TE Vwgh Beschluss 2021/5/12 Ra 2021/02/0102

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Veröffentlicht am 12.05.2021
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Index

L37065 Kurzparkzonenabgabe Parkabgabe Parkgebühren Salzburg
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
40/01 Verwaltungsverfahren
90/02 Kraftfahrgesetz

Norm

B-VG Art133 Abs4
KFG 1967 §103 Abs2
MRK Art6
ParkgebührenG Salzburg 1989 §7 Abs4 idF 1990/067
VStG §2 Abs1
VStG §2 Abs2
VStG §5 Abs2
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §38
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des S in M (Deutschland), vertreten durch Dr. Matthias Lüth und Mag. Michael Mikuz, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Herzog-Friedrich-Straße 39, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 9. November 2020, VGW-031/061/15932/2019-1, betreffend Übertretung des KFG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien wurde der Revisionswerber schuldig erachtet, er habe es als Zulassungsbesitzer eines näher bestimmten Fahrzeuges unterlassen, der näher genannten Behörde auf schriftliches Verlangen binnen zwei Wochen darüber Auskunft zu erteilen, wer dieses Kraftfahrzeug zu einem näher bestimmten Zeitpunkt an einem näher genannten Ort gelenkt habe. Wegen Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG wurde über ihn gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig.

2        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

3        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

4        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6        In der Zulässigkeitsbegründung führt der Revisionswerber zunächst unter Hinweis auf Judikatur aus, das Verwaltungsgericht sei mit der angefochtenen Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „zum Thema der faktischen Unmöglichkeit der Lenkerauskunft“ abgewichen bzw. habe diese Rechtsprechung nicht berücksichtigt.

7        Damit zeigt der Revisionswerber keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf. Die vom Revisionswerber angeführten Judikaturzitate betreffen jeweils die allgemeine Aussage, dass ein Verschulden nicht gegeben sei, wenn es aufgrund bestimmter, glaubhaft zu machender Umstände dem Zulassungsbesitzer tatsächlich unmöglich sein sollte, die gewünschte Auskunft zu erteilen. Solche Umstände liegen im gegenständlichen Fall aber nicht vor.

8        Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts hat sich der Revisionswerber damit verantwortet, dass es sich bei dem Fahrzeug um ein Dienstfahrzeug handle und mehrere Fahrer in Frage kämen. Der Revisionswerber weist nun in der Zulässigkeitsbegründung darauf hin, dass er der Behörde mitgeteilt habe, dass er auf dem Bildmaterial den Fahrer nicht erkennen könne und dass er die Meinung vertrete, dass es Aufgabe der Behörde sei, nachzuweisen, wer zum fraglichen Zeitpunkt Lenker gewesen sei, „und nicht umgekehrt“.

9        Zunächst ist dazu festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes § 103 Abs. 2 KFG die Absicht des Gesetzgebers zugrunde liegt, sicherzustellen, dass der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann, weshalb es Sinn und Zweck dieser Regelung ist, der Behörde die jederzeitige Feststellung des verantwortlichen Lenkers eines Fahrzeuges ohne langwierige und umfangreiche Erhebungen zu ermöglichen (VwGH 7.12.2016, Ra 2016/02/0165, mwN).

10       Ferner sind nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 103 Abs. 2 KFG entsprechende Aufzeichnungen zu führen, wenn die Auskunft iSd § 103 Abs. 2 KFG ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht erteilt werden kann. Die Notwendigkeit, solche Aufzeichnungen zu führen, erweist sich gerade im Fall der Benützung von Kraftfahrzeugen durch eine Mehrzahl von Personen als vorhersehbar (VwGH 7.7.2016, Ra 2016/02/0141, mwN). Dass der Revisionswerber entsprechende Aufzeichnungen geführt habe, hat er aber nicht einmal behauptet; ebenso wenig hat er eine andere Person genannt, die diese Auskunft erteilen könnte. Davon ausgehend hat das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, dass auch die subjektive Tatseite erfüllt sei (vgl. dazu etwa VwGH 26.5.2000, 2000/02/0115). Von einem Abweichen von der hg. Judikatur kann somit nicht die Rede sein.

11       Im Übrigen wurde im Gegensatz zur Behauptung des Revisionswerbers dem Revisionswerber nicht zur Last gelegt, dass er kein Fahrtenbuch geführt habe, sondern dass er nicht die gesetzlich geforderte Auskunft zum Lenker des auf ihn zugelassenen Fahrzeuges erteilt hat. Die Verpflichtung zur Führung entsprechender Aufzeichnungen nach § 103 Abs. 2 KFG greift nur dann, wenn eine Auskunft ohne solche Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte. Die Ausführungen in der Revision dazu gehen von daher ins Leere.

12       Soweit der Revisionswerber ferner - wie bereits in der Beschwerde - auf das Verbot der Selbstbezichtigung und die Verfassungswidrigkeit einer derartigen Lenkererhebung bzw. einer Auskunft über den Lenker nach deutschem Recht und schließlich auf eine behauptete Verletzung des Art. 6 EMRK durch die Verpflichtung zur Auskunftserteilung nach § 103 Abs. 2 KFG verweist, genügt es, auf die zutreffenden und mit Judikaturzitaten versehenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts dazu in der angefochtenen Entscheidung zu verweisen. Demnach wurde die Vereinbarkeit der Auskunftsverpflichtung nach § 103 Abs. 2 KFG mit Art. 6 EMRK vom Verwaltungsgerichtshof bereits unter Berücksichtigung des Urteils des EGMR 10.1.2008, Lückhof und Spanner/Österreich, 58452/00 und 61920/00, bejaht (VwGH 5.2.2015, Ra 2015/02/0017; VwGH 17.10.2018, Ra 2017/02/0267).

13       Insofern in der Zulassungsbegründung geltend gemacht wird, bei der Regelung der Auskunftspflicht iSd § 103 Abs. 2 KFG handle es sich um eine für deutsche Staatsbürger überraschende und ihrer Rechtsordnung diametral entgegenstehende Vorschrift, spricht die Revision wiederum die subjektive Tatseite an, kann aber damit kein mangelndes Verschulden darlegen:

14       Bezüglich einer Auskunftsverpflichtung, wie sie in § 103 Abs. 2 KFG 1967 getroffen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof zu einer dieser Regelung (soweit hier maßgeblich) vergleichbaren Bestimmung in § 7 Abs. 4 des Parkgebührengesetzes für die Stadt Salzburg, LGBl. Nr. 28/1989 idF LGBl. Nr. 67/1990, ausgesprochen, „dass für deutsche Staatsbürger spätestens im Zeitpunkt, als diese ernsthaft mit der Verbringung des überlassenen Kraftfahrzeuges nach Österreich rechnen mussten, Anlass bestand, sich mit den einschlägigen Normen der österreichischen Rechtsordnung vertraut zu machen“ (siehe VwGH 18.9.2000, 99/17/0192, vgl. dazu auch VwGH 3.9.2003, 2002/03/0012). Diese Rechtsprechung ist auch im Revisionsfall maßgeblich. Dass es für den Revisionswerber völlig unerwartet gewesen sei, dass das fragliche Dienstfahrzeug in Österreich verwendet werde, hat er nie behauptet.

15       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 12. Mai 2021

Schlagworte

Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland VwRallg12

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021020102.L00

Im RIS seit

07.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.07.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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