TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/8 W238 2241017-1

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Veröffentlicht am 08.04.2021
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Entscheidungsdatum

08.04.2021

Norm

AlVG §10
AlVG §38
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §13 Abs5
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W238 2241017-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin EGGER und Mag. Robert STEIER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wiener Neustadt vom 18.03.2021, GZ XXXX , betreffend Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde vom 11.03.2021 gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wiener Neustadt vom 10.03.2021 zu Recht erkannt:

A)       Der Beschwerde wird stattgegeben und der Bescheid gemäß § 13 Abs. 5 sowie § 28 Abs. 1 iVm Abs. 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Wiener Neustadt (im Folgenden: AMS) vom 10.03.2021 wurde gemäß § 38 iVm 10 AlVG ausgesprochen, dass der nunmehrige Beschwerdeführer den Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 19.02.2021 bis 15.04.2021 verloren habe und dass keine Nachsicht erteilt werde. Begründend wurde ausgeführt, dass durch das Verhalten des Beschwerdeführers eine vom AMS zugewiesene zumutbare Beschäftigung bei der Firma XXXX GmbH als Lagerarbeiter mit einem möglichen Arbeitsbeginn ab 19.02.2021 nicht zustande gekommen sei. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen würden nicht vorliegen bzw. könnten nicht berücksichtigt werden.

2. Gegen diesen Bescheid wurde am 11.03.2021 fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass er sich auf den vom AMS zugewiesenen Stellenvorschlag beworben und ein Vorstellungsgespräch geführt habe. Nach einem Schnuppertag und einer unentgeltlichen Arbeitserprobung bei der XXXX GmbH sei es am 28.01.2021 zu einer Jobzusage gekommen. Am 04.02.2021 sei ihm jedoch von der Firma telefonisch mit der Begründung abgesagt worden, dass sein Lebenslauf nicht exakt dem Versicherungsdatenauszug entspreche. Er sei aufgefordert worden, am 08.02.2021 persönlich Rechenschaft über seine Vordienstzeiten abzulegen. Da er am 05.02.2021 leider erkrankt sei, habe er diesen Termin nicht wahrnehmen können. Er habe das AMS über sämtliche Vorgänge unverzüglich informiert. Am 05.02.2021 habe ihm die Firma per E-Mail abgesagt. Ein neuer Vorsprachetermin sei ihm nicht mehr angeboten worden. Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung des Bescheides und die Durchführung einer Verhandlung.

3. Seitens der belangten Behörde wurde daraufhin mit Bescheid vom 18.03.2021 die aufschiebende Wirkung der Beschwerde vom 11.03.2021 gegen den Bescheid des AMS vom 10.03.2021 gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG iVm § 56 Abs. 2 und § 58 AlVG ausgeschlossen. Begründend führte das AMS im Wesentlichen Folgendes aus:

Das Arbeitslosenversicherungsrecht bezwecke, arbeitslos gewordene Versicherte durch Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern und in die Lage zu versetzen, den Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. § 10 AlVG sanktioniere durch befristeten Leistungsausschluss diejenigen Personen, die erforderliche Anstrengungen zur Beendigung der Arbeitslosigkeit schuldhaft unterlassen oder vereiteln würden. Die Entscheidung über Zuerkennung bzw. Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sei das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung. Hierzu werde festgestellt, dass der Beschwerdeführer bereits seit 11.05.2019 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beziehe, sohin Langzeitarbeitslosigkeit vorliege, und über ihn bereits die zweite Sanktion gemäß § 10 AlVG seit der zuletzt erworbenen Anwartschaft bzw. innerhalb von 12 Monaten verhängt worden sei, was die Einbringlichkeit der Forderung bei vorläufiger Anweisung der Leistung als gefährdet erscheinen lasse. Eine Gewährung der aufschiebenden Wirkung würde daher den aus generalpräventiven Gründen im öffentlichen Interesse gelegenen Normzweck unterlaufen. Insgesamt diene dieses Vorgehen dem gerechtfertigten Ziel der Verhinderung der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Aus diesem Grund überwiege das öffentliche Interesse gegenüber dem mit der Beschwerde verfolgten Einzelinteresse. Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde sei daher entsprechend der Interessenabwägung auszuschließen.

4. Mit Schriftsatz vom 25.03.2021 brachte der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid vom 18.03.2021 ein. Darin brachte er insbesondere vor, dass er seit 15.03.2021 bei der Firma XXXX beschäftigt sei. Im Übrigen wiederholte er sein bisheriges Vorbringen.

5. Die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung wurde dem Bundesverwaltungsgericht samt bezughabendem Verwaltungsakt am 01.04.2021 vorgelegt. Seitens der belangten Behörde wurde mitgeteilt, dass von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung betreffend die Beschwerde gegen den Bescheid vom 10.03.2021 nicht abgesehen werde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer war zuletzt vom 05.11.2015 bis 10.05.2019 bei der XXXX GesmbH sowie vom 22.01.2020 bis 25.01.2020 bei der XXXX GmbH vollversichert als Arbeiter beschäftigt.

Ab 11.05.2019 bezog er mit kurzen Unterbrechungen Arbeitslosengeld. Ab 28.01.2020 bezog er mit kurzen Unterbrechungen Notstandshilfe.

Mit rechtkräftigem Bescheid des AMS Wiener Neustadt vom 22.10.2020 wurde gemäß § 38 iVm 10 AlVG ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer den Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 16.10.2020 bis 26.11.2020 verloren habe und dass keine Nachsicht erteilt werde.

Mit Bescheid des AMS Wiener Neustadt vom 10.03.2021 wurde gemäß § 38 iVm 10 AlVG ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer den Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 19.02.2021 bis 15.04.2021 verloren habe und dass keine Nachsicht erteilt werde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 18.03.2021 wurde die aufschiebende Wirkung der Beschwerde vom 11.03.2021 gegen den Bescheid vom 10.03.2021 gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Einbringlichkeit der Forderung bei vorläufiger Anweisung der Leistung gefährdet erscheine, weil der Beschwerdeführer bereits seit 11.05.2019 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beziehe, sohin Langzeitarbeitslosigkeit vorliege, und über ihn bereits die zweite Sanktion gemäß § 10 AlVG seit der zuletzt erworbenen Anwartschaft bzw. innerhalb von 12 Monaten verhängt worden sei.

Der Beschwerdeführer ist seit 15.03.2021 vollversichert als Arbeiter bei der XXXX GesmbH beschäftigt.

Die belangte Behörde legte im angefochtenen Bescheid vom 18.03.2021 nicht ausreichend dar, inwieweit im vorliegenden Fall die vorzeitige Umsetzung des Bescheides in die Wirklichkeit wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Sie ging aktenwidrig von weiterhin bestehender Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers aus und unterließ eine Begründung, warum die Einbringlichkeit eines allfälligen Überbezuges für den Fall einer vorläufigen Weitergewährung der Leistung trotz Aufnahme einer vollversicherten Beschäftigung ab 15.03.2021 – sohin innerhalb der Sperrfrist – gefährdet erscheint. Auch traf sie keine Feststellungen, ob bzw. in welcher Höhe in Bezug auf die bereits rechtskräftige Bezugssperre (Zeitraum 16.10.2020 bis 26.11.2020) noch ein Rückforderungsbetrag aushaftet.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde, insbesondere in die Bescheide des AMS Wiener Neustadt vom 22.10.2020, vom 10.03.2021 und vom 18.03.2021 sowie in den Bezugs- und Versicherungsverlauf.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG (vgl. auch VwGH 07.09.2017, Ra 2017/08/0081).

Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig, sie ist auch begründet.

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

3.2. Das VwGVG sieht vor, dass eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung hat (§ 13 Abs. 1 VwGVG), solange diese Wirkung nicht mit Bescheid (§ 13 Abs. 2 VwGVG) oder mit Beschluss (§ 22 Abs. 2 VwGVG) ausgeschlossen worden ist.

Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid der Behörde ausgeschlossen werden, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

Nach § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Behörde die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 – sofern sie nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist – dem Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.

3.3. Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung (VwGH 01.09.2014, Ra 2014/03/0028). § 13 Abs. 2 VwGVG ermöglicht es, den in der Praxis bestehenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Einbringung allenfalls unberechtigt empfangener Geldleistungen zu begegnen und dem Interesse der Versichertengemeinschaft, die Einbringlichkeit von (vermeintlich) zu Unrecht gewährten Leistungen an den einzelnen Versicherten ohne Zuwarten auf eine rechtskräftige Entscheidung im Falle der Bekämpfung eines Bescheides zu berücksichtigen, indem die berührten öffentlichen Interessen mit den Interessen des Leistungsempfängers abgewogen werden. Stellt sich im Zuge dieser Interessenabwägung heraus, dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, so kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde mit Bescheid ausschließen.

Das Tatbestandsmerkmal „Gefahr im Verzug“ bringt zum Ausdruck, dass die Bestimmung (der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) nur das Eintreten erheblicher Nachteile für eine Partei bzw. gravierender Nachteile für das öffentliche Wohl verhindern soll (vgl. Hengstschläger/Leeb, Rz 31 zu § 64 AVG; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2, § 13 VwGVG K 12).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang in seinem Erkenntnis vom 11.04.2018, Ro 2017/08/0033, u.a. Folgendes ausgeführt:

„Um die vom Gesetzgeber außerdem geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können (vgl. zur Interessenabwägung nach § 30 Abs. 2 VwGG VwGH 14.02.2014, Ro 2014/02/0053), hat ein Notstandshilfebezieher insbesondere die nicht ohne weiteres erkennbaren Umstände, die sein Interesse an einer Weitergewährung untermauern, sowie die in seiner Sphäre liegenden Umstände, die entgegen entsprechender Feststellungen des AMS für die Einbringlichkeit einer künftigen Rückforderung sprechen, spätestens in der Begründung (§ 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG) seiner Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darzutun und zu bescheinigen, zumal das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden hat.

Ein im öffentlichen Interesse gelegener Bedarf nach einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist im Allgemeinen insbesondere bei der Verhängung einer Sperrfrist mangels Arbeitswilligkeit gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG (iVm § 38 AlVG) gegeben, deren disziplinierender Zweck weitgehend verloren ginge, wenn sie erst Monate nach ihrer Verhängung in Kraft treten würde. Die Interessenabwägung kann vor allem dann zu Gunsten einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ausschlagen, wenn für den Fall einer vorläufigen Weitergewährung einer Leistung die Einbringlichkeit des Überbezuges gefährdet ist. Ob eine solche Gefährdung vorliegt, hat das AMS zu ermitteln und gegebenenfalls auf Grund konkret festzustellender Tatsachen über die wirtschaftlichen Verhältnisse der betroffenen Partei festzustellen (Müller in Pfeil AlVG-Komm Rz 3f und 19 zu § 56). Wirkt der Notstandshilfebezieher an den Feststellungen über die Einbringlichkeit nicht mit, kann von einer Gefährdung derselben ausgegangen werden (Müller in Pfeil AlVG-Komm Rz 19 zu § 56). Eine maßgebliche Gefährdung der Einbringlichkeit des Überbezuges wäre allerdings dann nicht anzunehmen, wenn die prima facie beurteilten Erfolgsaussichten der Beschwerde eine Rückforderung der weiter gezahlten Notstandshilfe unwahrscheinlich machen (vgl. zur Erfolgsprognose VwGH 09.05.2016, Ra 2016/09/0035).“

3.4. Die Gefährdung der Einbringlichkeit eines allfälligen Überbezuges wurde gegenständlich vom AMS insbesondere mit der bestehenden (Langzeit-)Arbeitslosigkeit seit Mai 2019 und mit der zweiten Verhängung einer Sanktion nach § 10 AlVG innerhalb der letzten 12 Monate begründet. Der Beschwerdeführer trat in seiner Beschwerde der von der belangten Behörde zugrundgelegten – entscheidungserheblichen – Tatsache über das Bestehen von Langzeitarbeitslosigkeit (und die daraus abgeleitete Gefährdung der Einbringlichkeit der Leistung) jedoch insoweit substantiiert entgegen, als er vorbrachte, dass er seit 15.03.2021 einer vollversicherten Beschäftigung nachgehe. Dieses Beschwerdevorbringen steht im Einklang mit den im Verwaltungsakt einliegenden Versicherungszeiten und dem vom Bundesverwaltungsgericht erstellten Versicherungsdatenauszug. Die belangte Behörde stellte die Aufnahme einer Beschäftigung ab 15.03.2021 anlässlich der Beschwerdevorlage im Übrigen nicht in Abrede.

Zwar bestehen in Verfahren zur Verhängung einer Sperrfrist mangels Arbeitswilligkeit gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG (iVm § 38 AlVG) unstrittig Interessen der Öffentlichkeit an dem damit verfolgten Sanktionszweck, zumal gegen den Beschwerdeführer bereits zum zweiten Mal innerhalb der letzten 12 Monate eine Bezugssperre nach den zitierten Bestimmungen verhängt wurde.

Jedoch lässt der angefochtene Bescheid jegliche Feststellungen vermissen, ob bzw. in welcher Höhe in Bezug auf die rechtskräftige Bezugssperre für den Zeitraum vom 16.10.2020 bis 26.11.2020 noch ein Rückforderungsbetrag aushaftet. Wäre der in Rede stehende Überbezug der Leistung – etwa im Wege der Einbehaltung bis zur Hälfte des Leistungsbezuges nach § 25 Abs. 4 AlVG – aber bereits zur Gänze oder zu einem großen Teil beglichen, könnte die vorangegangene Bezugssperre nicht ohne Weiteres als Argument für die Gefährdung der Einbringlichkeit des nunmehr verlorenen Leistungsbezuges herangezogen werden.

Auch laufende Exekutionen gegen den Beschwerdeführer, welche die Einbringlichkeit eines allfälligen Überbezuges gefährdet erscheinen lassen könnten, wurden von der Behörde nicht festgestellt.

Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer mangels Arbeitslosigkeit ab 15.03.2021 keinen Anspruch auf die (Weiter-)Gewährung von Notstandshilfe hat. Der Zeitraum der insgesamt achtwöchigen Bezugssperre vom 19.02.2021 bis 15.04.2021 betrifft damit de facto nur noch einen Leistungsbezug von etwa dreieinhalb Wochen.

Im gegenständlichen Kontext ist auch zu berücksichtigen, dass das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 letzter Satz VwGVG – was die Frage der Zulässigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung anlangt – „ohne weiteres Verfahren“ unverzüglich zu entscheiden hat. Das bedeutet, dass das Verwaltungsgericht (gleichsam in einem Eilverfahren) ohne Setzung der sonst üblichen Verfahrensschritte über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erkennen muss (vgl. Eder/Martschin/Schmid, K17 zu § 13 VwGVG). „Unverzüglich“ und „ohne weiteres Verfahren“ bedeutet wohl, ohne jede Möglichkeit, ergänzende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Anm. 8 zu § 13).

Insofern verbietet sich im vorliegenden Fall die Durchführung ergänzender Ermittlungen seitens des Bundesverwaltungsgerichtes, inwieweit im vorliegenden Fall tatsächlich eine konkrete Gefahr im Verzug zur Abwehr eines drohenden Nachteils besteht.

Nach Maßgabe des vorliegenden Sachverhalts vermag das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls nicht zu erkennen, dass der vorzeitige Vollzug des Bescheides vom 10.03.2021 wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, zumal sich hierfür auch aus den übermittelten Verwaltungsakten keine hinreichenden Anhaltspunkte ergeben.

Der belangten Behörde ist es somit mit Blick auf die vom Beschwerdeführer aufgenommene Beschäftigung ab 15.03.2021 und die fehlenden Feststellungen zu allenfalls aushaftenden Rückforderungsbeträgen nicht gelungen, nachvollziehbar darzulegen, warum der vorzeitige Vollzug des Bescheides vom 18.03.2021 gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG wegen Gefahr im Verzug, insbesondere wegen Gefährdung der Einbringlichkeit eines allfälligen Überbezuges, dringend geboten ist.

Zum bereits Gesagten kommt hinzu, dass eine maßgebliche Gefährdung der Einbringlichkeit des Überbezuges dann nicht anzunehmen ist, wenn die prima facie beurteilten Erfolgsaussichten der Beschwerde eine Rückforderung der weiter gezahlten Notstandshilfe unwahrscheinlich machen (VwGH 11.04.2018, Ro 2017/08/0033; 27.04.2020, Ra 2020/08/0030).

Diesbezüglich ist festzuhalten, dass der Verlust des Anspruchs gemäß § 10 Abs. 1 AlVG in berücksichtigungswürdigen Fällen wie z.B. bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen ist (§ 10 Abs. 3 AlVG).

Unter einer anderen Beschäftigung iSd § 10 Abs. 3 AlVG kann nur eine die Arbeitslosigkeit ausschließende Beschäftigung verstanden werden. Wird sie noch während der Sperrfrist aufgenommen, so stellt dies (unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände) einen Grund für eine gänzliche oder teilweise Nachsicht des Ausschlusses vom Bezug des Arbeitslosengeldes (der Notstandshilfe) mit der Konsequenz dar, dass auch für die Zeit vor dem Beginn der die Arbeitslosigkeit ausschließenden Beschäftigung (mit der ja der Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe schon nach § 24 Abs. 1 AlVG wegfällt) je nach der zeitlichen Nähe zum Beginn der Sperrfrist diese ganz oder teilweise nachzusehen ist (VwGH 24.02.2016, Ra 2016/08/0001 mit Hinweis auf VwGH 05.09.1995, 94/08/0252).

Angesichts der Aufnahme einer die Arbeitslosigkeit ausschließenden Beschäftigung ab 15.03.2021 bereits etwa dreieinhalb Wochen nach Beginn der Sperrfrist erscheint ein (gänzlicher) Verlust der Notstandshilfe im Lichte der dargestellten Rechtsprechung prima facie unwahrscheinlich.

3.5. Der Beschwerde war daher stattzugeben und der bekämpfte Bescheid ersatzlos aufzuheben.

Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass mit dem gegenständlichen Erkenntnis eine Entscheidung in der Hauptsache (Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe im Zeitraum vom 19.02.2021 bis 15.04.2021) nicht vorweggenommen wird. Gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 Abs. 2 AlVG steht der Behörde die Möglichkeit offen, hinsichtlich der Hauptsache eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen. Seitens des AMS wurde anlässlich der Aktenvorlage festgehalten, dass ein Beschwerdevorprüfungsverfahren durchgeführt werde.

3.6. Eine mündliche Verhandlung ist entfallen, da das Bundesverwaltungsgericht nach der Regelung des § 13 Abs. 5 VwGVG verpflichtet ist, über die Beschwerde „ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden“, was impliziert, dass grundsätzlich keine mündliche Verhandlung durchzuführen ist (vgl. VwGH 09.06.2015, Ra 2015/08/0049).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde unter Pkt. II.3.3. und II.3.4. wiedergegeben. Schließlich liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Es handelt sich vielmehr um eine Einzelfallentscheidung.

Schlagworte

Arbeitsaufnahme aufschiebende Wirkung Begründungsmangel Gefahr im Verzug Interessenabwägung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W238.2241017.1.00

Im RIS seit

09.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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