TE OGH 2021/4/29 5Ob177/20w

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Veröffentlicht am 29.04.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. B*****, 2. T*****, vertreten durch die Schmid & Horn Rechtsanwälte GmbH, Graz, gegen die Antragsgegner 1. Arch. DDI Dr. H*****, 2. L*****, beide vertreten durch die Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH, Graz, wegen § 37 Abs 1 Z 8, Z 8b, Z 9, Z 12 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegner gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 14. Mai 2020, GZ 5 R 15/20t-34, mit dem der „Teilsachbeschluss“ des Bezirksgerichts Leibnitz vom 8. November 2019, GZ 17 MSch 8/18x-30, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.

Text

Begründung:

[1]       Die Antragsgegner sind Miteigentümer einer Liegenschaft, die unter anderem aus einem Grundstück mit einer Fläche von 803 m², davon Baufläche 530 m² und Gärten 273 m², besteht. Auf diesem Grundstück sind zwei baulich nicht miteinander verbundene, aber unmittelbar nebeneinander gelegene Gebäude errichtet. Dabei handelt es sich – dem für die Region typischen Haufen- oder Gruppenhof entsprechend – um ein freistehendes, rechteckiges Bauernhaus und ein L-förmig angeordnetes ehemaliges Wirtschafts- und Stallgebäude. Dieses Gebäude ist ein zweigeschossiger, in Hanglage errichteter Bau. Vor etwa 20 bis 25 Jahren begannen die Antragsgegner mit dem Ausbau des Obergeschosses (Dachbodens), in dem sie zunächst Dachflächenfenster einbauten und ein Bad und WC sowie eine Doppeleingangstür errichteten und diese Räume vom restlichen Dachboden abtrennten. Dieser Ausbau wurde später erweitert und nach der Fertigstellung von den Antragstellern angemietet. Er besteht aus einem geräumigen Eingangsbereich mit Fliesenboden, einem Bad und einem Wohn-Essbereich. Im Eingangsbereich befindet sich ein Tischherd, der als Zentralheizung dient.

[2]       In dieser Form war der Ausbau des Dachbodens spätestens im April 2015 abgeschlossen. Das Verfahren zur Erlangung einer Baubewilligung leiteten die Antragsgegner am 27. 4. 2017 ein.

[3]       Im westlichen Teil des L-förmigen Gebäudes liegt eine weitere Wohneinheit, die derzeit von den Antragsgegnern genutzt wird. Es besteht im Erdgeschoss aus einem großen Wohn- und Eingangsbereich, von dem man über eine Stiege die im Dachgeschoss gelegenen Schlafräume erreichen kann. Dieser Teil des Gebäudes wurde nach einem Brand neu aufgeführt. Zur Wohneinheit der Antragsgegner gehört ein weiterer Raum im Erdgeschoss, der sich bereits im alten Teil des L-förmigen Gebäudes befindet und nur über eine Terrasse und eine externe Tür von außen erreichbar ist.

[4]       Im östlichen Teil des ehemaligen Wirtschafts- und Stallgebäudes liegt eine weitere, über einen separaten Eingang erschlossene Einheit, die aus einem Wohn- und Küchenraum, einem Schlafzimmer und Bad besteht und eine Fläche von 35 m² aufweist. Im Wohnraum befindet sich außer einem Kachelofen ein alter Bauernkasten sowie eine Couch mit Tisch und Sitzgelegenheit sowie eine Küchenzeile mit Kühlschrank und E-Herd. Vom Wohnraum aus erreicht man über eine Tür das Schlafzimmer, in dem sich ein Doppelbett und ein alter Bauernkasten befinden. Von diesem Zimmer gelangt man in ein abgetrenntes Badezimmer, in dem sich eine Badewanne, eine Toilette, eine Waschmaschine sowie ein Waschbecken befinden. Schlafzimmer und Wohnraum/Küche sind über Fenster zum Außenbereich belichtet. Diese Räume sind derzeit nicht vermietet, sondern werden von den Antragsgegnern für das Aufbewahren von Arbeitskleidung, zum Duschen nach der Arbeit sowie zur Herstellung von Honig oder Säften verwendet.

[5]            Das Bauernhaus und die drei in dem ehemaligen Wirtschaftsgebäude gelegenen Einheiten werden jeweils über Wasserleitungen versorgt, die von der in einem Kellerraum des L-förmigen Gebäudes gelegenen Hauptleitung abzweigen, wo sich auch der Wasserzähler und der Haupthahn befinden. Der Verbrauch der einzelnen Einheiten wird nicht gesondert erfasst. Die Wohneinheiten teilen eine gemeinsame Kläranlage. Die Stromversorgung erfolgt zum Teil über eine Photovoltaik-Anlage sowie durch einen Netzbetreiber. Der Hauptzähler befindet sich im Bauernhaus; es gibt jeweils einen Stromzähler für die beiden im östlichen Teil des L-förmigen Gebäudes gelegenen Einheiten sowie einen weiteren Subzähler für das im Dachgeschoss gelegene Bestandobjekt.

[6]       Mit Vertrag vom 31. 8. 2016 mieteten die Antragsteller die im Obergeschoss gelegene und als „Kellerstöckl/Dachgeschoß“ bezeichnete Wohnung mit einem Gesamtausmaß von ca 100 m² sowie drei Parkplätzen und einen nicht näher definierten Teil des Dachbodens. Das Bestandverhältnis begann am 1. 10. 2016 und war auf drei Jahre befristet.

[7]            Sie begehren

a) die Verpflichtung der Antragsgegner zur Rückzahlung der Kaution von 2.500 EUR festzustellen und die Antragsgegner zur Rückzahlung zu verpflichten;

b) die Feststellung der Nutzflächen des Bestandobjekts und des Gesamtobjekts sowie des daraus resultierenden Betriebskostenanteils der Antragsteller;

c) die Feststellung der Unrichtigkeit der Betriebskostenabrechnungen 2016 und 2017 wegen Zugrundelegung eines falschen Nutzflächenschlüssels, des fehlenden Abstellens auf das jeweils einzelne Jahr als Abrechnungsperiode, der Überwälzung der gesamten Müllgebühr und der gesamten Rauchfangkehrerkosten auf die Antragsteller, der Verrechnung überhöhter Wassergebühren und der unzulässigen Verrechnung einer Position „Kanalverbrauch“;

d) die Bestimmung der zulässigen Betriebskosten für 2016 und 2017 mit je 400 EUR und die Schaffung eines Rückzahlungstitels für die Überzahlung;

e) die Festlegung des zur Verrechnung gelangenden Hauptmietzinses gemäß § 16 MRG auf Basis der Kategorie D „unbrauchbar“, in eventu auf Basis des Richtwertmietzinses, wobei unter Berücksichtigung des Erhaltungszustands des Gebäudes und der Wohnung sowie unter Berücksichtigung der mitvermieteten Flächen maximal 2,50 EUR netto monatlich pro m² angemessen seien, und die Schaffung eines entsprechenden Rückzahlungstitels.

[8]       Die Antragsgegner wendeten – verkürzt – ein, bei der von den Antragstellern angemieteten Wohnung handle es sich um eine Dachgeschosswohnung, die sich im Gebäudeverband eines bäuerlichen Gehöfts aus dem 16. Jahrhundert befinde. Der östliche Teil des Gebäudes, das ehemalige Presshaus, sei vor etwa 26 Jahren, dessen westlicher Teil vor etwa drei Jahren ausgebaut worden. Das Bestandobjekt liege mit ca einem Drittel im östlichen und im Übrigen im westlichen Gebäudeteil. Auf der Liegenschaft seien zwei Gebäude vorhanden, wobei es sich um wirtschaftlich getrennte Einheiten handle. In jenem Gebäude, in dem die von den Antragstellern gemietete Wohnung liege, befinde sich nur noch eine Betriebswohnung. Damit befänden sich die gemieteten Räumlichkeiten in einem Objekt mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen, sodass der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 2 Z 5 MRG erfüllt sei. Allenfalls falle der Mietgegenstand gemäß § 1 Abs 4 Z 2 MRG in den Teilanwendungsbereich des MRG, weil die Wohnung im Dachgeschoss aufgrund einer nach dem 31. 12. 2001 erteilten Bewilligung neu errichtet worden sei.

[9]       Das Erstgericht sprach mit seiner als „Teilsachbeschluss“ bezeichneten Entscheidung aus, auf das Bestandverhältnis zwischen den Antragstellern und den Antragsgegnern betreffend das Bestandobjekt in […], („Kellerstöckl/Dachgeschoß“ mit einem Gesamtausmaß von ca 100 m², plus einem Parkplatz neben dem Carport, plus einem Parkplatz im Carport, plus einem Parkplatz neben dem Birnbaum sowie einem nicht näher definierten Teil des Dachbodens) seien die §§ 14, 16b, 29 bis 36, 45, 46 und 49 MRG, nicht jedoch die übrigen Bestimmungen des I. und II. Hauptstücks des MRG anzuwenden. Die Baubewilligung sei erst am 22. 9. 2017 erteilt worden, sodass es sich beim Bestandobjekt der Antragsteller um einen Mietgegenstand handle, der durch den Ausbau eines Dachbodens oder einen Aufbau aufgrund einer nach dem 31. Dezember 2001 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden sei, sodass § 1 Abs 4 Z 2 MRG anzuwenden sei. Das L-förmige ehemalige Wirtschaftsgebäude und das Bauernhaus seien als Einheit zu sehen, sodass insgesamt mehr als zwei Wohneinheiten vorlägen und die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 2 Z 5 MRG nicht zum Tragen komme.

[10]     Das Rekursgericht hob diese Entscheidung auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung auf. Zwar eröffne § 36 Abs 2 AußStrG die Möglichkeit, mit Zwischen-(sach-)beschluss über den Grund des Anspruchs und mit Teil-(sach-)beschluss über einen quantitativen Teil des Anspruchs zu entscheiden. Ein Teilsachbeschluss liege entgegen der Bezeichnung durch das Erstgericht jedoch ebenso wenig vor, wie ein Zwischensachbeschluss. Einen Antrag gemäß § 37 Abs 3 Z 11 MRG habe keine der Parteien gestellt. Für einen Zwischenantrag auf Feststellung nach dieser Gesetzesstelle müsse darüber hinaus die Zulässigkeit des außerstreitigen Mietrechtsverfahrens für die begehrte Feststellung gegeben sein. Die Frage, ob ein Mietobjekt dem MRG unterliege, könne aber nicht selbständig zum Gegenstand eines über das Verfahren hinausreichenden, der Rechtskraft fähigen Feststellungsbegehrens gemacht werden.

[11]           Im Übrigen setzte sich das Rekursgericht mit den materiellen Voraussetzungen für das Vorliegen des Ausnahmetatbestands nach § 1 Abs 4 Z 2 MRG auseinander. Der erste Fall dieser Ziffer beziehe sich auf Mietgegenstände, die durch den Ausbau eines Dachbodens aufgrund einer nach dem 31. 12. 2001 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden seien. Wie in vergleichbaren anderen Fällen (etwa § 1 Abs 4 Z 3 MRG) sei grundsätzlich der Eintritt ihrer Rechtskraft maßgeblich, bei vorzeitigem Baubeginn sei jedoch, um den gesetzwidrig handelnden Vermieter für seinen Rechtsbruch nicht zu belohnen, auf diesen Zeitpunkt abzustellen. Gemäß § 49d Abs 2 MRG seien dieser Bestimmung nur Vertragsverhältnisse zu unterstellen, die nach dem genannten Datum begründet worden seien. Eine nähere Umschreibung des Begriffs der Neuerrichtung finde sich in § 1 Abs 4 Z 2 MRG nicht. In Anlehnung an vergleichbare Tatbestandselemente sei davon auszugehen, dass keinerlei zu Wohn- oder Geschäftszwecken geeignete Räumlichkeiten vorhanden gewesen sein dürfen, damit von einer Neuerrichtung gesprochen werden könne. Offen lasse der Gesetzestext auch, wie bauliche Verbindungen von bereits früher bestehenden Objekten mit neu geschaffenen, einem der seit der MRN 2001 und durch die WRN 2006 erweiterten Teilausnahmetatbestände zu unterstellenden Räumlichkeiten zu behandeln seien. In den Materialien werde eine Lösung vorgeschlagen, die auf das Überwiegen der jeweiligen Nutzflächen abstelle und zudem eine entsprechende schriftliche Zustimmungserklärung des Mieters in den Fällen fordere, in denen der bestehende Objektteil bereits vor der MRN 2001 – und daher „ausnahmeschädlich“ – vermietet gewesen sei. Stelle man auf ein Überwiegen der Nutzflächen zwischen Altbestand und neu errichteten Dachbodenausbau ab, um zu beurteilen, ob das Gesamtobjekt in die Teilausnahme nach § 1 Abs 4 Z 2 MRG falle, seien die Feststellungen des Erstgerichts nicht ausreichend. Zwar sei die Baubewilligung erst im Jahr 2017 erteilt worden, allerdings stehe auch fest, dass mit dem Ausbau des Dachbodens bereits vor rund 20 bis 25 Jahren begonnen worden sei. Auch habe es einen unausgebauten Dachbodenteil gegeben. Dazu lasse sich den Feststellungen nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, ob es sich dabei um jenen Teil handle, der erst um das Jahr 2015 ausgebaut und mutmaßlich ein Teil des Bestandobjekts der Antragsteller geworden ist. Das Erstgericht werde daher insbesondere Feststellungen dazu zu treffen haben, ob dieser Teil des Bestandobjekts der Antragsteller („Ess- und Wohnbereich“) erst im Jahr 2015 errichtet worden und die Nutzfläche des durch den Dachbodenausbau, Aufbau oder Zubau neu geschaffenen Teils größer sei, als jene der alten Teile. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob zur Beurteilung des Vorliegens des Ausnahmetatbestands nach § 1 Abs 4 Z 2 MRG tatsächlich auf ein Überwiegen der Nutzfläche des neu errichteten Dachbodenausbaus gegenüber dem Altbestand abzustellen sei.

Rechtliche Beurteilung

[12]           Der von den Antragstellern beantwortete Revisionsrekurs der Antragsgegner ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist im Ergebnis aber nicht berechtigt.

[13]     1.1 Nach § 36 Abs 2 AußStrG, der gemäß der Verweisungsnorm des § 37 Abs 3 MRG auch in außerstreitigen Wohnrechtsverfahren anzuwenden ist, kann der Außerstreitrichter über einen Teil der Sache durch Teilbeschluss (im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren gemäß § 37 Abs 3 Z 13 MRG mit Teilsachbeschluss) entscheiden. Ob ein Teilsachbeschluss zulässig ist, ist eine Frage der Teilbarkeit des Anspruchs nach materiellem Recht (5 Ob 285/06g; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht I23 Rz 2 zu § 36 AußStrG; Kulhanek in Böhm/Pletzer/Spruzina/Stabentheiner, GeKo Wohnrecht § 37 MRG Rz 212).

[14]           1.2 Bereits das Rekursgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Entscheidung des Erstgerichts ungeachtet seiner Bezeichnung kein Teilsachbeschluss ist, weil damit nicht über einen Teil des Anspruchs abgesprochen, sondern festgestellt wird, dass das Bestandverhältnis gemäß § 1 Abs 4 MRG dem Teilanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes unterliegt.

[15]           1.3 Gegenstand eines Zwischensachbeschlusses gemäß § 36 Abs 2 AußStrG iVm § 37 Abs 3 Z 13 MRG ist der Grund des Anspruchs. Die vorweggenommene Beantwortung einer Vorfrage mit Feststellungsentscheidung ist grundsätzlich unzulässig (RIS-Justiz RS0039484 [T4, T6, T7]). Die Frage der Zulässigkeit eines Zwischenbeschlusses nach § 36 Abs 2 AußStrG ist aber ebenso wie die eines Zwischenurteils grundsätzlich eine prozessuale Frage. Die unrichtige Lösung einer solchen bedeutet eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz (RS0040918 [T10]), die ausdrücklich gerügt werden muss, um im Prüfungsverfahren Beachtung finden zu können. Von Amts wegen ist darauf nicht Bedacht zu nehmen. Da eine solche Rüge fehlt, kann die prozessuale Unzulässigkeit des Beschlusses über die Feststellung, ob ein Mietobjekt dem MRG unterliegt (dazu RS0070508), nicht aufgegriffen werden.

[16]           Zur Teilausnahme nach § 1 Abs 42 MRG:

[17]     2.1 Nach dieser Bestimmung gelten die §§ 14, 16b, 29 bis 36, 45, 46 und 49 MRG, nicht jedoch die übrigen Bestimmungen des I. und II. Hauptstücks des Mietrechtsgesetzes für Mietgegenstände, die durch den Ausbau eines Dachbodens oder einen Aufbau aufgrund einer nach dem 31. Dezember 2001 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden sind, sowie (hier nicht relevant) unausgebaute Dachbodenräumlichkeiten, die mit der Abrede vermietet werden, dass – wenn auch zum Teil oder zur Gänze durch den Hauptmieter – entweder in ihnen oder in einem an ihrer Stelle durchgeführten Aufbau eine Wohnung oder Geschäftsräumlichkeit errichtet werde.

[18]     Die Antragsgegner machen dazu geltend, dass der Dachboden überwiegend im Jahr 2015 ausgebaut worden sei und die neu geschaffene Nutzfläche die alte Nutzfläche um das Zweieinhalbfache überwiege, weswegen der Mietgegenstand zur Gänze gemäß § 1 Abs 4 Z 2 MRG dem Teilanwendungsbereich unterliege.

[19]     2.2 Bereits das Rekursgericht hat zutreffend festgehalten, dass für die Anwendbarkeit jener Ausnahmebestimmungen, die an eine zu einem bestimmten Zeitpunkt erteilte Baubewilligung anknüpfen, auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Inangriffnahme des Bauvorhabens abzustellen ist, wenn ein Gebäude oder ein Mietgegenstand ohne Baubewilligung neu errichtet bzw geschaffen wurde (vgl nur RS0069251; in diesem Sinn schon RS0067118). Auch im Schrifttum wird vertreten, dass bei der Beurteilung der Ausnahmebestimmung auf die Rechtskraft der Baubewilligung oder einen allenfalls früheren tatsächlichen Baubeginn abzustellen ist (siehe nur H. Böhm/Prader in GeKo Wohnrecht I § 1 MRG Rz 168, 187 mwN; Pittl/Prader, Mietrechtsnovelle 2001 – Spezielle Fragen des „Ein- oder Zwei-Objekte-Hauses“ und des Dachbodenausbaus, immolex 2002, 235 ff).

[20]           2.3.1 Die Revisionsrekurswerber stellen ihren Rechtsausführungen ausdrücklich voran, dass sie im Obergeschoss des L-förmigen Objekts (dem Dachgeschoss) vor 20 bis 25 Jahren – und damit vor dem maßgeblichen Stichtag – in einem alten Pressraum eine Räumlichkeit in einer Größe von 23,66 m² geschaffen haben, der nunmehr primär als Vor- und Heizraum diene (ganz offensichtlich der vom Erstgericht festgestellte Eingangsbereich mit Tischherd als Zentralheizung), und ein Bad sowie ein WC (gesamt 6,25 m²) einbauten. Die Erweiterung der Nutzfläche auf brutto etwa 100 m² erfolgte demnach 2015 (nach den Feststellungen war der Ausbau spätestens im April 2015 abgeschlossen), sodass das verfahrensgegenständliche Bestandobjekt erst ab dieser Zeit in der von den Antragstellern beginnend mit 1. 10. 2016 bezogenen Form als Wohneinheit bestanden hat.

[21]           2.3.2 Ausgehend von der Überlegung, dass die Nutzfläche des Bestandobjekts durch den Dachbodenausbau verdreifacht worden ist, meinen die Antragsgegner – zusammengefasst – es sei auf das Überwiegen der neu geschaffenen Nutzfläche abzustellen, sodass das Bestandobjekt insgesamt dem Anwendungsbereich des § 1 Abs 4 Z 2 MRG zu unterstellen sei. Damit wenden sie sich in Wahrheit nicht gegen die vom Rekursgericht seinem Aufhebungsbeschluss zugrunde gelegte Rechtsansicht, weil dieses die Ergänzung des Sachverhalts gerade deshalb für erforderlich hielt, um beurteilen zu können, ob die Nutzfläche des neu geschaffenen Teils des Bestandobjekts größer ist als die Nutzfläche des alten Teils, und somit ebenfalls von der Maßgeblichkeit eines Überwiegens ausging.

[22]           2.3.3 Aus Anlass eines Revisionsrekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss nach § 64 AußStrG hat der Oberste Gerichtshof eine allseitige Überprüfung der Rechtsansicht des Rekursgerichts vorzunehmen (vgl RS0043934 [für das wohnrechtliche Außerstreitverfahren: T3]). Der Prüfungsumfang ist nur insoweit nicht unbegrenzt, als in sich geschlossene selbständige Tatsachenkomplexe der Nachprüfung nicht unterliegen, wenn sie nicht Gegenstand der Anfechtung sind. Das ist nicht der Fall, sodass die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde gelegte Rechtsansicht überprüft werden kann, auch wenn sie von den Revisionsrekurswerbern im Ergebnis gar nicht angegriffen wird.

[23]           3.1 Der Tatbestand des § 1 Abs 2 Z 4 MRG wurde mit der Mietrechtsnovelle 2001 (MRN 2001), BGBl I 2001/161, neu geschaffen. Mit dieser Bestimmung verfolgte der Gesetzgeber den Zweck, potentielle, wegen der bis dahin geltenden Rechtslage brachliegende Wohnobjekte dem Markt zuzuführen und so durch eine insbesondere im großstädtischen Raum deutlich spürbare Angebotserweiterung eine Mietzinssenkung zu bewirken. Wegen der Spezifika von Dachbodenausbauten (insbesondere deren Kostenintensität) im Vergleich zu sonstigen Umbaumaßnahmen wurde ein weiterer Teilausnahmetatbestand eingeführt. Die vorgesehene (anderen Vorbildern entsprechende) Stichtagsregelung sollte mögliche spekulative Vorgangsweisen im Zug des Gesetzgebungsverfahrens tunlichst unterbinden (533/A BlgNR 21. GP 8). Mit der Wohnrechtsnovelle 2006 (WRN 2006), BGBl I 2006/124, wurde der erste Teilsatz um die Wortfolge „oder einen Aufbau“ erweitert, um die im Schrifttum strittige Frage zu klären, ob ein Dachbodenausbau schon dann seine Ausnahmefähigkeit verliert, wenn dadurch die Kubatur verändert wird oder das Haus eine Aufstockung erfährt.

[24]           3.2 Im Vorfeld der WRN 2006 wurde die Frage der (Teil- oder Voll-)Anwendbarkeit des MRG bei Mischobjekten – also bei baulicher Verbindung von bestehenden Objekten mit neu errichteten Objekten – thematisiert. Nach dem Justizausschussbericht (JAB) wurde eine Beurteilung, wonach für den durch die Baumaßnahme neu hinzugekommenen Teil nur der Teilanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes, für den innerhalb der bisherigen Gebäudehülle gelegenen alten Teil hingegen der Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes zum Tragen käme, als verfehlt angesehen und eine Abgrenzung, die auf das Überwiegen der Nutzfläche im Verhältnis Alt-Mietgegenstand und Zubau abstellt, für sachgerecht empfunden. Bei Vergrößerung während eines aufrechten Mietverhältnisses müsse der Mieter der Geltung des Teilanwendungsbereichs schriftlich zustimmen (JAB 1530 BlgNR 22. GP 4). Abweichend davon wurde im Ministerialentwurf die Ansicht vertreten, dass ein nach oben durch den Dachbodenausbau erweitertes Mietobjekt in seiner Gesamtheit im Vollanwendungsbereich bleibt (242/ME XXII. GP 84). In den Gesetzesmaterialien ist auch festgehalten, dass die bloße, wenn auch grundlegende Adaptierung von bereits vorhandenen Räumlichkeiten keine Neuerrichtung durch Ausbau eines Dachbodens sei (RV 1183 BlgNR 22. GP 33 f).

[25]           3.3 Nach THausmann (in Hausmann/Vonkilch, Wohnrecht³ § 1 MRG Rz 94a) verdient die vom Justizausschuss vorgeschlagene Lösung, die auf das Überwiegen der jeweiligen Nutzflächen abstellt, als Meinungsäußerung des historischen Gesetzgebers Aufmerksamkeit; eingedenk des in der Schaffung von Anreizen zur Bildung neuen Wohnraums liegenden Zwecks, könne diesen Überlegungen durchaus zugestimmt werden, zumal es sich dabei um ein relativ einfach handhabbares Modell handle. Auch nach Prader (in MRG5.15 § 1 MRG Anm 29) soll bei Überwiegen der Nutzfläche des Ausbaus grundsätzlich ein Fall der Teilausnahme nach § 1 Abs 4 Z 2 MRG vorliegen. Anders demgegenüber H. Böhm/Prader (in GeKo Wohnrecht I § 1 MRG Rz 210 mwN), die darauf hinweisen, dass sich diese vom Gesetzgeber angedachte Rechtsansicht nicht im Gesetzestext wiederfinde und daher bloß die Meinung der Redaktoren widerspiegle, die bei der Gesetzesauslegung nicht bindend sei. Sie befürworten zwar die allgemein gutgeheißene Einheitslösung (aaO Rz 208), das Vertragsverhältnis solle aber nur dann dem Teilanwendungsbereich unterliegen, wenn der – den Vollanwendungsbereich an sich begründende – Altbau völlig in den Hintergrund tritt. Auch Würth/Zingher/Kovanyi (Miet- und Wohnrecht23 § 1 MRG Rz 61) halten die im JAB zur WRN 2006 vorgeschlagene Lösung, wonach auf das Überwiegen der Nutzflächen abzustellen sei, vor dem Hintergrund des Gesetzestextes für bedenklich. Ausgehend von der Überlegung, dass bei der Interpretation von Ausnahmen vom MRG grundsätzlich restriktiv vorzugehen ist, vertritt Stabentheiner (Die miet- und wohnungseigentumsrechtlichen Teile der Wohnrechtsnovelle 2006, wobl 2006, 242 [246 ff]) die Ansicht, dass solche „Mischobjekte“ als Gesamtheit im Vollanwendungsbereich des MRG zu belassen seien, und schlägt eine Unterstellung solcher Objekte unter den Teilanwendungsbereich ausnahmsweise dann vor, wenn der alte Objektteil entweder nach der Nutzfläche oder nach sonstigen Wertzuschreibungen gegenüber dem neu hinzugefügten Teil kaum ins Gewicht fällt. Ein solcher Fall läge etwa dann vor, wenn die durch einen Dachbodenausbau neu geschaffene Wohnung ihren Eingang samt Vorzimmer im früher obersten Geschoss des Gebäudes hat.

[26]     3.4 Der Oberste Gerichtshof hat zu dieser Frage noch nicht ausdrücklich Stellung genommen. In der Entscheidung zu 5 Ob 152/10d unterblieb eine Auseinandersetzung mit der vom Justizausschuss zur WRN 2006 vorgeschlagenen Lösung, wonach in „Aus- bzw Zubaufällen“ eine „Neuschaffung“ auch dann vorliege, wenn (unter anderem) die Nutzfläche des durch den Dachbodenausbau, Aufbau oder Zubau neu geschaffenen Teils größer ist als die Nutzfläche der alten Teile, weil schon das Überwiegen der Nutzfläche der neuen Teile zu verneinen war.

[27]     4.1 Dem Teilanwendungsbereich unterliegt nach § 1 Abs 4 Z 2 MRG ein Mietgegenstand nur dann, wenn er (unter anderem) durch den Ausbau eines Dachbodens neu errichtet worden ist. Relevant ist im vorliegenden Fall die Neuschaffung einer Wohnung durch den Ausbau des Obergeschosses (Dachbodens) in dem ehemaligen Wirtschafts- und Stallgebäude der Antragsgegner.

[28]     4.2.1 Der Begriff „Wohnung“ wird im Mietrechtsgesetz nicht definiert; er richtet sich nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und nach der Verkehrsauffassung. Im Allgemeinen ist unter einer Wohnung ein selbständiger und in sich baulich geschlossener Teil eines Gebäudes zu verstehen, der geeignet ist, der Befriedigung des individuellen Wohnbedürfnisses von Menschen zu dienen (RS0079355). Auf den Ausstattungszustand der Wohnung kommt es für diese Beurteilung nicht entscheidend an (vgl RS0069367 [T4] Substandardwohnung).

[29]     4.2.Während der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 1 MRG die Neuerrichtung eines Gebäudes voraussetzt und es nicht darauf ankommt, wie viele Bestandobjekte in diesem neuen Gebäude vorhanden sind, zielt etwa § 16 Abs 1 Z 2 zweiter Fall MRG auf die Neuschaffung eines Mietgegenstands durch Umbau, Einbau oder Zubau als Erweiterung eines schon bestehenden Gebäudes ab (RS0117872) und setzt damit voraus, dass weitere Räumlichkeiten (Mietgegenstände) hinzukommen (vgl Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 16 MRG Rz 14).

[30]     4.2.3 Eine Neuschaffung von Mietgegenständen liegt nach der Rechtsprechung daher ganz allgemein nur dann vor, wenn durch bauliche Maßnahmen Mietgegenstände (hier eine Wohnung) gewonnen wurden, die bisher überhaupt nicht zur Verfügung standen oder zur Verwendung als Wohnräume oder Geschäftsräume nicht geeignet waren (RS0069647; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch aaO § 16 MRG Rz 32; Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 16 MRG Rz 14). Bei der Beurteilung, ob ein Mietgegenstand neu geschaffen wurde, ist ein strenger Maßstab anzulegen (RS0070741). In der Rechtsprechung wird das Kriterium der fehlenden Eignung daher restriktiv im Sinn von „völlig unbenützbar“ oder „für den bestimmungsgemäßen Zweck unbrauchbar“ verstanden (RS0069647 [T7]). Bereits in der Entscheidung zu 4 Ob 2273/96k wurde ausgesprochen, dass eine Neuerrichtung (im Sinn einer Neuschaffung) des Mietgegenstands etwa nur dann zu bejahen wäre, wenn lediglich geringfügige „alte“ Gebäudeteile, denen unter dem Aspekt der Vermietbarkeit keine selbständige Bedeutung zukommt, einbezogen wurden (vgl auch 5 Ob 2033/96y; 5 Ob 152/10d; Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 16 MRG Rz 14 mwN).

[31]           4.3 Nach dem Wortlaut des § 8 ABGB und der Rechtsprechung kann die authentische Interpretation eines Gesetzes nur durch eine Erklärung des Gesetzgebers vorgenommen werden, die sich als Gesetz darstellt und auch als Gesetz kundgemacht worden ist (RS0008905 [T3]). Demgegenüber sind die Gesetzesmaterialien weder Gesetz, noch können sie dieses authentisch interpretieren (RS0008799 [T3]). Demgemäß besteht bei Auslegung eines Gesetzes auch keine Bindung an die in den Gesetzesmaterialien geäußerte Meinung (RS0008799). Die im JAB zur WRN 2006 vertretene Meinung, dass ein – hier relevanter – Dachbodenausbau auch dann dem Teilanwendungsbereich des § 1 Abs 4 MRG zu unterstellen wäre, wenn dadurch kein in sich abgeschlossener neuer Mietgegenstand geschaffen wird, sofern nur die dadurch neu geschaffene Nutzfläche größer ist als jene des alten Teils, ist mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht in Einklang zu bringen, der ausdrücklich die Neuerrichtung des Mietgegenstands fordert. Von einer Schaffung eines neuen Mietgegenstands kann aber keine Rede sein, wenn bloß ein bereits – hier relevant – zu Wohnzwecken grundsätzlich geeignetes Objekt um mehr als 50 % seiner Nutzfläche vergrößert wird. Die Meinung der Redaktoren der WRN 2006 bietet damit keinen Anlass, von dem in ständiger Rechtsprechung vertretenen Verständnis, wann ein Mietobjekt als neu geschaffen anzusehen ist, für den Anwendungsbereich des § 1 Abs 4 Z 2 MRG abzugehen.

[32]           Fallbezogen folgt:

[33]           5. Die Formulierung „neu errichtet“ in § 1 Abs 4 Z 2 MRG zielt auf die Erweiterung eines bereits bestehenden Gebäudes durch (unter anderem) den Ausbau des Dachbodens ab und stellt – wie der Begriff „Neuschaffung“ in § 16 Abs 1 Z 2 zweiter Fall MRG – darauf ab, dass ein zuvor nicht vorhandenes Mietobjekt (neu) gewonnen wird, also zum bestehenden Bestand hinzukommt. Damit kann auf die zu dieser Bestimmung ergangene Judikatur zurückgegriffen werden, sodass das von den Antragstellern ab 1. 10. 2016 angemietete Objekt durch den Ausbau des Dachbodens im L-förmig angelegten ehemaligen Wirtschaftsgebäude der Antragsgegner durch bauliche Maßnahmen nach dem 31. 12. 2001 neu geschaffen worden sein müsste, damit der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 2 MRG zum Tragen kommt. Das setzt voraus, dass es zuvor entweder überhaupt nicht vorhanden oder – hier von Relevanz – zur Verwendung als Wohnraum nicht geeignet (im Sinn von völlig unbenützbar) war. Darauf, ob bei einer baulichen Verbindung mit dem nach diesem Stichtag ausgebauten Dachboden die dadurch neu geschaffene Nutzfläche überwiegt, kommt es entgegen der Ansicht des Rekursgerichts und der Antragsgegner hingegen nicht an.

[34]           Die Antragsgegner räumen in ihrem Rechtsmittel ausdrücklich ein, dass sie vor 20 bis 25 Jahren – also jedenfalls vor dem 1. 1. 2002 – in einem alten Pressraum im Dachgeschoss des Wirtschaftsgebäudes einen fast 24 m² großen Raum geschaffen und ein Bad sowie ein WC eingebaut haben. Die Verbindung mit der sanitären Ausstattung impliziert, dass dem durch diesen Dachgeschossausbau geschaffenen Zustand die grundsätzliche Eignung zu Wohnzwecken keinesfalls, jedenfalls nicht mit dem Verständnis einer völligen Unbenützbarkeit, abgesprochen werden kann. Diese Räumlichkeiten sind nach dem Vorbringen der Revisionsrekurswerber in ihrem Rechtsmittel nunmehr Teil der von den Antragstellern gemieteten Wohnung, die sie durch weitere Ausbaumaßnahmen im Dachgeschoss in den Jahren 2015 und 2016 (nach den Feststellungen bis April 2015) auf eine Nutzfläche von etwa 100 m² vergrößerten. Damit kann schon nach dem Vorbringen der Antragsgegner in ihrem Rechtsmittel keine Rede davon sein, dass durch den Dachgeschossausbau nach dem 31. 12. 2001 ein Mietgegenstand neu geschaffen worden wäre, in den lediglich geringfügige „alte Gebäudeteile“, denen unter dem Aspekt der Vermietbarkeit keine selbständige Bedeutung zukäme, einbezogen worden sind. Die vom Rekursgericht für erforderlich erachtete Ergänzung des Sachverhalts, weil aus den Feststellungen des Erstgerichts nicht eindeutig hervorgehe, ob bzw in welchem Umfang die bereits vor 20 bis 25 Jahren, somit jedenfalls vor dem 31. 12. 2001, begonnenen Bauarbeiten den derzeitigen Mietgegenstand betrafen, ist entbehrlich, weil die Antragsgegner in ihrem Revisionsrekurs alle Tatsachen zugestehen, die in Zusammenschau mit den Feststellungen des Erstgerichts eine abschließende Beurteilung dieser Frage erlauben.

[35]           Ergebnis:

[36]           Da im Zug des nach dem 31. 12. 2001 erfolgten Dachbodenausbaus in den Mietgegenstand Gebäudeteile einbezogen worden sind, die bereits vor diesem Stichtag errichtet worden waren und aufgrund ihres Umfangs sowie ihrer Bedeutung für die Vermietung als ausnahmeschädlich beurteilt werden müssen, kommt der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 2 MRG nicht zum Tragen.

[37]     Zum Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 2 Z 5 MRG:

[38]           6.1 Nach § 1 Abs 2 Z 5 MRG fallen Mietgegenstände in einem Gebäude mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten nicht in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes. Mehrere auf einem Grundbuchskörper errichtete Häuser sind dabei in der Regel gemeinsam zu betrachten (RS0069376 [T5]; 5 Ob 55/17z), es sei denn, eine solche Betrachtungsweise erschiene unbillig (RS0079849; RS0069949). Das wäre der Fall, wenn nach der Verkehrsauffassung tatsächlich und wirtschaftlich voneinander getrennte selbständige Objekte bzw Häuser vorliegen und jedes für sich allein eine wirtschaftlich selbständige Einheit bildet (5 Ob 220/18s Pkt 4.1).

[39]           6.2 Nach den Feststellungen teilen alle Wohneinheiten in den beiden am Grundstück errichteten Gebäuden eine gemeinsame Kläranlage, werden über eine Wasserleitung mit nur einem einheitlichen Wasserzähler und über eine gemeinsame Stromleitung mit einem Haupt- und drei Subzählern für die Einheiten im L-förmigen Gebäude versorgt. Damit ist es nicht zu beanstanden, wenn das Erstgericht zum Ergebnis gelangte, dass es sich bei den beiden Häusern nicht um tatsächlich und wirtschaftlich voneinander unabhängige Objekte handelt. Gegen diese Rechtsansicht wenden sich die Revisionsrekurswerber in ihrem Rechtsmittel auch nicht. Schon deshalb ist der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 2 Z 5 MRG nicht erfüllt.

[40]     6.3 Soweit die Antragsgegner darauf abstellen, die weitere im östlichen Teil des L-förmigen Wirtschaftsgebäudes gelegene Einheit sei nicht selbständig vermietbar und nicht zur Befriedigung von Wohnbedürfnissen geeignet, gehen sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

[41]           7. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass für die von den Antragstellern mit Vertrag vom 31. 8. 2016 für drei Jahre angemietete Wohnung weder § 1 Abs 2 Z 5 MRG noch § 1 Abs 4 Z 2 MRG zum Tragen kommen, sodass das Bestandverhältnis dem Vollanwendungsbereich des MRG unterliegt. Damit sind die Anträge meritorisch zu prüfen, weswegen es im Ergebnis bei der vom Rekursgericht ausgesprochenen Aufhebung zu bleiben hat. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren die für die Entscheidung über das Begehren der Antragsteller erforderliche Sachverhaltsgrundlage zu schaffen haben.

[42]     8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Erst mit der Sachentscheidung sind die für eine solche Entscheidung erforderlichen Billigkeitserwägungen möglich.

Textnummer

E131741

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00177.20W.0429.000

Im RIS seit

07.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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