TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/12 W281 2185597-1

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Veröffentlicht am 12.04.2021
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Entscheidungsdatum

12.04.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs1 Z1
BFA-VG §22a Abs1 Z2
BFA-VG §34 Abs3 Z3
BFA-VG §40 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §35 Abs3

Spruch


W281 2185597-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Rosemarie HALBARTH-KRAWARIK über die über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Sta. Bosnien und Herzegowina, gegen die Anwendung von unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Form von Festnahme am 08.02.2018 und Anhaltung infolge der Festnahme bis 09.02.2018, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Festnahme und Anhaltung wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 1 und 2 iVm § 34 Abs. 3 Z 3 iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag die ordentliche Revision zuzulassen wird als unzulässig zurückgewiesen.

III. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

IV. Der Antrag auf Befreiung von der Eingabengebühr wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Am 08.02.2018 wurde der Beschwerdeführer aufgrund eines Festnahmeauftrages vom 30.01.2018 festgenommen, ihm die Information über die bevorstehende Abschiebung ausgehändigt und er ins Polizeianhaltezentrum eingeliefert.

2. Am 08.02.2018 erhob der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Rechtsvertreterin, RA Mag. Dr. Vera M. WELD, Beschwerde gegen die Festnahme und Anhaltung „in Schubhaft“.

Ausgeführt wurde zusammengefasst, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen Flüchtling handle und sein Asylverfahren noch „offen“ sei. Höchstgerichtlich sei klargestellt, dass es für Festnahme, Schubhaftnahme und Anhaltung in Schubhaft keine gesetzliche Grundlage gebe. Das von der Behörde vorgebrachte Argument, der Beschwerdeführer stelle ein Fluchtrisiko dar sei nicht stichhaltig, er habe sich dem behördlichen Zugriff nicht entzogen. Er sei haftunfähig, da er einen schwachen Allgemeinzustand habe und eine schwere Herzmuskelerkrankung, eine insulinabhängige Zuckerkrankheit und eine schwere Leberzirrhose habe. Zudem stelle sich die Frage, ob die Anordnung der Schubhaft mittels faktischer Amtshandlung überhaupt rechtmäßig sei.

Beantragt wurde ua die Festnahme und Anhaltung für rechtswidrig zu erklären, den bekämpften Bescheid zu beheben, in eventu, die ordentliche Revision zuzulassen, sowie der belangten Behörde aufzutragen, die Verfahrenskosten zu ersetzen; die aufschiebende Wirkung zu gewähren und die sofortige Freilassung und Übergabe an den Sohn des Beschwerdeführers.

Vorgelegt wurde zusätzlich ein Gutachten vom 20.05.2017.

3. Mit Stellungnahme vom 08.02.2018 brachte die belangte Behörde vor, dass der Beschwerdeführer sich nicht in Schubhaft befinde.

Sein Antrag auf internationalen Schutz sei mit Bescheid vom 15.09.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Bosnien und Herzegowina abgewiesen worden; ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Bosnien und Herzegowina für zulässig erklärt worden. Es sei keine Frist für die freiwillige Ausreise erteilt worden und es sei die aufschiebende Wirkung einer Berufung aberkannt worden. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.01.2018 sei die Entscheidung des Bundesamtes bestätigt worden. Der Beschwerdeführer werde am 09.02.2021 abgeschoben.

4. Am 09.02.2018 wurde der Beschwerdeführer nach Bosnien und Herzegowina abgeschoben.

5. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.07.2018 und 07.12.2018 wurde der Beschwerdeführer jeweils aufgefordert, vor dem Hintergrund des rechtskräftigen Erkenntnisses vom 29.01.2018 im Zeitpunkt der Festnahme vom 08.02.2018 zu diesem Sachverhalt innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer kam dieser Aufforderung nicht nach.

6. Am 11.01.2019 übermittelte die ausgewiesene Rechtsvertreterin die Auflösung der Vollmacht.

7. Mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses vom 23.03.2021 wurde das gegenständliche Verfahren der Gerichtsabteilung W281 mit 06.04.2021 neu zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) wurde nicht in Schubhaft, sondern in Verwaltungsverwahrungshaft angehalten.

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der BF führt die im Spruch angeführte Identität, ist nicht österreichischer Staatsbürger und weder Asyl- nicht subsidiär Schutzberechtigter. Er ist Staatsbürger von Bosnien und Herzegowina.

1.2. Zu dem bisherigen Verfahren

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.09.2017, Zl. XXXX , wurde der Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bosnien und Herzegowina abgewiesen; ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Bosnien und Herzegowina für zulässig erklärt. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht erteilt und die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.01.2018, G314 2174687-1/5Z, wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers abgewiesen.

1.3. Zu den Voraussetzungen der Festnahme und Anhaltung in Verwaltungsverwahrungshaft

Am 30.01.2018 wurde eine Buchungsanfrage für einen Flug von Wien nach Sarajevo (AS 125) vermerkt und am 30.01.2018 bestätigt (AS 137).

Am 30.01.2018 wurde ein amtssignierter Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG gegen den BF erlassen (AS 173-177).

Am 30.01.2018 wurde ein amtssignierter Einlieferungsauftrag gegen den BF erlassen (AS 179-181).

Am 30.01.2018 wurde ein amtssignierter Durchsuchungsauftrag gemäß § 35 BFA-VG erlassen (189-191).

Zum Zeitpunkt der Festnahme und Anhaltung lag ein gültiges Reisedokument (Travelling Certificate, 06.02.2018), vor.

Der BF wurde am 08.02.2018 um 09:00 festgenommen (AS 187) und bis 09.02.2018 um 16:30 Uhr in Verwaltungsverwahrungshaft angehalten.

Der BF wurde am 09.02.2018 abgeschoben.

Der BF war hafttauglich. Er hatte während der Anhaltung Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellung zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Akt des Bundesamtes und sind an dieser im gesamten Verfahren auch keine Zweifel gekommen. Es sind keine Ermittlungsergebnisse hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer Asylwerber oder subsidiär Schutzberechtigter wäre.

2.2. Zu dem bisherigen Verfahren

Die Feststellungen zum Asylverfahren, dem Bescheid vom 15.09.2017 und dem mündlich verkündeten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.01.2018, ergeben sich aus dem Gerichtsakt zu G314 2174687-1 und der Stellungnahme des Bundesamtes vom 08.02.2018 (OZ 2).

2.3. Zu den Voraussetzungen der Festnahme und Anhaltung in Verwaltungsverwahrungshaft

Die Feststellungen ergeben sich allesamt aus der Aktenvorlage (OZ 2 bis 4) und den bei den Feststellungen in Klammer angeführten Aktenseiten. Die Anhaltung in Schubhaft am 09.02.2018 bis 16:30 Uhr und die Abschiebung ergeben sich aus dem Abschiebebericht vom 09.02.2018 (OZ 4).

Die Hafttauglichkeit ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes und ist evident, dass der BF in Anhaltung Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung hat. Aus dem mit der Beschwerde vorgelegten Gutachten vom 20.05.2017 von XXXX , Facharzt für Innere Medizin, geht zwar eine schwere Herzmuskelerkrankung, eine insulinabhängige Zuckerkrankheit und eine durch langjährigen Alkoholabusus hervorgerufene Leberzirrhose im ersten Stadium hervor, es geht aber ebenso hervor, dass der BF medikamentös einen kompensierten Zustand hat und ein geregelter Tagesablauf ohne körperliche Anstrengung notwendig ist und der Aufenthalt in einer Haftanstalt unter diesen Voraussetzungen aus internistischer Sicht zumutbar ist. Da aus dem vorgelegten Gutachten die Zumutbarkeit eines Aufenthaltes in einer Haftanstalt hervorgeht und der BF Zugang zu benötigter medizinischer Versorgung auch im Polizeianhaltezentrum hat, war von einer Haftfähigkeit zum Zeitpunkt der Festnahme und Anhaltung auszugehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A) I.

3.1. Zur Rechtslage

3.1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten auszugsweise:

§ 22a, 34, 35 und 40 BFA-VG lauten auszugsweise:

„Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

…“

„Festnahmeauftrag

§ 34. (1) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Fremden anordnen (Festnahmeauftrag), wenn dieser

1.

Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt, oder

2.

sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Fremden auch ohne Erlassung eines Schubhaftbescheides anordnen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vorliegen und

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

der Fremde ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zu eigenen Handen zugestellten Ladung, in der dieses Zwangsmittel angedroht war, nicht Folge geleistet hat oder

2.

der Aufenthalt des Fremden nicht festgestellt werden konnte.

(3) Ein Festnahmeauftrag kann gegen einen Fremden auch dann erlassen werden,

1.

wenn die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 FPG oder zur Anordnung gelinderer Mittel gemäß § 77 Abs. 1 FPG vorliegen und nicht aus anderen Gründen die Vorführung vor das Bundesamt erfolgt;

2.

wenn er seiner Verpflichtung zur Ausreise (§§ 52 Abs. 8 und 70 Abs. 1 FPG) nicht nachgekommen ist;

3.

wenn gegen den Fremden ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll oder

4.

wenn eine aufgrund eines Bescheides gemäß § 46 Abs. 2b FPG erlassene Vollstreckungsverfügung nicht vollzogen werden konnte oder der Fremde ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zu eigenen Handen zugestellten Ladung gemäß § 46 Abs. 2b FPG, in der dieses Zwangsmittel angedroht war, zur Befragung zur Klärung seiner Identität und Herkunft, insbesondere zum Zweck der Einholung einer Bewilligung gemäß § 46 Abs. 2a FPG bei der zuständigen ausländischen Behörde durch die Behörde, nicht Folge geleistet hat.

(4) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Asylwerbers anordnen, wenn er sich dem Verfahren entzogen hat (§ 24 Abs. 1 AsylG 2005).

(5) Der Festnahmeauftrag ergeht in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt; er ist aktenkundig zu machen. Die Anhaltung auf Grund eines Festnahmeauftrages darf 72 Stunden nicht übersteigen und ist nach Durchführung der erforderlichen Verfahrenshandlungen zu beenden.

(6) In den Fällen der Abs. 1 bis 4 ist dem Beteiligten auf sein Verlangen sogleich oder binnen der nächsten 24 Stunden eine Durchschrift des Festnahmeauftrages zuzustellen.

(7) Die Anhaltung eines Fremden, gegen den ein Festnahmeauftrag erlassen wurde, ist dem Bundesamt unverzüglich anzuzeigen. Dieses hat mitzuteilen, ob der Fremde in eine Erstaufnahmestelle oder Regionaldirektion vorzuführen ist.

(8) Ein Festnahmeauftrag ist zu widerrufen, wenn

1.

das Verfahren zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten eingestellt wurde und die Fortsetzung des Verfahrens nicht mehr zulässig ist (§ 24 Abs. 2 AsylG 2005) oder

2.

der Asylwerber aus eigenem dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht seinen Aufenthaltsort bekannt gibt und nicht auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, er werde sich wieder dem Verfahren entziehen.

 

(Anm.: Z 3 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 70/2015)

(9) Das Bundesamt hat die Erlassung und den Widerruf eines Festnahmeauftrags den Landespolizeidirektionen bekannt zu geben.“

§ 35

Durchsuchungsauftrag

§ 35. (1) Ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass sich ein Fremder, gegen den ein Festnahmeauftrag erlassen worden ist oder Schubhaft verhängt werden soll, in bestimmten Räumlichkeiten aufhält, kann das Bundesamt, sofern es zur Durchsetzung des Festnahmeauftrages oder zur Vollstreckung des Schubhaftbescheides erforderlich erscheint, den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes den Auftrag erteilen, die Räumlichkeiten zu betreten und zu durchsuchen.

(2) Der Auftrag gemäß Abs. 1 ergeht in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt. Die erfolgte Durchsuchung ist vom einschreitenden Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes dem Betroffenen auf Verlangen so bald wie möglich, jedenfalls binnen 24 Stunden, schriftlich zu bestätigen.“

„Festnahme

§ 40. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen,

1.

gegen den ein Festnahmeauftrag (§ 34) besteht,

2.

wenn dieser Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt oder

3.

der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, Asylwerber oder Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, zum Zwecke der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen, wenn

1.

dieser Fremde nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist,

2.

gegen diesen eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück des FPG erlassen wurde,

3.

gegen diesen nach § 27 AsylG 2005 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet wurde,

4.

gegen diesen vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück des FPG erlassen wurde oder

5.

auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

(3) In den Fällen der Abs. 1 und 2 kann die Festnahme unterbleiben, wenn gewährleistet ist, dass der Fremde das Bundesgebiet unverzüglich über eine Außengrenze verlässt.

(4) Das Bundesamt ist ohne unnötigen Aufschub über die erfolgte Festnahme zu verständigen. Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen der Abs. 1 Z 2 und 3 und Abs. 2 bis zu 48 Stunden und in den Fällen des Abs. 1 Z 1 bis zu 72 Stunden zulässig; darüber hinaus ist Freiheitsentziehung nur gemäß § 77 Abs. 5 FPG oder in Schubhaft gemäß § 76 FPG möglich. Dem festgenommenen Fremden ist die Vornahme der Festnahme über sein Verlangen schriftlich zu bestätigen.

(5) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung auf Grund eines Festnahmeauftrags gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 einen Antrag auf internationalen Schutz, kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 gelten dabei sinngemäß.

(6) Während der Zulässigkeit der Sicherung der Zurückweisung im Flughafenverfahren sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, zu verhindern, dass ein zurückgewiesener Asylwerber in das Bundesgebiet einreist, soweit es ihm nicht gestattet ist.“

3.2. Zur Judikatur

Die gesonderte Anfechtung eines Festnahmeauftrages kommt jedenfalls nach vollzogener Festnahme schon zur Vermeidung von Doppelgleisigkeiten nicht in Betracht (VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0025); bei der Überprüfung der Festnahme ist allerdings zu prüfen, ob die Festnahme rechtswidrig war, weil der zugrundeliegende Festnahmeauftrag nicht hätte ergehen dürfen oder weil er jedenfalls vor seinem Vollzug zu widerrufen gewesen wäre (VwGH 25.10.2012, 2010/21/0378).

Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen der § 40 Abs. 1 Z 1 gemäß Abs. 4 BFA-VG bis zu 72 Stunden zulässig. Dabei handelt es sich aber – wie bei § 39 FPG (vgl. VwGH 12.09.2013, 2012/21/0204) – um eine Maximalfrist. Auch im Bereich fremdenpolizeilicher Festnahmen ist die Behörde schon aus verfassungsrechtlichen Gründen verpflichtet, die Anhaltedauer so kurz als möglich zu halten und im Interesse einer kurzen Haftdauer die dafür notwendigen und ihr zumutbaren organisatorischen und personellen Maßnahmen zu treffen.

Im Verfahren gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG ist die Frage der Rechtmäßigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme keiner Prüfung zu unterziehen (VwGH 27.03.2007, 2007/21/0019; 31.08.2006, 2004/21/0138), ebenso wenig die Rechtmäßigkeit der Abschiebung. Beachtlich ist vielmehr im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit von Festnahme und Anhaltung, ob die belangte Behörde bei Setzung dieser Maßnahme realistischer Weise mit der tatsächlichen Durchführung der Abschiebung rechnen durfte.

3.3. Zur Festnahme und Anhaltung in Verwaltungsverwahrunghaft

Der BF ist weder Asyl- noch subsidiär Schutzberechtigter und daher ein Fremder im Sinne des § 2 Absatz 4 FPG.

Gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG kann ein Festnahmeauftrag gegen einen Fremden auch dann erlassen werden, wenn gegen den Fremden ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll.

Gegen den BF wurde am 30.01.2018 ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG erlassen. Ein Auftrag zur Abschiebung wurde ebenfalls erlassen (As 221-223).

Zum Zeitpunkt der Festnahme am 08.02.2018 bestand gegen den BF eine durchsetzbare rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme in Form des mündlich verkündeten Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.01.2018. Das Erkenntnis wurde weder mit Revision noch mit Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bekämpft. Wenn in der Beschwerde daher ausgeführt wird, dass das Asylverfahren noch nicht abgeschlossen gewesen sei, entspricht dieses Vorbringen nicht den Tatsachen.

Der BF wurde am 08.02.2018 um 09:00 Uhr gemäß § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG iVm § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG in Vollziehung des am 30.01.2018 erlassenen Festnahmeauftrages festgenommen und in der Folge bis zu ihrer Abschiebung am 09.02.218, 16:30 Uhr, in Verwaltungsverwahrungshaft angehalten. Es besteht daher kein Zweifel, dass die Sicherheitsorgane mit der Festnahme und der Anhaltung der BF bis zur Abschiebung am 09.02.2018 entsprechend den Aufträgen des Bundesamtes handelten (VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0025).

Aus der Argumentation des BF bzw. seiner rechtlichen Vertretung ist daher für die behauptete Rechtswidrigkeit der gesetzten Maßnahmen nichts zu gewinnen. Diese hinderten weder die Erlassung eines Festnahmeauftrages, noch die Anhaltung des BF in Verwaltungsverwahrungshaft. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde wurde der BF zu keinem Zeitpunkt in Schubhaft angehalten, die diesbezüglichen Ausführungen gehen somit ins Leere.

Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG waren somit erfüllt.

Der Beschwerdeführer wurde am 08.02.2018 auf Basis eines Festnahmeauftrags gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG festgenommen. Er befand sich von 08.02.2018, 09:00 Uhr, bis 09.02.2018, 16:30, und somit etwa 30 Stunden in Verwaltungsverwahrungshaft.

§ 40 Abs. 4 BFA-VG besagt, dass die Anhaltung eines Fremden in den Fällen des Abs. 1 Z 1 (Vorliegen eines Festnahmegrundes) bis zu 72 Stunden zulässig ist. Gegen die BF bestand ein aufrechter und auf einen Festnahmegrund gestützter Festnahmeauftrag. Die Anhaltung lag daher innerhalb des gesetzlich normierten Rahmens.

Im Hinblick auf das vorliegende Heimreisezertifikat und die bereits geplante Abschiebung konnte das Bundesamt auch mit der alsbaldigen Durchsetzung der Abschiebung rechnen. Die Dauer der Anhaltung war damit nicht unverhältnismäßig. Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach. Die Festnahme des BF war daher auch notwendig.

Es ist daher der belangten Behörde nicht vorzuwerfen, wenn sie davon ausging, dass die Abschiebung tatsächlich in Frage kam und innerhalb der vorgesehenen Frist bewerkstelligt werden konnte (vgl. zur Schubhaft VwGH 26.09.2007, 2007/21/0253; 23.10.2008, 2006/21/0128; 11.06.2013, 2013/21/0024).

Hinsichtlich der Beschwerde gegen die Festnahme und die darauf gestützte Anhaltung war somit spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Da sich der BF zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr in Verwaltungsverwahrungshaft befindet war über den Antrag auf aufschiebende Wirkung nicht mehr zu entscheiden.

3.5. Zu Spruchunkt A) II.

Mit gegenständlicher Beschwerde (Punkt 3.) stellt der Beschwerdeführer auch den Antrag die ordentliche Revision zuzulassen. Ein solches Antragsrecht auf Zulassung der ordentlichen Revision ist dem Verwaltungsrecht fremd.

Der Antrag war somit als unzulässig zurückzuweisen.

unzulässig zurückzuweisen.

3.6. Zu Spruchunkt A) III.

Im gegenständlichen Verfahren wurde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG bzw. § 22a BFA-VG (Festnahme und Anhaltung) Beschwerde erhoben. Im vorliegenden Verfahren begehrte nur der BF den Ersatz der Verfahrenskosten. Richtet sich die Beschwerde gegen mehre, trennbare Verwaltungsakte, so steht für jeden dieser Verwaltungsakte Kostenersatz zu.

Der BF unterlag mit seinem sämtlichen Begehren, insbesondere der Beschwerde gegen Festnahme und Anhaltung. Es war daher der Antrag auf Kostenbegehen gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abzuweisen.

Die belangte Behörde stellte keinen Antrag auf Kostenersatz. Ihr gebührt daher auch kein Kostenersatz.

3.7. Zu Spruchunkt A) IV.

Der Beschwerdeführer beantragte darüber hinaus die Befreiung von der Eingabengebühr.

Ein solcher Antrag ist jedoch gesetzlich nicht vorgesehen - es gibt dementsprechend keine rechtliche Grundlage für eine solche Befreiung bzw. einen solchen Zuspruch.

Der Antrag war auch nicht als Antrag auf Verfahrenshilfe umzudeuten und so die mangelhafte Stellung dieses Antrages durch einen Verbesserungsauftrag zu sanieren.

§ 13 Abs. 3 AVG dient dem Schutz der Parteien vor Rechtsnachteilen, die ihnen aus Anbringen entstehen können, die aus Unkenntnis der Rechtslage oder infolge eines Versehens mangelhaft sind, soweit die Partei den Mangel nicht erkennbar bewusst herbeigeführt hat (vgl. VwGH 17.2.2015, Ro 2014/01/0036, mwN).

Der BF war durch eine Rechtsanwältin vertreten und ist davon auszugehen, dass einer Rechtsanwältin bekannt ist, wie ein Antrag auf Verfahrenshilfe zu stellen ist. Es liegt daher weder ein Fall der Unkenntnis der Rechtslage oder ein Versehen vor, da Anträge auf Verfahrenshilfe immer gleich zu stellen sind.

Der Antrag auf Befreiung von der Eingabengebühr war daher zurückzuweisen.

3.8. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen war, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. die unter Pkt 3.2. zitierte Judikatur), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung Anhaltung Ausreiseverpflichtung Eingabengebühr Festnahme Festnahmeauftrag Haftfähigkeit Kostenersatz Rückkehrentscheidung Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W281.2185597.1.00

Im RIS seit

09.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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