TE Vfgh Erkenntnis 1995/6/16 V28/95, V29/95

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Veröffentlicht am 16.06.1995
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Rottenmann vom 28.06.90
Stmk RaumOG 1974 §1 Abs2
Stmk RaumOG 1974 §4
Stmk RaumOG 1974 §23 Abs15

Leitsatz

Keine Gesetzwidrigkeit eines Flächenwidmungsplanes hinsichtlich der Widmung einer Grundfläche als "allgemeines Wohngebiet" trotz eines auf diesem Gebiet bestehenden Tischlereibetriebes angesichts des dem Gesetz entsprechenden Zieles des Verordnungsgebers der künftigen Verwendung der Grundfläche als Wohngebiet

Spruch

Der mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 28. Juni 1990, GZ 03 - 10 R 20 - 90/61, genehmigte Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Rottenmann wird nicht als gesetzwidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Mit dem im Gemeindeinstanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Rottenmann vom 20. Mai 1992 wurde der ÖWGES Ö W reg.Gen.m.b.H. die Widmungsbewilligung für die Grundstücke Nr. 1715/5 und 2201/1 der KG Rottenmann zwecks Schaffung von Bauplätzen für die Errichtung von zwei Mehrfamilienwohnhäusern mit 21 Wohneinheiten und einer Tiefgarage für 22 PKW erteilt.

Der Gemeinderat erteilte in der Folge, nämlich mit dem im Instanzenzug erflossenen Bescheid vom 10. Juli 1992, der ÖWGES auch die entsprechende Baubewilligung für die Errichtung der genannten Objekte auf dem GSt.Nr. 1715/5.

Die Steiermärkische Landesregierung wies mit Bescheiden vom 12. August 1992 und vom 4. September 1992 die von M und A T sowie der Firma M T - als Eigentümer der westlich an das GSt.Nr. 1715/5 angrenzenden Liegenschaft GSt.Nr. 1715/3, auf der sie eine Tischlerei betreiben - gegen die beiden erwähnten Bescheide des Gemeinderates erhobenen Vorstellungen ab. Den in Ansehung der Widmung der Liegenschaften von den Vorstellungswerbern erhobenen Einwänden begegnete die Landesregierung mit dem Hinweis, daß die in Betracht zu ziehenden Grundstücke im geltenden Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Rottenmann als "allgemeines Wohngebiet" ausgewiesen seien.

b) Gegen diese beiden Vorstellungsbescheide der Steiermärkischen Landesregierung wendet sich die zu

B 1504,1505/92 protokollierte, auf Art144 B-VG gestützte, von M und A T sowie der Firma M T erhobene Beschwerde, in der u.a. die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung (nämlich des Flächenwidmungsplanes Rottenmann) behauptet wird.

Im wesentlichen wird die Beschwerde damit begründet, daß der Flächenwidmungsplan gesetzwidrig sei, weil das Grundstück der beschwerdeführenden Parteien trotz der seit 44 Jahren darauf betriebenen (Groß-)Tischlerei (ebenso wie die Nachbargrundstücke) als "allgemeines Wohngebiet" ausgewiesen ist; richtig wäre die Widmung "Industriegebiet I" gewesen.

2. Aus Anlaß dieser Beschwerde beschloß der Verfassungsgerichtshof am 14. Dezember 1994, gemäß Art139 Abs1 B-VG die Gesetzmäßigkeit des mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 28. Juni 1990, GZ 03 - 10 R 20 - 90/61, genehmigten Flächenwidmungsplanes der Stadtgemeinde Rottenmann von Amts wegen zu prüfen.

Er ging im Einleitungsbeschluß von seinen Erkenntnissen VfSlg. 8280/1978, 10703/1985 und 12468/1990 aus und knüpfte daran für den vorliegenden Fall die folgenden Bedenken:

"Den bisher dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakten ist nun nicht zu entnehmen, ob und (bejahendenfalls) welche Unterlagen dem den Flächenwidmungsplan Rottenmann erlassenden Gemeinderat zur Verfügung standen und welche Überlegungen den Gemeinderat zur Festsetzung und Aufrechterhaltung der Widmung der in Rede stehenden Liegenschaften ungeachtet des Umstandes veranlaßt haben, daß sich einerseits auf dem (als 'allgemeines Wohngebiet' gewidmeten) GSt.Nr. 1715/3 seit Jahrzehnten ein Gewerbebetrieb (von dem anscheinend besondere Lärm- und Geruchsbelästigungen der Nachbarn ausgehen) befindet, und daß andererseits auf dem angrenzenden GSt.Nr. 1715/5 nach der für dieses vorgesehenen Widmung ein größeres Wohngebäude errichtet werden darf, dessen künftigen Bewohner voraussichtlich unter den von der Tischlerei ausgehenden Emissionen leiden werden."

3. Im Verordnungsprüfungsverfahren erstatteten der Gemeinderat der Stadtgemeinde Rottenmann und die Steiermärkische Landesregierung Äußerungen:

a) Äußerung der Stadtgemeinde Rottenmann:

"1)

Mit Kaufvertrag vom 14.10.1977 hat die Stadtgemeinde Rottenmann nachfolgende Grundstücksflächen von den Geschwistern J, G und J S erworben.

1715/1, EZ 1140, im Ausmaß von 19.969 m2

1712/1, EZ 1140, im Ausmaß von  1.543 m2

1714,   EZ 1142, im Ausmaß von    690 m2

1717,   EZ 1142, im Ausmaß von  4.081 m2

Alle Grundstücke liegen in der KG 67511 Rottenmann.

Vom Gemeinderat wurde hiezu angeführt, daß die anzukaufenden Grundstücke einen hohen Wohnungswert und landwirtschaftlichen Nutzwert haben und sich sehr gut als Tauschgrundstücke eignen. Außerdem könnten diese Grundstücke für die Errichtung einer höheren Schule herangezogen werden.

2)

Auch bei der Erstellung des Flächenwidmungsplanes 1.0 im Jahre 1979 wurde die Zielsetzung - die Schaffung eines Standortes für eine höhere technische Lehranstalt - im örtlichen Entwicklungskonzept festgelegt und im Flächenwidmungsplan durch Ausweisung entsprechender Flächen (Grundstück Nr. 1715/1, 1712/1, 1714, 1717) als Vorbehaltsfläche für Schule - HTL berücksichtigt. Die in Verbindung mit der Schaffung des Schulstandortes stehenden Festlegungen des örtlichen Entwicklungskonzeptes werden wie folgt zitiert:

Seite 5:

Das Angebot an zentralen Funktionen soll erweitert und ausgebaut werden. Z.B.: Krankenhausausbau, zusätzliche Ärzte gewinnen, höhere technische Schule, polytechnische Schule usw.

Seite 15:

Ausweisung von Bauland für die Errichtung einer höheren technischen Schule bzw. eine polytechnische Schule im Bereich nördlich der Bahn in der Nähe von Villmannsdorf.

Seite 20:

Bau einer höheren technischen Schule sowie einer polytechnischen Schule im Bereich nördlich der Bahn ....

Unter Berücksichtigung der im öffentlichen Interesse gelegenen Zielsetzung der Gemeinde wurde auch das an den vorgesehenen Schulstandort angrenzende Areal der Fa. T als Wohngebiet festgelegt.

Ergänzend dazu wird festgestellt, daß die Stadtgemeinde Rottenmann im Zuge der Erstellung des Flächenwidmungsplanes 1.0 auch Vorsorge getroffen hat für Standorte zwecks Betriebsansiedlungen und zwar im Osten des Stadtgebietes, im Ortsbereich Bärndorf und im Bereich des unmittelbaren Stadtgebietes (...). Die Erstellung des Flächenwidmungsplanes 1.0 erfolgte unter größtmöglicher Bürgerbeteiligung und Einhaltung und der nach dem Raumordnungsgesetz vorgegebenen Verfahrensschritte. Es ist in diesem Zusammenhang anzumerken, daß seitens der Familie T gegen die Ausweisung ihres Betriebsareales als Wohngebiet kein Einwand erhoben wurde. Der Flächenwidmungsplan 1.0 erlangte mit 11. Jänner 1983 Rechtswirksamkeit.

3)

Auch im Zuge der Erstellung des Flächenwidmungsplanes 2.0 (Revision) in den Jahren 1988/90 wurde die Zielsetzung der Stadtgemeinde Rottenmann betreffend die Begründung einer HTL beibehalten und ist im örtlichen Entwicklungskonzept (...) und auch im Flächenwidmungsplan berücksichtigt. Auch hier wurde das Areal T als Wohngebiet ausgewiesen. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, daß die Wohnbaulandfestlegung für das Betriebsgelände T seitens der Stadtgemeinde unter Berücksichtigung des §23 Abs15 des StROG 1974 erfolgte, wonach bei bestehenden Betrieben und Wohngebieten bauliche Maßnahmen zulässig sind, wenn sie mit keiner Erweiterung der bestehenden Nutzung oder mit einer Verringerung der Emissionen verbunden sind. Dadurch war sichergestellt, daß eine Weiterführung des Tischlereibetriebes auch im Wohngebiet möglich ist.

Aufgrund des zwischenzeitlich erfolgten Baues der A/9 Pyhrnautobahn hat sich im Ortsbereich Strechau ergänzend zu den im östlichen Stadtrand gelegenen Industrie- und Gewerbegebieten ebenfalls die Möglichkeit zur Ausweisung von Industrie- und Gewerbegebietsflächen ergeben. Im Bereich Tischlerei T/Standort HTL war aus räumlich funktionellen Überlegungen eine Industrie- und Gewerbegebietsausweisung nie vorgesehen, da die Standorte im Osten und Westen des Stadtgebietes als Industriestandort bevorzugt wurden und aufgrund ihrer Lage an den überregionalen Verkehrsträger der Autobahn abseits von Wohngebieten besser geeignet sind. Auch während der Auflage des Flächenwidmungsplanrevisionsentwurfes 2.0 wurde von der Familie T kein Einwand gegen die Ausweisung ihres Betriebsareales als Wohnbauland erhoben. Es wurde von Frau A T lediglich die Ausweisung eines im Bereich ihres Heimathauses gelegenen Grundstückes im Ortsteil Strechau als Wohnbauland begehrt.

4)

Mit Bescheid des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung, RA 3, vom 19.2.1990, wurde den ÖBB die Bewilligung zum zweigleisigen Ausbau der Bahnstrecke erteilt. Durch die geplanten Baumaßnahmen wurde die als Schulgrundstück bezeichnete Grundstücksfläche durchschnitten und hat nunmehr lediglich ein Ausmaß von 11.483 m2. Es war somit für die Errichtung einer HTL und angeschlossenem Internat von der Größe her nicht mehr geeignet. Um das in bester Wohnlage gelegene Grundstück verwerten zu können und auch um der Zielsetzung der Gemeinde betreffend die Realisierung eines Schulstandortes nachzukommen, wurde mit der Ö W (ÖWGES) in Graz eine Tauschvereinbarung abgeschlossen. Diese Tauschvereinbarung sieht vor, daß auf dem ehemaligen Schulgrundstück rund 40 Wohnungen gebaut werden. Die Stadtgemeinde erhielt dafür ein Grundstück in Tallage für die Errichtung eines Handelsbetriebes. Um die vorgesehene Errichtung einer höheren Schule realisieren zu können, wurde von der Stadtgemeinde im Bereich des sogenannten Lebzelterweges eine Grundstücksfläche im Ausmaß von 15.503 m2 angekauft und im Flächenwidmungsplan nach einem Änderungsverfahren (2.03) als allgemeines Wohngebiet (Schule) ausgewiesen.

Wie aus dem vorangeführten Planungsablauf erkennbar, war seitens der Stadtgemeinde nie daran gedacht, im gegenständlichen Bereich eine betriebliche Nutzung weiter zu entwickeln. Vielmehr sollte die durch die Trassenverlegung der ÖBB noch bessere Wohnqualität durch Wohnbebauung ausgenutzt werden und wurde zu diesem Zweck u.a. auch die im westlichen Anschluß an das Areal T befindliche Grundfläche im Zuge der Flächenwidmungsplanänderung 2.08 ebenfalls als Baulandkategorie 'allgemeines Wohngebiet' festgelegt. Auch in diesem Flächenwidmungsplanänderungsverfahren wurde von der Familie T kein Einwand geltend gemacht. Die Planungsabsicht der Gemeinde zieht sich wie ein roter Faden vom Jahr 1977 bis heute durch und wurden die entsprechenden Festlegungen im Sinne einer planmäßigen vorausschauenden Gestaltung eines Gebietes (getroffen,) um die nachhaltige und bestmögliche Nutzung und Sicherheit des Lebensraumes im Interesse des Gemeinwohles zu gewährleisten. Dabei ist, ausgehend von den gegebenen Strukturverhältnissen, auf die natürlichen Gegebenheiten, auf die Erfordernisse des Umweltschutzes sowie die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung und die freie Entfaltung der Persönlichkeit in der Gemeinschaft Bedacht zu nehmen (§1 ROG).

In Entsprechung der Zielsetzung der Gemeinde wurden zwischenzeitlich zwei Mehrfamilienwohnhäuser auf dem ehemaligen HTL-Grundstück errichtet.

Auf dem neuen sogenannten Schulgrundstück ist die Planung eines Fachhochschulstudienganges mit der Fachrichtung Geomatik im Rahmen der 'Fachhochschule Steiermark' abgeschlossen. Das Projekt einschließlich Lehrpläne und Finanzierung wurde an die zuständigen Stellen des Landes eingereicht. Mit der Realisierung ist in den Jahren 1996/97 zu rechnen.

Auch der vorerwähnte Tauschgrund für einen Handelsbetrieb wurde durch die Errichtung eines sogenannten BILLA-Marktes seiner zugedachten Verwendung zugeführt."

b) Äußerung der Steiermärkischen Landesregierung:

"Unter Hinweis auf die Äußerung der Stadtgemeinde Rottenmann vom 29.03.1995, welche der Steiermärkischen Landesregierung bekanntgegeben wurde und welche inhaltlich ebenfalls zur gegenständlichen Äußerung erhoben wird, darf zunächst chronologisch aus dem Gegenstandsakt 03-324 R 20 und 03-10 R 20 festgehalten werden:

Der erste Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Rottenmann, welcher bereits die vom Verfassungsgerichtshof nunmehr zu überprüfende Ausweisung aufweist, ist am 11.01.1983 rechtswirksam geworden. Der Flächenwidmungsplan 2.0, der den gegenständlichen Bereich im wesentlich identisch von der Baulandkategorie her ausweist, ist am 17.07.1990 rechtswirksam geworden.

Die Beschwerde der Firma T bzw. der Eheleute T wird bezüglich der Rechtswidrigkeit des Flächenwidmungsplanes der Stadtgemeinde Rottenmann damit begründet, weil das in Rede stehende Grundstück trotz der seit 44 Jahren darauf betriebenen (Groß)Tischlerei als Allgemeines Wohngebiet ausgewiesen sei, wobei die Widmung Industriegebiet I richtig gewesen wäre. Der Hohe Verfassungsgerichtshof hat seinen Beschluß auf Überprüfung der Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes der Stadtgemeinde Rottenmann vom 14.12.1994 dahin präzisiert, als sowohl die für das Grundstück 1715/5 (Grundstück der mitbeteiligten Partei ÖWGES) bestehende Widmung als auch die Widmung der den Beschwerdeführern gehörenden Nachbarliegenschaft zu überprüfen wäre. Als Begründung führt der Hohe Verfassungsgerichtshof u.a. das Altmünster-Erkenntnis VfSlg. 10703/1985 sowie VfSlg. 8.280/1978 betreffend die Nachvollziehbarkeit der Gesetzmäßigkeit von Verordnungen an.

Die belangte Behörde ist aus nachfolgenden Gründen der Ansicht, daß die bekämpfte Verordnung gesetzmäßig zustande gekommen ist und die raumplanerischen Gründe nachvollziehbar sind:

Wie aus der Äußerung der Stadtgemeinde Rottenmann zweifelsfrei hervorgeht, hat die Stadtgemeinde bereits im Jahre 1977 die Grundstücke 1715/1 und andere der KG Rottenmann auch zum Zwecke angekauft, daß auf diesen Grundstücken eine höhere Schule nämlich eine sogenannte höhere technische Lehranstalt errichtet werden sollte, wobei auch der hohe Wohnungswert im Gemeinderatsbeschluß angeführt ist. In Befolgung dieser Zielsetzung hat die Stadtgemeinde Rottenmann bereits im Flächenwidmungsplan 1.0 im Örtlichen Entwicklungskonzept auf den Seiten 5, 15 und 20 nachvollziehbar die Errichtung einer höheren technischen Schule im Bereich nördlich der Bahn festgelegt. Zu diesem Zwecke wurden von der Stadtgemeinde Rottenmann die vorgenannten Grundstücke und das angrenzende Areal der Firma T als Allgemeines Wohngebiet festgelegt. Die Stadtgemeinde hat im übrigen zur Vorsorge von Gewerbe- und Industriegebietsflächen im Osten der Stadt, vor allem im Bereich des ehemaligen Geländes der Firma B, größere Flächen als Industrie- und Gewerbegebiet ausgewiesen (siehe Flächenwidmungsplan 1.0 und Örtliches Entwicklungskonzept

1. Fassung laut Vorlage der mitbelangten Behörde). Die Stadtgemeinde Rottenmann hat daher seinerzeit nach ha. Ansicht in wohlüberlegter Abwägung verschiedener Planungsinteressen sich für die gesetzmäßig vorgesehene Ausweisung eines Allgemeinen Wohngebietes nach §23 Abs4 litb des ROG in der damals anzuwendenden Fassung entschieden, wobei der Betrieb T offensichtlich eingefroren werden sollte. Die Firma T hat im übrigen zum ersten Flächenwidmungsplan keine Einwendung erhoben.

Auch bei der Erstellung des Flächenwidmungsplanes 2.0, welcher entwurfsmäßig in der Zeit vom 04.07. - 30.08.1989 zur Einsichtnahme auflag, haben die Beschwerdeführer keine Einwendungen diesbezüglich erhoben. Lediglich eine Einwendung betreffend Wohnbauland im Ortsteil Strechau wurde von Frau A T erhoben. Im mit bekämpftem Bescheid vom 28.06.1990, GZ.: 03-10 R 20 - 90/62, genehmigten und in der Folge rechtswirksamen Flächenwidmungsplan wurden die vorgenannten Grundstücke und das Areal T als Allgemeines Wohngebiet in Verfolgung der bisherigen Planungsziele ausgewiesen. Bezüglich der notwendigen Vorsorge für Industrie- und Gewerbegebiete hat die Stadtgemeinde Rottenmann nicht nur jene Flächen im Osten des Stadtgebietes wie im Flächenwidmungsplan 1.0 sondern auch Restflächen zwischen Bundesstraße und Pyhrnautobahn als neue großflächige Industrie- und Gewerbegebietsflächen zur Ausweisung gebracht. Nachdem im Jahre 1990 der ÖBB im gegenständlichen Bereich die Bewilligung zum zweigleisigen Ausbau der Bahnstrecke erteilt worden war, ergab sich durch die Baumaßnahmen eine Verringerung des verbaubaren Ausmaßes und damit eine mangelnde Eignung für die Errichtung einer HTL. Im Sinne der Zielvorgaben der Gemeinde wurde jedoch im Wege des Tausches ein neues Grundstück gefunden und für die bisher dafür gedachten Grundstücke eine Wohnbebauung vorgesehen. Durch den im Zuge des ÖBB-Ausbaues nunmehr erfolgten tieferen Einschnitt der ÖBB-Bahntrasse erscheint aus fachlicher Sicht die Bebauung durch Wohnhäuser raumordnerisch gerechtfertigt und im Rahmen der Ausweisung als Allgemeines Wohngebiet gesetzlich gedeckt.

Nach ha. Ansicht ist die raumplanerische Maßnahme der Stadtgemeinde Rottenmann, die Grundstücke der Beschwerdeführerin und die angrenzenden großflächigen Grundstücke 1715/1 u.a. der KG Rottenmann als Allgemeines Wohngebiet auszuweisen, sehr wohl gesetzmäßig, da die Grundlagen für die Absicht der Gemeinde ausreichend durch Festlegungen des Örtlichen Entwicklungskonzeptes des ersten aber auch des zweiten Flächenwidmungsplanes und durch die Ausweisungen im Flächenwidmungsplan ausreichend determiniert sind. Die zweifelsohne durch die Planungsmaßnahme hervorgerufene Einschränkung und Einfrierung des Betriebes der Beschwerdeführer hat die Gemeinde durch die vorsorgende Maßnahme der Ausweisung großflächiger zukünftiger Gewerbebetriebe im eigenen Bereich ausreichend wettgemacht. Nach ha. Ansicht hat die Stadtgemeinde im Sinne der Judikatur von ihrem Planungsrecht Gebrauch gemacht, aus mehreren gesetzmäßigen Planungsmöglichkeiten eine zwar für den einzelnen subjektiv schlechtere, aber für die Allgemeinheit höherwertigere und durch die nachvollziehbaren Grundlagen gesetzmäßige Planungsmaßnahme gewählt.

Im übrigen wurden auch anläßlich der Flächenwidmungsplanänderung 2.08 im westlichen Anschluß an das Areal der Beschwerdeführer angrenzende Grundflächen als Allgemeines Wohngebiet festgelegt und wurden auch diesbezüglich von den Beschwerdeführern keine Einwendungen geltend gemacht.

Aufgrund der vorangeführten Sach- und Rechtslage wird daher der

A n t r a g

gestellt, der Hohe Verfassungsgerichtshof möge den Flächenwidmungsplan 2.0 der Stadtgemeinde Rottenmann nicht als gesetzwidrig aufheben."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Anlaßbeschwerde ist zulässig. Der Umstand, daß in der Beschwerde als "Beschwerdegegner" irrtümlich das "Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Rechtsabteilung 3" (und nicht "Steiermärkische Landesregierung") angeführt wird, ändert daran nichts (vgl. z.B. VfSlg. 3062/1956, S 370 f.).

Bei der demnach zu treffenden Sachentscheidung wird der Verfassungsgerichtshof den Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Rottenmann anzuwenden haben. Maßgebend sind hiebei sowohl die für das GSt.Nr. 1715/5 (auf dem die beteiligte ÖWGES das Bauwerk errichten will) bestehende Widmung als auch die Widmung der den Beschwerdeführern gehörenden Nachbarliegenschaft.

Um für den Anlaßfall eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtslage herzustellen, würde es zwar ausreichen, die auf die in Rede stehenden Grundstücke bezughabenden Teile des Flächenwidmungsplanes in Prüfung zu ziehen und - falls die dargestellten Bedenken zutreffen - aufzuheben. Diese Begrenzung des Prüfungsumfanges ist aber ausgeschlossen, weil der Flächenwidmungsplan teils keine lesbaren und teils keine den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechenden Parzellenbezeichnungen aufweist und es auch nicht möglich ist, die in Rede stehenden Grundstücke verbal anders zu umschreiben.

Das Verordnungsprüfungsverfahren ist sohin zulässig.

2.a) Die oben zu I.3 zitierten - unwidersprochen gebliebenen - Äußerungen und die vorgelegten umfangreichen Verwaltungsakten, welche die dort enthaltenen Sachverhaltsschilderungen bestätigen, haben die vom Verfassungsgerichtshof geäußerten Bedenken (s.o. I.2) zerstreut:

Die Stadtgemeinde Rottenmann hat bereits in dem (auf einem örtlichen, 1977 begonnenen Entwicklungskonzept aufbauenden) ersten Flächenwidmungsplan 1.0 (der mit 11. Jänner 1983 wirksam wurde) die in Rede stehenden Grundflächen und deren Umgebung teils als Wohngebiet, teils als Vorbehaltsfläche für Schule gewidmet. Das galt auch für das Areal, auf dem sich schon damals die Tischlerei T befand; für Betriebe waren andere Standorte geplant.

Die Absicht, ein Schulgebäude (HTL mit Internat) zu errichten, konnte in der Folge nicht realisiert werden, weil die hiefür vorgesehene Grundfläche durch den (bescheidmäßig bewilligten) Ausbau der Bahnstrecke zu klein geworden war. Daher wurde im neuen Flächenwidmungsplan 2.0 aus dem Jahr 1990 auch diese Grundfläche als "allgemeines Wohngebiet" gewidmet und der ÖWGES die Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern bewilligt (s.o. I.1.a). Die Widmung des Gebietes der Tischlerei T als allgemeines Wohngebiet blieb unverändert.

b) Zwar war bei Erlassung des ersten Flächenwidmungsplanes und bei dessen Änderung dem §1 Abs2 und §4 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. 127, (StROG), zufolge unter anderem auf die "gegebenen Strukturverhältnisse" und auf die (bestehenden) "natürlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Gegebenheiten", also auch auf die zum Zeitpunkt der Planerlassung tatsächlich bestehende Verbauung und Verwendung der Grundstücke Bedacht zu nehmen. Das bedeutet aber nicht, daß der Verordnungsgeber im Wege eines Flächenwidmungsplanes unbedingt den bestehenden Zustand festschreiben muß; vielmehr hat er im Rahmen der vom Raumordnungsgesetzgeber (hier: im StROG) aufgestellten Richtlinien (die, wie erwähnt, vorsehen, daß auch - aber nicht nur - auf die bestehende Verbauung Bedacht zu nehmen ist) sowie im Rahmen der vorgegebenen Ziele die künftig gewünschte Verwendung der einzelnen Grundflächen festzulegen (vgl. z.B. VfSlg. 9318/1982, 11209/1987, 11850/1988, 13502/1993).

Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Rottenmann hat sich im Rahmen des ihm zugebilligten Planungsermessens (vgl. z.B. VfSlg. 10839/1986, 11075/1986, 13502/1993) bewegt, wenn er das gesamte Gebiet als Wohngebiet gewidmet hat. Es war ein dem Gesetz entsprechendes Ziel des Verordnungsgebers, hier keine neuen Betriebe ansiedeln zu lassen und bestehende Betriebe zu bewegen, ihren Standort anderswohin zu verlegen. Der Flächenwidmungsplan sieht für Betriebsansiedlungen an anderen Orten Industrie- und Gewerbegebiete vor; §23 Abs15 StROG idF der Novelle LGBl. 41/1991 läßt bei bestehenden Betrieben in Wohngebieten bauliche Maßnahmen zu, wenn sie mit keiner Erweiterung der bestehenden Nutzung oder mit einer Verringerung der Immissionen verbunden sind. Gegen die Widmung der in Rede stehenden Grundflächen als "allgemeines Wohngebiet" bestehen sohin nicht die im Einleitungsbeschluß dargestellten Bedenken.

Anders als in den Fällen, die den im Einleitungsbeschluß zitierten Erkenntnissen VfSlg. 10703/1985 und 12468/1990 zugrundelagen, kann hier nicht davon gesprochen werden, daß Wohngebiet an Betriebsgebiet heranrückt; vielmehr rückt hier die Wohnverbauung an Grundflächen heran, die ohnehin auch als Wohngebiet gewidmet sind.

Auf Basis der dargestellten Rechtslage haben sich somit aufgrund der Umstände, welche durch die im Verordnungsprüfungsverfahren erstatteten Äußerungen und durch die Einsichtnahme in die nunmehr vorgelegten Unterlagen hervorgekommen sind, die im Einleitungsbeschluß angeführten Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes als unzutreffend erwiesen. Die geprüfte Verordnung war daher nicht als gesetzwidrig aufzuheben.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Raumordnung, Flächenwidmungsplan

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:V28.1995

Dokumentnummer

JFT_10049384_95V00028_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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