TE Bvwg Beschluss 2021/4/12 W145 2240090-1

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Veröffentlicht am 12.04.2021
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Entscheidungsdatum

12.04.2021

Norm

ASVG §18a
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W145 2240090-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela HUBER-HENSELER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , VSNR XXXX 80, gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 19.01.2021, AZ HVBA XXXX beschlossen:

A)

Die Beschwerde wird mangels Beschwer zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt (im Folgenden: belangte Behörde) vom 19.01.2021, AZ HVBA- XXXX , wurde dem Antrag von XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin) auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes ( XXXX , geboren am XXXX 2012) auch für den Zeitraum von 01.06.2014 bis 29.02.2016 stattgegeben.

2. Mit Schreiben vom 29.01.2021, eingelangt am 04.02.2021, erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und brachte vor, dass kein Ausschließungsgrund ab 01.03.2016 vorliege, weil aus dem beiliegenden Familienbeihilfebescheid des Finanzamtes XXXX vom 10.09.2020 ersichtlich sei, dass die erhöhte Familienbeihilfe von Juni 2014 bis 2025 gewährt werde.

3. Mit Schreiben vom 01.03.2021 legte die belangte Behörde die verfahrensgegenständliche Rechtssache dem Bundesverwaltungsgericht vor und brachte vor, dass für den Zeitraum ab 01.03.2016 bereits eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes nach § 18a ASVG vorliege, welche mit (rechtskräftigen) Bescheid vom 14.07.2017 festgestellt worden sei. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid wurde darüber hinaus festgestellt, dass auch rückwirkend für den Zeitraum 01.06.2014 bis 29.02.2016 der Anspruch auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes gemäß § 18a bestehe. Es liege, anders als in der Beschwerde behauptet, ab 01.03.2016 kein Ausschließungsgrund für eine Selbstversicherung nach § 18a ASVG vor, sondern sei über diesen Zeitraum bereits in einem früheren Bescheid (14.07.2017) abgesprochen worden. Dem rechtlichen Interesse der Beschwerdeführerin sei daher mit den beiden Bescheiden vom 14.04.2017 und 19.01.2021 vollinhaltlich entsprochen worden, weshalb keine Beschwer vorliege.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Mit Antrag vom 13.12.2019 beantragte die Beschwerdeführerin die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihres behinderten Kindes XXXX , geboren am XXXX 2012, ab 01.08.2014.

1.2. Mit verfahrensgegenständlichen Bescheid der belangten Behörde vom 19.01.2021, AZ HVBA- XXXX , wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege des behinderten Sohnes XXXX für den Zeitraum 01.06.2014 bis 29.02.2016 gemäß § 18a ASVG stattgegeben.

1.3. Mit früher ergangenem rechtskräftigen Bescheid vom 14.07.2017, AZ HVBA- XXXX , hat die belangte Behörde dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 23.02.2017 auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihres behinderten Sohnes XXXX gemäß § 18a ASVG ab 01.03.2016 bereits stattgegeben.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Ausführungen zum Verfahrensgang und den Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Feststellung zu den genannten Bescheiden ergeben sich aus dem Akt.

2.2. Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag, oder wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Nach der Rechtsprechung des EGMR kann eine mündliche Verhandlung in Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK unterbleiben, wenn besondere beziehungsweise außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (vgl. EGMR 05.09.2002, Speil/Österreich, Appl. 42057/98, VwGH 17.09.2009, 2008/07/0015). Derartige außergewöhnliche Umstände hat der EGMR etwa bei Entscheidungen über sozialversicherungsrechtliche Ansprüche, die ausschließlich rechtliche oder in hohem Maße technische Fragen aufwerfen, als gegeben erachtet. Hier kann das Gericht unter Berücksichtigung der Anforderungen an die Verfahrensökonomie und Effektivität von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn der Fall auf Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien als angemessen entschieden werden kann (vgl. EGMR 12.11.2002, Fall Döry, Appl. 28.394/95, Z 37 ff.; EGMR 8.2.2005, Fall Miller Appl. 55.853/00).

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrages von der Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und der Entfall der mündlichen Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1985, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Abl. Nr. 83 vom 30.03.2010, S. 389 entgegenstehen. Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache mehr zu erwarten war und sich der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als hinreichend geklärt darstellte. Die belangte Behörde führte ein ordnungsgemäßes Beweisverfahren durch. Der Sachverhalt war weder in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Es wurden keine Rechts- und Tatfragen aufgeworfen, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte (vgl. ua VwGH 18.06.2012, B 155/12, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität ist). Dem Entfall der mündlichen Verhandlung stehen weder Art. 6 Abs.1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Nach § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend die Pensionsversicherungsanstalt.

§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

In Ermangelung einer entsprechenden Anordnung der Senatszuständigkeit liegt im gegenständlichen Fall Einzelrichterzuständigkeit vor.

3.2. Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. Nr. 33/2013, idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.3. Prüfungsumfang und Entscheidungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts

§ 27 VwGVG legt den Prüfungsumfang fest und beschränkt diesen insoweit als das Verwaltungsgericht (bei Bescheidbeschwerden) prinzipiell (Ausnahme: Unzuständigkeit der Behörde) an das Beschwerdevorbringen gebunden ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 1 zu § 27 VwGVG). Konkret normiert die zitierte Bestimmung: „Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung aufgrund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.“

Die zentrale Regelung der Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte bildet § 28 VwGVG. Die vorliegend relevanten Abs. 1 und 2 dieser Bestimmung lauten wie folgt:

„§ 28 (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.       der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.       die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.“

Gegenständlich steht der maßgebliche Sachverhalt im Sinne des 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat folglich in der Sache selbst zu entscheiden.

3.4. Zu A) Zurückweisung der Beschwerde

Das Recht Beschwerde zu erheben steht nur jenen Parteien zu, deren Rechtsansprüche oder deren rechtliches Interesse durch den Bescheid beeinträchtigt werden können (vgl. VwGH 14.05.1991, 90/05/0242; 02.07.1998, 98/07/0018). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Zulässigkeit des Rechtsmittels der Beschwerde voraus, dass der Beschwerdeführer einen Grund dafür hat, die mit dem angefochtenen Bescheid getroffene Entscheidung der Verwaltungsbehörde zu rügen. Dies ist nicht der Fall, wenn dem Antrag des Beschwerdeführers bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten vollinhaltlich entsprochen wurde (vgl. VwGH 17.09.1991, 91/05/0037; 23.04.1994, 93/02/0283). Beschwerden gegen solche zur Gänze stattgebenden Bescheide sind als unzulässig zurückzuweisen.

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Beschwer Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels. Allein aus den Gründen einer Entscheidung kann im Regelfall eine Beschwer nicht abgleitet werden.

Im vorliegenden Fall wurde dem Begehren der Beschwerdeführerin in den Bescheiden vom 19.01.2021 und vom 14.07.2017 vollinhaltlich entsprochen.

Somit erweist sich die gegenständliche Beschwerde mangels Beschwer als unzulässig (vgl. VwGH 27.11.1972, 883/72; 22.04.1994, 93/02/0283) und war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.5. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

mangelnde Beschwer Rechtsschutzinteresse Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W145.2240090.1.00

Im RIS seit

09.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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