TE Bvwg Beschluss 2021/4/13 W254 2234167-1

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Veröffentlicht am 13.04.2021
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Entscheidungsdatum

13.04.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
SchBeihG 1983 §18
VwGVG §28
VwGVG §7
ZustG §17
ZustG §6

Spruch


W254 2234167-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr.in Tatjana CARDONA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Tirol vom 01.07.2020, Zl. XXXX :

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 7 iVm § 28 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführerin wurde für das Schuljahr 2019/20 eine Schülerbeihilfe in Höhe von € 1.130 zuerkannt.

Mit angefochtenen Bescheid vom 01.07.2020, Zl. XXXX wurde ausgesprochen, dass infolge des vorzeitigen Schulaustritts der Beschwerdeführerin im Schuljahr 2019/20 gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 iVm § 18 Abs. 2 Schülerbeihilfengesetz 1983 einen anteilsmäßigen Anspruch auf Schülerbeihilfe in Höhe von € 678 habe und der darüber hinaus erhaltene Betrag von € 452 bis zum 22.07.2020 zurückzuzahlen sei.

Dieser Bescheid wurde durch Hinterlegung mit Abholfrist beginnend am 06.07.2020 zugestellt. Der Bescheid wurde nicht behoben und an die Behörde retourniert. Daraufhin wurde der Bescheid neuerlich am 03.08.2020 an dieselbe Adresse gesendet und am 05.08.2020 durch Übernahme an den Empfänger zugestellt.

Mit Schreiben vom 10.08.2020, eingelangt am selben Tag bei der Bildungsdirektion Tirol, erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde gegen den gegenständlichen Bescheid. Begründend führte sie aus, dass sie von der Handelsakademie auf ein Abendgymnasium gewechselt sei und es sich daher nicht um einen vorzeitigen Schulaustritt, sondern lediglich um einen Schulwechsel handle. Sie habe nicht gewusst, dass dieser Schulwechsel gemeldet werden müsse, sondern sei davon ausgegangen, dass die Meldung automatisch erfolge. Beigelegt wurde eine Schulbesuchsbestätigung des Bundesgymnasiums, Bundesrealgymnasiums und Wirtschaftskundlichen Bundesrealgymnasiums für Berufstätige für das Schuljahr 2019/20.

Am 19.08.2020 wurde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht von der Bildungsdirektion für Tirol vorgelegt ohne von einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen.

Mit Verspätungsvorhalt des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.02.2021 wurde der Beschwerdeführerin unter Einräumung einer zweiwöchigen Frist zur Stellungnahme mitgeteilt, dass sich ihre am 10.08.2020 eingebrachte Beschwerde – ausgehend von einer Zustellung durch Hinterlegung am 06.07.2020 und einem sich daraus ergebenden Ende der vierwöchigen Beschwerdefrist am 03.08.2020 – als verspätet darstelle.

Mit daraufhin ergangener Stellungnahme vom 02.03.2021 (Postaufgabe am 03.03.2021) führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie den Bescheid vom 06.07.2020 nicht erhalten habe und keine Ahnung davon gehabt habe. Sie habe die Vermutung, dass dieser „Bescheidzettel“ entweder zwischen den Prospekten nicht gesehen worden sei oder dass er in einem falschen Postkasten gelandet sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Bescheid der Bildungsdirektion Tirol wurde nach einem Zustellversuch am 03.07.2020 mit Abholfrist beginnend am 06.07.2020 durch Hinterlegung zugestellt. Der Bescheid wurde an die Adresse XXXX in 6020 Innsbruck adressiert, die im Zentralen Melderegister als Meldeadresse aufscheint. Die Verständigung über die Hinterlegung wurde an der Abgabestelle zurückgelassen.

Die vierwöchige Beschwerdefrist endete am 03.08.2020.

Die Beschwerde wurde am 10.08.2020 erhoben.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakt.

Die Feststellung zur ordnungsgemäßen Zustellung des Bescheides durch Hinterlegung und dazu, dass die Hinterlegungsanzeige in die Abgabeeinrichtung eingelegt wurde, ergibt sich aus dem im Akt einliegenden ausgefüllten Rückschein. Zusätzlich wurde ein Auszug aus dem Zentralen Melderegister eingeholt, aus dem hervorgeht, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Zustellung nur an der Adresse XXXX in 6020 Innsbruck gemeldet war.

Die Beschwerdeführerin hat kein substantiiertes Vorbringen erstattet, das den Feststellungen zur ordnungsgemäßen Zustellung entgegenstehen würde. Zur Begründung der Rechtzeitigkeit der verspätet erhobenen Beschwerden wurde im Wesentlichen lediglich ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin von dem Zustellvorgang keine Kenntnis erlangt habe. Dazu gab sie an, dass sie vermute, dass der Zettel entweder zwischen den Prospekten nicht gesehen worden sei oder dass der Zustellnachweis in einem falschen Postkasten gelandet sei. Wie in der rechtlichen Beurteilung auszuführen sein wird, geht das Vorbingen betreffend den falschen Postkasten jedoch ins Leere, weil der dem Akt inneliegende RSa-Rückschein als Zustellschein eine öffentliche Urkunde darstellt und als solche den vollen Beweis liefert, dass der darin beurkundete Zustellvorgang auch eingehalten wurde. Es wurden keinerlei Beweise oder Begründungen zur Untermauerung dieser Vermutung dargeboten.

Es steht für das Bundesverwaltungsgericht daher zweifelsfrei fest, dass im Zuge des Zustellvorganges am 03.07.2020 eine Hinterlegungsanzeige in die Abgabeeinrichtung der Beschwerdeführerin eingelegt wurde und der Bescheid danach ab dem 06.07.2020 zur Abholung beim zuständigen Postamt bereitlag.

Die Beschwerdeführerin hat kein über die bloße Vermutung hinausgehendes Vorbringen erstattet und keine tauglichen Bescheinigungsmittel für ihre Vermutungen vorgelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1.    Zu den gesetzlichen Grundlagen:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Den angefochtenen Bescheid bekämpfte die BF mit Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG an das Bundesverwaltungsgericht. Die gesetzlich vorgesehene Frist zur Erhebung einer solchen Beschwerde beträgt gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG vier Wochen. Die Frist wurde auch in der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides korrekt wiedergegeben.

§ 17 Zustellgesetz (ZustG) lautet:

"(1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.

Gemäß § 6 Zustellgesetz löst die neuerliche Zustellung des gleichen Dokuments keine Rechtswirkungen aus, daher ist unerheblich, dass der Bescheid ein zweites Mal zugestellt wurde.

3.2.    Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes ist unter Zugrundelegung der rechtlichen Bestimmungen daher Folgendes auszuführen:

Bei der Frage nach der Rechtzeitigkeit einer Beschwerde handelt es sich um eine Rechtsfrage, die von der Rechtsmittelinstanz aufgrund der von ihr von Amts wegen und nach Gewährung von Parteiengehör festgestellten Tatsachen zu entscheiden ist (VwGH 18.02.2015, 2012/10/0229).

Der Lauf der Beschwerdefrist beginnt gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird, im vorliegenden Fall daher am 06.07.2020. Die vierwöchige Rechtsmittelfrist endete daher am 03.08.2020.

Zu den von der Beschwerdeführerin in der Stellungnahme geäußerten Vermutungen zum Verspätungsvorhalt:

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass es sich beim Postrückschein im Sinne des § 22 ZustG um eine öffentliche Urkunde handelt, die nach § 47 AVG iVm § 292 ZPO die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich hat. Nach dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist diese Vermutung zwar widerlegbar, wobei die gegenteilige Behauptung entsprechend zu begründen ist und Beweise dafür anzuführen sind, die die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet erscheinen lassen. Demnach ist die reine Behauptung, dass eine Hinterlegungsanzeige nicht vorgefunden worden sei, nicht ausreichend, die Angabe des Postzustellers im Rückschein, es sei eine solche Anzeige im Hausbrieffach des Empfängers eingelegt worden, zu entkräften (vgl. VwGH 08.09.2015, Ra 2015/02/0156; 11.11.2015, Ra 2015/04/0086, je mwN). Behauptet jemand, es liege ein Zustellmangel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, welche die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet sind (VwGH vom 19.12.2012, 2012/06/0094).

Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt lediglich angegeben, dass sie keine Kenntnis von der Hinterlegungsanzeige habe, die Vermutung, dass diese in einem anderen Postkasten gelandet sei, aber mit keinerlei Begründungen oder Bescheinigungsmitteln untermauert.

Zur alternativen Vermutung der Beschwerdeführerin, dass die Hinterlegungsanzeige zwischen den Prospekten nicht gesehen worden sei, hat keinen Einfluss auf die ordnungsgemäße Zustellung, zumal gemäß § 17 Abs. 4 Zustellgesetz die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung auch dann gültig ist, wenn die Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.

Erfolgte die Zustellung ordnungsgemäß, hat aber die Partei dennoch keine Kenntnis von diesem Zustellvorgang erlangt, kann diese Unkenntnis von der Zustellung eines Schriftstückes - sofern sie nicht auf einem Verschulden beruht, welches den minderen Grad des Versehens übersteigt - geeignet sein, die Wiedereinsetzung zu begründen (vgl. z.B. VwGH 5.12.2018, Ra 2018/20/0441; 12.7.2019, Ra 2018/14/0240, je mwN; vgl. auch Deixler-Hübner in Fasching/Konecny³, § 146 ZPO Rz 25 ff).

Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch bereits ausgesprochen, dass nicht von einem bloß minderen Grad des Versehens gesprochen werden kann, wenn die Kenntnisnahme der Partei von der Hinterlegungsanzeige deshalb unterblieben ist, weil diese von ihr oder ihren Mitbewohnern versehentlich mit der Werbepost entsorgt worden sei (VwGH vom 15.12.2006, 2006/04/0236). Daher wäre dieser von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Vermutung über die Unkenntnis des zugestellten Schriftstückes, selbst wenn man sie als Widereinsetzungsantrag deuten würde, jedenfalls der Erfolg zu versagen, da ein solcher Grund gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein minderer Grad des Versehens darstellt.

Die am 10.08.2020 eingebrachte Beschwerde erweist sich somit als verspätet, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen ist dem Bundesverwaltungsgericht aufgrund der Verspätung verwehrt (vgl. VwGH 16.11.2005, 2004/08/0117).

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen. Die BF hat keine mündliche Verhandlung beantragt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Rechtsmittelfrist Verspätung Zurückweisung Zustellung durch Hinterlegung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W254.2234167.1.00

Im RIS seit

08.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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