TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/6 W135 2238992-1

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Veröffentlicht am 06.04.2021
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Entscheidungsdatum

06.04.2021

Norm

BBG §41
BBG §43
BBG §45
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W135 2238992-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ivona GRUBESIC als Vorsitzende und die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 11.01.2021, OB: XXXX , betreffend die Einziehung des Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer besitzt einen Behindertenpass, in welchem ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 50 v.H. ausgewiesen ist. Er brachte am 18.02.2020 einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden: belangte Behörde), ein.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 23.10.2020, OB: XXXX , wurde der Grad der Behinderung auf Grundlage eines medizinischen Sachverständigengutachtens vom 21.07.2020 gemäß §§ 41,43, und 45 BBG mit 40 v.H. neu festgesetzt. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Nach Einholung von weiteren Sachverständigengutachten erließ die belangte Behörde mit Bescheid vom 17.12.2020, OB: XXXX , gemäß §§ 41, 43, und 46 BBG iVm § 14 VwGVG eine Beschwerdevorentscheidung mit folgendem Spruch: „Die Beschwerde wird abgewiesen. Mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 40% erfüllen Sie nicht mehr die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Ihr Behindertenpass ist einzuziehen und unverzüglich dem Sozialministeriumservice vorzulegen.“

Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 11.01.2021, OB: XXXX , sprach die belangte Behörde Folgendes aus: „Sie erfüllen nicht mehr die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Ihr Behindertenpass ist einzuziehen und unverzüglich dem Sozialministeriumservice vorzulegen.“ Begründend führte die belangte Behörde aus, dass mit einem rechtskräftig festgestellten Grad der Behinderung von 40% die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht mehr gegeben seien. Der Behindertenpass sei daher einzuziehen.

Mit E-Mail vom 12.01.2021 beantragte der Beschwerdeführer im Verfahren der belangten Behörde zu OB: XXXX die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Mit E-Mail vom 22.01.2021 erhob der Beschwerdeführer gegen den gegenständlichen Bescheid vom 11.01.2021 rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.03.2020, W135 2238698-1/11E, wurde der Vorlageantrag des Beschwerdeführers vom 12.01.2021 im Verfahren der belangten Behörde zu OB: XXXX als verspätet zurückgewiesen. Der Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am 02.04.2021 persönlich zugestellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugweise:

„§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1.       ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4.       für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5.       sie dem Personenkreis der begünstigen Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2.       zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 43. (1) Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.

(2) Der Besitzer des Behindertenpasses ist verpflichtet, dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen binnen vier Wochen jede Änderung anzuzeigen, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, und über Aufforderung dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Behindertenpass vorzulegen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

…“

Die belangte Behörde hat mit Bescheid vom 17.12.2020, OB: XXXX , gemäß §§ 41, 43, und 46 BBG iVm § 14 VwGVG eine Beschwerdevorentscheidung mit folgendem Spruch erlassen: „Die Beschwerde wird abgewiesen. Mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 40% erfüllen Sie nicht mehr die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Ihr Behindertenpass ist einzuziehen und unverzüglich dem Sozialministeriumservice vorzulegen.“

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 13.12.2018, Ra 2018/11/0204, Folgendes ausgesprochen:

„§ 43 Abs. 1 erster Satz BBG regelt, wie vorzugehen ist, wenn sich herausstellt, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses weggefallen sind. Dies ist der Fall, wenn der Grad der Behinderung nicht mehr wenigstens 50 % beträgt. In einem solchen Fall "ist der Behindertenpass einzuziehen" (vgl. zB. VwGH 29.3.2011, 2008/11/0191). Die Einziehung hat gemäß § 45 Ab. 2 BBG durch Bescheid zu erfolgen.

§ 43 Abs. 1 zweiter Satz BBG enthält keine Ermächtigung für einen gesonderten Ausspruch der Behörde, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht mehr vorliegen (anders als etwa § 14 Abs. 2 des Behinderteneinstellungsgesetzes - BEinstG) oder dass ein Grad der Behinderung von weniger als 50 % besteht. Der Wegfall der Voraussetzungen für die Ausstellung ist vielmehr als Vorfrage im Einziehungsverfahren zu klären. Da mithin ein eigenes Verfahren vorgesehen ist, in dem die Frage, ob weiterhin ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 % vorliegt, zu beantworten ist, fehlt es auch an einer Grundlage für die Erlassung eines von Amts wegen erlassenen Feststellungsbescheids über das Nichtbestehen dieser Voraussetzung (vgl. zB. VwGH 25.7.2007, 2005/11/0131).“

Diesem Erkenntnis folgend findet der Spruch des Bescheides vom 17.12.2020, OB: XXXX , dass der Beschwerdeführer mit einem Grad der Behinderung von 40 % nicht mehr die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfülle, in § 43 Abs. 1 BBG keine Deckung und ist somit rechtswidrig. Der Bescheid vom 17.12.2020 ist aber - da sich der Vorlageantrag als verspätet erwies - in dieser Form in Rechtskraft erwachsen.

Da die belangte Behörde im Bescheid vom 17.12.2020 auch ausgesprochen hat, dass der Behindertenpass einzuziehen ist, war mit einer ersatzlosen Behebung des gegenständlich angefochtenen (Einziehungs-)Bescheides vom 11.01.2021 vorzugehen, da über die Einziehung des Behindertenpasses bereits mit Bescheid vom 17.12.2020 rechtskräftig abgesprochen wurde.

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass Einziehung ersatzlose Behebung Grad der Behinderung Rechtskraft Rechtswidrigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W135.2238992.1.00

Im RIS seit

08.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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