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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des M in G, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. Juli 1995, Zl. 4.341.267/3-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG erlassenen Bescheid vom 31. Juli 1995 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der "Jugosl. Föderation" albanischer Nationalität, der am 10. Mai 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am darauffolgenden Tag den Asylantrag gestellt hat, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 2. Juni 1992 ab und sprach aus, Österreich gewähre ihm kein Asyl.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Bereits die Behörde erster Instanz hat die Abweisung des Antrages auf Gewährung von Asyl auf die Bestimmung des § 3 AsylG 1991, BGBl. Nr. 9/1992 i.d.F. BGBl. Nr. 839/1992, sowie in ihrer Begründung auf die Bestimmung des § 1 Z. 1 AsylG 1991 gestützt. Obwohl in der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung der Beschwerdeführer bereits die unrichtige Anwendung der Bestimmungen des AsylG 1991 anstelle jener des Asylgesetzes (1968) rügte, ging die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides darauf nicht ein, vielmehr weiters davon aus, daß (auch) von ihr das AsylG 1991 anzuwenden sei, dies im Hinblick auf die Bestimmung des § 25 Abs. 2 erster Satz dieses Gesetzes, weil das gegenständliche Asylverfahren "am bzw. nach dem 1. Juni 1992 beim Bundesministerium für Inneres anhängig war". Diese Auffassung trifft aber - wie dies der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831, ausführlich dargelegt hat - nicht zu. Gemäß § 25 Abs. 2 erster Satz AsylG sind am 1. Juni 1992 beim Bundesminister für Inneres anhängige Verfahren nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen. Daraus ergibt sich nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung, daß von dieser Regelung ausschließlich Verfahren erfaßt sind, die AM 1. Juni 1992 beim Bundesminister für Inneres anhängig waren. Für alle anderen (zum genannten Zeitpunkt beim Bundesministerium für Inneres nicht anhängigen) Verfahren gilt nach § 25 Abs. 1 erster Satz AsylG 1991 auch weiterhin die bis zum Inkrafttreten des Asylgesetzes 1991 geltende Rechtslage nach dem Asylgesetz (1968). Die belangte Behörde hätte daher in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers erkennen müssen, daß die Behörde erster Instanz (die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark) richtigerweise das Asylgesetz (1968) hätte anwenden müssen.
Wie in dem bereits zitierten hg. Erkenntnis vom 31. März 1993 ausführlich dargelegt, bezieht sich die Anwendung der alten Rechtslage (nach dem AsylG 1968) für Verfahren, die am 1. Juni 1992 in erster Instanz noch anhängig waren, nicht nur auf die Erstbehörde (d.h. die jeweilige Sicherheitsdirektion), sondern auch auf die belangte Behörde, die das (Asyl-)Verfahren zu Ende zu führen (d.h. zu einem rechtskräftigen Abschluß zu bringen) hat. Da jedoch auch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid von der Anwendbarkeit des Asylgesetzes 1991 ausgegangen ist und dessen materielle Bestimmungen angewendet hat, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Diese kann jedoch nur zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, wenn damit eine Rechtsverletzung des Beschwerdeführers verbunden ist. Diese wäre aber nicht gegeben, wenn sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides - trotz Zitierung der Bestimmungen des AsylG 1991 - in rechtlicher Würdigung rechtsrichtig nur mit dem Flüchtlingsbegriff des § 1 Z. 1 AsylG 1991 auseinandergesetzt hätte, weil dieser von jenem des § 1 AsylG (1968) nicht abweicht, sondern mit dem des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention inhaltlich übereinstimmt. Zu bemerken ist weiters, daß die belangte Behörde die Bestimmung des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 bereits in seiner durch die Kundmachung BGBl. Nr. 610/1994 bereinigten Fassung angewendet hat. Insoweit die belangte Behörde den Ausschlußgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 als Begründungselement herangezogen hat, erweist sich dies im oben aufgezeigten Sinn als rechtswidrig, da es einen vergleichbaren Ausschlußtatbestand nach dem Asylgesetz (1968) nicht gegeben hat. Dies würde den Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten verletzen, hätte die belangte Behörde ihren Bescheid zu Recht auf die mangelnde Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers gestützt. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Der Beschwerdeführer hatte bei der Erstvernehmung seinen Asylantrag damit begründet, er hätte im Jänner 1992 zum Militär einrücken sollen, um gegen Kroaten und Bosnier zu kämpfen. Er habe jedoch nicht kämpfen wollen. Er sei deshalb für 10 Tage inhaftiert worden. Seine erste Einberufung habe er im März 1991 erhalten. Er habe dieser Einberufung ebenfalls keine Folge geleistet und sei deshalb für 10 Tage in einem Polizeigefängnis in K inhaftiert gewesen. Eine Bestätigung für diese Haft habe er im Kosovo und werde sie sich schicken lassen und dann im Verfahren vorlegen (was nicht erfolgt ist). Der Grund für seine Wehrdienstverweigerung sei der, daß er nicht gegen seine eigenen Landsleute habe kämpfen wollen. Bei solchen Kampfeinsätzen seien "albanische Staatsbürger" (Anmerkung: offenbar gemeint Bewohner des Kosovo albanischer Nationalität) stets benachteiligt worden, indem sie immer zu gefährlichen Einsätzen herangezogen worden seien. Dies sei somit für ihn der Hauptgrund, warum er der Einberufung nicht Folge geleistet und sein Heimatland verlassen habe.
In seiner gegen den erstinstanzlichen Bescheid gerichteten Berufung führte der Beschwerdeführer dazu ferner aus, die jugoslawische Volksarmee habe sich zur Zeit seiner Wehrdienstverweigerung in einem völkerrechtswidrigen Krieg gegen die nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmung strebenden Völker Ex-Jugoslawiens befunden, eine Weigerung zur Teilnahme an diesen Kämpfen im Sinne des Völkerrechtes sei daher geboten gewesen und eine Bestrafung durch die serbischen Behörden deshalb als Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zu werten. Er habe anläßlich seiner Einvernahme bereits angegeben, daß Albaner derart benachteiligt würden, daß sie immer zu gefährlichen Einsätzen herangezogen worden seien. Der einvernehmende Beamte habe es jedoch unterlassen, diesbezüglich weitere Fragen zu stellen. Es sei im Jahr 1992 im Kosovo allgemein bekannt gewesen, daß Albaner zu besonders gefährlichen Einsätzen herangezogen würden. Es sei weiters bekannt gewesen, daß sehr viele Kosovo-Albaner zum Kriegsdienst eingezogen würden und daß Albaner im Falle der Wehrdienstverweigerung strenger bestraft würden. Er habe bereits durch seine Wehrdienstverweigerung gegen das serbische Militärstrafrecht verstoßen und würde anläßlich seiner Heimkehr auf das strengste bestraft werden. Die Kosovo-Albaner seien schon in ihren Wohnorten gefährdet und jederzeit Opfer von Übergriffen und Mißhandlungen durch die serbischen Behörden, durch die Einziehung zum Militärdienst steigere sich diese Gefahr massiv. Es sei ihm aus zahlreichen, durchaus glaubwürdigen Erzählungen bekannt, daß Kosovo-Albaner oft Opfer von Mißhandlungen durch serbische Soldaten in Kasernen würden und aufgrund des Militärstrafrechtes keine Möglichkeit hätten, sich diesen zu entziehen. Überdies habe er durch seine Flucht die Aufmerksamkeit der serbischen Behörden auf sich gezogen und sich dadurch verstärkt der Gefahr ausgesetzt, mißhandelt zu werden. Zu diesem Vorbringen bot er seine eigene ergänzende Einvernahme an. Bezogen auf den bereits im erstinstanzlichen Bescheid enthaltenen Vorhalt, die Ableistung eines Zivildienstes sei seit Oktober 1993 möglich, gab der Beschwerdeführer an, daß es zwar theoretisch möglich sei, einen Zivildienstantrag zu stellen, diese Möglichkeit jedoch keine praktische Bedeutung habe und auch kein Fall eines zivildienstleistenden Kosovo-Albaners bekannt sei, und bot zum Beweis dafür eine amtswegig vorzunehmende Anfrage im Kosovo an.
Die belangte Behörde kam - ausgehend vom erstinstanzlichen Vorbringen des Beschwerdeführers in unrichtiger Anwendung der Bestimmung des § 20 Abs. 1 AsylG 1991 - rechtlich zu dem Schluß, die Einberufung zur Militärdienstleistung stelle für sich allein keine asylrelevante Verfolgung dar, da die erforderliche Verfolgungsmotivation (des Staates) nicht gegeben sei. Eine unter Umständen auch strenge Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung bzw. Desertion als solche könne Asylgewährung ebenfalls nicht rechtfertigen. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers seien "keine Anhaltspunkte" dafür zu entnehmen gewesen, daß mit seiner Einberufung eine asylrelevante Verfolgung beabsichtigt gewesen wäre, es sei auch nicht glaubwürdig ableitbar, daß er wegen eines in der Genfer Konvention genannten Grundes im Hinblick auf seine Volksgruppenzugehörigkeit eine unterschiedliche Behandlung oder im Falle seiner Aufgreifung und Verurteilung eine differenzierte Bestrafung im Vergleich zu serbischen Volksgruppenangehörigen zu erwarten gehabt hätte. Die belangte Behörde schloß dieser rechtlichen Beurteilung noch weitere generalisierende Ausführungen über die Einberufung zum Wehrdienst, die allgemeine Mobilmachung bzw. deren Ende, sowie Bestimmungen des Militärpflichtgesetzes betreffend Refraktion und Desertion im allgemeinen an. Als Folge der bereits oben aufgezeigten Verkennung der anzuwendenden Rechtslage durch die belangte Behörde verabsäumte diese aber, sich mit seinem gesamten, grundsätzlich relevanten Vorbringen auseinanderzusetzen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, SlgNr. 14.089/A, ausgesprochen hat, kann die Einberufung zum Militärdienst dann asylrechtlich relevant sein, wenn sie aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen eine unterschiedliche Behandlung während des Militärdienstes nachteiligen oder eine drohende allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen gewesen wäre. Die belangte Behörde hat im Hinblick auf die behauptete unterschiedliche Behandlung während des Militärdienstes eine Auseinandersetzung an Hand der im genannten Erkenntnis aufgestellten Kriterien unterlassen. Weiters hat sie nicht dargetan, auf welchen Ermittlungsergebnissen ihre zu der ins Treffen geführten strengeren Bestrafung getroffenen Feststellungen beruhen. Auch hat die belangte Behörde zwar Feststellungen über die von der Gesetzeslage eingeräumte Möglichkeit der Ableistung eines Zivildienstes getroffen, ohne aber Feststellungen über die tatsächliche Vollziehung dieses Gesetzes auch gegenüber Kosovo-Albanern zu treffen.
Da die belangte Behörde ihren Bescheid im aufgezeigten Sinn mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastete, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995010532.X00Im RIS seit
20.11.2000