Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Mai 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Pentz in der Strafsache gegen Ion N***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und 2, 130 Abs 2 erster und zweiter Fall (iVm Abs 1 erster Fall) und 15 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Ion N***** und Marian S***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 16. Dezember 2020, GZ 35 Hv 89/20p-146, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Marian S***** wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im diesen Angeklagten betreffenden Schuldspruch A III 4, 5 und C sowie in der zum Schuldspruch A dieses Angeklagten gebildeten Subsumtionseinheit, demzufolge auch im ihn betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.
Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde, soweit sie sich gegen den Strafausspruch wendet, sowie mit seiner Berufung wird der Angeklagte S***** auf die Aufhebung verwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerden im Übrigen werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Ion N***** werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden Ion N***** und Marian S***** jeweils eines Verbrechens des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und 2, 130 Abs 2 erster und zweiter Fall (iVm Abs 1 erster Fall) und 15 StGB (A) und eines Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB (C), N***** darüber hinaus eines Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB (B) sowie S***** darüber hinaus eines Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (D) und mehrerer Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB (E) schuldig erkannt.
[2] Danach hat – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung – S*****
(A) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und (unter Verwirklichung der Kriterien des § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB) in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schwerem (§ 128 Abs 1 Z 5 StGB) und durch Einbruch begangenem (§ 129 Abs 1 Z 1 und 2 StGB) Diebstahl längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, folgenden Personen und Gewahrsamsträgern folgender Unternehmen fremde bewegliche Sachen im 5.000 Euro übersteigenden Wert von zusammen rund 136.500 Euro durch Aufbrechen von Fenstern und Türen von Gebäuden und anderen umschlossenen Räumen sowie Aufbrechen, Aufschneiden und Öffnen von Behältnissen mit widerrechtlich erlangten Schlüsseln teils weggenommen, teils dies versucht, und zwar
(II) mit jeweils zumindest einer weiteren Person als Beteiligter (§ 12 StGB)
(1) am 23. oder 24. Mai 2018 in F***** der M***** GmbH, Christian W***** und Mag. Dr. Simone Wa***** Bargeld von ca 113.000 Euro,
(2) vom 4. bis zum 6. August 2018 in S***** der B***** Gesellschaft mbH Bargeld von ca 3.600 Euro,
(3) am 6. August 2018 in F***** der F***** GmbH Bargeld und Wertgegenstände, wobei es beim Versuch blieb,
(4) am 9. oder 10. August 2018 in F***** der M***** GmbH, Christian W***** und Mag. Dr. Simone Wa***** Bargeld von ca 10.200 Euro und eine Geldtasche im Wert von ca 400 Euro,
(5) am 13. August 2018 in F***** der F***** GmbH Bargeld von ca 1.500 Euro,
(6) am 9. September 2018 in F***** der M***** GmbH, Christian W***** und Mag. Dr. Simone Wa***** Bargeld und Wertgegenstände, wobei es beim Versuch blieb, und
(7) am 26. oder 27. September 2018 in B***** der P***** GmbH & Co KG Bargeld von 300 Euro sowie
(III) mit Ion N***** als Beteiligter (§ 12 StGB)
(1) am 25. oder 26. September 2018 in W***** der V***** GmbH Bargeld von 111,98 Euro und ein Apple TV-Set im Wert von 219 Euro,
(2) am 3. oder 4. Oktober 2018 in E***** der Ba***** GmbH und der Mo***** GmbH Bargeld von ca 300 GBP (338,22 Euro) und 2.065 Euro sowie eine Flasche Whisky im Wert von 2.016,30 Euro,
(3) vom 13. bis zum 15. Oktober 2018 in G***** der I***** GmbH Bargeld und Wertgegenstände, wobei es beim Versuch blieb,
(4) am 16. oder 17. Oktober 2018 in S*****
(a) der E***** GmbH und deren Mitarbeitern Bargeld von 2.106,53 Euro sowie
(b bis d) der Pe***** GmbH und einem ihrer Mitarbeiter, der Ho***** GmbH und der Sn***** GmbH Bargeld von ca 170 Euro und
(5) am 19. Oktober 2018 in M***** der L***** GmbH Bargeld von ca 500 Euro, ferner
(C) mit Ion N***** als Beteiligter (§ 12 StGB) die L***** GmbH dadurch geschädigt, dass er fremde bewegliche Sachen, nämlich zwei Zentralschlüssel, anlässlich der zu A III 5 beschriebenen Tat aus ihrem Gewahrsam dauernd entzog, ohne die Sachen sich oder einem Dritten zuzueignen, sowie
(D) eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, nämlich den Führerschein, und
(E) unbare Zahlungsmittel, über die er nicht verfügen durfte, nämlich eine Bankomatkarte und eine Kreditkarte
jeweils des Christian W***** anlässlich der zu A II 4 beschriebenen Tat mit Gebrauchsverhinderungsvorsatz unterdrückt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Gegen dieses Urteil richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*****.
[4] Er bekämpft die Feststellung seiner Täterschaft in Bezug auf die vom Schuldspruch A II 1, 4 (sowie D und E), 5 und 6 sowie A III 4 und 5 (sowie C) umfassten Taten.
[5] Eine notwendige Bedingung für die Feststellung dieser (jeweils) entscheidenden Tatsache erblickte das Schöffengericht erkennbar darin, dass ein dem Beschwerdeführer zugeordnetes Mobiltelefon innerhalb von „4 Stunden vor bzw. nach der Tatzeit“ im Bereich eines Mobilfunksenders eingeloggt war, der im „Umkreis von 3 Kilometern zum jeweiligen Tatort“ liegt (US 14). Damit ist die (jeweilige) sachverhaltsmäßige Bejahung dieses Umstands ihrerseits tauglicher Gegenstand der Mängelrüge (RIS-Justiz RS0116737 [T4, T5]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 410).
[6] Hiervon ausgehend zeigt die Beschwerde zutreffend folgende Begründungsmängel auf:
[7] In den Beweiswerterwägungen zu dem vom Schuldspruch A III 4 umfassten, „zwischen 16. 10. 2018 und 17. 10. 2018 in S*****“ (US 10) begangenen Einbruchsdiebstahl heißt es (insoweit nur), das Mobiltelefon des Beschwerdeführers sei „am 19. 10. 2018 um 3:47 Uhr“ „in W*****“ sowie um 4:01 Uhr, 4:02 Uhr und 4:06 Uhr desselben Tages „in V*****“ eingeloggt gewesen (US 16). Dass Letzteres zur Tatzeit in S***** der Fall gewesen sei, ergibt sich daraus keineswegs. Die diesbezügliche Täterschaft des Beschwerdeführers wurde damit offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall).
[8] Zur vom Schuldspruch A III 5 und C umfassten, „am 19. 10. 2018 in M*****“ (US 10) begangenen Tat wiederum führt das Erstgericht aus, das Mobiltelefon des Beschwerdeführers sei „um 3:47 Uhr“ jenes Tages in „A*****“, „sohin ca. 1500m vom Tatort entfernt“, eingeloggt gewesen (US 16). Dies aber widerspricht (Z 5 dritter Fall) der oben referierten Urteilserwägung, wonach das betreffende Mobiltelefon – just um dieselbe Zeit – „in W*****“ eingeloggt war (US 16).
[9] Die zutreffend geltend gemachte formelle Nichtigkeit führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich (§§ 285e, 289 StPO).
[10] Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde, soweit sie sich gegen den (damit ebenfalls beseitigten) Strafausspruch wendet (Z 11), sowie mit seiner Berufung war der Angeklagte S***** auf die Aufhebung zu verweisen.
[11] Die übrigen Beschwerdeeinwände verfehlen ihr Ziel:
[12] Aus Z 5 vierter Fall (nominell verfehlt auch Z 5a) kritisiert der Beschwerdeführer in Bezug auf den Schuldspruch A II 1, 4 (sowie D und E), 5 und 6, es sei „willkürlich und unvertretbar“, allein daraus, dass er „während eines angeführten längeren Tatzeitraumes zu einem bestimmten Zeitpunkt mit seinem Handy 3 Kilometer vom Tatort entfernt eingeloggt war“, den Schluss auf seine jeweilige Täterschaft zu ziehen.
[13] Der Urteilsbegründung zufolge war der angesprochene Umstand dementgegen (zwar notwendige, aber) keineswegs hinreichende Bedingung für die Feststellung der (jeweiligen) Täterschaft. Die Tatrichter erschlossen diese vielmehr aus einer „lebensnahen Zusammenschau“ des Ergebnisses der „Rufdatenrückerfassung“ (nächtliche Telefonate des Beschwerdeführers um die jeweilige Tatzeit in Tatortnähe) mit weiteren Beweisergebnissen, nämlich „den an einigen Tatorten vorgefundenen DNA-Spuren und den teilweise sichergestellten Schuhabdrücken (auch wenn diese den verurteilten Mittäter betrafen)“, dem „überwiegend von den Tätern benutzten modus operandi (langer Aufenthalt in Gebäuden, Durchsuchen des gesamten Gebäudes, Aufbrechen sämtlicher Türen und Kästen, Verbringen der Tresore in einen anderen Raum, Aufflexen der Tresore und Versprühen von Feuerlöschern/Wasser/Reinigungsmittel/Saft etc.)“ sowie der – nach anfangs gänzlichem Leugnen (US 13) – geständigen Einlassung des Beschwerdeführers zu weiteren vom Schuldspruch umfassten, gleichartigen Vorwürfen (US 16).
[14] Indem die Rüge solcherart nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß nimmt, verfehlt sie die prozessförmige Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0119370).
[15] Weder steht die Verantwortung des Beschwerdeführers, zu einer nicht genannten Zeit „bei seiner Ex-Freundin gewohnt“ zu haben (ON 145 S 6), der Feststellung seiner Täterschaft in Bezug auf die vom Schuldspruch A II 1 umfasste Tat erörterungsbedürftig entgegen (Z 5 zweiter Fall) noch weckt sie beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken (Z 5a) gegen die bekämpfte Feststellung.
[16] Das weitere, gegen den Schuldspruch A II 1 und 6 gerichtete Vorbringen der Tatsachenrüge (Z 5a), wonach sich „[a]us dem Akt (Anlassbericht, ON 2)“ ergebe, „dass die Freundin des Angeklagten Daniela J*****“ (zu einer nicht genannten Zeit) „in H***** wohnhaft war“, versäumt bereits die Bezugnahme auf ein konkretes, in der Hauptverhandlung vorgekommenes (§ 258 Abs 1 StPO) Beweismittel (siehe aber RIS-Justiz RS0117446 [insbesondere T10] und RS0117749).
[17] Mit der daran geknüpften Spekulation, die Lage des Wohnsitzes der Genannten in der Nähe des betreffenden Tatorts (in F*****) könne die Einloggung des Mobiltelefons des Beschwerdeführers um die jeweilige Tatzeit erklären, erschöpft sich die Rüge in einem Angriff auf die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.
[18] Da der Angeklagte Ion N***** binnen vier Wochen nach Zustellung einer Urteilsabschrift keine Ausführung seiner Beschwerdegründe überreichte und auch bei der Anmeldung keinen Nichtigkeitsgrund einzeln und bestimmt bezeichnete, war auf seine Nichtigkeitsbeschwerde vom Obersten Gerichtshof keine Rücksicht zu nehmen (§ 285 Abs 1 zweiter Satz StPO).
[19] Die weitere Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S***** und jene des Angeklagten N***** waren daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Über dessen Berufung hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§ 285i StPO).
[20] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E131760European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0130OS00020.21X.0519.000Im RIS seit
08.06.2021Zuletzt aktualisiert am
08.06.2021