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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §12 Abs6 litc idF 1993/817;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 96/08/0216 E 8. September 1998Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der B in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den aufgrund des Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 18. Jänner 1995, Zl. 12/7022/7100 B, betreffend Einstellung des Karenzurlaubsgeldes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Am 4. März 1993 beantragte die Beschwerdeführerin die Gewährung von Karenzurlaubsgeld aus Anlaß der am 4. Dezember 1992 erfolgten Geburt ihres Sohnes. Die Frage 5 im bundeseinheitlich aufgelegten Antragsformular ("Ich war bzw. bin selbständig erwerbstätig.") wurde bejaht. In dem von der Behörde erster Instanz durchgeführten umfangreichen Ermittlungsverfahren wurde bekannt, daß die Beschwerdeführerin handelsrechtliche Geschäftsführerin und Gesellschafterin (80 %) der T-Ges.m.b.H. sei und deshalb seit 23. Juni 1987 bis laufend in der Pensionsversicherung nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz pflichtversichert und ab 27. Februar 1993 bis laufend in der Krankenversicherung nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz pflichtversichert sei. Die Beschwerdeführerin sei weiters seit 1979 bei der R-Ges.m.b.H. gewerberechtliche Geschäftsführerin und als kaufmännische Angestellte nach dem ASVG pflichtversichert. Diese Pflichtversicherung habe wegen des Karenzurlaubes geendet. Aus der Geschäftsführertätigkeit (in beiden Gesellschaften) erziele die Beschwerdeführerin kein Einkommen.
Der Anspruch der Beschwerdeführerin wurde anerkannt und ihr mit Zahlungs- und Verrechnungsauftrag der Behörde erster Instanz Karenzurlaubsgeld vom 27. Februar 1993 bis 4. Dezember 1994 gewährt.
Mit Zahlungs- und Verrechnungsauftrag der Behörde erster Instanz vom 29. Dezember 1993 wurde dieser Bezug mit 1. Jänner 1994 eingestellt und die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom gleichen Tag aufgefordert, zur Klärung ihres Anspruches unter Mitnahme des letzten Umsatz- und Einkommensteuerbescheides der R-Ges.m.b.H. vorzusprechen.
Mit Bescheid vom 9. Mai 1994 stellte die Behörde erster Instanz gemäß § 29 Abs. 1 i.V.m. § 24 Abs. 1, § 26 Abs. 3 lit. b und Abs. 4 lit. d AlVG das der Beschwerdeführerin gewährte Karenzurlaubsgeld ab 1. Jänner 1994 ein. In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß der Gesamtbetrag des Umsatzes im Wirtschaftsjahr 1994 der Firma R-Ges.m.b.H. S 26,300.000,-- und damit der der Beschwerdeführerin anteilsmäßig zuzurechnende Umsatz S 5,260.000,-- betrage. Weiters sei der Beschwerdeführerin bei einer Beteiligung von 80 % an der T-Ges.m.b.H. mit einem Umsatz von S 9,600.000,-- im laufenden Wirtschaftsjahr ein anteilsmäßiger Umsatz von S 7,680.000,-- anzurechnen. Da 11,1 v.H. des der Beschwerdeführerin anteilsmäßig zuzuordnenden Monatsumsatzes der beiden Gesellschaften die Geringfügigkeitsgrenze von monatlich S 3.288,-- übersteige, sei der Bezug des Karenzurlaubsgeldes ab 1. Jänner 1994 einzustellen gewesen.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Darin führte sie aus, daß der Umsatz der Unternehmen keine Auskunft darüber ergebe, welche Beträge an die Beschwerdeführerin auszubezahlen seien. Die beiden Gesellschaften seien ohne Ertrag und es werde daher auch für 1994 kein Gewinn erwartet. Der Umstand, daß die Beschwerdeführerin keinerlei Einkommen besitze, hätte jederzeit durch eine Anfrage beim zuständigen Finanzamt verifiziert werden können.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. In der Begründung dieses Bescheides wurde nach Wiedergabe der anzuwendenden Gesetzesbestimmungen und Zusammenfassung des bisherigen Verwaltungsgeschehens ausgeführt, es sei davon auszugehen, daß die Beschwerdeführerin zu 80 % an der T-Ges.m.b.H. beteiligt und im Firmenbuch eingetragene Geschäftsführerin sei. Weiters sei sie zu 20 % an der R-Ges.m.b.H. beteiligt und gewerberechtliche Geschäftsführerin dieser Firma. Die Beschwerdeführerin habe an Eidesstatt erklärt, daß der Umsatz der T-Ges.m.b.H. im Jahre 1994 voraussichtlich 9,6 Mio. S betragen werde, und der Umsatz der R-Ges.m.b.H. auf 26,3 Mio. S zu schätzen sei. In rechtlicher Hinsicht - so die belangte Behörde weiter - sei davon auszugehen, daß mit der Novelle zum Arbeitslosenversicherungsgesetz per 1. Jänner 1994 für jene, die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung neben einer selbständigen Erwerbstätigkeit beanspruchen wollen, eine neue Maßgröße eingeführt worden sei. Nunmehr sei allein entscheidend, ob 11,1 % des Umsatzes die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG (derzeit monatlich S 3.288,--) übersteige. Da die Beschwerdeführerin an der T-Ges.m.b.H. zu 90 % (richtig wohl: 80 %) beteiligt sei, liege eine selbständige Erwerbstätigkeit vor; § 26 Abs. 4 lit. d AlVG sei anzuwenden und der Beschwerdeführerin der Umsatz der Ges.m.b.H. prozentuell im Ausmaß ihrer Kapitalbeteiligung zuzuordnen. 11,1 % dieser Umsatzanteile lägen jedenfalls über der genannten Geringfügigkeitsgrenze.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid zunächst an ihn gerichteten Beschwerde ab (Beschluß vom 10. Juni 1996, B 605/95) und trat sie über nachträglichen Antrag dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 21. August 1996). In der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Fortbezug des Karenzurlaubsgeldes verletzt. Sie macht - zusammengefaßt - geltend, daß nur der selbständig tätig sei, der für eigene Rechnung und auf eigene Gefahr wirtschafte. Dies treffe aber weder auf den Gesellschafter noch auf den Geschäftsführer einer Ges.m.b.H. zu. Dies verkenne die belangte Behörde, wenn sie ihr die Umsätze der Gesellschaft zurechne. Den in Rede stehenden Umsatz habe nämlich nicht sie, sondern zweifelsfrei die Ges.m.b.H. erzielt. Eine Zuordnung von Umsätzen einer Ges.m.b.H. an deren Gesellschafter sei aber im Arbeitslosenversicherungsgesetz nicht vorgesehen. Es werde daher die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes begehrt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah aber von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 26 Abs. 1 Z. 1 AlVG (i.d.F. BGBl. Nr. 609/1977, Nr. 615/1987 und Nr. 408/1990) haben Anspruch auf Karenzurlaubsgeld Mütter, a) die die Anwartschaft erfüllt haben und b) sich aus Anlaß der Mutterschaft in einem Karenzurlaub bis zum Höchstausmaß von zwei Jahren vom Tag der Geburt des Kindes an gerechnet befinden oder - unter bestimmten weiteren Voraussetzungen - deren Dienst- (Ausbildungs-, Lehr-)verhältnis von ihnen wegen der bevorstehenden oder erfolgten Entbindung oder vom Dienstgeber gelöst oder durch Zeitablauf beendet wurde, und c) deren neugeborenes Kind mit ihnen im selben Haushalt lebt und von ihnen überwiegend selbst gepflegt wird, wobei diese Voraussetzungen nicht erforderlich sind, solange sich das Kind in einer Krankenanstalt in Pflege befindet.
Gemäß § 26 Abs. 3 (i.d.F. BGBl. Nr. 609/1977) haben keinen Anspruch auf Karenzurlaubsgeld u.a. Mütter, die in einem Dienstverhältnis stehen (lit. a), die selbständig erwerbstätig sind (lit. b).
Gemäß § 26 Abs. 4 lit. d AlVG (i.d.F. BGBl. Nr. 817/1993) haben Anspruch auf Karenzurlaubsgeld bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen jedoch u.a. Mütter, die auf andere Art selbständig erwerbstätig sind und daraus im Zeitraum der selbständigen Erwerbstätigkeit einen Umsatz erzielen, von dem 11,1 v.H. die im § 5 Abs. 2 lit. a bis c des allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes angeführten Beträge nicht übersteigt.
Gemäß § 12 Abs. 11 AlVG i.d.F. der am 1. Jänner 1994 in Kraft getretenen Novelle BGBl. Nr. 817/1993 sind bei der Ermittlung des Umsatzes oder des Einkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit für die Beurteilung des Anspruches auf Familienzuschlag (§ 20 Abs. 2) und Karenzurlaubsgeld (§§ 26 Abs. 4 und 27 Abs. 3) die Abs. 9 und 10 und § 36 Abs. 3 lit. A sublit f und lit. B sublit d sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 12 Abs. 9 AlVG i.d.F. dieser Novelle wird der Umsatz (gemäß § 12 Abs. 6 lit. c AlVG) aufgrund des Umsatzsteuerbescheides für das Kalenderjahr, in dem Arbeitslosengeld bezogen wird, festgestellt. Als monatlicher Umsatz gilt bei durchgehender selbständiger Erwerbstätigkeit ein Zwölftel des sich ergebenden Jahresumsatzes, bei nur vorübergehender selbständiger Erwerbstätigkeit der anteilsmäßige Umsatz in den Monaten, in denen selbständige Erwerbstätigkeit vorlag.
Die Anknüpfung des § 12 Abs. 9 AlVG am Umsatzsteuerbescheid bedeutet, daß der Bezieher von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung und jene Person ident sein müssen, die als Unternehmer Adressat des Umsatzsteuerbescheides ist. Eine Rechtsgrundlage dafür, die Umsätze der Ges.m.b.H. für Zwecke der Arbeitslosenversicherung ihrem Geschäftsführer bzw. einem Gesellschafter zuzurechnen, läßt sich dem Arbeitslosenversicherungsgesetz in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung nicht entnehmen (vgl. das zum Anspruch auf Arbeitslosengeld und Notstandshilfe ergangene
hg. Erkenntnis vom 11. Februar 1997, Zl. 96/08/0272). Nach den unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde ist im vorliegenden Fall Adressat des Umsatzsteuerbescheides die Ges.m.b.H., an der die Beschwerdeführerin beteiligt und deren Geschäftsführerin sie ist. Daß die Beschwerdeführerin selbst eine Umsatzsteuerpflicht trifft, wurde nicht festgestellt. Auf dem Boden dieser Feststellungen erweist sich die Einstellung des Karenzurlaubsgeldes der Beschwerdeführerin somit als rechtswidrig.
Der angefochtene Bescheid war aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebühren waren nur für die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderliche Beschwerdeergänzung (dreifach a S 120,--) und den vorgelegten Bescheid (zweifach a S 30,--) zuzuerkennen. Für Stempelgebühren, die im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zu entrichten waren, gebührt kein Ersatz.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996080237.X00Im RIS seit
18.10.2001