TE Vwgh Beschluss 2021/5/7 Ra 2020/19/0442

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Veröffentlicht am 07.05.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
B-VG Art133 Abs6 Z2
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §24

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. November 2020, L516 2179137-1/14E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (mitbeteiligte Partei: R R in S), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Mitbeteiligte, ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 19. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, sein Leben sei im Iran in Gefahr, da er Christ werden wolle bzw. da er in Österreich bereits Christ geworden sei.

2        Mit Bescheid vom 27. Oktober 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Mitbeteiligten ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Mitbeteiligte vom Islam abgefallen und aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert sei. Beweiswürdigend führte das BFA unter anderem aus, in einer Gesamtschau sei das Fluchtvorbringen nicht glaubwürdig. Der Mitbeteiligte habe den Iran auch legal und, ohne Probleme mit den Behörden zu haben, per Flugzeug verlassen können. Es werde dem Mitbeteiligten nicht abgesprochen, dass er sich für das Christentum interessiere und Wissen über den Glauben angeeignet habe sowie den Gottesdienst und Veranstaltungen regelmäßig besuche. Die kurze Dauer und die nicht tiefer gehende Beschäftigung mit dem christlichen Glauben sowie der - im Bescheid allerdings nicht näher beschriebene - persönliche Eindruck vom Mitbeteiligten in der Einvernahme zeigten jedoch, dass der christliche Glaube nicht tief im Mitbeteiligten verwurzelt und Bestandteil seiner Identität geworden sei.

4        Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), in welcher er die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte.

5        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das BVwG - ohne Durchführung der beantragten Verhandlung - der Beschwerde Folge, erkannte dem Mitbeteiligten den Status des Asylberechtigten zu, stellte fest, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme, und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6        Das BVwG stellte unter anderem fest, der Mitbeteiligte sei ursprünglich muslimischen Glaubens gewesen. Nach seiner Einreise in Österreich habe er Zugang zu einer katholischen Glaubensgemeinde einer Pfarre in L gefunden. Er habe im Jahr 2016/2017 den Taufvorbereitungskurs absolviert und sei am 9. März 2017 vom Diözesanbischof zu den Sakramenten der Eingliederung zugelassen und am 18. April 2017 von einem Pfarrer getauft und gefirmt worden. Seither sei der Mitbeteiligte ein aktives Mitglied dieser Pfarre. Er nehme regelmäßig an Gottesdiensten und Glaubensveranstaltungen der Pfarrgemeinde teil und helfe auf freiwilliger Basis mit. Repräsentanten seiner Glaubensgemeinschaft hätten die aufrichtige und vorbildliche Hinwendung des Mitbeteiligten zum Christentum bezeugt. Sie hätten auch bezeugt, dass der Mitbeteiligte seinen christlichen Glauben lebe. Das BVwG traf auch Länderfeststellungen zur Konversion im Iran.

7        Beweiswürdigend stützte sich das BVwG auf ein Schreiben des Ordinariatskanzlers, den Taufschein und die schriftlichen Bezeugungen des Pfarrassistenten der genannten Pfarre vom 27. Juni 2019 und vom 13. Oktober 2020. Daraus ergebe sich ein widerspruchsfreies und inhaltlich übereinstimmendes Bild von der ernsthaften Hinwendung des Mitbeteiligten zum christlichen Glauben. Es bestehe für das BVwG auch keine Veranlassung, an dem Zeugnis jener offiziellen Repräsentanten zu zweifeln, zumal diese kein Interesse daran hätten, den Ruf ihrer Glaubensgemeinschaft für Personen zu schädigen, von deren ernsthafter Hinwendung zu ihrer Glaubensgemeinschaft sie nicht überzeugt wären. Zusätzlich spreche das dargestellte aktive Engagement des Mitbeteiligten innerhalb seiner christlichen Glaubensgemeinde über einen durchgehenden Zeitraum von rund vier Jahren für eine Zuwendung zum Christentum aus innerer Überzeugung und gegen die Annahme, dass der Mitbeteiligte seine Konversion geheim halten wolle. Diese seit der Erlassung des Bescheides der Revisionswerberin gesetzten christlichen Glaubensaktivitäten habe das BFA naturgemäß noch nicht berücksichtigen können. Während des laufenden Beschwerdeverfahrens sei somit eindeutig zu Tage getreten, dass sich der Mitbeteiligte tatsächlich ernsthaft aus innerer Überzeugung vom Islam abgewandt habe und zum Christentum konvertiert sei.

8        Rechtlich erwog das BVwG insbesondere, dass im Iran der Abfall vom Islam einen hochverräterischen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem bedeute. Der Mitbeteiligte sei daher bei einer Rückkehr in den Iran Verfolgungshandlungen bis zur Todesstrafe ausgesetzt. Fallbezogen sei von einer Verfolgung des Mitbeteiligten in asylrelevanter Intensität im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention, und zwar aus religiösen und politischen Gründen, auszugehen.

9        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (Amts-)Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob das Verwaltungsgericht sich bei der Beurteilung der inneren religiösen Überzeugung einen persönlichen Eindruck vom Asylwerber und seiner Glaubwürdigkeit verschaffen müsse. Das Erkenntnis weiche außerdem von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen für das Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab, weil zwischen der Erlassung des Bescheides des BFA und des angefochtenen Erkenntnisses etwa drei Jahre gelegen seien und der vom BFA festgestellte Sachverhalt somit nicht mehr aktuell gewesen sei.

10       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13       Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 1.10.2020, Ra 2020/19/0196, mwN).

14       Dieses Erfordernis gilt auch für die vorliegende Amtsrevision, wenn sie das Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung rügt (vgl. - mit näherer Begründung - zu einem vergleichbaren Fall VwGH 8.3.2021, Ra 2020/14/0341, sowie VwGH 22.3.2021, Ra 2020/20/0369).

15       Eine solche Relevanzdarlegung enthält die Revision jedoch nicht. Sie bringt lediglich vor, es könne „nicht ausgeschlossen werden“, dass der persönliche Eindruck des Mitbeteiligten das BVwG davon überzeugt hätte, dass dieser nicht aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert sei. Sie legt jedoch nicht dar, welche konkreten Ermittlungsergebnisse - auch auf Basis welchen Verhaltens des Mitbeteiligten, über das sich das BVwG einen persönlichen Eindruck hätte verschaffen können - sich durch die Durchführung einer Verhandlung hätten gewinnen lassen und warum das BVwG - auch angesichts der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Beweismittel - zu anderen Feststellungen und darauf gegründet zu einem anderen rechtlichen Ergebnis hätte kommen können.

16       Die Relevanz des Verfahrensmangels wird auch nicht mit dem pauschalen Vorbringen dargetan, diese sei schon deswegen offenkundig, weil das BVwG auf Grund von Beweismitteln, die erst im Beschwerdeverfahren vorgelegt worden seien, auf eine aus innerer Überzeugung erfolgte Konversion zum Christentum geschlossen habe.

17       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 7. Mai 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020190442.L00

Im RIS seit

07.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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