Entscheidungsdatum
06.04.2021Norm
AsylG 2005 §57Spruch
W185 2187999-2/6E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.01.2021, Zl 1094522308-191241024, folgenden Beschluss gefasst:
A)
Das Verfahren wird gemäß §§ 28 Abs 1, 31 Abs. 1 VwGVG als gegenstandslos geworden eingestellt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (BF) stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 12.11.2015 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 19.01.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem BF wurde gemäß §§ 57 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde in Spruchpunkt VI. ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.04.2019 zur Zahl W134 2187999-1/10E wurde die dagegen erhobene Beschwerde gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.
Der BF erhob gegen dieses Erkenntnis Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.
Die außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2019, Ra 2019/14/0232-6, zurückgewiesen.
Der BF stellte am 04.12.2019 den gegenständlichen Folgeantrag.
Der Verfassungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom 10.03.2020, E 1791/2019-14, aus, dass der BF durch das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.04.2019, soweit damit seine Beschwerde gegen die erlassene Rückkehrentscheidung, gegen den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan und gegen die Feststellung einer 14-tägigen Frist zur freiwilligen Ausreise abgewiesen wird, in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK verletzt worden ist. Das Erkenntnis wurde insoweit aufgehoben. Im Übrigen wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 30.06.2020 erneut eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF im Beisein seiner bevollmächtigten Vertretung persönlich teilnahm.
Mit Erkenntnis vom 11.01.2021, GZ W134 2187999-1/40E, wurde der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte IV., V. und VI. des Bescheides vom 19.01.2018 stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem BF eine "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des BFA vom 18.01.2021 wurde der Folgeantrag des BF vom 04.12.2019 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. (Spruchpunkt III.)
Begründend führte das BFA aus, dass der BF im Folgeverfahren keine Fluchtgründe vorgebracht habe, die er nicht bereits im ersten Asylverfahren dargetan habe. Der BF stütze seinen Folgeantrag in erster Linie auf das Bestehen eines Privat- und Familienlebens in Österreich. Dem gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz würden weder neue Sachverhaltselemente zugrunde liegen noch sei in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten. Es sei ein schützenswertes Familienleben des BF festgestellt worden. Er verfüge über einen Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ gemäß § 55 Abs. 1 AsylG. Der BF stütze seinen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz auf dasselbe Vorbringen wie im Erstverfahren, nämlich die Verfolgung durch die Taliban aufgrund der Arbeit des Vaters bis zu dessen Tod im Jahr 2008. Der BF sei aktuell im Besitz eines Aufenthaltstitels und sei sein Aufenthaltsstatus nunmehr gesichert. Auch sei eine Änderung der allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan nicht eingetreten. Da weder in der maßgeblichen Sachlage noch im Begehren und auch nicht in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten sei, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen lassen würde, stehe die Rechtskraft des ergangenen Erkenntnisses dem neuerlichen Antrag der BF entgegen, weshalb das BFA zu seiner Zurückweisung verpflichtet sei.
Gegen diesen Bescheid des BFA wurde fristgerecht Beschwerde, verfasst vom rechtsfreundlichen Vertreter des BF, erhoben. Es wurde ausgeführt, dass das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.01.2021 noch nicht rechtskräftig sei. Die Frau und das gemeinsame Kind des BF seien in Österreich aufenthaltsberechtigt. Bei der Aufenthaltsbeendigung seien das Familienleben und das Kindeswohl zu berücksichtigen. Dem BF und seinem Kind sei es nicht zuzumuten, das Familienleben über längere Zeit lediglich über moderne Kommunikationsmittel aufrecht zu erhalten.
Mit Schriftsatz vom 16.03.2021, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 18.03.2021, zog der Beschwerdeführer durch seine gewillkürte Vertretung, Braunsberger-Lechner & Loos Rechtsanwaltskanzlei, Leopold-Werndl-Straße 9, 4400 Steyr, die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 18.01.2021 zurück.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Festgestellt wird der Verfahrensgang. Am 12.01.2021 wurde dem BF eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 55 Abs. 1 Z 1 und 2 AsylG erteilt.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Einstellung des Verfahrens:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG, FPG) nicht getroffen, und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2018/57, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Aus den Bestimmungen des §§ 28 Abs. 1 und 31 Abs. 1 VwGVG geht hervor, dass das Verwaltungsgericht in jenem Fall, in dem das Verfahren - hier: das Beschwerdeverfahren - einzustellen ist, eine Entscheidung in der Rechtsform des Beschlusses zu treffen hat. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen nämlich die Entscheidungen und Anordnungen eines Verwaltungsgerichts durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. § 28 Abs. 1 VwGVG nimmt die Einstellung des Verfahrens, wozu jedenfalls die Einstellung des Beschwerdeverfahrens zu zählen ist, von der Erledigung mittels Erkenntnis ausdrücklich aus. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich aber auch, dass eine bloß formlose Beendigung (etwa durch Einstellung mittels Aktenvermerkes) eines nach dem VwGVG vom Verwaltungsgericht geführten Verfahrens nicht in Betracht kommt. Handelt es sich doch bei der Entscheidung eines Verwaltungsgerichts, ein bei ihm anhängiges Verfahren nicht weiterzuführen, um eine Entscheidung iSd § 31 Abs. 1 VwGVG (vgl. zur Bejahung der Notwendigkeit der Fällung eines Beschlusses über die Verfahrenseinstellung auch Fuchs in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, § 28 VwGVG Anm 5 und § 31 VwGVG Anm 5, sowie Schmid in Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, § 28 VwGVG Anm K 3 und § 31 VwGVG Anm K 2) [ vgl. VwGH vom 29.04.2015, Zl. Fr 2014/20/0047].
In welchen Fällen das Verfahren einzustellen ist, regelt das VwGVG nicht. Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht (Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG ErgBd § 28 VwGVG Rz 18ff; vgl auch § 33 VwGVG; § 66 AVG und dazu Hengstschläger/Leeb, AVG III § 66 Rz 56f; zur verfahrensbeendenden Wirkung des Einstellungsbeschlusses zB VwGH 15.12.2015, Ra 2015/22/0127). Jedenfalls erfasst ist hier der Fall der Zurückziehung der Beschwerde (vgl Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren 2018, § 28 VwGVG, Anm 5).
Mit der am 18.03.2021 übermittelten ausdrücklichen, schriftlichen Zurückziehung der Beschwerde hat der Beschwerdeführer zweifelsfrei dargetan, dass ein rechtliches Interesse an einer Sachentscheidung nicht mehr besteht. Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht war in der Folge für gegenstandslos geworden zu erklären und einzustellen.
B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich im vorliegenden Fall auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Diese wird durch die Erläuterungen (ErlRV 2009 BlgNR XXIV. GP, 7) gestützt, wonach eine Einstellung des Verfahrens durch Beschluss zu erfolgen hat.
Schlagworte
Verfahrenseinstellung ZurückziehungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W185.2187999.2.00Im RIS seit
09.06.2021Zuletzt aktualisiert am
09.06.2021