeführerin liegen auch keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder der Sinnesfunktionen vor, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen.
Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.
2. Beweiswürdigung:
Zur Klärung des Sachverhaltes war von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin vom 01.12.2020 eingeholt worden. Im vorzitierten Gutachten wurde der Zustand der Beschwerdeführerin im Detail dargelegt und kein Hindernis für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt. Aufgrund der Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 08.01.2021 mitsamt übermittelter neuer medizinischer Unterlagen im Rahmen des gewährten Parteiengehör hierzu wurde eine Stellungnahme der beauftragten Gutachterin vom 09.02.2021 eingeholt. Das festgestellte Leiden führt laut Stellungnahme der Fachärztin dennoch nachvollziehbar nicht zu Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten, die die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken sowie zu keiner erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bzw. einer Sinnesbeeinträchtigung. Insbesondere wurden auch alle vorgelegten Unterlagen einer Beurteilung unterzogen und die vorliegenden Leiden mitberücksichtigt.
Demnach hat sich die Beschwerdeführerin bei der durchgeführten Begutachtung in gutem Allgemein- und Ernährungszustand sowie einem freien und unauffälligen Gangbild präsentiert. Das Zurücklegen kurzer Wegstrecken, das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist bei freiem und unauffälligem Gangbild durch die dokumentierten Leiden nicht erheblich erschwert. Die Haut war bei der Untersuchung demnach zwar blass, aber unauffällig. Laut vorliegendem dermatologischen Befund vom 23.10.2020 spricht die Beschwerdeführerin zudem auf die eingeleitete UVB-Therapie an. Daher hält die Fachärztin an ihrer bisherigen Einschätzung fest.
Die Beschwerdeführerin kann sich ohne Gehhilfen im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen und eine kurze Wegstrecke (ca. 300 - 400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurücklegen.
Es liegen keine erheblichen Einschränkungen der unteren Extremitäten vor. Das Überwinden üblicher Niveauunterschiede ist zumutbar, der sichere Transport ist möglich. Das sichere Ein- und Aussteigen sind gewährleistet. Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen sowie die Möglichkeit, Haltegriffe zu erreichen und sich anzuhalten, ist ausreichend gegeben. Der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar.
Es sind keine Behelfe erforderlich, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung unter Verwendung von Ausstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen. Es besteht auch keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit. Die festgestellte Funktionseinschränkung wirkt sich nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus. Ein sicherer Transport in den öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter üblichen Transportbedingungen daher möglich.
Es liegen auch keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit bzw. psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten vor und auch keine schwere Erkrankung des Immunsystems. Es bestehen auch keine wesentlichen kardiopulmologischen Einschränkungen.
Zum Beschwerdevorbringen, wonach es der Beschwerdeführerin zusammengefasst aufgrund ihrer schweren Neurodermitis bei Sonneneinstrahlung nicht zumutbar sei, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen, ist festzuhalten, dass die vom SMS herangezogene Fachärztin für Innere Medizin in ihrem Gutachten bzw. der Stellungnahme vom 09.02.2021 - unter Berücksichtigung aller neu vorgelegten Befunde - schlüssig festhält, dass die Beschwerdeführerin – entgegen ihren eigenen Angaben in der Beschwerde – laut vorgelegtem Befund einer Fachärztin für Dermatologie vom 23.10.2020 auf die eingeleitete UVB-Therapie anspricht. Somit sind noch nicht alle therapeutischen Möglichkeiten ausgeschöpft. Hinzuzufügen ist schließlich zudem, dass im Befundbericht vom 23.10.2020 ebenfalls ausgeführt wird, dass die Therapie nur sehr vorsichtig und in niedriger Dosierung mit langsamer Dosissteigerung erfolgt, dies jedoch nur mit der Begründung, dass die Beschwerdeführerin anamnestisch eine Lichtempfindlichkeit angegeben hat.
Insofern die Beschwerdeführerin eine psychische Belastung aufgrund der leidensbedingten Situation anführt, so ist festzuhalten, dass sich aus den vorliegenden Befunden kein Hinweis auf eine etwaige erhebliche Einschränkung psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten ergeben hätte.
In dem vom SMS eingeholten Sachverständigengutachten samt Stellungnahme wird auf den Zustand der Beschwerdeführerin ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich somit ein nachvollziehbares Bild des Zustandes der Beschwerdeführerin. Sie ist den eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene ausreichend konkret entgegengetreten bzw. wurden die im Rahmen der Beschwerde bzw. bereits zuvor der Stellungnahme vom 08.01.2021 vorgelegten Befunde in der Stellungnahme der vom SMS beauftragten medizinischen Gutachterin vom 09.02.2021 mitberücksichtigt und waren diese nicht geeignet, eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel darzutun. Anhaltspunkte für eine Befangenheit der Sachverständigen liegen nicht vor.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen in Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachtens samt Stellungnahme. Diese wurden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Zu A)
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).
Zur Frage der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel:
Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 ist die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).
In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 wird ausgeführt:
Ausgehend von den bisherigen durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ sind Funktionseinschränkungen relevant, die die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 200 bis 300 m anzunehmen.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Alle therapeutischen Möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des behandelnden Arztes/der behandelnden Ärztin ist nicht ausreichend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen. Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:
- anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – sever combined immundeficiency),
- schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),
- fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,
- selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktionen nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt. Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)
Bei der Beschwerdeführerin liegen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit vor bzw. konnten keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen. Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.
Die allfällige Verwendung eines Hilfsmittels zur Fortbewegung außer Haus (Schuheinlagen, Gehstock, Stützkrücke, orthopädische Schuhe) ist - da die Funktionalität der oberen Extremitäten bei der Beschwerdeführerin gegeben ist - zumutbar und bedingt kein relevantes Hindernis bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Es ist bei der Beschwerdeführerin von einer ausreichenden Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparates auszugehen, die vorgebrachte Einschränkung der Gehstrecke konnte nicht in einem Ausmaß festgestellt werden, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschwert.
Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen ist einwandfrei möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit der Beschwerdeführerin sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend.
Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar." rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
Der Vollständigkeit halber wird festgehalten, dass in weiterer Folge auch nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO vorliegen, zumal die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ im Behindertenpass nach dem Bundesbehindertengesetz Voraussetzung für die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO ist.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. (§ 24 Abs. 1 VwGVG)
Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist. (§ 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG)
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)
Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Zur Klärung des Sachverhaltes waren von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin vom 01.12.2020 und eine Stellungnahme derselben Gutachterin vom 09.02.2021 eingeholt worden. In den vorzitierten Gutachten wurde der Zustand der Beschwerdeführerin im Detail dargelegt und das Nichtvorliegen der Voraussetzungen – konkret das Nichtvorliegen erheblicher Funktionseinschränkungen – für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung festgestellt.
Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde das Sachverständigengutachten samt Stellungnahme als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit der Beschwerdeführerin mündlich zu erörtern gewesen wäre – wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, ist das Beschwerdevorbringen nicht geeignet darzutun, dass eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vorliegt, und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Es wurden mit Beschwerdeschreiben auch keine neuen Befunde mehr vorgelegt, sondern vielmehr auf das bisherige Vorbringen verwiesen bzw. dieses wiederholt.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.
Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W200.2240282.1.00Im RIS seit
08.06.2021Zuletzt aktualisiert am
08.06.2021