Entscheidungsdatum
08.04.2021Norm
AVG §38Spruch
W207 2239519-1/14E
W207 2239837-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die fachkundigen Laienrichter Mag. Karl Andreas REIFF, Dr. Günther STEINLECHNER, Mag. Christa MARISCHKA und Mag. Michael SVOBODA als Beisitzer über die Beschwerden
1. der Republik Österreich (Bundesministerium XXXX ), vertreten durch die Finanzprokuratur, sowie
2. des XXXX , geb. XXXX
gegen den Bescheid des Behindertenausschusses beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 21.12.2020, wegen § 8 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG), betreffend Aussetzung eines Verfahrens über die Zustimmung zu einer künftig auszusprechenden Kündigung des begünstigten behinderten Dienstnehmers XXXX gemäߧ 38 AVG, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerden werden abgewiesen mit der Maßgabe, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides zu lauten hat wie folgt:
„Das Verfahren auf Zustimmung zur künftig auszusprechenden Kündigung wird bis zur erstgerichtlichen inhaltlichen Entscheidung des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien über das vom Dienstnehmer XXXX als Kläger gegen die Republik Österreich (Bundesministerium XXXX ) als Beklagte beim Arbeits- und Sozialgericht Wien eingebrachte Begehren auf Feststellung des aufrechten Fortbestandes des Dienstverhältnisses (Zl.: 21 Cga 35/19y [vormals 9 Cga 78/17f]) gemäß § 38 AVG ausgesetzt.“
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
Der Dienstnehmer XXXX (in der Folge als Dienstnehmer bezeichnet) ist bzw. war laut Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes seit 01.06.2000 als Vertragsbediensteter in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zur Republik Österreich beim Bundesministerium XXXX (in der Folge als Dienstgeberin bezeichnet) beschäftigt.
Mit im Beschwerdeweg ergangenem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.03.2018, GZ.: W133 2151401-1/16E, wurde festgestellt, dass der Grad der Behinderung des Dienstnehmers 50 v.H. betrage; der Dienstnehmer gehöre ab 07.03.3016 (dem Zeitpunkt seiner Antragstellung) dem Kreis der begünstigten Behinderten gemäß §§ 2 und 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz an. Dies erfolgte auf Grundlage eines medizinischen Sachverständigengutachtens einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 03.01.2018, in dem nach persönlicher Untersuchung des Dienstnehmers festgestellt wurde, dass der Dienstnehmer – neben weiteren näher angeführten Leidenszuständen - im Rahmen einer Persönlichkeitsstörung (paranoid, sensitiv) an einer Depression mit Angst und Panikstörung, mit deutlicher Symptomausprägung der Störung und Auswirkung auf sowohl das berufliche als auch das private Umfeld, aber größtenteils ambulant behandelbar, leide. Dieses Leiden wurde als führendes Leiden nach der Positionsnummer 03.04.02 unterer Rahmensatz der Anlage zur Einschätzungsverordnung mit einem Einzelgrad der Behinderung von 50% eingeschätzt.
Mit Schreiben der Dienstgeberin vom 05.10.2018 an das Sozialministeriumservice, eingebracht am 10.10.2020, wurde bekannt gegeben, dass beabsichtigt sei, das Dienstverhältnis des begünstigten behinderten Dienstnehmers ehestmöglich „eventual“ zu kündigen. Am 23.03.2017 sei der Dienstnehmer aufgrund eines Anfangsverdachtes vom Dienst freigestellt worden. Nach einem Ermittlungsverfahren und der Zustimmung der Personalvertretung sei mit Schreiben vom 13.06.2017, zugestellt am 21.06.2017, die Entlassung des Dienstnehmers ausgesprochen worden, also das Dienstverhältnis aus wichtigen Gründen gemäß § 34 VBG vorzeitig aufgelöst worden.
Der Dienstnehmer habe diese Entlassung beim ASG Wien angefochten (Anmerkung: laut den Angaben des Dienstnehmers in dessen Schreiben an das Sozialministeriumservice vom 12.11.2018 protokolliert zur Zl. 9 Cga 78/17f des ASG Wien) und im Verfahren über die Anfechtung der ausgesprochenen Entlassung eingewendet, begünstigter Behinderter zu sein. Der Dienstgeberin sei erst in diesem Verfahren bekannt geworden, dass der Dienstnehmer dem Kreis der begünstigten Behinderten angehöre. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.03.2018 sei festgestellt worden, dass der Dienstnehmer rückwirkend mit 07.03.2016 dem Kreis der begünstigen Behinderten angehöre. Da das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes fast zehn Monate nach Ausspruch der Entlassung datiere, habe die Zugehörigkeit des Dienstnehmers zum Kreis der begünstigten Behinderten zum Zeitpunkt der Entlassung nicht bekannt gewesen sein können.
Der Dienstnehmer habe die ihm vorgeworfenen – in diesem Schreiben der Dienstgeberin vom 05.10.2018 allerdings nicht näher konkretisierten - Entlassungstatbestände zwar zweifellos gesetzt, aber bei dem derzeit beim Arbeits- und Sozialgericht anhängigen Verfahren über die Rechtswirksamkeit der Entlassung könne er möglicherweise einwenden, dass die angeführten Entlassungsgründe verschuldensabhängig seien, dass er aber aufgrund seiner Behinderung schuldunfähig sei und er folglich keine Einsichtsfähigkeit für die gesetzten Tatbestände gehabt habe, was aber andererseits bedeuten würde, dass der Dienstnehmer gesundheitlich nicht in der Lage gewesen wäre, ihm erteilte Weisungen zu befolgen. Sollte das Arbeits- und Sozialgericht dem folgen und die Entlassung aufheben, wäre der Dienstnehmer weiter bei der Dienstgeberin beschäftigt.
In Entsprechung der Ausbildung und bisherigen Verwendung des Dienstnehmers gebe es keine anderen Verweisungsarbeitsplätze im gesamten Ressortbereich. Auch müsse in Anbetracht der Vorfälle in der Vergangenheit davon ausgegangen werden, dass der Dienstnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz in einer anderen Abteilung Weisungen weiter nicht befolgen und seine Dienstpflichten weiterhin nicht erfüllen werde. Deshalb wäre selbst bei Vorhandensein eines Verweisungsarbeitsplatzes nur von einer Verlagerung des Problems auszugehen. Das bisherige Verhalten des Dienstnehmers mache es der Dienstgeberin schlichtweg unzumutbar, ihn weiter zu beschäftigen. Deshalb komme nur mehr eine Kündigung des Dienstverhältnisses gemäß § 32 Abs. 2 Z 2 VBG, wonach der Dienstgeber zur Kündigung berechtigt ist, wenn sich der Dienstnehmer für die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben als gesundheitlich ungeeignet erweist, in Betracht. Der Dienstnehmer sei für den Fall der Feststellung einer allfälligen Schuldunfähigkeit durch das Arbeits- und Sozialgericht aufgrund seines psychischen Zustandes aus gesundheitlichen Gründen nicht dienstfähig, dh nicht fähig, seine Dienstpflichten zu erkennen und sich dieser Erkenntnis gemäß zu verhalten. Eine weitere Dienstpflichtverletzung des Dienstnehmers habe darin bestanden, dass er eine Weisung, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zum Zwecke der Feststellung der Dienst(un)fähigkeit zu unterziehen, nicht befolgt habe.
Daher werde für den Fall, dass das Arbeits- und Sozialgericht (Anmerkung: im Verfahren über die Rechtswirksamkeit der Entlassung) die Schuldunfähigkeit des Dienstnehmers feststelle, dh dass er die angeführten Entlassungsgründe gar nicht schuldhaft setzen habe können, um Zustimmung zu einer Eventualkündigung ersucht, weil dem begünstigten behinderten Dienstnehmer infolge des Verlustes der Einsichtsfähigkeit die Fähigkeit, die im Dienstvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten und Weisungen zu befolgen, fehle. Aufgrund der dementsprechend ungünstigen Prognose werde ersucht, die Zustimmung gemäß § 8 Abs 2 des Behinderteneinstellungsgesetzes „zu einer (erst im Gerichtsverfahren einzubringenden) Eventualkündigung zu erteilen“.
Dieser eventualiter gestellte, vom Ergebnis einer Entscheidung des ASG Wien zur do. Zl. 9 Cga 78/17f über die Klage gegen die Dienstgeberin auf Feststellung, dass das Dienstverhältnis fortbestehe und somit nach wie vor aufrecht sei, abhängig gemachte Antrag vom 10.10.2020 wurde vom Behindertenausschuss beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (in der Folge als Behindertenausschuss bzw. als belangte Behörde bezeichnet), als zur Behandlung geeigneter Antrag auf Zustimmung zu einer künftig auszusprechenden Kündigung des begünstigten behinderten Dienstnehmers iSd § 8 Abs. Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) gewertet.
Der Dienstnehmer führte mit Schreiben vom 12.11.2018 aus, er werde im Verfahren vor dem Behindertenausschuss keine Beweise vorlegen, diese werde er erst nach der Zeugeneinvernahme in seinem Entlassungsanfechtungsverfahren vor dem ASG Wien vorlegen; da die Klärung einer Vorfrage im Entlassungsanfechtungsverfahren vor dem ASG Wien 9 Cga 78/17f präjudiziell für das gegenständliche Verfahren sei, stelle er den Antrag auf Unterbrechung des Verfahrens vor dem Behindertenausschuss.
In inhaltlicher Hinsicht wurde in der Folge im Rahmen diverser umfangreicher wechselseitiger Stellungnahmen sowohl der Dienstgeberin als auch des Dienstnehmers von der Dienstgeberin zusammengefasst im Wesentlichen vorgebracht, der Dienstnehmer habe – abgesehen von langen Dienstabwesenheiten wegen Erkrankungen – näher beschriebene Entlassungsgründe gesetzt, indem er im Jahr 2017 näher bezeichnete rechtswidrige Datenzugriffe im elektronischen Aktensystem (ELAK) getätigt habe, indem er sich weiters fortlaufend geweigert habe, Anordnungen seiner Vorgesetzten zu befolgen sowie indem er seinen Dienst in wesentlichen Belangen erheblich vernachlässigt und die Dienstleistung ohne wichtigen Hinderungsgrund unterlassen habe.
Dies wurde vom Dienstnehmer bestritten bzw. wurde vom Dienstnehmer im Wesentlichen ausgeführt, er sei ein Bossing- und Mobbingopfer, die Dienstgeberin habe dem Dienstnehmer Ausbildungen verweigert und die Fürsorgepflicht gegenüber dem Dienstnehmer verletzt, zudem habe der Dienstnehmer die Berechtigung zum Zugriff auf die in Frage stehenden Daten im elektronischen Aktensystem (ELAK) gehabt.
Von der Dienstgeberin wurde in weiterer Folge – insbesondere im Rahmen eines Schriftsatzes vom 24.09.2020 - vorgebracht, der Dienstnehmer sei dienstunfähig iSd § 32 Abs. 2 Z 2 VBG. Der Dienstnehmer habe jedoch zum Zwecke des Nachweises der Dienstunfähigkeit angeordnete amts- und fachärztliche Untersuchungen mehrfach vereitelt, indem er entweder angeordnete amts- und fachärztliche Untersuchungen mehrfach nicht verrichtet habe oder zu diesen zwar erschienen sei, an ihnen aber nicht mitgewirkt habe. Die weitere Zusammenarbeit mit dem Dienstnehmer sei unzumutbar; in diesem Zusammenhang werde u.a. die Beischaffung und Verlesung des Aktes des ASG Wien zur Zl. 21 Cga 35/19y (vormals 9 Cga 78/17f) sowie die Einholung eines fachärztlichen Sachverständigengutachtens über den Gesundheitszustand des Dienstnehmers beantragt. Zwischen dem Dienstnehmer und der Dienstgeberin seien eine Reihe von Verfahren gerichtsanhängig, darunter aus Sicht der Dienstgeberin ein Passivverfahren vor dem ASG Wien wegen Überprüfung der ausgesprochenen Entlassung (Klage gerichtet auf die Feststellung des Fortbestandes des Dienstverhältnisses trotz der ausgesprochenen Entlassung) und zwei Passivverfahren vor dem ASG Wien wegen vorgebrachten Mobbings (gerichtet auf die Leistung von Schadenersatz). Mehrfach habe der Dienstnehmer bereits RichterInnen wegen behaupteter Befangenheit abzulehnen versucht. Wegen solcher Befangenheitsablehnungsanträge seien auch Verhandlungstermine wieder abberaumt worden.
Ein Aussetzungs/Unterbrechungsgrund iSd § 38 AVG liege nicht vor. Bei Unterbrechung/Aussetzung des Verfahrens drohe der Dienstgeberin folgender Schaden: Stelle sich nämlich heraus, dass das Dienstverhältnis nach § 24 Abs. 9 VBG (Einjahreserkrankung) und auch durch die erste sowie zweite Entlassung nicht beendet worden sein sollte, wäre nach § 32 Abs. 2 Z. 2 (Dienstunfähigkeit) VBG die Kündigung auszusprechen. Anders als im allgemeinen Arbeitsrecht stelle nämlich im Vertragsbedienstetenrecht die Dienstunfähigkeit keinen Entlassungs-, sondern „nur" einen Kündigungsgrund dar. Für den Ausspruch der Kündigung bedürfe es aber zuvor der Erlangung der Zustimmung des Behindertenausschusses, deren Erteilung daher von der Dienstgeberin auch ausdrücklich beantragt worden sei. Je später die Zustimmung des Behindertenausschusses zur Kündigung des Dienstnehmers wegen Dienstunfähigkeit erteilt werde, desto später könne die Dienstgeberin erst die Dienstgeberkündigung wegen Dienstunfähigkeit aussprechen. Bis dahin besteht die Verpflichtung zur Gehaltsfortzahlung, im konkreten Fall entstehe ein Schaden von Euro 42.000,--, pro Jahr. Dies könne nicht im Sinne des § 38 AVG liegen.
Dieses Vorbringen der Dienstgeberin wurde vom Dienstnehmer mit Schriftsatz vom 08.11.2020 sowie im Rahmen einer von der belangten Behörde am 09.11.2020 durchgeführten mündlichen Verhandlung bestritten. Der Dienstnehmer habe teure Unzulänglichkeiten in der EDV der Dienstgeberin aufgezeigt, dies habe zu systematischen Mobbing und Bossing durch die Dienstgeberin geführt, es seien von der Dienstgeberin in der Folge Entlassungsgründe konstruiert worden wie die Behauptung unrechtmäßiger Datenzugriffe (privates Recherchieren in dienstlichen Akten für die Mobbingklagen gegen die Dienstgeberin), wie Privattelefonieren, etc. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 09.11.2020 brachte der Dienstnehmer vor, dienstfähig zu sein. Er gab weiters zu Protokoll, in dem Verfahren, das zur Zuerkennung der Begünstigteneigenschaft geführt habe, habe die medizinische Sachverständige ihm mitgeteilt, dass er schlimmes Mobbing erlebt habe, dass damit aber ein Grad der Behinderung von 50 v.H. nicht zu begründen sei, deshalb müsse sie eine Krankheit angeben, damit sie die 50 v.H. und damit die Zuerkennung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten begründen könne. Eine ärztliche Untersuchung durch einen Amtssachverständigen zum Zwecke der Feststellung der Dienstfähigkeit lehnte der Dienstnehmer ab. Er habe bei der Dienstgeberin eine Whistleblowerfunktion gehabt, deshalb sei er letztlich ein Opfer von systematischem Mobbing, das durch die Dienstgeberin verursacht worden sei; wenn er keinem Mobbing ausgesetzt sei, gebe es keine Probleme. Vielmehr beantrage er, dass die Mobber untersucht würden. Seiner Ansicht nach sei das Dienstverhältnis aufgrund seiner Entlassungsanfechtungsklage in Schwebe bzw. bestehe seines Erachtens kein aufrechtes Dienstverhältnis, weshalb eine Kündigung nicht möglich sei; daher beantrage er die Zurückweisung des Antrages auf Zustimmung zur Kündigung vom 05.10.2018.
Nach Austausch weiterer wechselseitiger Schriftsätze im Verfahren vor dem Behindertenausschuss erhob der Dienstnehmer mit Schriftsatz vom 03.12.2020 eine Maßnahmenbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 iVm Art. 132 Abs. 2 B-VG gegen das ihn betreffende behördliche Verfahren vor dem Behindertenausschuss auf Zustimmung zur Kündigung des Dienstnehmers nach dem Behinderteneinstellungsgesetz sowie gegen die in einer Verhandlung beim Behindertenausschuss am 09.11.2020 in diesem Verfahren beschlossene psychologische und psychiatrische Begutachtung des Dienstnehmers. Der Dienstnehmer begründete seine Maßnahmenbeschwerde zusammengefasst damit, dass es sich bei dem Verwaltungsverfahren vor dem Behindertenausschuss und bei der beschlossenen psychiatrischen Begutachtung um Zwangsmaßnahmen der Behörde ohne rechtliche Grundlage handle.
Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.12.2020, GZ.: W133 2237469/3E, wurde diese Maßnahmenbeschwerde vom 03.12.2020 zurückgewiesen, dies im Wesentlichen mit der – näher ausgeführten - Begründung, bei dem auf Antrag der Dienstgeberin eingeleiteten Verfahren auf Zustimmung zur Kündigung des Dienstnehmers nach § 8 BEinstG vor dem Behindertenausschuss handle es sich um keinen Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, sondern um ein gesetzlich geregeltes Verwaltungsverfahren und somit um keine mit Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 iVm Art. 132 Abs. 2 B-VG bekämpfbare Befehls- oder Zwangsmaßnahme. Auch die in der Maßnahmenbeschwerde geltend gemachte, in der Verhandlung beim Behindertenausschuss am 09.11.2020 in dem Verfahren auf Zustimmung zur Kündigung beschlossene medizinische Begutachtung des Dienstnehmers zur Beurteilung seiner Dienstfähigkeit stelle keinen Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar.
Mit Bescheid des Behindertenausschusses vom 21.12.2020 (dieser weist keine Aktenzahl auf) wurde spruchgemäß das Verfahren „bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage durch das Arbeits- und Sozialgericht Wien, ob die durch den Dienstgeber gegenüber dem Dienstnehmer ausgesprochene vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses vom 13.6.2017 gemäß § 34 VBG zu Recht erfolgt ist, gemäß § 38 AVG ausgesetzt“.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Verfahren werde gemäß § 38 AVG ausgesetzt, weil die Vorfrage, ob der Kündigungsschutz iSd § 8 Abs. 1 und 2 BEinstG auf den Dienstnehmer – mangels aufrechten Bestandes eines Dienstverhältnisses zur Dienstgeberin – überhaupt anwendbar sei, derzeit in einem beim ASG abhängigen Verfahren geprüft werde. Für den Fall einer rechtskräftigen Abweisung der durch den Dienstnehmer eingebrachten Feststellungsklage beim ASG (und damit der Feststellung, dass die Entlassung rechtmäßig wäre und das Beschäftigungsverhältnis nicht mehr fortbestehe) wäre eine Zuständigkeit des Behindertenausschusses nicht gegeben, weil das Dienstverhältnis definitiv beendet wäre und würde daher der Dienstgeberin die Legitimation zur Führung des gegenständlichen Verfahrens mangeln.
Gegen diesen Aussetzungsbescheid vom 21.12.2020 (der Dienstgeberin zugestellt am 24.12.2020, dem Dienstnehmer zugestellt am 18.01.2021) erhoben 1. sowohl die Dienstgeberin mit Schriftsatz vom 03.02.2021 (protokolliert zur GZ. W207 2239519-1 des Bundesverwaltungsgerichtes) als auch 2. der Dienstnehmer mit Schriftsatz vom 15.02.2021 (protokolliert zur GZ. W207 2239837-1 des Bundesverwaltungsgerichtes) fristgerecht Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht.
Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden am 12.02.2021 bzw. am 19.02.2021 zur Entscheidung vor. Die Beschwerdeverfahren werden gemäß § 39 Abs. 2 AVG zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte dem jeweils anderen Beschwerdeführer gemäß § 10 VwGVG die jeweiligen Beschwerden mit der Möglichkeit, sich binnen vier Wochen zu äußern. Sowohl die Dienstgeberin als auch der Dienstnehmer erstatteten mit Schriftsätzen vom 12.03.2021 bzw. vom 18.03.2021 jeweils umfangreiche Äußerungen zu den Beschwerden.
Auf Anfrage des Bundesverwaltungsgerichtes zur do. Zl. 21 Cga 35/19y (9 Cga 78/17f) wurde seitens des ASG Wien am 12.03.2021 mitgeteilt, dass das do. anhängige Verfahren betreffend Entlassung noch nicht abgeschlossen sei. Es seien bisher mehrere Verhandlungen anberaumt worden, alle seien wieder abberaumt worden. Der aktuell zuständige Richter sei vom Dienstnehmer als befangen abgelehnt worden, diesbezüglich sei ein Verfahren beim OLG anhängig gewesen. Es liege in diesem zur do. Zl. 21 Cga 35/19y protokollierten Entlassungsverfahren noch keine Entscheidung, sohin auch keine rechtskräftige Entscheidung, vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat nach Beschlussfassung am DD.04.2021 über die gemäß § 39 Abs. 2 AVG zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:
1. Feststellungen:
Der Dienstnehmer war seit 01.06.2000 als Vertragsbediensteter in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis bei der Dienstgeberin beschäftigt. Gegenwärtig steht nicht fest, ob dieses Dienstverhältnis nach wie vor besteht.
Mit Schreiben vom 13.06.2017, zugestellt am 21.06.2017, sprach die Dienstgeberin mit Zustimmung der Personalvertretung die Entlassung des Dienstnehmers, also die vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses aus wichtigen Gründen, gemäß § 34 VBG aus.
Festgestellt wird, dass diese Entlassung vom Dienstnehmer mittels einer Klage gegen die Dienstgeberin auf Feststellung, dass das Dienstverhältnis (trotz der am 13.06.2017 ausgesprochenen Entlassung) fortbestehe (und somit nach wie vor aufrecht sei), beim Arbeits- und Sozialgericht Wien angefochten wurde. Festgestellt wird in diesem Zusammenhang weiters, dass dieses Verfahren, protokolliert zur Zl. 21 Cga 35/19y (vormals 9 Cga 78/17f) des ASG Wien, nach wie vor dort anhängig ist; bisher ist keine inhaltliche Entscheidung des ASG Wien in diesem Verfahren ergangen, es liegt daher gegenwärtig weder eine erstinstanzliche noch eine rechtskräftige Entscheidung über die Frage der Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Entlassung und damit über die Frage, ob das Dienstverhältnis zwischen der Dienstgeberin und dem Dienstnehmer nach wie vor aufrecht ist, vor.
Festgestellt wird, dass der Dienstnehmer am 07.03.3016 einen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gemäß §§ 2 und 14 BEinstG stellte. Mit im Beschwerdeweg ergangenem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.03.2018, GZ.: W133 2151401-1/16E, wurde festgestellt, dass der Grad der Behinderung des Dienstnehmers 50 v.H. betrage und der Dienstnehmer ab 07.03.3016 (dem Zeitpunkt der Antragstellung) dem Kreis der begünstigten Behinderten gemäß §§ 2 und 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz angehöre. Dies erfolgte auf Grundlage eines medizinischen Sachverständigengutachtens einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 03.01.2018, in dem festgestellt wurde, dass der Dienstnehmer – neben weiteren näher angeführten Leidenszuständen - im Rahmen einer Persönlichkeitsstörung (paranoid, sensitiv) an einer Depression mit Angst und Panikstörung, mit deutlicher Symptomausprägung der Störung und Auswirkung auf sowohl das berufliche als auch das private Umfeld, leide. Dieses Leiden wurde als führendes Leiden nach der Positionsnummer 03.04.02 unterer Rahmensatz der Anlage zur Einschätzungsverordnung („Persönlichkeits- Verhaltensstörung mit maßgeblichen sozialen Beeinträchtigungen“) mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 50% eingeschätzt.
Mit Schreiben der Dienstgeberin vom 05.10.2018 an das Sozialministeriumservice, eingebracht am 10.10.2020, wurde bekannt gegeben, dass beabsichtigt sei, das Dienstverhältnis des begünstigten behinderten Dienstnehmers ehestmöglich „eventual“ zu kündigen.
Dieser eventualiter gestellte – vom Ergebnis einer Entscheidung des ASG Wien zur do. Zl. 21 Cga 35/19y (vormals 9 Cga 78/17f) über die Klage gegen die Dienstgeberin auf Feststellung, dass das Dienstverhältnis fortbestehe und somit nach wie vor aufrecht sei - abhängig gemachte gegenständlich verfahrenseinleitende Antrag vom 10.10.2020 wurde vom Behindertenausschuss als zur Behandlung geeigneter Antrag auf Zustimmung zu einer künftig auszusprechenden Kündigung des begünstigten behinderten Dienstnehmers iSd § 8 Abs. Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) gewertet.
Als Kündigungsgrund wurde in diesem Antrag im Wesentlichen geltend gemacht, dass der Dienstnehmer Entlassungsgründe gesetzt habe, dass es aber im Verfahren vor dem ASG Wien über die Klage gegen die Dienstgeberin auf Feststellung, dass das Dienstverhältnis fortbestehe und somit nach wie vor aufrecht sei, sein könne, dass das ASG Wien zu dem Schluss kommen könnte, dass die angeführten Entlassungsgründe verschuldensabhängig seien, dass der Dienstnehmer aber aufgrund seiner Behinderung schuldunfähig sei und er folglich keine Einsichtsfähigkeit für die gesetzten Tatbestände gehabt habe, was aber andererseits bedeuten würde, dass er wäre gesundheitlich nicht in der Lage gewesen wäre, ihm erteilte Weisungen zu befolgen und er deshalb nicht in der Lage wäre, die im Dienstvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten und könne der Dienstgeberin im Sinne des § 8 Abs. 4 lit. b BEinstG die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht weiter zugemutet werden.
Mit – dem nunmehr sowohl von der Dienstgeberin als auch vom Dienstnehmer angefochtenen - Bescheid des Behindertenausschusses vom 21.12.2020 wurde spruchgemäß das Verfahren „bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage durch das Arbeits- und Sozialgericht Wien, ob die durch den Dienstgeber gegenüber dem Dienstnehmer ausgesprochene vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses vom 13.6.2017 gemäß § 34 VBG zu Recht erfolgt ist, gemäß § 38 AVG ausgesetzt“.
2. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf den Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und sind im Wesentlichen unstrittig.
Die Feststellung, dass im beim Arbeits- und Sozialgericht Wien anhängigen, zur Zl. 21 Cga 35/19y (vormals 9 Cga 78/17f) protokollierten Verfahren über die Klage des Dienstnehmers auf Feststellung, dass das Dienstverhältnis mit der Dienstgeberin fortbestehe und somit nach wie vor aufrecht sei, bisher keine inhaltliche Entscheidung des ASG Wien ergangen ist und daher gegenwärtig weder eine erstinstanzliche noch eine rechtskräftige inhaltliche Entscheidung über die Frage der Rechtmäßigkeit der am 13.06.2017 ausgesprochenen Entlassung vorliegt, gründet sich auf die entsprechende Mitteilung des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien an das Bundesverwaltungsgericht vom 12.03.2021. Auch seitens der Dienstgeberin und des Dienstnehmers wurde nichts Gegenteiliges in ausreichend konkreter Form vorgebracht.
Die Feststellung, dass es sich bei diesem Verfahren über die Klage des Dienstnehmers gegen die Dienstgeberin auf Feststellung, dass das Dienstverhältnis mit der Dienstgeberin trotz der am 13.06.2017 ausgesprochenen Entlassung fortbestehe, um jenes zur Zl. 21 Cga 35/19y (vormals 9 Cga 78/17f) protokollierte Verfahren des ASG Wien handelt, gründet sich auf die diesbezüglichen Angaben der Dienstgeberin (in deren an den Behindertenausschuss gerichteten Schriftsatz vom 24.09.2020 sowie in einem [im Akt der belangten Behörde aufliegenden, an das Arbeits- und Sozialgericht Wien im do. Verfahren 9 Cga 78/17f gerichteten] vorbereitenden Schriftsatz der Dienstgeberin vom 26.09.2017) und des Dienstgebers (in dessen Schreiben an den Behindertenausschuss vom 12.11.2018) selbst, bestätigt durch die zuvor erwähnte Mitteilung des ASG Wien an das Bundesverwaltungsgericht vom 12.03.2021.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
§ 8 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) lautet:
Kündigung
§ 8. (1) Das Dienstverhältnis eines begünstigten Behinderten darf vom Dienstgeber, sofern keine längere Kündigungsfrist einzuhalten ist, nur unter Einhaltung einer Frist von vier Wochen gekündigt werden. Ein auf Probe vereinbartes Dienstverhältnis kann während des ersten Monates von beiden Teilen jederzeit gelöst werden.
(2) Die Kündigung eines begünstigten Behinderten (§ 2) darf von einem Dienstgeber erst dann ausgesprochen werden, wenn der Behindertenausschuss (§ 12) nach Anhörung des Betriebsrates, der Behindertenvertrauensperson (Stellvertreter) oder der Personalvertretung im Sinne des Bundes-Personalvertretungsgesetzes bzw. der entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften zugestimmt hat; dem Dienstnehmer kommt in diesem Verfahren Parteistellung zu. Eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Behindertenausschusses ist rechtsunwirksam, wenn nicht in Ausnahmefällen nachträglich die Zustimmung erteilt wird. Diese Zustimmung ist nicht zu erteilen, wenn die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten die Folge eines Arbeitsunfalles gemäß § 175f des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955 ist. Ein Ausnahmefall, der die Zustimmung zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung rechtfertigt, ist dann gegeben, wenn dem Dienstgeber zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung nicht bekannt war und auch nicht bekannt sein musste, dass der Dienstnehmer dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des § 2 angehört. Abs. 4 und 4a sind anzuwenden.
(3) Der Behindertenausschuß hat bei seiner Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten die besondere Schutzbedürftigkeit des Dienstnehmers zu berücksichtigen und unter Beachtung des § 6 zu prüfen, ob dem Dienstnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes zugemutet werden kann.
(4) Die Fortsetzung des Dienstverhältnisses wird dem Dienstgeber insbesondere dann nicht zugemutet werden können, wenn
a) der Tätigkeitsbereich des begünstigten
Behinderten entfällt und der Dienstgeber nachweist, daß der begünstigte Behinderte trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann;
b) der begünstigte Behinderte unfähig wird, die im Dienstvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten, sofern in absehbarer Zeit eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht zu erwarten ist und der Dienstgeber nachweist, daß der begünstigte Behinderte trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann;
c) der begünstigte Behinderte die ihm auf Grund des Dienstverhältnisses obliegenden Pflichten beharrlich verletzt und der Weiterbeschäftigung Gründe der Arbeitsdisziplin entgegenstehen.
(4a) Bei der Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten ist auch das Diskriminierungsverbot des § 7b Abs. 1 zu berücksichtigen.
(5) Gesetzliche Bestimmungen, die die Beendigung des Dienstverhältnisses an zusätzliche Voraussetzungen knüpfen, bleiben unberührt. Finden auf die Kündigung eines begünstigten Behinderten die Abs. 2 bis 4 Anwendung, gelten die Bestimmungen des § 105 Abs. 2 bis 6 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974, bzw. die in Ausführung der Bestimmungen des § 210 Abs. 3 bis 6 des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287, erlassenen landesrechtlichen Vorschriften nicht.
(6) Abs. 2 bis 4 finden auf das Dienstverhältnis keine Anwendung,
a) wenn dem Behinderten als Mitglied des Betriebsrates (Jugendvertrauensrates) bzw. als Personalvertreter der besondere Kündigungsschutz auf Grund der §§ 120 und 121 des Arbeitsverfassungsgesetzes bzw. der in Ausführung der §§ 223 und 224 des Landarbeitsgesetzes 1984 erlassenen landesrechtlichen Vorschriften oder des § 27 Abs. 2 des Bundes-Personalvertretungsgesetzes und ähnlicher landesrechtlicher Vorschriften zusteht;
b) wenn das Dienstverhältnis zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung noch nicht länger als vier Jahre bestanden hat, es sei denn die Feststellung der Begünstigteneigenschaft erfolgt innerhalb dieses Zeitraumes, wobei während der ersten sechs Monate nur die Feststellung der Begünstigteneigenschaft infolge eines Arbeitsunfalles diese Rechtsfolge auslöst, oder es erfolgt ein Arbeitsplatzwechsel innerhalb eines Konzerns.“
§ 28 Abs. 4 VwGVG lautet:
„(4) Hat die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben, hat das Verwaltungsgericht, wenn es nicht gemäß Abs. 2 in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.“
§ 38 AVG lautet:
„Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.“
Gegenstand der nunmehrigen - gemäß § 39 Abs. 2 AVG zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen - Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist ausschließlich die Frage, ob die belangten Behörde berechtigt war, das Verfahren gemäß § 38 AVG auszusetzen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 22.02.1990, Zl.89/09/0096, ausgeführt hat, sind der Status eines begünstigten Behinderten und das Bestehen eines aufrechten Dienstverhältnisses des Behinderten, welches der Dienstgeber mittels Kündigung zu beenden beabsichtigt, nach der oben wiedergegebenen Gesetzesbestimmung des § 8 Abs. 2 BEinstG unabdingbare Voraussetzungen für den besonderen Kündigungsschutz bzw. die Durchführung eines diesbezüglichen Verfahrens. Die Verwaltungsbehörden müssen von Amts wegen und in jeder Lage des Verfahrens prüfen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen gegeben sind. Hiebei handelt es sich um eine Prozessvoraussetzung. Gehört eine Person nicht mehr zum Kreis der begünstigten Behinderten oder ist das Dienstverhältnis, welches der Dienstgeber mittels Kündigung zu beenden beabsichtigt, nicht mehr aufrecht, so ist das Verfahren unzulässig, und es ist der Antrag des Dienstgebers zurückzuweisen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof auch in seinem Erkenntnis vom 27.01.2015, Ra 2014/11/0071, ausgeführt hat, ist die Frage des Bestandes oder Nichtbestandes des Dienstverhältnisses für die Behörde (und in der Folge für das Verwaltungsgericht) bei der Entscheidung darüber, ob die Zustimmung zur Kündigung nach § 8 BEinstG erteilt wird oder nicht, eine Vorfrage im Sinne des im Verfahren nach dem BEinstG anwendbaren § 38 AVG (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. November 2006, Zl. 2005/11/0062, unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1985, Zl. 84/09/0039), weil eine Kündigung eines Dienstverhältnisses das Bestehen eines solchen voraussetzt. Die Frage, ob eine Entlassung gerechtfertigt war und das Dienstverhältnis damit beendet wurde, ist daher für das ausgesetzte Verfahren präjudiziell. Ergibt sich im Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht, dass die Entlassung rechtens war und das in Rede stehende Dienstverhältnis damit beendet wurde, wäre keine Grundlage mehr für die beantragte Zustimmung zur auszusprechenden Kündigung gegeben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem in seinem Erkenntnis vom 02.07.1996, Zl. 96/08/0003, klargestellt, dass zur rechtsfeststellenden Entscheidung der Hauptfrage (welche im Verfahren auf Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten demnach eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG darstellt), ob ein Beschäftigungsverhältnis dem Behinderteneinstellungsgesetz unterliegt, ausschließlich die Arbeits- und Sozialgerichte zuständig sind.
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann den Beschwerdeausführungen, wonach die Aussetzung des Verfahrens durch die belangte Behörde mangels Vorliegens eines Aussetzungsgrundes bzw. mangels Vorliegens einer Vorfrage iSd § 38 AVG zu Unrecht erfolgt sei, nicht gefolgt werden. Dies gilt insbesondere auch für das – bereits im Rahmen eines Schriftsatzes vom 24.09.2020 erstattete und oben dargestellte - Vorbringen in der Beschwerde der Dienstgeberin, bei Unterbrechung/Aussetzung des Verfahrens drohe der Dienstgeberin (für den Fall, dass sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren über die Frage der Rechtmäßigkeit der Entlassung herausstelle, dass das Dienstverhältnis des Klägers nicht bereits geendet habe) wegen der Verpflichtung zur Gehaltsfortzahlung, welcher aber keine Arbeitsleistung des Dienstnehmers gegenüberstehe, ein hoher finanzieller Schaden, es bestehe keine Rechtsgrundlage dafür, das Verfahren ohne Aussetzungs- bzw. Unterbrechungsgrund nach § 38 AVG zu unterbrechen, eine mehrjährige Verspätung bei der Erlangung der Zustimmung des Behindertenausschusses zur Kündigung des Dienstnehmers könne der Dienstgeberin nicht zugemutet werden.
Selbiges gilt auch für das Vorbringen in der Beschwerde der Dienstgeberin, da arbeitsgerichtliche Verfahren erfahrungsgemäß eine gewisse Zeitdauer benötigten, um zum Abschluss zu gelangen, sei es der Dienstgeberin nicht zumutbar, mit der Fortsetzung des vorliegenden Verfahrens bis zum Abschluss des bzw. der arbeitsgerichtlichen Verfahren zuzuwarten; ersichtlich handle es sich bei der von der Dienstgeberin beabsichtigten Maßnahme des Ausspruches der Dienstgeberkündigung des Dienstnehmers wegen Dienstunfähigkeit um eine Vorsichtsmaßnahme für den Fall, dass sich der Standpunkt des Dienstnehmers vom Fortbestand des Dienstverhältnisses als zutreffend erweisen sollte. Diese Vorsichtsmaßnahme würde aber durch eine Unterbrechung/Aussetzung des vorliegenden Verfahrens weitestgehend konterkariert werden. Stelle sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren heraus, dass das Dienstverhältnis des Klägers bereits geendet hat, bedürfe es des Ausspruches der (Eventual-) Kündigung nicht mehr. Im gegenteiligen Fall könne die Eventualkündigung aber bis dahin und auch danach nicht ausgesprochen werden, bis endlich die Zustimmung des Behindertenausschusses von der Dienstgeberin erlangt werden könne. Eine derartige mehrjährige Aussetzung/Unterbrechung des Verfahrens auf Erlangung der Zustimmung des Behindertenausschusses zu einer beabsichtigten Kündigung eines begünstigten Behinderten wegen Dienstunfähigkeit lasse sich nicht aus § 38 AVG ableiten.
Dieses Beschwerdevorbringen der Dienstgeberin steht nicht in Einklang mit der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Was in diesem Zusammenhang das weitere Beschwerdevorbringen der Dienstgeberin betrifft, nach der Rechtsprechung habe die Behörde bei der Gebrauchnahme des ihr eingeräumten Ermessens auf den Grundsatz der Verfahrensökonomie, also auf Aspekte der („möglichsten") Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis Bedacht zu nehmen, dies werde treffend als Effizienzgrundsatz bezeichnet, so ist der Dienstgeberin, insoweit sie auf Aspekte der Verfahrensökonomie und der Effizienz abstellt, entgegenzuhalten, dass – wie bereits erwähnt – die Vorfrage des Bestandes oder Nichtbestandes des Dienstverhältnisses, also im konkreten Fall die Frage, ob die Entlassung des Dienstnehmers rechtmäßig war und das Dienstverhältnis damit beendet wurde, für das ausgesetzte Verfahren präjudiziell ist. Diese Vorfrage ist aber – insbesondere im Lichte der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - als Hauptfrage vom Arbeits- und Sozialgericht zu klären.
(Auch) vor diesem Hintergrund ist im gegenständlichen Fall dem Umstand Beachtung zu schenken, dass der - für eine Aussetzung des Verfahrens nach § 38 zweiter Satz AVG vorrangige - Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie dann von geringem Gewicht ist, wenn die Behörde nach dem Stand ihres Verfahrens, insbesondere auf Grund der ihr vorliegenden Ermittlungsergebnisse ohne Weiteres zur selbständigen Beurteilung der Vorfragen in der Lage ist (siehe beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 03.06.1997, Zl. 97/08/0137, und vom 07.04.1992, Zl. 91/11/0155, mit weiteren Hinweisen). Das Bundesverwaltungsgericht vermag jedoch nicht zu erkennen, dass die belangte Behörde von ihrem Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hätte.
Wie in der Beschwerde der Dienstgeberin selbst ausgeführt wird, benötigen arbeitsgerichtliche Verfahren erfahrungsgemäß eine gewisse Zeitdauer, um zum Abschluss zu gelangen Dies bestätigt sich im gegenständlichen Fall im Hinblick auf das auf Grundlage der Klage des Dienstnehmers gegen die Dienstgeberin auf Feststellung, dass das Dienstverhältnis mit der Dienstgeberin trotz der am 13.06.2017 ausgesprochenen Entlassung fortbestehe, zur Zl. 21 Cga 35/19y (vormals 9 Cga 78/17f) vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien mehrjährig geführte Verfahren, in dem bisher mehrere Verhandlungen anberaumt, jedoch alle wieder abberaumt wurden.
Auf Grund der offenkundigen Komplexität der in diesem arbeits- und sozialgerichtlichen Verfahren zu klärenden Fragen über die vorgebrachte Rechtswidrigkeit von Datenzugriffen im elektronischen Aktensystem (ELAK), über die behauptete fortlaufende Weigerungen des Dienstnehmers, Anordnungen seiner Vorgesetzten zu befolgen sowie über die behauptete Unterlassung der Dienstleistung ohne wichtigen Hinderungsgrund und den damit allenfalls verbundenen erforderlichen Ermittlungen zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erweist sich die diesbezügliche Aussetzung des Verfahrens als nicht rechtswidrig, zumal die belangte Behörde auf Grund der ihr vorliegenden Ermittlungsergebnisse keineswegs ohne Weiteres zur selbständigen Beurteilung dieser Vorfrage in der Lage war. Es bestehen somit keine Bedenken dagegen, dass aus Gründen der Verfahrensökonomie von der Möglichkeit, das Verfahren auszusetzen, Gebrauch gemacht worden ist.
Lediglich der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt, dass – zurückkommend auf das Vorbringen in der Beschwerde der Dienstgeberin, bei Aussetzung des Verfahrens drohe der Dienstgeberin wegen der Verpflichtung zur Gehaltsfortzahlung, welcher aber keine Arbeitsleistung des Dienstnehmers gegenüberstehe, ein hoher finanzieller Schaden, weshalb das Verfahren nicht gemäß § 38 AVG ausgesetzt werden könne – seitens der Dienstgeberin mehrfach ausdrücklich betont wurde, dass es sich bei der von der Dienstgeberin beabsichtigten Maßnahme des Ausspruches der Dienstgeberkündigung des Dienstnehmers wegen Dienstunfähigkeit um eine Vorsichtsmaßnahme für den Fall handle, dass sich der Standpunkt des Dienstnehmers vom Fortbestand des Dienstverhältnisses als zutreffend erweisen sollte. In diesem Zusammenhang wurde auch der verfahrenseinleitende Antrag ausdrücklich als Eventualantrag gestellt. Dieser als Eventualantrag gestellte – vom Ergebnis einer Entscheidung des ASG Wien zur do. Zl. 21 Cga 35/19y (vormals 9 Cga 78/17f) über die Klage gegen die Dienstgeberin auf Feststellung, dass das Dienstverhältnis fortbestehe und somit nach wie vor aufrecht sei - abhängig gemachte gegenständlich verfahrenseinleitende Antrag vom 10.10.2020 wurde vom Behindertenausschuss als zur Behandlung geeigneter Antrag auf Zustimmung zu einer künftig auszusprechenden Kündigung des begünstigten behinderten Dienstnehmers iSd § 8 Abs. Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) gewertet.
Unter Bedachtnahme auf diese Ausführungen und Verfahrenshandlungen der Dienstgeberin erscheint es zunächst nicht schlüssig, dass die Dienstgeberin auf Grundlage ihrer eigenen Wahl eines Rechtsinstrumentes wie einer Entlassung (bzw. auf Grundlage dessen weiterer Aufrechterhaltung) für den Fall, dass dieses Rechtsinstrument aus Sicht der Dienstgeberin nicht greifen sollte, einen Schaden erblickt, für den sie aber letztlich die Behörde, die von der gesetzlich eingeräumten Möglichkeit der Aussetzung des Verfahrens iSd § 38 AVG Gebrauch macht, verantwortlich zu machen scheint. Unabhängig davon aber legt die Dienstgeberin mit ihrer verfahrensgegenständlichen Eventualantragstellung und ihrem diesbezüglichen Vorbringen bezüglich einer Antragstellung als reine Vorsichtsmaßnahme - sofern man in rechtlicher Hinsicht nicht ohnedies die Ansicht vertreten sollte, dass ein solcher Eventualantrag, der vom Ergebnis einer inhaltlichen Entscheidung eines anderen Gerichtes bzw. einer anderen Behörde, das bzw. die in der Haupfrage für diese Entscheidung zuständig ist, abhängig gemacht wird, unzulässig ist und dass ein solcher Eventualantrag daher zurückzuweisen wäre – die Prioritäten in der Verfahrensführung und damit den Vorrang des Entlassungsverfahrens vor dem Arbeits- und Sozialgericht letztlich selbst ausdrücklich fest, weshalb es auch unter diesem Gesichtspunkt den Grundsätzen der Verfahrensökonomie und Effizienz nicht widerspricht, sondern diesen im Gegenteil vielmehr entspricht, das gegenständliche, „lediglich eventualiter“ geführte Verfahren auf Zustimmung zur künftig auszusprechenden Kündigung gemäß § 8 BEinstG im Sinne des § 38 AVG auszusetzen.
Der Beschwerde der Dienstgeberin ist allerdings dahingehend zuzustimmen, dass die belangte Behörde den Spruch des angefochtenen Bescheides insofern unpräzise formuliert hat, als spruchgemäß das Verfahren „bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage durch das Arbeits- und Sozialgericht Wien, ob die durch den Dienstgeber gegenüber dem Dienstnehmer ausgesprochene vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses vom 13.6.2017 gemäß § 34 VBG zu Recht erfolgt ist, gemäß § 38 AVG“ ausgesetzt wurde.
Insoweit die Dienstgeberin nun eine Undeutlichkeit des Spruches insofern erblickt, als nicht angeführt sei, bis zum Ausgang welchen Verfahrens zu welcher Geschäftszahl zwischen welchen Parteien des ASG Wien die Aussetzung des Verfahrens verfügt wurde/wird, so ergibt sich aber aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides – schon durch die konkrete datumsmäßige Bezeichnung bzw. Benennung der durch die Dienstgeberin gegenüber dem Dienstnehmer ausgesprochenen vorzeitigen Auflösung des Dienstverhältnisses vom 13.06.2017 gemäß § 34 VBG - in Zusammenschau mit der Begründung des Bescheides unzweifelhaft und damit in hinreichend bestimmter und eindeutiger Weise, um welches konkrete, zwischen der Dienstgeberin und dem Dienstnehmer vor dem ASG Wien geführte Verfahren betreffend vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses - nämlich jenes zur Zl.: 21 Cga 35/19y (vormals 9 Cga 78/17f) des ASG Wien protokollierte - es sich handelt, bis zu dessen Entscheidung das gegenständliche, nach § 8 BEinstG geführte Verfahren ausgesetzt wird, zumal es nur ein solches Verfahren betreffend vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses gemäß § 34 VBG gibt, das zwischen der Dienstgeberin und dem Dienstnehmer vor dem ASG Wien geführt wird. Dass weitere Entlassungen des Dienstnehmers durch die Dienstgeberin ausgesprochen worden wären als jene vom 13.06.2017 und solche außerdem mittels einer Klage gegen die Dienstgeberin auf Feststellung, dass das Dienstverhältnis fortbestehe, vor dem ASG Wien bekämpft würden, wodurch eine tatsächliche Unklarheit auftreten könnte, wurde von den Parteien des Verfahrens weder vorgebracht noch ist es aktenkundig. Mit der nunmehrigen Adaptierung des Spruches des angefochtenen Bescheides entsprechend der nunmehrigen Spruchformulierung unter Nennung der Geschäftszahl wird daher der Beschwerdegegenstand nicht überschritten.
Was die Formulierung im nunmehr adaptierten Spruch betrifft, das Verfahren auf Zustimmung zur künftig auszusprechenden Kündigung werde bis „zur erstgerichtlichen inhaltlichen Entscheidung“ des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien ausgesetzt, so gründet sich diese Formulierung auf den Umstand, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem bereits oben zitierten Erkenntnis vom 27.01.2015, Ra 2014/11/0071, ausgeführt hat, dass gemäß § 61 Abs. 2 ASGG bereits das (erste) erstgerichtliche Urteil, auch wenn es inzwischen aufgehoben oder durch ein anderes Urteil ersetzt worden ist, bis zur Beendigung des Verfahrens weiter wirkt, soweit die Parteien nichts anderes vereinbaren oder nach Abs. 4 anderes angeordnet ist. Wie sich aus den Materialien schon zur Stammfassung des § 61 ASGG, aber auch zur Novelle BGBl. Nr. 408/1990 zweifelsfrei ergibt, sollte das (erste) erstgerichtliche (Feststellungs)Urteil über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses sofort verbindlich sein und diese Verbindlichkeit auch im Falle einer Aufhebung durch das Berufungsgericht bis zur Beendigung des Verfahrens behalten. Im AB zur Stammfassung (vgl. oben Pkt. 1.2.1.2.) kommt dies darin zum Ausdruck, dass man ganz bewusst vorsehen wolle, dass "das erstinstanzliche Urteil die Rechtslage für die Dauer des gesamten Rechtsmittelverfahrens bis zur Rechtskraft festlegt". Daraus folgt aber, dass während des Zeitraums der Verbindlichkeit des erstgerichtlichen Urteils eine abweichende Beurteilung der im Urteil getroffenen Feststellung (über den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses; Z. 1) durch andere Behörden und Gerichte ausgeschlossen sein sollte, dies ungeachtet des Umstands, dass die das Rechtsmittelverfahren beendende Entscheidung allenfalls eine andere Beurteilung als das erstgerichtliche Urteil vornehmen könnte. Dem entspricht auch die Judikatur des Obersten Gerichtshofes, wonach dann, wenn ein (vorläufig) verbindliches Urteil über den aufrechten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses vorliegt, diese Entscheidung einem Leistungsbegehren des Dienstnehmers zugrunde zu legen ist, sodass den Voraussetzungen einer Unterbrechung wegen Präjudizialität "bis zur formell und materiell rechtskräftigen Entscheidung" im Vorprozess die verfahrensrechtliche Grundlage entzogen ist (vgl. den Beschluss vom 20. April 1994, 9 Ob A 37/94). Diese Auffassung wird auch in der Lehre vertreten (vgl. Konecny, Wirkungen erstinstanzlicher Urteile in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten gemäß § 61 ASGG, ZAS 1986 155 (163); Grießer, Zur Wirkung klagsabweisender Urteile gem § 61 Abs. 1 ASGG, RdA 1997 10ff). Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die in § 61 ASGG normierte Verbindlichkeit erstgerichtlicher Urteile auf bestimmte Verfahren beschränkt sein und nicht auch Verfahren nach § 8 Abs. 4 BEinstG erfassen sollte.
Daraus folgt, dass der Behindertenausschuss bzw. das Verwaltungsgericht die Verbindlichkeit bereits einer erstgerichtlichen Feststellung über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu beachten und diese Feststellung der eigenen rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen hat, solange das noch anhängige Verfahren zur Wirksamkeit der (diesem Erkenntnis des VwGH zu Grunde liegenden) Entlassung noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Für eine eigenständige Beurteilung der Vorfrage ist in einem solchen Fall – wenn also eine erstgerichtliche (wenn auch nicht rechtskräftige) Feststellung über den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses bereits vorliegt - ebenso wenig Raum wie für eine Aussetzung des verwaltungsbehördlichen oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.
Wie sich aus den getroffenen Feststellungen ergibt, ist im zur Zl. 21 Cga 35/19y (vormals 9 Cga 78/17f) protokollierten Verfahren des ASG Wien über die Frage der Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Entlassung bisher keine inhaltliche Entscheidung ergangen, es liegt daher gegenwärtig noch keine erstinstanzliche (und damit auch keine rechtskräftige Entscheidung) über die Frage der Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Entlassung, an die eine Bindung bestünde, vor.
Allerding ist das gegenständliche Verfahren auf Zustimmung zur Kündigung gemäß § 8 BEinstG spruchgemäß nur bis zu einer erstgerichtlichen, nicht aber bis zur rechtskräftigen Feststellung über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses auszusetzen und ist daher der Spruch der belangten Behörde auch in dieser Hinsicht zu adaptieren.
Was die Ausführungen des Dienstnehmers in dessen Beschwerde und in dessen weiterer Äußerung vom 18.03.2021 betrifft, so betreffen diese Ausführungen überwiegend inhaltliches Vorbringen zu den ihm von der Dienstgeberin vorgeworfenen Handlungen bzw. Unterlassungen und damit zur Frage des Vorliegens bzw. Nichtvorliegens allfälliger Entlassungs- oder Kündigungsgründe; diesem inhaltlichen Vorbringen kommt aber für die beschwerdegegenständliche Frage, ob die belangte Behörde berechtigt war, das Verfahren gemäß § 38 AVG auszusetzen, keine Relevanz zu. Soweit das Vorbringen des Dienstnehmers aber die Frage, ob die belangte Behörde berechtigt war, das Verfahren gemäß § 38 AVG auszusetzen, berührt, so ist dieses Vorbringen des Dienstnehmers im bisherigen Verfahren nicht konsistent; vielmehr hat er selbst mehrfach die – nunmehr erfolgte – Aussetzung/Unterbrechung des Verfahrens beantragt und steht damit in Widerspruch zu seiner nunmehrigen Beschwerdeerhebung gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Aussetzung des Verfahrens. Abgesehen davon hat der Dienstnehmer u.a. auch den Rechtsstandpunkt vertreten, dass das Dienstverhältnis zur Dienstgeberin durch die Entlassung beendet und daher der verfahrenseinleitende Antrag der Dienstgeberin auf Zustimmung zur Kündigung zurückzuweisen sei; gerade dies steht aber aktuell nicht fest, sondern ist dies vielmehr im entsprechenden Verfahren über die Frage der Rechtmäßigkeit der Entlassung vor dem ASG Wien zu klären, weswegen das gegenständliche Verfahren nunmehr bis zur entsprechenden erstinstanzlichen Entscheidung des ASG Wien - von der in der Folge das weitere rechtliche Schicksal des von der Dienstgeberin gestellten Antrages auf Zustimmung zu einer künftig auszusprechenden Kündigung des begünstigten behinderten Dienstnehmers im Sinne des § 8 BEinstG abhängt - ausgesetzt wird.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder
Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Im gegenständlichen Fall war Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes zu überprüfen, ob sich die Entscheidung der belangten Behörde als Ermessensübung im Sinne des Gesetzes erwiesen hat. Wie oben ausgeführt, erweist sich die Aussetzung des Verfahrens iSd § 38 AVG durch die belangte Behörde als Ermessensübung im Sinne des Gesetzes.
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist unbestritten und geklärt, sodass eine mündliche Verhandlung nicht geboten war, zumal im gegenständlichen Fall ausschließlich eine Rechtsfrage zu klären war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen, zumal die Durchführung einer Verhandlung von den Parteien des Verfahrens nicht beantragt wurde. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf - in der Begründung zitierte - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben. Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden ist.
Schlagworte
Arbeits- und Sozialgericht Aussetzung begünstigter Behinderter Entlassung Kündigungsschutz VorfrageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W207.2239519.1.00Im RIS seit
07.06.2021Zuletzt aktualisiert am
07.06.2021