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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 26. Mai 1995, Zl. MA 61/IV-S 662/92, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500, -- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 26. Mai 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines iranischen Staatsangehörigen, vom 7. Dezember 1992 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §§ 10 und 11 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) abgewiesen.
Der Beschwerdeführer lebe seit 1981 in Österreich und sei verheiratet. Er studiere seit seiner Einreise an der Technischen Universität Graz und an der Universität Wien. Daneben sei er beim Berufsförderungsinstitut, der Arbeiterkammer und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund als freier Mitarbeiter beschäftigt. Am 5. Juli 1993 sei er vom Bezirksgericht Hernals wegen des Vergehens des versuchten Betruges zu einer Geldstrafe von S 900,-- rechtskräftig verurteilt worden. Bereits im Jahre 1980 sei über ihn wegen versuchten Diebstahles rechtskräftig eine Geldstrafe von S 4.400,-- verhängt worden.
Die Verleihung der Staatsbürgerschaft liege gemäß § 10 StbG im Ermessen der Behörde. Dabei komme die belangte Behörde auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß zwischen den beiden auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Verurteilungen mehr als 10 Jahre lägen, zu dem Schluß, daß der Beschwerdeführer "gewisse Schwierigkeiten" habe, sich "mit den Rechtsvorschriften des Gastlandes auseinanderzusetzen". Bei der Prüfung der "Gesamtpersönlichkeit des Bewerbers" seien auch getilgte Verurteilungen zu berücksichtigen. Ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung des Beschwerdeführers könne nicht erblickt werden. Es stoße in der Öffentlichkeit auf berechtigtes Unverständnis, wenn Fremde, welche mehrmals straffällig geworden seien, eingebürgert würden.
Obwohl kein Einbürgerungshindernis vorliege, sei der Antrag im Rahmen des eingeräumten Ermessens abzuweisen gewesen.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die Behörde hat sich bei der Ausübung des ihr im § 10 StbG eingeräumten freien Ermessens gemäß § 11 leg. cit von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Gesamtverhalten der Partei leiten zu lassen. Sie hat ihre Entscheidung so zu begründen, daß eine Überprüfung, ob sie von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, möglich ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 1996, Zl. 95/01/0469).
Im Rahmen der Begründung ihrer Ermessensentscheidung hat die belangte Behörde lediglich auf die beiden gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers Bedacht genommen. Hiebei ist allerdings zu berücksichtigen, daß eine der beiden Verurteilungen bereits 15 Jahre zurückliegt und bei der anderen die Schuld des Täters vom Gericht so gering bewertet wurde, daß lediglich eine Geldstrafe von S 900,-- (30 Tagessätze zu je S 30,--) verhängt wurde. Die belangte Behörde hat den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 1981 und dessen Berufstätigkeit (neben dem Studium) zwar festgestellt, bei der Begründung der Ermessensentscheidung jedoch nicht ausgeführt, ob und mit welchem Stellenwert sie diese Tatsachen zugunsten des Beschwerdeführers berücksichtigt hat, bzw. warum die für den Beschwerdeführer sprechenden Gründe durch die strafbaren Handlungen überwogen werden. Da dem angefochtenen Bescheid bereits aus diesen Gründen ein Begründungsmangel anhaftet, braucht auf das Beschwerdevorbringen betreffend die Verleihung eines Literaturförderungspreises an den Beschwerdeführer nicht eingegangen zu werden.
Wegen des aufgezeigten wesentlichen Begründungsmangels war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Begründung von Ermessensentscheidungen Besondere Rechtsgebiete Verfahrensrecht AVG VStG VVG VwGGEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995010392.X00Im RIS seit
25.01.2001