TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/9 W250 2179245-1

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Veröffentlicht am 09.04.2021
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Entscheidungsdatum

09.04.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z3
BuLVwG-EGebV §2 Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z1
VwG-AufwErsV §1 Z1
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs2

Spruch


W250 2179245-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , geb am XXXX , StA Georgien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.10.2017, Zl. XXXX zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG idF BGBl I Nr. 68/2017 stattgegeben, der Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.10.2017, Zl. XXXX , sowie die Anhaltung in Schubhaft von 24.10.2017 bis 30.10.2017 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 35 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 1 Z. 1 VwG-AufwErsV und § 2 Abs. 1 der BuLVwG-Eingabengebührverordnung hat der Bund dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 767,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Der Antrag der Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) ein georgischer Staatsangehöriger, reiste am 17.11.2004 illegal nach Österreich ein und stellte erstmals am 17.11.2004 einen Antrag auf internationalen Schutz. In seiner Einvernahme, bei welcher der BF eine Aliasidentität verwendete, gab er als Grund für seine Flucht nach Österreich an, Mitglied einer christlich-religiösen Vereinigung gewesen zu sein, welche in Georgien zwar nicht verboten, aber auch nicht erlaubt gewesen sei. Der Anführer dieser Vereinigung sei verhaftet worden und seither werde der BF von einer Art Mafia gesucht, welche nicht der Regierung angehöre. Am 15.03.2005 wurde das Verfahren gemäß § 30 Abs. 2 Asylgesetz 1997, (AsylG 1997) eingestellt, weil der BF trotz aufrechter Meldung nicht an seiner Meldeadresse anzutreffen war.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.05.2005 wurde der Asylantrag des BF gem. § 7 AsylG 1997 abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF gem. § 8 Abs. 1 AsylG 1997 nach Georgien ausgesprochen. Der BF wurde gem. § 8 Abs. 2 AsylG 1997 aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen. Am 12.08.2005 wurde gegen den BF erstmals die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung gem. § 61 Abs. 1 Fremdengesetz idF BGBl. I Nr. 75/1997 (FrG) iVm § 57 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) angeordnet. Die Festnahme erfolgte am 29.08.2005. Am 01.09.2005 wurde dem BF der negative Asylbescheid persönlich übergeben und er wurde am selben Tag aus der Schubhaft entlassen, weil das Asylverfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen war. Am 09.09.2005 brachte der BF Berufung gegen den negativen Asylbescheid ein. Der Unabhängige Bundesasylsenat wies die Berufung mit Bescheid vom 21.11.2005 gem. § 7 AsylG 1997 ab und sprach gem. § 8 AsylG 1997 aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF nach Georgien zulässig ist. Gleichzeitig wurde die Ausweisung des BF nach Georgien ausgesprochen. Dieser Bescheid erwuchs am 23.11.2005 in Rechtskraft.

2. Am 12.10.2005 verurteilte ein Bezirksgericht den BF wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls gem. §§ 15 iVm 127 Strafgesetzbuch - StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 Wochen, welche unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

3. Am 07.12.2005 wurde gem. § 61 Abs. 1 FrG iVm § 57 Abs 1 AVG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und der Abschiebung zum zweiten Mal Schubhaft gegen den BF angeordnet. Der BF wurde jedoch nicht aufgegriffen und daher erging am 16.01.2006 aus denselben Gründen neuerlich und zum dritten Mal ein Schubhaftbescheid gegen den BF. Der BF wurde daraufhin am 01.02.2006 festgenommen und nach einer ärztlichen Untersuchung für haftfähig erklärt. Im amtsärztlichen Befund einer Bundespolizeidirektion wurden die Vorerkrankungen des BF, nämlich Tuberkulose, Hepatitis B und C und eine Substitutionstherapie festgehalten.

Am 06.02.2006 wurde der BF wegen Haftunfähigkeit aus der Schubhaft entlassen.

4. Am 09.06.2006 wurde das Bundesministerium für Inneres von den Behörden in Georgien darüber informiert, dass die vom BF angegebene Identität in Georgien überprüft und nicht festgestellt werden konnte.

5. Am 08.09.2006 wurde der BF von einem Landesgericht wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, wovon ein Teil von sechs Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, rechtskräftig verurteilt. Weiters wurde die bedingte Strafnachsicht des Urteils vom 12.10.2005 widerrufen.

6. Vom 26.10.2006 bis 30.10.2006 befand sich der BF in einem Krankenhaus in stationärer Behandlung.

7. Mit Bescheid einer Bundespolizeidirektion vom 03.02.2007 wurde gegen den BF gem § 62 Abs. 1 iVm Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein unbefristetes Rückkehrverbot erlassen und die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen diesen Bescheid ausgeschlossen.

8. Am 24.01.2008 wurde gem. § 76 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG zur Sicherung der Abschiebung Schubhaft über den BF verhängt. Bereits am nächsten Tag wurde der BF wieder aus der Schubhaft entlassen, weil für den BF definitiv kein Heimreisezertifikat erlangt werden könne, weil die georgische Botschaft den BF nicht identifizieren könne und somit der Sicherungsgrund wegfallen sei. Außerdem sei der BF an Hepatitis A und C erkrankt und sei unmittelbar nach der Schubhaftnahme in Hungerstreik getreten. Laut Mitteilung des zuständigen Amtsarztes sei erfahrungsgemäß trotz medikamentöser Behandlung des BF seine Entlassung wegen Haftungfähigkeit in kurzer Zeit zu erwarten.

9. In weiterer Folge ergingen mehrere Ladungsbescheide durch eine Bundespolizeidirektion. Am 26.06.2008 kam es zu einer niederschriftlichen Einvernahme, bei welcher der BF aufgefordert wurde, die georgische Botschaft aufzusuchen, um seine Identität zu klären bzw ein Reisedokument zu erlangen. Aufgrund seiner Krankheit und der aufrechten Meldung wurde von der Verhängung der Schubhaft und der Verhängung eines gelinderen Mittels abgesehen. Der BF gab an, ledig und für niemanden sorgepflichtig zu sein. Seine Familienangehörigen befänden sich alle in Georgien. Er gab weiters an, in Österreich keiner Beschäftigung nachzugehen, aber sozialversichert und in Behandlung in einem Spital zu sein. Dem BF wurde für die Erbringung der ihm aufgetragenen Leistung eine Frist von vier Wochen eingeräumt.

Der BF ließ den folgenden Termin verstreichen und brachte am 28.08.2008 bei einer Bundespolizeidirektion vor, bei der georgischen Botschaft gewesen zu sein, aber keine Bestätigung erhalten zu haben. Er konnte weder einen Reisepass, noch andere Dokumente über seine Identität vorlegen und gab an, einen weiteren (zweiten) Asylantrag stellen zu wollen.

10. Am 28.08.2008 stellte der BF einen zweiten Asylantrag. Dem BF wurde am 15.09.2008 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache im Sinne des § 68 AVG zurückzuweisen. Am 15.10.2008 wurde der BF dazu erneut niederschriftlich einvernommen. Befragt zu seinem Gesundheitszustand gab er an, der Einvernahme folgen zu können, legte jedoch ärztliche Unterlagen vor, wonach er neben TBC und Hepatitis A und C auch an einer schweren chronischen Depression leide und ihm in Anbetracht der Interferontherapie gegen Hepatitis C auch eine antidepressive Medikation verordnet worden sei.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.10.2008, rechtskräftig seit 12.11.2008, wurde der zweite Antrag des BF auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des Asylgerichtshofs vom 10.12.2008 als verspätet zurückgewiesen.

11. Der BF wurde in den darauffolgenden Monaten mehrfach mittels Ladungsbescheiden zur Sicherung der Ausreise aufgrund der Ausreiseverpflichtung geladen und auch mehrfach wegen unbefugtem Aufenthalt im Bundesgebiet gem. § 120 FPG angezeigt (z.B. am 02.02.2009, 01.05.2009,04.05.2009,16.07.2009,11.09.2010).

12. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 26.05.2009 wurde der BF wegen §§ 15, 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z. 1 StGB und weiterer strafbaren Handlungen zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten, wovon ein Teil von 16 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Weiters wurde die Probezeit des bedingt nachgesehenen Strafteils der Verurteilung vom 08.09.2006 auf fünf Jahre verlängert.

Mit Urteil vom 04.11.2010 bestätigte ein Oberlandesgericht dieses Urteil und gab der Berufung des BF nicht Folge. Das Urteil wurde schließlich auch durch den Obersten Gerichtshof bestätigt.

13. Am 04.04.2011 stellte der BF einen Folgeantrag gem. § 2 Abs. 1 Z. 23 AsylG 2005. Dem BF wurde am 08.04.2011 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag wegen entschiedener Sache iSd § 68 AVG zurückzuweisen und dass er sich im Abstand von 72 Stunden bei einer bestimmten Polizeiinspektion zu melden habe. Der BF wurde zu seinem Antrag am 15.04.2011 einvernommen und erfolgte eine ärztliche Begutachtung am 20.04.2011, bei welcher „Chron. Hepatitis C und B nach intravenösem Dogenkonsum; Zustand nach Interferon Therapie, derzeit nicht wegen Hep. In Behandlung: Zustand nach Tuberkulose, derzeit keine Behandlung erforderlich; STEMI (ST-elevated Myocardial Infarct, d.h. ein Herzinfarkt mit typischer ST-Hebung =transmuraler Infakt) 1/2010, seither Behandlung mit div. Medikamenten; Coronare Herzkrankheit; Hyperlipidämie; Drogensubstitution“ diagnostiziert wurde. Ferner wurde eine depressive Störung nicht ausgeschlossen, wofür Antidepressiva und fachärztliche Kontrollen vorgeschlagen wurden.

Der Folgeantrag wurde am 12.06.2011 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der BF abermals aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 30.06.2011 als unbegründet abgewiesen.

14. Mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom 25.06.2012, rechtskräftig seit 29.06.2012, wurde der BF wegen §§ 15, 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 Wochen, welche unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.

15. Am 29.12.2015 stellte der BF gem. § 55 Abs. 1 AsylG einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK („Aufrechterhaltung des Privat und Familienlebens“) zur Aufenthaltsberechtigung plus, weil Modul eins der Integrationsvereinbarung erfüllt sei. Er legte dafür einen georgischen Identitätsnachweis, einen ärztlichen Brief eines Arztes für Allgemeinmedizin und Familienmedizin über seinen allgemeinen Gesundheitszustand, einen ärztlichen Entlassungsbericht des XXXX , einen Kumulativ-Befund der Privatklinik XXXX und einige weitere ärztliche Dokumente bei.

Dem BF wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) zwei Mal mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 55 AsylG zurückzuweisen, weil er bislang weder ein gültiges Reisedokument noch eine Geburtsurkunde im Original vorgelegt habe. Ihm wurde dafür zwei Mal eine Frist von 14 Tagen für eine Stellungnahme eingeräumt.

Am 15.03.2016 übermittelte der BF seine Geburtsurkunde und seinen Reisepass.

16. Am 06.11.2016 wurde über den BF von einem Landesgericht Untersuchungshaft verhängt. In der Hauptverhandlung vom 23.11.2016 wurde der BF wegen des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit gem. § 89 StGB, des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt gem. §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB, des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB und des Vergehens des unbefugten Schusswaffenbesitzes nach § 50 Abs. 1 Z. 1 WaffG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten verurteilt.

Der BF befand sich daraufhin bis 02.06.2017 in Strafhaft.

17. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 22.02.2017 wurde der Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Abschiebung nach Georgien für zulässig erklärt, ein Einreiseverbot für die Dauer von 7 Jahren erlassen und die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkannt. Der BF hat diesen Bescheid nachweislich am 27.02.2017 übernommen und erhob dagegen am 15.03.2017 Beschwerde, welche dem Bundesverwaltungsgericht am 20.03.2017 vorgelegt wurde.

18. Nach seiner Entlassung aus der Strafhaft wurde der BF am 02.06.2017 zum (seit seiner Einreise insgesamt) vierten Mal in Schubhaft genommen. Für den BF lag ein von XXXX bis XXXX gültiges Heimreisezertifikat vor. Aufgrund eines Hungerstreiks des BF erfolgte am 18.06.2017 die Haftentlassung und der geplante Abschiebetermin musste storniert werden.

19. Am 20.06.2017 erging zur Durchführung der Rückkehrentscheidung ein Festnahmeauftrag gegen den BF. Die Abschiebung sei demnach für den 29.06.2017 geplant gewesen, auch ein noch gültiges Heimreisezertifikat lag vor.

20. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.07.2017, dem BF nachweislich zugestellt am 07.07.2017, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 22.02.2017 abgewiesen.

21. Nach seiner Entlassung aus der Schubhaft meldete der BF am 04.07.2017 seinen Hauptwohnsitz im Psychiatrischen Zentrum eines Krankenhauses.

22. Der BF wurde am 23.10.2017 nach einer Personenkontrolle festgenommen und direkt in ein Polizeianhaltezentrum überstellt.

23. Am 24.10.2017 wurde über den BF gem. § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG in der Fassung BGBl. I. Nr. 68/2017 Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass der BF nach seiner Entlassung aus der Schubhaft am 18.06.2017 zwar einen gemeldeten, allerdings nicht bezogenen Wohnsitz gehabt habe und demnach untergetaucht sei. Er habe sich im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates unkooperativ verhalten und habe jahrelang eine Alias-Identität verwendet. Als Beweismittel seien unter anderem medizinische Befunde sowie die Zustimmung des Bundesministeriums für Inneres zur Abschiebung des BF im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand herangezogen worden, Feststellungen zum Gesundheitszustand wurden im angefochtenen Bescheid jedoch nicht getroffen. Es sei von Fluchtgefahr auszugehen, da der BF nicht gewillt sei, das Bundesgebiet freiwillig zu verlassen. Er habe sich geweigert, ein Formblatt zur Erlangung eines Heimreisezertifikates auszufüllen. Der BF sei bereits fünf Mal rechtskräftig verurteilt worden und stelle sein Verhalten eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Der BF verfüge lediglich über einen pro forma gemeldeten Wohnsitz und es sei davon auszugehen, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen werde und weiter untertauche, um seine Abschiebung zu verhindern. Obwohl bereits rechtskräftig negativ über den Antrag des BF auf internationalen Schutz entschieden worden sei, habe er erneut weitere Anträge gestellt, um einer Rückführung in seinen Heimatstaat zu entkommen. Seiner Ausreiseverpflichtung sei der BF nicht nachgekommen. Er habe in Österreich keinerlei familiäre Beziehungen und habe nie eine legale Erwerbstätigkeit ausgeübt, verfüge nicht über ausreichende Existenzmittel und habe keinen gesicherten Wohnsitz.

Die Entscheidung sei verhältnismäßig, da bereits einmal ein Heimreisezertifikat für den BF erlangt habe werden können und seine Abschiebung zeitnah erfolgen könne. Die Sicherung der Abschiebung sei erforderlich, da sich der BF auf Grund seines Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen habe.

Eine finanzielle Sicherheit komme als gelinderes Mittel auf Grund der finanziellen Situation des BF nicht in Betracht. Doch auch mit der Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten und der periodischen Meldeverpflichtung könne nicht das Auslangen gefunden werden, da sich der BF aus seiner letzten Schubhaft durch Hungerstreik freigepresst habe.

Auf Grund des Gesundheitszustandes des BF sei davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen wie die Haftfähigkeit gegeben seien und sei davon auszugehen, dass der BF auch während seiner Anhaltung in Schubhaft haftfähig sein werde. Bezüglich des Gesundheitszustandes werde seitens der Behörde sichergestellt, dass der BF im Zuge der Abschiebung bestens medizinisch versorgt sei, seine medizinischen Befunde seien dem Bundesministerium für Inneres übermittelt worden, woraufhin die Zustimmung zu seiner Abschiebung erteilt worden sei.

Der Bescheid wurde dem BF am selben Tag durch persönliche Übernahme zugestellt.

Die Außerlandesbringung des BF mittels Charter wurde für den 21.11.2017 fixiert. Am 27.10.2017 trat der BF in Hungerstreik. Das Bundesamt erteilte daraufhin am 30.10.2017 die Zustimmung zur Heilbehandlung in einer Justizanstalt gem. § 78 Abs 6 FPG, am 30.10.2017 wurde der BF wegen Haftunfähigkeit aus der Schubhaft entlassen. Er verweigerte trotz mehrfachen Angebotes den Transport und eine weitere Diagnostik in einem Krankenhaus.

24. Am 11.12.2017 erhob der BF durch seine ausgewiesene Rechtsvertreterin Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom 24.10.2017 und brachte im Wesentlichen vor, dass das Bundesamt die ihm obliegende Ermittlungspflicht und damit die einschlägigen Verfahrensvorschriften verletzt habe, weil der BF nicht persönlich befragt worden sei. Der BF hätte bei seiner Einvernahme angeben können, dass er nunmehr bereit sei, freiwillig aus dem Bundesgebiet auszureisen, dies aber aufgrund seines schlechten gesundheitlichen Zustandes seit seiner Entlassung aus der Schubhaft am 18.06.2017 und den damit verbundenen notwendigen regelmäßigen Arztbesuchen nicht habe tun können. Die Schubhaft sei außerdem unverhältnismäßig gewesen, weil der BF seit seiner Entlassung aus der Schubhaft aufrecht gemeldet gewesen sei und sich auch an dieser Meldeadresse aufgehalten habe. Zum Beweis seiner Kooperationsbereitschaft und zum Beweis dafür, dass er nunmehr bereit sei, das Bundesgebiet freiwillig zu verlassen, beantragte der BF die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und seine Einvernahme. Außerdem sei die Anwendung eines gelinderen Mittels in seinem Fall vorrangig gewesen.

Zusammengefasst beantragte der BF die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, den Ausspruch, dass die Anordnung der Schubhaft und die Anhaltung in Schubhaft von 24.10. bis 30.10.2017 in rechtswidriger Weise erfolgt sei sowie den Kostenersatz durch die belangte Behörde gemäß der Verwaltgunsgerichts-Aufwandersatzverordnung inklusive der Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die der BF aufzukommen hatte.

25. Das Bundesamt legte den Verwaltungsakt am 12.12.2017 dem Bundesverwaltungsgericht vor und führte in einer Stellungnahme aus, dass die vom BF mit seiner Beschwerde vorgelegten Befunde keinen Ort und kein Datum auswiesen, weshalb nicht erkennbar sei, ob diese aktuell seien. Weiters sei von der Anwendung gelinderer Mittel abgesehen worden, weil sich der BF bereits am 18.06.2017, trotz seines angeschlagenen Gesundheitszustandes, durch Hungerstreik aus der Schubhaft freigepresst habe. Eine freiwillige Einhaltung eines gelinderen Mittels könne daher nicht erwartet werden. Dies umso mehr, als der BF dieses Verhalten bei seiner Schubhaftnahme am 24.10.2017 wiederholt habe. Das Bundesamt beantragte die Beschwerde abzuweisen und den BF zum Kostenersatz zu verpflichten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang

1.1. Der unter I.1. bis I.25. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

1.2. Der angefochtene Bescheid enthält keinerlei Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF.

1.3. Im angefochtenen Bescheid wird festgestellt, dass sich der BF an seiner Meldeadresse nicht aufhalte. Worauf sich diese Feststellung stützt, wird nicht ausgeführt. Der BF war seit 04.07.2017 an jener Meldeadresse gemeldet, an der er auch im Zeitpunkt der Anordnung der verfahrensgegenständlichen Schubhaft über einen Hauptwohnsitz verfügte. Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.07.2017 konnte dem BF an dieser Meldeadresse zugestellt werden.

2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Die Identität des BF steht fest, er ist ein volljähriger georgischer Staatsangehöriger, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Im Zeitpunkt seiner Anhaltung in Schubhaft war er weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2. Der BF wies im Zeitraum seine Anhaltung in Schubhaft folgende Verurteilungen auf:

2.2.1. Mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom 12.10.2005, rechtskräftig am 18.10.2005, wurde der BF nach §§ 15 und 127 StGB zur einer Freiheitsstrafe von vier Wochen, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.

2.2.2. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 08.09.2006, rechtskräftig am 08.09.2006, wurde der BF nach §§ 127 und 130 erster Fall StGB zur einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, wovon ein Teil von sechs Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Gleichzeitig wurde die mit Urteil vom 12.10.2005 gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen.

2.2.3. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 26.05.2009, rechtskräftig am 30.05.2009, wurde der BF nach §§ 15, 144 Abs 1 und 145 Abs 1 Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, wovon ein Teil von 16 Monaten und Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Gleichzeitig wurde die mit Urteil vom 08.09.2006 bestimmte Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

2.2.4. Mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom 25.06.2012, rechtskräftig am 29.06.2012, wurde der BF nach §§ 15 und 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Wochen, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Gleichzeitig wurde die mit Urteil vom 26.05.2009 bestimmte Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

2.2.5. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 23.11.2016, rechtskräftig am 23.11.2016, wurde der BF nach §§ 15, 83 Abs 1 und 84 Abs 2 StGB, nach § 50 Abs 1 Z. 1 Waffengesetz, nach § 89 StGB und nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt.

2.3. Der BF verfügt über einen bis XXXX gültigen georgischen Reisepass. Die georgische Vertretungsbehörde stimme am XXXX der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF zu.

2.4. Der BF ist nach intravenösem Drogenkonsum Hepatitis B und C positiv, er erlitt bereits mehrfach Bandscheibenvorfälle, war aufgrund seiner Opiatabhängigkeit in einer Substitutionsbehandlung, leidet an TBC und hatte bereits zumindest einen Herzinfarkt. Der BF war im Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft am 24.10.2017 haftfähig.

2.5. Der BF wurde von 24.10.2017 bis 30.10.2017 in Schubhaft angehalten.

2.6. Der BF wurde seit 26.06.2017 in der Grundversorgung betreut, nachdem er am 08.11.2016 wegen unbekannten Aufenthaltes aus der Grundversorgung entlassen worden war.

3. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr

3.1. Der BF stellte in Österreich am 17.11.2004, am 28.08.2008 und am 04.04.2011 insgesamt drei Anträge auf internationalen Schutz. Alle drei Anträge wurden vollinhaltlich ab- bzw. zurückgewiesen, alle Entscheidungen waren mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen verbunden, welchen der BF nicht nachkam. Der BF stellte die Asylanträge am 28.08.2018 und am 04.04.2011 zu einem Zeitpunkt, als durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahmen vorlagen. Erst bei seinem letzten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Art 8 EMRK legte der BF einen gültigen georgischen Reisepass, welcher am XXXX ausgestellt wurde, und eine georgische Geburtsurkunde vor. Bei den in den Jahren 2004 und 2008 gestellten Anträgen auf internationalen Schutz gab der BF falsche Identitäten an und legte keine Identitätsnachweise vor. So konnte der BF zunächst auch nicht von den georgischen Behörden identifiziert werden, weshalb auch kein Heimreisezertifikat erlangt werden konnte.

3.2. Der BF musste vor Anordnung der hier zu beurteilenden Anhaltung in Schubhaft zwei Mal – am 06.02.2006 und am 18.06.2017 – wegen Haftunfähigkeit auf Grund von Hungerstreiks aus der Schubhaft entlassen werden.

3.3. Zuletzt wurde gegen den BF mit Bescheid vom 22.02.2017 eine Rückkehrentscheidung getroffen, die Abschiebung nach Georgien für zulässig erklärt und ein auf die Dauer von sieben Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen. Der Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die dagegen erhobene Beschwerde des BF wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.07.2017 als unbegründet abgewiesen. Im Zeitpunkt der Anordnung der hier zu beurteilenden Schubhaft lag eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.4. Vor der hier zu beurteilenden Anordnung der Schubhaft war der BF seit 04.07.2017 in einem Krankenhaus mit Hauptwohnsitz gemeldet. Die Zustellung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.07.2017 erfolgte durch Hinterlegung bei einer Post-Geschäftsstelle am 06.07.2017. Der BF holte das hinterlegte Erkenntnis am 07.07.2017 ab.

3.5. Der BF war in Österreich weder familiär noch sozial verankert. Die Familie des BF lebt in Georgien, in Österreich verfügte er weder über Verwandte noch enge Freunde. Der BF verfügte zwar über eine Meldeadresse, allerdings über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz in Österreich. Er ging während seines gesamten Aufenthaltes in Österreich bis zur Anordnung der hier zu beurteilenden Schubhaft keiner legalen Erwerbstätigkeit nach.

2. Beweiswürdigung:


Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes, in den vorliegenden Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 22.02.2017 betreffend, in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Zentrale Melderegister und in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang

1.1. Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Verfahrensakt des Bundesamtes, dem vorliegenden Akt des Bundesverwaltungsgerichtes und aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 22.02.2017 betreffend.

1.2. Dass im angefochtenen Bescheid keine Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF getroffen wurden, ergibt sich aus der Begründung desselben.

1.3. Worauf sich die Feststellung stützt, dass sich der BF an seiner Meldeadresse nicht aufhielt, wird im angefochtenen Bescheid nicht ausgeführt. Aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen den Bescheid vom 22.02.2017 betreffend ergibt sich vielmehr, dass eine Zustellung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes an den BF an dieser Meldeadresse möglich war, laut Eintragungen im Zentralen Melderegister war der BF seit 04.07.2017 an dieser Meldeadresse gemeldet.

2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Die Feststellungen zur Identität des BF konnten auf Grund der im Verfahrensakt des Bundesamtes einliegenden Kopie des gültigen georgischen Reisepasses des BF getroffen werden. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, finden sich im Akt nicht. Da sämtliche Anträge des BF auf internationalen Schutz rechtskräftig ab- bzw. zurückgewiesen wurden, konnte die Feststellung getroffen werden, dass er weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter war.

2.2. Die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF ergeben sich aus dem Strafregister.

2.3. Die Feststellung, dass der BF über einen gültigen georgischen Reisepass verfügt, ergibt sich aus der im Verwaltungsakt des Bundesamtes erliegenden Kopie dieses Reisepasses, aus welcher ersichtlich ist, dass dieser am XXXX ausgestellt wurde und bis zum XXXX gültig ist. Dass die georgische Vertretungsbehörde der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF zugestimmt hat, ergibt sich aus den diesbezüglichen Eintragungen im Zentralen Fremdenregister.

2.4. Die Feststellungen hinsichtlich der gesundheitlichen Probleme des BF ergeben sich einerseits aus den amtsärztlichen Vermerken aus den jeweiligen Schubhaftdateien des BF sowie andererseits aus den vorgelegten Befunden des BF aus diversen Krankenhäusern (vorläufiger Patientenbrief des XXXX vom 17.08.2005, XXXX vom 12.04.2010, Privatklinik XXXX vom 19.04.2010, Befund XXXX vom 19.01.2010, Befund des Diagnosezentrums XXXX vom 20.12.2011, Röntgenbefund der Radiologie XXXX vom 18.03.2015).

Die Haftunfähigkeit des BF seit 30.10.2017 ergibt sich aus dem Befund und Gutachten eines Amtsarztes vom selben Tag. In der Beschwerde wurden keine Umstände vorgebracht, die auf eine Haftunfähigkeit des BF zum Zeitpunkt seiner Inhaftierung schließen lassen. Das vorgelegte ärztliche Attest lässt kein Ausstellungsdatum erkennen und weicht, soweit leserlich, nicht von dem bereits im Jahr 2015 vorgelegten ärztlichen Brief ab, aus welchem keine Gründe für eine Haftunfähigkeit des BF erkennbar waren. Für die Haftfähigkeit des BF spricht weiteres die Tatsache, dass sich dieser vor seiner Schubhaftnahme am 02.06.2017 bereits vier Monate in Strafhaft befunden hat. Der einzige Grund für die Entlassung am 06.06.2017 war eine Haftunfähigkeit auf Grund eines Hungerstreiks des BF und seine Weigerung, sich in einem Krankenhaus ärztlich behandeln zu lassen.

2.5. Dass der BF von 24.10.2017 bis 30.10.2017 in Schubhaft angehalten wurde, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Eintragungen in der Anhaltedatei.

2.6. Die Feststellungen zur Betreuung des BF in der Grundversorgung ergeben sich aus dem Grundversorgungs-Informationssystem.

3. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr

3.1. Dass der BF am 17.11.2004, am 28.08.2008 und am 29.12.2015 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich gestellt hat, ergibt sich aus den Verwaltungsakten.

Die Feststellung, wonach der BF nach der ersten negativen Entscheidung des Bundesamtes, der Abweisung der Berufung durch den Asylgerichtshof und der Ablehnung der Behandlung der Beschwerde durch den VwGH das Bundesgebiet nicht verlassen hat, ergibt sich einerseits aus dem Zentralen Melderegister und andererseits aus dem Strafregister. Die Verurteilungen des BF erfolgten sowohl während des laufenden ersten Asylverfahrens, als auch nach dem negativen Abschluss des zweiten Asylverfahrens.

Dass der BF auch nach der zweiten negativen Entscheidung des Bundesamtes und der Bestätigung dieser Entscheidung durch den Asylgerichtshof das Bundesgebiet nicht verlassen hat, ergibt sich einerseits aus dem Verfahrensakt des Bundesamtes und andererseits aus diversen Anzeigen wegen Verwaltungsübertretungen nach § 120 FPG, welche erst nach der Entscheidung des Asylgerichtshofes ergingen. Außerdem wurde der BF von einem Landesgericht am 26.05.2009, sohin nach der mit 12.11.2008 rechtskräftigen (zweiten) negativen Entscheidung des Bundesamtes, zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe verurteilt.

Aus dem Verfahrensakt die Beschwerde gegen den negativen Bescheid des Bundesamtes vom 22.02.2017 ergibt sich, dass der BF auch nach der negativen Entscheidung hinsichtlich seines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Art 8 EMRK und der damit verbundenen Rückkehrentscheidung das Bundesgebiet nicht verlassen hat. Vielmehr befand er sich nach seiner Antragstellung mehrere Monate in Strafhaft und presste sich aus der daran anschließenden Schubhaft mittels Hungerstreik frei.

Die Feststellungen, wonach der BF seine wahre Identität verschleierte und mehrmals Aliasidentitäten angab, ergeben sich zum einen aus dem Verwaltungsakt des Bundesamtes und zum anderen aus der Tatsache, dass der BF einen gültigen georgischen Reisepass erst im Jahr 2016, sohin über 10 Jahre nach seiner Einreise in Österreich, den Behörden vorgelegt hat. Weder als der BF seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz im Jahr 2004, noch als er seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz im Jahr 2008 stellte, legte er Dokumente vor, welche seine Identität belegen hätten können. Auch bei seiner Erstantragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Art 8 EMRK legte er keine Dokumente vor. Dies passierte erst, als er zwei Mal vom Bundesamt unter Fristsetzung dazu aufgefordert wurde.

Aus den im Jahr 2016 vorgelegten Dokumenten ergibt sich auch, dass der BF bewusst falsche Angaben zu seiner Identität gemacht hat. Im Zeitpunkt seiner Antragstellungen in den Jahren 2004 und 2008 gab er einen anderen Namen, als auf den vorgelegten Dokumenten ersichtlich, an und unterzeichnete auch mit diesem. Außerdem wurde der BF in einer niederschriftlichen Einvernahme am 26.06.2008 durch das Bundesamt darauf hingewiesen, dass die georgische Botschaft keine Person zu den von ihm angegebenen Daten finden habe können, woraufhin der BF angab, dass seine Daten sicher richtig seien. Auch diese Einvernahme unterzeichnete der BF mit einem anderen Namen, als in seinem später vorgelegten Reisepass ersichtlich.

3.2. Die Feststellung zu den Gründen der Entlassung des BF aus der Schubhaft am 06.02.2006 und 18.06.2017 ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.

3.3. Die Feststellungen zu der mit Bescheid des Bundesamtes vom 22.02.2017 erlassenen Rückkehrentscheidung ergeben sich aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen diesen Bescheid betreffend.

3.4. Die Feststellungen zur Meldeadresse des BF im Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft ergeben sich aus dem Zentralen Melderegister, dass das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.07.2017 dem BF an dieser Adresse zugestellt werden konnte, ergibt sich aus dem diesbezüglichen Gerichtsakt, insbesondere aus dem darin einliegenden Zustellnachweis.

3.5. Die Feststellungen zu den mangelnden familiären Anknüpfungspunkten des BF in Österreich beruhen auf seinen Angaben in den Einvernahmen durch das Bundesamt am 22.11.2004, 28.08.2008 und 29.12.2015. In seinem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Art 8 EMRK am 29.12.2015 machte er keine Angaben zu Familienangehörigen oder zur Integration.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. zu Spruchteil A) – Spruchpunkt I. – Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 lautete in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2017 zum Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Die Anordnung gelinderer Mittel ist in § 77 FPG geregelt.

Gemäß § 77 Abs 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs 2 Z1.

Gemäß § 77 Abs 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gelindere Mittel iSd § 77 FPG sind gem Abs 3 insbesondere die Anordnung,

1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder

3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs 6 FPG hat sich der Fremde zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs 3 Z 2 in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres gem § 77 Abs 7 FPG durch Verordnung festlegen.

Das gelindere Mittel ist gem § 77 Abs 8 FPG mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes lautet:

„§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

3.1.2. Judikatur

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 1 FPG. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Verhängung der Schubhaft über den BF grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich war. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren oder der Abschiebung, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft.

3.1.4. Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Mit der Abschiebung des BF war insofern zu rechnen, als eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorlag und die georgische Vertretungsbehörde der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF bereits zugestimmt hatte.

3.1.5. Das Bundesamt ist erkennbar auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9 FPG vom Vorliegen einer Fluchtgefahr ausgegangen, wobei insbesondere auf den Umstand verwiesen wurde, dass der BF untergetaucht sei und es sich bei seiner Meldeadresse lediglich um eine Scheinmeldung handle. Worauf sich diese Feststellung gründet, wird im angefochtenen Bescheid nicht ausdrücklich angeführt. Insbesondere führte das Bundesamt dazu aus: „Nach Entlassung aus der Schubhaft wegen Hungerstreik am 18.06.2017 hatten Sie zwar einen gemeldeten, allerdings nicht bezogenen Wohnsitz. Sie waren demnach untergetaucht.“ Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass eine Zustellung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.07.2017 an der vom Bundesamt als „pro forma gemeldeten Wohnsitz“ bezeichneten Adresse möglich war, kann die vom Bundesamt zur Meldeadresse des BF getroffene Feststellung nicht mit dem Ergebnis des gerichtlichen Ermittlungsverfahrens in Einklang gebracht werden.

Obwohl das Bundesamt zu Recht von der Erfüllung der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 3 und Z. 9 FPG ausgegangen ist, da eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorlag und der BF in Österreich weder familiär noch sozial oder beruflich verankert war, so wäre bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfs zu berücksichtigen gewesen, dass der BF über eine Meldeadresse verfügte, an der er sich auch aufhielt.

Obwohl ausdrücklich die von einer Justizanstalt übermittelten medizinischen Befunde und ein Schreiben der zuständigen Behörde über die Zustimmung zur Abschiebung des BF in Hinblick auf seinen Gesundheitszustand als Beweismittel in der Begründung des angefochtenen Bescheides angeführt werden, wurden keinerlei Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF getroffen. Demgemäß blieb der tatsächliche Gesundheitszustand des BF sowohl bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Anordnung der Schubhaft sowie bei der Beurteilung, ob mit der Anordnung eines gelinderen Mittels das Auslangen gefunden werden kann, unberücksichtigt. Im vorliegenden Fall wäre jedoch bei der Prüfung beider Voraussetzungen für die Anordnung der Schubhaft zumindest auch dem Umstand Rechnung zu tragen gewesen, dass der BF seinen Hauptwohnsitz in einer Krankenanstalt angemeldet hatte.

Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bewirkt nicht jeder Begründungsmangel Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides sondern nur ein wesentlicher Mangel. Das ist ein solcher, der zur Folge hat, dass die behördliche Entscheidung in ihrer konkreten Gestalt die konkret verhängte Schubhaft nicht zu tragen vermag. Ob ein wesentlicher Begründungsmangel vorliegt, ist stets eine Frage des Einzelfalls (vgl. VwGH vom 05.10.2017, Ro 2017/21/0007).

Im vorliegenden Fall wurde von einem Untertauchen des BF ausgegangen, das mit dem Ergebnis des gerichtlichen Verfahrens nicht in Einklang zu bringen war. Es wurden weder die konkreten Umstände aufgezeigt, die zu dieser Feststellung führten und wurde der BF vor Anordnung der Schubhaft vom Bundesamt auch nicht dazu befragt. Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF wurden im angefochtenen Bescheid nicht getroffen, er wurde dazu vor Anordnung der Schubhaft ebenfalls nicht befragt. Demgemäß blieb der Gesundheitszustand des BF sowohl bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft als auch bei der Beurteilung der Anwendbarkeit eines gelinderen Mittels unberücksichtigt und wurde der Umstand, dass der BF seinen Hauptwohnsitz in einer Krankenanstalt angemeldet hatte, nicht in die Erwägungen der belangten Behörde einbezogen. Insofern vermag der angefochtene Bescheid die angeordnete Schubhaft insgesamt nicht zu rechtfertigen. Es liegt daher ein wesentlicher Begründungsmangel vor, weshalb der angefochtene Bescheid für rechtswidrig zu erklären war.

Auf das weitere Vorbringen in der Beschwerde war daher nicht einzugehen.

3.1.5. War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (VwGH vom 11.06.2013, 2012/21/0114). Die Anhaltung des BF in Schubhaft von 24.10.2017 bis 30.10.2017 war daher rechtswidrig.

3.2. zu Spruchteil A) – Spruchpunkt II. – Kostenersatz

3.2.1. Gemäß § 22a Abs 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (VwGH vom 11.05.2017, Ra 2015/21/0240).

3.2.2. Gemäß § 35 Abs 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs 1 sinngemäß anzuwenden.

3.2.3. Im gegenständlichen Verfahren wurde sowohl gegen den im Spruch genannten Schubhaftbescheid als auch gegen die Anhaltung in Schubhaft Beschwerde erhoben. Der BF beantragte die Verhängung der Schubhaft und Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären. Das Bundesamt beantrage die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Sowohl der BF als auch das Bundesamt haben einen Antrag auf Kostenersatz im Sinne des § 35 VwGVG gestellt.

3.2.4. Da der Beschwerde stattgegeben und sowohl der angefochtene Bescheid als auch die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklärt werden, ist der BF die obsiegende Partei, weshalb er Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang hat. Die Eingabengebühr ist zwar im Katalog der ersatzfähigen Aufwendungen nicht angeführt, sie ist jedoch als ersatzfähig anzusehen, zumal es sich dabe

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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