Entscheidungsdatum
01.02.2021Index
41/02 Passrecht FremdenrechtNorm
NAG §26Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin MMag. Dr. Salamun über die Beschwerde des Herrn A. B. vom 12.08.2020 gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35 vom 16.07.2020, Zl. MA35-9/...1-07, mit welchem unter Spruchpunkt 1 der Zweckänderungsantrag des Beschwerdeführers vom 26.2.2019 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung“ nach dem FrG 1997 sowie unter Spruchpunkt 2 der Verlängerungsantrag des Beschwerdeführers vom 9.12.2016 auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Aufenthaltsbewilligung Student“,
zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass unter Spruchpunkt 1 die Wortfolge „Zweckänderungsantrag vom 26.2.2019“ durch die Wortfolge „Zweckänderungsantrag vom 9.12.2016, modifiziert am 26.2.2019,“ ersetzt wird und die Rechtsgrundlage lautet: „§ 26 NAG“.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde unter Spruchpunkt 1 der Zweckänderungsantrag des Beschwerdeführers vom 26.2.2019 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung“ nach dem FrG 1997 gemäß § 26 iVm Bestimmungen des FrG 1997 (§ 7 Abs. 1 Z 2) abgewiesen. Gleichzeitig wurde unter Spruchpunkt 2 der Verlängerungsantrag des Beschwerdeführers vom 9.12.2016 auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Aufenthaltsbewilligung Student“ gemäß § 24 Abs. 4 iVm § 64 Abs. 2 NAG wegen Fehlens der maßgeblichen Erteilungsvoraussetzungen abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde zu Spruchpunkt 1 zusammengefasst aus, der Beschwerdeführer habe in der Stellungnahme zur Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 24.6.2020 ausdrücklich noch einmal den Zweck „Niederlassungsbewilligung“ nach dem FrG 1997 als Verfahrensgegenstand angeführt und mitgeteilt, dass er sich bei Beantragung dieses Zweckes nicht auf Art. 6 ARB 1/80, sondern auf die Stillhalteklausel stütze. Im Hinblick auf die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 sowie des Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen 1971 dürften keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit eingeführt werden. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schließe lediglich die Umsetzung des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 im NAG aus. Diesen Ausführungen sei entgegenzuhalten, dass das FrG 1997 durch Inkrafttreten des Fremdenrechtspakets 2005 außer Kraft getreten sei sowie dass die Anwendung der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 nicht bedeute, dass ein Antrag nicht grundsätzlich nach der aktuellen Rechtslage zu beurteilen sei. Das Wesen der Stillhalteklausel bestehe darin, dass sie einerseits selbst unmittelbar keine Rechte einräumt und andererseits nur den Rechtszustand zu einem bestimmten Zeitpunkt konserviert, sodass Sachverhalte nach der aktuellen Rechtslage zu beurteilen seien, aber mit der Maßgabe, dass diese an den Normen und Bedingungen des FrG 1997 zu messen seien. Unzweifelhaft stütze sich der Antrag des Beschwerdeführers dabei auf Art. 6 ARB 1/80 als Rechtsgrundlage. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung judiziert habe, erfolge die innerstaatliche Umsetzung des Art. 6 ARB 1/80 in § 4c des Ausländerbeschäftigungsgesetzes. Selbst wenn sich der Beschwerdeführer auf die Stillhalteklausel berufe, sei für die Behörde nicht erkennbar, worin die neuen Beschränkungen liegen. Es würden sich keine neuen Beschränkungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt im Vergleich zur geltenden Rechtslage ergeben (Ra 2018/22/0100). Als Beweis dafür werde der vom Arbeitsmarktservice ausgestellte Befreiungsschein des Beschwerdeführers festgehalten.
Zu Spruchpunkt 2 führte die Behörde aus, der Beschwerdeführer habe am 25.1.2019 vor der Behörde angegeben, dass er keinen Studienerfolg für den Zeitraum Oktober 2017 bis Oktober 2018 vorlegen könne.
II.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der – rechtsfreundlich vertretene – Beschwerdeführer im Wesentlichen ausführt, er sei seit 23.10.2017 (und davor seit 2013 mit Unterbrechungen) durchgehend beim selben Arbeitgeber beschäftigt und habe zuletzt einen Aufenthaltstitel „Student“ mit Gültigkeit bis zum 14.3.2017 innegehabt. Im Zuge seines Verlängerungsantrages vom 9.12.2016 habe er aufgrund seiner Vordienstzeiten als türkischer Arbeitnehmer auch einen Zweckänderungsantrag gemäß § 24 NAG gestellt, dass ihm eine „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ im Sinne des ARB 1/80 erteilt werden möge. Aufgrund der Judikatur des VwGH (Ro 2017/22/0015) sei schließlich mit ausführlicher Begründung der bisherige Zweckänderungsantrag von „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach den Bestimmungen des FrG 1997 modifiziert worden. Die Behörde habe jedoch mit Bescheid vom 24.4.2019 dennoch über den Antrag auf „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ entschieden, worauf das Verwaltungsgericht Wien den angefochtenen Bescheid behoben habe (VGW-151/085/7636/2019). Im fortgesetzten Verfahren habe der Beschwerdeführer nochmals mit Stellungnahme vom 15.7.2020 vorgebracht, er verfüge bereits über einen Befreiungsschein im Sinne des § 4c AuslBG und habe den Antrag auf Erteilung einer „Niederlassungsbewilligung“ nach dem FrG 1997 wiederholt.
Zum nunmehr angefochtenen Bescheid werde ausgeführt, die Behörde verkenne gänzlich das Wesen der Stillhalteklausel, nämlich das Wesen eines aufenthaltsrechtlichen Dokuments mit jenem eines arbeitsrechtlichen Dokuments. Eine Beschäftigungsbewilligung bzw. der Befreiungsschein würden keinen Aufenthaltstitel dokumentieren. Die faktische und auch rechtliche Schwierigkeit der Einreise von einem Drittstaat in das Bundesgebiet, wie auch die Möglichkeit, sich im Schengenraum 90 Tage aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung frei bewegen zu können, könnten mit einer Beschäftigungsbewilligung bzw. einen Befreiungsschein, selbst wenn diese auf § 4c AuslBG fußt, nicht verhindert werden und werde eine sog. „Notvignette“ maximal einmal pro offenem Antrag erteilt, sodass es dem Antragsteller de facto kaum möglich sein werde, das Bundesgebiet zu Reisezwecken zu verlassen.
Zudem würden Verfahren zu aufenthaltsbeendenden Maßnahmen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingeleitet, obwohl der Aufenthalt aufgrund des arbeitsrechtlichen Dokumentes legal sei, ebenso wie Reisepässe abgenommen und Straferkenntnisse aufgrund des unrechtmäßigen Aufenthaltes durch die LPD erlassen würden. Es sei fraglich, inwieweit daher die Verwehrung der Dokumentation eines Aufenthaltstitels nicht die Rechte eines türkischen Arbeitnehmers einschränke und würde insbesondere die rechtswidrige Abhaltung von der Einreise in das Bundesgebiet den Arbeitsplatzverlust wie auch den Zugang zum Arbeitsmarkt bzw. den Wegfall der bereits erworbenen Ansprüche nach dem Art. 6 ARB 1/80 bedeuten. Obgleich das Beschäftigungsrecht unmittelbar und direkt aus Art. 6 ARB 1/80 erfließe, sei es in § 4c AuslBG implementiert worden; ein Pendant im Hinblick auf den aufenthaltsrechtlichen Status im NAG sei nicht implementiert worden, welche Gesetzeslücke mit Analogie zu schließen sei.
Die Schlussfolgerung insbesondere aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 9.8.2018, Ro 2017/22/0015, das Aufenthaltsrecht eines assoziationsbegünstigten Türken sei in einem Verfahren nach § 4c AuslBG vom AMS festzustellen, greife ebenso zu kurz, da eine Beschäftigungsbewilligung zwar für ein Jahr gelte, aber aus dieser Urkunde nicht ersichtlich sei, ob der Betreffende noch dem Arbeitsmarkt angehöre oder nicht, zumal auch ein vorzeitiges Beenden des Arbeitsverhältnisses vorliegen könnte bzw. dieses (mangels Dienstantrittes des innerhalb von 6 Wochen ab Ausstellung der Beschäftigungsbewilligung) ungültig oder erloschen sein könnte.
Die Ausstellung einer aufenthaltsrechtlichen Karte sei daher insbesondere aus Gründen der Rechtssicherheit für den Betroffenen und für die Verwaltungsorgane essentiell und von höchster Priorität. Auch betreffend EU-Bürger, welchen das Recht auf Freizügigkeit kraft EU-Vertrag zukomme, werde der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet dokumentiert, ebenso wie auch eine Ausnahme vom AuslBG mittels Bescheinigung vom AMS. Die Ungleichbehandlung von türkischen Arbeitnehmern im Vergleich zur EU-Bürgern, welche beide ihre Berechtigung aus dem Unionsrecht ableiten, sei daher krass rechtswidrig und könne mangels legistischer Implementierung im NAG lediglich durch Analogie und rechtskonforme Auslegung des Assoziationsrechts geschlossen werden. Der Bescheid sei daher auch mit Willkür behaftet.
Die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 verbiete es Mitgliedstaaten, neue innerstaatliche Maßnahmen einzuführen, die bezwecken oder bewirken, dass der Zugang bzw. die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit durch türkische Staatsangehörige im EWR-Raum strengeren Voraussetzungen unterworfen werde, als sie zum Zeitpunkt des jeweiligen Inkrafttretens des Assoziationsabkommens für den betreffenden Mitgliedstaat (für Österreich am 1.1.1995) galten (unter Hinweis auf Judikatur des EuGH).
Neben Art. 13 ARB 1/80 verfolge auch Art. 41 des Zusatzprotokolls das Ziel, günstigere Bedingungen für die schrittweise Verwirklichung des Niederlassungsrechts und des freien Dienstleistungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten und der Türkei nicht zu erschweren. Im Gegensatz zu Art. 13 ARB 1/80, welcher darauf abstelle, dass der Aufenthalt und die Beschäftigung des türkischen Arbeitnehmers und seiner Familienangehörigen im Mitgliedstaat ordnungsgemäß ist, erstrecke sich der Anwendungsbereich des Verbots von Neubeschränkungen in Art. 41 des Zusatzprotokolls auf sämtliche neuen Hindernisse für die Ausübung der Niederlassung- und (aktiven) Dienstleistungsfreiheit oder der Freizügigkeit der Arbeitnehmer unabhängig davon, ob sich ein türkischer Staatsbürger rechtmäßig im betreffenden Mitgliedstaat aufhält (unter Hinweis auf Judikatur des EuGH). Ein aus dem ARB 1/80 abgeleitetes Aufenthaltsrecht habe supranationalen Charakter und genieße als solches Anwendungsvorrang gegenüber entsprechenden nationalen Bestimmungen bzw. sei zu dessen Nachweis lediglich eine deklaratorische Aufenthaltserlaubnis erforderlich. Aufgrund der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 sowie des Art. 41 des Zusatzprotokolls dürften die Vertragsparteien untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen.
Das NAG sehe keine spezifische Aufenthaltsberechtigung aus dem Assoziationsrecht vor, ebenso wenig wie die Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“. Der türkische Staatsbürger berufe sich aufgrund der Stillhalteklausel (nach beiden Bestimmungen) auf die Rechtslage nach dem FrG 1997. Der Beschwerdeführer arbeite hier und habe auch seine Lebensinteressen im Bundesgebiet, weshalb er sich auf Dauer niedergelassen im Sinne des § 7 FrG 1997 habe. Es dürfe ihm daher eine quotenfreie Niederlassungsbewilligung erteilt werden. Darüber hinaus verfüge er über einen Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft und seien die Voraussetzungen zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des FrG 1997 (§ 7 Abs. 1 2) nachweislich erfüllt. Die belangte Behörde habe diese Ausführungen mit der saloppen Begründung, dass aktuell das NAG und nicht das FrG 1997 anzuwenden sei, übergangen. Damit verkenne sie jedoch die rechtlich richtige Anwendung des Assoziationsrechts und der ihm zugrundeliegenden Beschlüsse. Das Verfahren werde nach dem NAG zu führen sein, während das Aufenthaltsrecht materiell auf die alten Bestimmungen gestützt werden könne, andernfalls der türkische Arbeitnehmer seinen Aufenthalt nicht nachweisen könne; die Beschäftigungsbewilligung sei - wie oben ausgeführt - kein hinreichendes aufenthaltsrechtliches Dokument, welches von der Fremdenpolizei bzw. dem BFA und dem Landeshauptmann wie auch dem AMS als aufenthaltsrechtliches Dokument zwecks Klärung des aufenthaltsrechtlichen Status akzeptiert werde.
Zudem habe der VwGH im Hinblick auf einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ ausgesprochen, dass der Revisionswerber mit Erfüllung der Voraussetzungen des dritten Spiegelstrichs des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 als niedergelassen im Sinne des § 2 Abs. 2 NAG anzusehen sei (VwGH 8.7.2020, Ro 2020/22/0004). Nach der Rechtsprechung sei einem türkischen Arbeitnehmer, welcher über einen Befreiungsschein verfügt und insgesamt bereits fünf Jahre niedergelassen sei, eine Daueraufenthaltskarte auszustellen, womit das unbefristete Aufenthaltsrecht bescheinigt werde. Umso mehr müsse eine temporäre Aufenthaltskarte erteilt werden, wenn der Beschwerdeführer über einen Befreiungsschein verfügt (und daher bereits mindestens vier Jahre dem Arbeitsmarkt angehört). Der Beschwerdeführer verfüge über einen Befreiungsschein vom 25.6.2020 und sei daher eindeutig als „niedergelassen“ zu bewerten. Die Niederlassungsbewilligung sei daher antragsgemäß zu erteilen bzw. auszustellen.
Ein das Aufenthaltsrecht eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen dokumentierender Rechtsakt müsse nach den Vorgaben der Verordnung Nr. 1030/2002 gestaltet werden. Dies sei bei einer arbeitsmarktrechtlichen Berechtigung gemäß § 4c AuslBG nicht der Fall. In der Vergangenheit sei mit einem Befreiungsschein ein Daueraufenthaltsrecht erworben und ausgestellt worden; gegenständlich werde nicht einmal mehr eine temporäre Aufenthaltskarte ausgestellt, womit eine Rechtsverweigerung betrieben werde, welche einem Rechtsstaat unwürdig sei. Es liege eine Beschränkung des türkischen Arbeitnehmers in der Ausübung seiner Freizügigkeit vor. Ein türkischer Arbeitnehmer könne sich auf die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 berufen, wenn er die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats auf dem Gebiet der Einreise, des Aufenthalts und gegebenenfalls der Beschäftigung beachtet hat und sich dementsprechend rechtmäßig im Hoheitsgebiet des Staates befindet. Dies liege gegenständlich vor.
Die Behörde verkenne gröblich die richtige Anwendung des Assoziationsrechts auf den vorliegenden Fall. Ein Verstoß von innerstaatlichem Recht gegen das Unionsrecht bedeute, dass dieses ohne weiteres unanwendbar werde. § 30 Abs. 3 FrG 1997 sei die einzige explizit geschaffene Bestimmung gewesen, welche für vom Assoziationsrecht erfasste Arbeitnehmer eine unselbständige Beschäftigung erlaubt habe. Eine Rücknahme dieser Bestimmung bzw. deren Unanwendbarkeit widerspräche dem Verschlechterungsverbot und der dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH.
Des weiteren verkenne die Behörde das Wesen der Zweckänderung gemäß § 24 und § 26 NAG, da zuerst über den Zweckänderungsantrag rechtskräftig entschieden werden müsse, bevor das Verlängerungsverfahren betreffend die Aufenthaltsbewilligung „Student“ gemäß § 64 NAG fortgeführt werden könne, weshalb der im selbigen Bescheid erfolgte Abspruch und die Abweisung des Verlängerungsantrages nicht gesetzeskonform erfolgt seien.
III.
Mit Schreiben vom 21.12.2020 forderte das Verwaltungsgericht Wien den Beschwerdeführer zur Vorlage von Studienblatt und Studienbestätigung für das Wintersemester 2020/21 (§ 8 Z 8 lit b NAG-DV) sowie des Studienerfolgsnachweises iSd § 64 Abs. 2 NAG für das Studienjahr 2019/2020 (§ 8 Z 8 lit b NAG-DV) auf.
Mit E-Mail vom 19.1.2021 teilte der Beschwerdeführer zusammengefasst mit, er sei im Studienjahr 2018/19 an der C. Wien inskribiert gewesen, könne aber keinen Studienerfolgsnachweis vorlegen. Im November 2019 habe er eine Vollzeitbeschäftigung begonnen und sich entschieden, sein Studium nicht fortzusetzen. Im Anhang wurde ein Studienblatt und eine Studienbestätigung für das Sommersemester 2019 übermittelt.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der GRC entgegenstehen.
Im Anwendungsbereich von Art. 6 EMRK hat Art. 47 Abs. 2 GRC die gleiche Tragweite und Bedeutung wie jener. Jenseits dessen gelten die Garantien des Art. 6 EMRK für den Anwendungsbereich des Art. 47 Abs. 2 GRC entsprechend (so die Erläuterungen zur Grundrechte-Charta, ABl. 2007 C 303, S 30; vgl. VfSlg. 19.632). Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist durchzuführen, wenn es um "civil rights" oder "strafrechtliche Anklagen" im Sinne des Art. 6 MRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art. 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird (vgl. VwGH 19.5.2015, Ro 2015/05/0004). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenen Vorbringen durchzuführen, zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht (vgl. VwGH 2.8.2016, Ra 2014/05/0058).
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hält eine Verhandlung insbesondere dann nicht für geboten, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann (vgl. EGMR 18.7.2013, Bsw. 56422/09, Schädler-Eberle, Rz. 98). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Gebot der öffentlichen mündlichen Verhandlung im Rechtsmittelverfahren ist auch maßgeblich, welche Bedeutung und Notwendigkeit eine Verhandlung für die Beweiserhebung und Beweiswürdigung sowie die Lösung von Rechtsfragen hat (vgl. EGMR 29.10.1991, Bsw. 11.826/85, Helmers).
Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Verwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018). Die bloße Wiederholung eines bestimmten Tatsachenvorbringens in der Beschwerde stellt weder ein substantiiertes Bestreiten der erstinstanzlichen Beweiswürdigung noch eine relevante Neuerung dar (vgl. VwGH 15.3.2016, Ra 2015/19/0302).
Das Recht auf Parteiengehör bezieht sich auf den von der Behörde festzustellenden maßgebenden Sachverhalt. Die Beweiswürdigung im Sinne des § 45 Abs. 2 AVG, also die Frage, aus welchen Gründen die Behörde welchen Beweismitteln zu folgen gedenkt, zählt aber nicht zu den Ergebnissen des Beweisverfahrens. Die Behörde ist auch nicht gehalten, die Partei zu der von ihr vertretenen Rechtsansicht anzuhören, ihr also mitzuteilen, welche Vorgangsweise sie in rechtlicher Hinsicht auf Grund des als maßgeblich festgestellten Sachverhaltes ins Auge fasst (vgl. etwa VwGH 22.12.2010, 2007/08/0182).
Da der durch die belangte Behörde festgestellte Sachverhalt zu keinem Zeitpunkt bestritten wurde, der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage festgestellt werden konnte, und im gegenständlichen Verfahren lediglich die Frage zu klären war, ob gegenständlich aufgrund der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 oder Art. 41 des Zusatzprotokolls günstigere Bestimmungen des FrG 1997 anwendbar sind, konnte das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG, ungeachtet des Antrages des Beschwerdeführers, von einer mündlichen Verhandlung absehen, zumal die Aktenlage keine weitere Klärung des Sachverhaltes durch die mündliche Erörterung erwarten ließ.
IV. Das Verwaltungsgericht hat erwogen:
IV.1. Rechtsgrundlagen:
Die maßgeblichen Rechtsvorschriften des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 146/2020, lauten:
Verlängerungsverfahren
§ 24. (1) – (3) […]
(4) Mit einem Verlängerungsantrag (Abs. 1) kann bis zur Erlassung des Bescheides ein Antrag auf Änderung des Aufenthaltszwecks des bisher innegehabten Aufenthaltstitels oder auf Änderung des Aufenthaltstitels verbunden werden. Sind die Voraussetzungen für den beantragten anderen Aufenthaltszweck oder Aufenthaltstitel nicht erfüllt, ist darüber gesondert mit Bescheid abzusprechen und der bisherige Aufenthaltstitel mit dem gleichen Aufenthaltszweck zu verlängern, soweit die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen.
[…]
Zweckänderungsverfahren
§ 26. Wenn der Fremde den Aufenthaltszweck während seines Aufenthalts in Österreich ändern will, hat er dies der Behörde im Inland unverzüglich bekannt zu geben. Eine Zweckänderung ist nur zulässig, wenn der Fremde die Voraussetzungen für den beantragten Aufenthaltstitel erfüllt und ein gegebenenfalls erforderlicher Quotenplatz zur Verfügung steht. Sind alle Voraussetzungen gegeben, hat der Fremde einen Rechtsanspruch auf Erteilung dieses Aufenthaltstitels. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, ist der Antrag abzuweisen; die Abweisung hat keine Auswirkung auf das bestehende Aufenthaltsrecht.
[…]
Studenten
§ 64. (1) Drittstaatsangehörigen ist eine Aufenthaltsbewilligung als Student auszustellen, wenn sie
1. die Voraussetzungen des 1. Teiles mit Ausnahme des § 11 Abs. 2 Z 2 erfüllen und
2. ein ordentliches Studium an einer Universität, Fachhochschule, akkreditierten Privatuniversität, öffentlichen oder privaten Pädagogischen Hochschule gemäß dem Hochschulgesetz 2005, BGBl. I Nr. 30/2006, absolvieren,
3. ein außerordentliches Studium im Rahmen eines Universitätslehrganges gemäß § 56 Universitätsgesetz 2002, eines Lehrganges zur Weiterbildung gemäß § 9 Fachhochschul-Studiengesetz, eines Universitätslehrganges gemäß § 3 Abs. 4 Privatuniversitätengesetz, BGBl. I Nr. 74/2011, oder eines Hochschullehrganges gemäß § 39 Hochschulgesetz 2005 absolvieren, dieses mindestens 40 ECTS-Anrechnungspunkte umfasst und nicht ausschließlich der Vermittlung einer Sprache dient,
4. ein außerordentliches Studium im Rahmen eines Universitätslehrganges gemäß § 56 Universitätsgesetz 2002, eines Lehrganges zur Weiterbildung gemäß § 9 Fachhochschul-Studiengesetz, eines Universitätslehrganges gemäß § 3 Abs. 4 Privatuniversitätengesetz oder eines Hochschullehrganges gemäß § 39 Hochschulgesetz 2005 absolvieren, welches auf die in der Zulassungsentscheidung vorgeschriebene Ergänzungsprüfung vorbereitet,
5. ein außerordentliches Studium zur Herstellung der Gleichwertigkeit ihres ausländischen Studienabschlusses gemäß § 90 Abs. 4 Universitätsgesetz 2002, § 6 Abs. 6 Fachhochschul-Studiengesetz oder § 68 Abs. 4 Hochschulgesetz 2005 absolvieren,
6. ein außerordentliches Studium zum Besuch einzelner Lehrveranstaltungen aus wissenschaftlichen Fächern, sofern das in Z 4 genannte außerordentliche Studium erfolgreich abgeschlossen wurde und das Aufnahme- oder Eignungsverfahren aus nicht vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen erst im darauffolgenden Semester absolviert werden kann, oder
7. ein in Z 2 angeführtes Studium abgeschlossen haben und im Anschluss daran eine für die Berufsausübung gesetzlich verpflichtende fachliche Ausbildung absolvieren.
Eine Haftungserklärung ist zulässig.
(2) Dient der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen der Durchführung eines ordentlichen oder außerordentlichen Studiums, ist die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung für diesen Zweck nur zulässig, wenn dieser nach den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften einen Studienerfolgsnachweis der Universität, Fachhochschule, akkreditierten Privatuniversität oder Pädagogischen Hochschule erbringt und in den Fällen des Abs. 1 Z 4 darüber hinaus spätestens innerhalb von zwei Jahren die Zulassung zu einem Studium gemäß Abs. 1 Z 2 nachweist. Dient der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen der Durchführung einer gesetzlich verpflichtenden fachlichen Ausbildung gemäß Abs. 1 Z 7, ist die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung zu diesem Zweck nur zulässig, wenn der Drittstaatsangehörige einen angemessenen Ausbildungsfortschritt nach Maßgabe der der jeweiligen Ausbildung zugrundeliegenden gesetzlichen Vorschriften erbringt. Liegen Gründe vor, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind, kann trotz Fehlens des Studienerfolges oder Ausbildungsfortschrittes eine Aufenthaltsbewilligung verlängert werden.“
Gemäß § 74 Abs. 6 UG hat die Universität einer oder einem ausländischen Studierenden ab dem zweiten Studienjahr auf Antrag der oder des Studierenden einen Studienerfolgsnachweis auszustellen, sofern sie oder er im vorausgegangenen Studienjahr positiv beurteilte Prüfungen im Umfang von mindestens 16 ECTS-Anrechnungspunkten oder 8 Semesterwochenstunden abgelegt hat.
Art. 6 des Beschlusses des - durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten - Assoziationsrates vom 19. September 1980, Nr. 1/80, über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) lautet:
"Artikel 6
(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, in diesem Mitgliedstaat
- nach einem Jahr ordnungsgemässer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;
- nach drei Jahren ordnungsgemässer Beschäftigung vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;
- nach vier Jahren ordnungsgemässer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.
(2) Der Jahresurlaub und die Abwesenheit wegen Mutterschaft, Arbeitsunfall oder kurzer Krankheit werden den Zeiten ordnungsgemässer Beschäftigung gleichgestellt. Die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit, die von den zuständigen Behörden ordnungsgemäss festgestellt worden sind, sowie die Abwesenheit wegen langer Krankheit werden zwar nicht den Zeiten ordnungsgemässer Beschäftigung gleichgestellt, berühren jedoch nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche.
(3) Die Einzelheiten der Durchführung der Absätze 1 und 2 werden durch einzelstaatliche Vorschriften festgelegt.“
Art. 13 des Beschlusses des - durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten - Assoziationsrates vom 19. September 1980, Nr. 1/80, über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) lautet:
„Artikel 13
Die Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft und die Türkei dürfen für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen.“
Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG/Türkei vom 23.11.1970 lautet:
„Artikel 41
(1) Die Vertragsparteien werden untereinander keine neuen Bestimmungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstverkehrs einführen.“
IV.2. Sachverhalt:
Aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers, der Akten der verwaltungsbehördlichen Verfahren und des Aktes des Verwaltungsgerichtes Wien wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen festgestellt:
Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger und wurde am ...1984 geboren.
Mit Bescheid vom 9.11.2012 der Universität Wien wurde der Beschwerdeführer unter Vorschreibung der Ergänzungsprüfung Deutsch zum Bachelorstudium D. zugelassen. Mit Bescheid vom 15.11.2012 der C. Universität Wien wurde er unter Voraussetzung des Nachweises der Kenntnis der deutschen Sprache zum Bachelorstudium E. D. zugelassen. Der Beschwerdeführer war vom 15.4.2013 bis 29.9.2015 für den Vorstudienlehrgang der Wiener Universitäten gemeldet. Er hat die Ergänzungsprüfung aus Deutsch am 22.9.2015 abgelegt.
Von 30.9.2015 bis Sommersemester 2019 war der Beschwerdeführer an der C. Universität Wien für das Bachelorstudium E. D. ...2 gemeldet. Laut der Bestätigung des Studienerfolges vom 20.11.2017 hat der Beschwerdeführer in diesem Studium keine einzige Prüfung abgelegt. Im E-Mail vom 19.1.2021 gab der Beschwerdeführer an, dass er im Studienjahr 2018/19 an der C. Wien inskribiert war, aber keinen Studienerfolgsnachweis vorlegen könne. Im November 2019 habe er eine Vollzeitbeschäftigung begonnen und sich entschieden, sein Studium nicht fortzusetzen.
Der Beschwerdeführer verfügte erstmals über eine Aufenthaltsbewilligung „Studierender“ mit Gültigkeit vom 11.3.2013 bis 11.3.2014. Für diesen Zweck wurden ihm in Folge Aufenthaltsbewilligungen mit Gültigkeit vom 12.3.2014 bis 12.3.2015, vom 13.3.2015 bis 13.3.2016, und zuletzt mit Gültigkeit vom 14.3.2016 bis 14.3.2017 erteilt.
Am 9.12.2016 stellte der Beschwerdeführer einen kombinierten Verlängerungsantrag/Zweckänderungsantrag und beantragte die Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“. Dabei gab der Beschwerdeführer vor der Behörde an, er habe derzeit keinen Studienerfolg und möchte in Österreich arbeiten. Am 10.1.2017 teilte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers mit, ein Sammelzeugnis könne nicht vorgelegt werden. Am 23.11.2017 teilte der Beschwerdeführer mit, er setze sein Studium derzeit nicht fort, habe aber die Absicht weiter zu arbeiten.
Der Zweckänderungsantrag vom 9.12.2016 wurde in der Stellungnahme vom 26.3.2018 mit Ausführungen zum Beschäftigungsverhältnis des Beschwerdeführers konkretisiert.
Mit Stellungnahme vom 26.2.2019 wurde der Zweckänderungsantrag vom 9.12.2016 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach dem FrG 1997 modifiziert.
Sodann wurde mit Bescheid vom 24.4.2019 jedoch der Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ und der Verlängerungsantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung „Student“ abgewiesen. Dieser Bescheid wurde vom Verwaltungsgericht Wien zur GZ: VGW-151/085/7636/2019 aufgehoben, da die Behörde lediglich über den Zweckänderungsantrag vom 9.12.2016 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ (sowie den Verlängerungsantrag „Student“), nicht aber über den in der Stellungnahme vom 26.2.2019 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach dem Fremdengesetz 1997 modifizierten Zweckänderungsantrag, und somit ohne Vorliegen eines dahingehenden Antrages entschieden hatte.
Mit Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme vom 15.7.2020 konkretisierte der Beschwerdeführer den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach dem FrG 1997 weiters insofern, als er diesen ausdrücklich nicht auf Art. 6 ARB 1/80, sondern auf die Stillhalteklausel stützte.
In Folge erließ die Behörde den verfahrensgegenständlichen Bescheid.
Beschäftigung
Der Beschwerdeführer war vom 21.3.2014 bis 28.2.2015, vom 3.4.2015 bis 19.6.2015, vom 1.12.2015 bis 30.11.2016 sowie vom 1.12.2016 bis 30.4.2017 bei F. G. geringfügig beschäftigt. Vom 24.5.2017 bis 31.7.2017 war er bei der F. H. KG geringfügig und beschäftigt; vom 23.10.2017 bis 1.4.2020 war er über die Geringfügigkeitsgrenze hinaus bei diesem Unternehmen als Angestellter tätig. Aufgrund der Covid-19 Pandemie musste der Beschwerdeführer dieses Arbeitsverhältnis in der Gastronomie einvernehmlich lösen und absolvierte er sodann eine Ausbildung als Taxilenker. Vom 2.4.2020 bis 19.8.2020 war der Beschwerdeführer arbeitslos gemeldet. Von 21.8.2020 bis 1.12.2020 war er bei der I. J. KG als Arbeiter gemeldet. Seit 1.12.2020 bezieht der Beschwerdeführer Notstandshilfe und arbeitet seit 22.12.2020 geringfügig bei K. L. als Taxifahrer.
Der Beschwerdeführer gab als Grund für die Unterbrechung der Beschäftigung vom 1.5.2017 bis 23.5.2017 an, dass sein ehemaliger Arbeitgeber, Herr F. G. zunächst sein Unternehmen in der Rechtsform eines Einzelunternehmens betrieb, dieses Unternehmen in Folge in die Rechtsform einer KG umwandelte, die das alte Unternehmen übernommen hat, und die Arbeit des Beschwerdeführers in diesem Zeitraum nicht benötigt wurde. Sowohl das Einzelunternehmen „F. G.“ als auch die F. H. KG hatten bzw. haben ihre Geschäftsanschrift an der Adresse M.-platz, Wien. Die Unterbrechung der Beschäftigung vom 1.8.2017 bis 22.10.2017 ergab sich nach den Angaben des Beschwerdeführers auf Grund des Nichtvorhandenseins eines Aufenthaltstitels, weshalb vom Arbeitsmarktservice N. zunächst keine Beschäftigungsbewilligung ausgestellt worden sei.
Der Beschwerdeführer verfügt aktuell über einen Befreiungsschein gemäß § 4c AuslBG mit einer Gültigkeit vom 25.6.2020 bis 24.6.2025.
Da zu beurteilen war, ob der Beschwerdeführer die besonderen Voraussetzungen für die Erteilung einer „Niederlassungsbewilligung“ nach den FrG 1997 oder einer Aufenthaltsbewilligung für den Zweck „Student“ erfüllt, konnten Feststellungen bezüglich der allgemeinen Voraussetzungen entfallen.
Diese Feststellungen beruhen auf folgenden Erwägungen:
Die Feststellungen gründen sich einerseits auf den eindeutigen Akteninhalt (ZMR-Auszug, IZR-Auszug, Versicherungsdatenauszug u.a.). Andererseits beruhen sie auf den Angaben des Beschwerdeführers und seiner rechtsfreundlichen Vertretung vor der belangten Behörde.
IV.3. Rechtliche Beurteilung:
IV.3.1. Zum Zweckänderungsantrag:
IV.3.1.1.
Der verfahrensgegenständliche Zweckänderungsantrag des Beschwerdeführers ist auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung“ nach dem FrG 1997 gerichtet.
Die belangte Behörde wies den Antrag des Beschwerdeführers mit der Begründung ab, der Beschwerdeführer erfülle die Voraussetzungen für den beantragten Aufenthaltstitel nicht.
Die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde erweist sich im Ergebnis als zutreffend.
IV.3.1.2.
Der vom Beschwerdeführer beantragte Aufenthaltstitel „Niederlassungsbewilligung“ nach dem FrG 1997 ist im gegenständlich in Geltung stehenden Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz nicht vorgesehen. Der Beschwerdeführer stützt sich jedoch ausdrücklich nicht auf das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, sondern auf das nicht mehr in Kraft stehende FrG 1997, und bringt vor, dieses sei, da es die günstigeren Bestimmungen enthalte, aufgrund der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 wie auch Art. 41 des Zusatzprotokolls anwendbar.
Es stellt sich somit die Frage, ob sich der Beschwerdeführer auf die „Stillhalteklausel“ des Art. 13 ARB 1/80 oder die „Stillhalteklausel“ des Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls berufen kann. Die Bestimmungen des Beschlusses des Assoziationsrates Nr. 1/80 sind ebenso wie das Abkommen selbst von ihrem Inkrafttreten an integrierender Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung. Art. 13 ARB 1/80 sowie Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls kommt unmittelbare Wirkung in den Mitgliedsstaaten zu und sie genießen Anwendungsvorrang gegenüber entgegenstehenden nationalem Recht (vgl. EuGH 21.10.2003, verb. Rs. C-317/01 und C-369/01, Abatay und Sahin, Rz. 117). Ihre Anwendbarkeit hätte zur Folge, dass Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes gegenüber seit dem EU-Beitritt erlassenen für türkische Staatsangehörige günstigeren Rechtsnormen zurücktreten würden.
Gemäß Art. 13 ARB 1/80 dürfen die Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Die „Stillhalteklausel“ des Art. 13 ARB 1/80 verbietet Mitgliedstaaten somit, neue innerstaatliche Maßnahmen einzuführen, die bezwecken oder bewirken, dass der Zugang zum Arbeitsmarkt durch türkische Staatsangehörige und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, im EWR-Raum strengeren Voraussetzungen unterworfen werden, als sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Assoziierungsabkommens EWR-Türkei für den betreffenden Mitgliedsstaat (für Österreich am 1.1.1995) galten.
Gemäß Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls werden die Vertragsparteien untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen. Die „Stillhalteklausel“ des Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls verbietet demnach die Einführung neuer Beschränkungen für die Ausübung der Niederlassungs- und (aktiven) Dienstleistungsfreiheit (zur passiven Dienstleistungsfreiheit siehe EuGH 24.9.2013, C-221/11, Demirkan). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zwar nicht aus sich heraus geeignet, türkischen Staatsangehörigen allein auf der Grundlage des Unionsrechts ein Niederlassungsrecht und ein damit einhergehendes Aufenthaltsrecht zu verleihen, und kann ihnen auch kein Recht auf freien Dienstleistungsverkehr oder ein Recht zur Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verschaffen; eine solche Klausel verbietet jedoch allgemein die Einführung neuer Maßnahmen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung dieser wirtschaftlichen Freiheiten durch einen türkischen Staatsangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die für ihn galten, als das Zusatzprotokoll in Bezug auf den betreffenden Mitgliedstaat in Kraft trat (vgl. EuGH 15.11.2011, C-256/11, Dereci u.a., Rz. 88; 19.2.2009, C-228/06, Soysal und Savatli, Rz. 47). Auch eine Verschärfung einer nach dem 1. Dezember 1980 eingeführten Bestimmung, die eine Erleichterung der am 1. Dezember 1980 geltenden Bestimmung vorsah, stellt eine „neue Beschränkung“ im Sinne dieser Vorschrift dar, auch wenn diese Verschärfung nicht die Bedingungen für die Erteilung der Erlaubnis im Vergleich zu den sich aus der am 1. Dezember 1980 geltenden Bestimmung ergebenden Bedingungen verschlechtert (vgl. EuGH 9.12.2010, verb. Rs. C-301/09 und 301/09, Topak und Oguz, Rz. 62). Im Urteil in der Rechtssache „Dereci u.a.“ hat der Europäische Gerichtshof diese Auslegung ausdrücklich auch auf Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls übertragen (vgl. EuGH 15.11.2011, C-256/11, Dereci u.a., Rz. 94). Eine „Stillhalteklausel“, wie sie Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls enthält, hat aber nicht die Wirkung einer materiell-rechtlichen Vorschrift, die das maßgebliche materielle Recht unanwendbar macht und an dessen Stelle tritt, sondern stellt eine gleichsam verfahrensrechtliche Vorschrift dar, die in zeitlicher Hinsicht festlegt, nach welchen Bestimmungen der Regelung eines Mitgliedstaats die Situation eines türkischen Staatsangehörigen zu beurteilen ist, der in einem Mitgliedstaat von der Niederlassungsfreiheit Gebrauch machen will (vgl. EuGH 20.9.2007, C-16/05, Tum und Dari, Rz. 55; 21.7.2011, Oguz, C-186/10, Rz. 22).
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes soll das Verschlechterungsverbot des Art. 13 ARB 1/80 insbesondere für jene türkischen Staatsangehörigen gelten, die während eines Aufenthaltes in einem Mitgliedsstaat noch keine Rechte aus dem Beschluss des Assoziationsrates Nr. 1/80 genießen (vgl. etwa EuGH 17.9.2009, C-242/06, Sahin, Rz. 51), zumal diese Bestimmung sonst inhaltsleer wäre, da ein türkischer Staatsbürger, der in einem Mitgliedsstaat bereits ordnungsgemäß eine Beschäftigung ausübt, nicht mehr durch eine „Stillhalteklausel“ in Bezug auf den Zugang zu einer Beschäftigung geschützt zu werden braucht (vgl. EuGH 21.10.2003, verb. Rs. C-317/01 und C-369/01, Abatay und Sahin, Rz. 81). Die Anwendbarkeit des Art. 13 ARB 1/80 setzt demnach voraus, dass der betroffene türkische Staatsbürger die Absicht hat, in einem Mitgliedsstaat eine Tätigkeit als Arbeitnehmer aufzunehmen und der Betreffende nicht nur ordnungsgemäß – die Vorschriften auf dem Gebiet der Einreise, des Aufenthaltes und gegebenenfalls der Beschäftigung des Aufnahmemitgliedsstaates befolgend – im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedsstaates aufhältig ist, sondern dort auch während eines hinreichend langen Zeitraums lebt, um sich dort schrittweise integrieren zu können (vgl. EuGH 21.10.2003, verb. Rs. C-317/01 und C-369/01, Abatay und Sahin, Rz. 84; 17.9.2009, C-242/06, Sahin, Rz. 55ff).
Art. 13 ARB 1/80 verlangt jedoch, dass der Aufenthalt der Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten ordnungsgemäß ist. Was den Begriff "ordnungsgemäß" im Sinne von Art. 13 ARB 1/80 betrifft, so bedeutet dieser nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, dass der türkische Arbeitnehmer oder sein Familienangehöriger die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats über die Einreise, den Aufenthalt und gegebenenfalls die Beschäftigung beachtet haben muss, sodass seine Lage im Hoheitsgebiet dieses Staates rechtmäßig ist. Demnach kann diese Bestimmung einem türkischen Staatsangehörigen, dessen Lage rechtswidrig ist, nicht zugutekommen (vgl. EuGH 7.11.2013, C-225/12, Demir, Rz. 35). Der Begriff wurde vom Europäischen Gerichtshof unter Verweis auf den verwandten Begriff "ordnungsgemäße Beschäftigung" in Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erläutert, wobei der Begriff "ordnungsgemäß" im Sinne von Art. 13 ARB 1/80 eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates, die ein nicht bestrittenes Aufenthaltsrecht voraussetzt und Aufenthalts- oder gegebenenfalls Beschäftigungszeiten im Rahmen einer vorläufigen Aufenthaltserlaubnis, die nur bis zur endgültigen Entscheidung über das Aufenthaltsrecht gelten, nicht als "ordnungsgemäß" im Sinne des Art. 13 ARB 1/80 eingestuft werden können (vgl. EuGH 7.11.2013, C-225/12, Demir, Rz. 45ff), oder eine Aufenthaltserlaubnis, die nur aufgrund einer Täuschung, die zu einer Verurteilung geführt hat, nicht als Grundlage für einen ordnungsgemäßen Aufenthalt gewertet werden kann (vgl. EuGH 5.6.1997, C-285/95, Suat Kol, Rz. 27; 11.5.2000, C-37/98, Abdulnair Savas, Rz. 61; 29.9.2011, C-187/10, Baris Unal, Rz. 45f; vgl. auch VwGH 6.9.2007, 2004/18/0060, mwN) (vgl. VwGH 24.3.2015, Ro 2014/09/0057).
Demgegenüber kommt es für die Anwendung der „Stillhalteklausel“ des Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls nicht darauf an, ob sich ein türkischer Staatsangehöriger zu dem Zeitpunkt, zu dem er einen Antrag auf Niederlassung im Gebiet eines Mitgliedstaats stellt, rechtmäßig in diesem Staat aufhält oder nicht (vgl. EuGH 20.9.2007, C-16/05, Tum und Dari, Rz. 59; 21.7.2011, Oguz, C-186/10, Rz. 33). Die Stillhalteverpflichtung nach Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls ist somit auch auf Regelungen über die erstmalige Aufnahme türkischer Staatsangehöriger in einem Mitgliedsstaat anwendbar, soweit diese in dessen Hoheitsgebiet von der Niederlassungsfreiheit nach Maßgabe des Assoziierungsabkommens Gebrauch machen wollen (vgl. EuGH 20.9.2007, C-16/05, Tum und Dari, Rz. 63). Wie aus den Ausführungen des Europäischen Gerichtshofes in der Entscheidung in der Rechtsache „Dereci u.a.“ geschlossen werden kann, eröffnet sich der Schutzbereich des Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls grundsätzlich somit bereits dann, wenn die Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit durch den türkischen Staatsbürger nur ein Nebenzweck seiner Aufenthaltsabsicht ist (vgl. EuGH 15.11.2011, C-256/11, Dereci u.a., Rz. 34). Demgegenüber begründet ein rein privat motivierter Umzug in den Mitgliedsstaat unter Beibehaltung einer bisherigen Erwerbstätigkeit im Ausland oder ohne den Willen zur Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit keinen hinreichenden grenzübergreifenden Bezug für ein Eingreifen der Niederlassungsfreiheit (vgl. Frenz, Handbuch Europarecht: Band 1: Europäische Grundfreiheiten, 2. Auflage 2011, Rz. 2252), und muss der türkische Arbeitnehmer seinen subjektiven Willen zum Zuzug in den Mitgliedsstaat mittels objektiv bestehender Anhaltspunkte im Antragsverfahren nachweisen.
Der Gerichtshof hat weiters entschieden, dass die Auslegung des Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls ebenso in Bezug auf die Stillhalteverpflichtung gelten muss, die die Grundlage von Art. 13 ARB 1/80 im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit bildet, da die „Stillhalteklausel“ in Art. 13 ARB 1/80 und diejenige in Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls gleichartig sind und die beiden Klauseln dasselbe Ziel verfolgen (vgl. EuGH 21.10.2003, verb. Rs. C-317/01 und C-369/01, Abatay und Sahin, Rz. 71; 29.04.2010, C-92/07, Kommission gg. Niederlande, Rz. 48).
IV.3.1.3.
Der Beschwerdeführer geht im Bundesgebiet einer unselbständigen Beschäftigung nach. Demnach stellt sich zunächst die Frage, ob ihm ein Aufenthaltsrecht aufgrund von Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 zukommt.
Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 regelt die Voraussetzungen, unter denen ein türkischer Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, seine Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat ausüben kann: Nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung hat er Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber (erster Gedankenstrich), nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber hat er - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben (zweiter Gedankenstrich) sowie nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis (dritter Gedankenstrich).
Ferner müssen eine Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt, d.h. der Gesamtheit der Arbeitnehmer, die den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats nachkommen und somit das Recht haben, eine Berufstätigkeit in dessen Hoheitsgebiet auszuüben, sowie eine ordnungsgemäße Beschäftigung, d.h. eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats und damit ein nicht bestrittenes Aufenthaltsrecht, gegeben sein (vgl. EuGH 24.1.2008, C-294/06, Payir, Rz. 27ff; 19.11.2002, C- 188/00, Kurz, Rz. 29ff).
Wie der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 24.1.2008 in der Rechtssache Payir, C-294/06, ausgesprochen hat, enthält Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 drei Voraussetzungen. Die erste dieser Voraussetzungen betrifft die Eigenschaft als Arbeitnehmer. Der Begriff des Arbeitnehmers hat eine gemeinschaftsrechtliche Bedeutung und ist nicht eng auszulegen. Dieser Begriff ist anhand objektiver Kriterien zu definieren, die das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die Rechte und Pflichten der betroffenen Personen kennzeichnen. Arbeitnehmer ist jeder, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei solche Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die wegen ihres geringen Umfangs völlig untergeordnet und unwesentlich sind. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Dagegen ist für die Frage, ob jemand als Arbeitnehmer im Sinne des Gemeinschaftsrechts anzusehen ist, die Art des Rechtsverhältnisses zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber unerheblich (vgl. EuGH 3.7.1986, 66/85, Lawrie-Blum, Rz. 20; 26.2.1992, C-357/89, Raulin, Rz. 10).
Bei der Gesamtbewertung des Arbeitsverhältnisses sind nicht nur Gesichtspunkte wie die Arbeitszeit und die Höhe der Vergütung zu berücksichtigen, sondern auch solche wie der Anspruch auf bezahlten Urlaub von 28 Tagen, die Geltung von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Anwendung des Tarifvertrages in der jeweils gültigen Fassung auf den Arbeitsvertrag sowie etwa der Umstand, dass das Arbeitsverhältnis mit demselben Unternehmen beinahe vier Jahre bestanden hat (vgl. EuGH 4.2.2010, C-14/09, Genc, Rz. 27).
Die zweite Voraussetzung bezieht sich auf die Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt. Dieser Begriff bezeichnet die Gesamtheit der Arbeitnehmer, die den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats nachkommen und somit das Recht haben, eine Berufstätigkeit in dessen Hoheitsgebiet auszuüben (vgl. EuGH 26.11.1998, C-1/97, Birden, Rz. 51). Für die Zugehörigkeit eines Arbeitnehmers, der im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses zur Ausübung einer tatsächlichen und echten wirtschaftlichen Tätigkeit eingestellt wurde, zum regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats kommt es nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes darauf an, ob das Arbeitsverhältnis im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats lokalisiert werden kann oder eine hinreichend enge Verknüpfung mit diesem Gebiet aufweist, wobei insbesondere der Ort der Einstellung des türkischen Staatsangehörigen, das Gebiet, in dem oder von dem aus die Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ausgeübt wurde, und die nationalen Vorschriften im Bereich des Arbeitsrechts und der sozialen Sicherheit zu berücksichtigen sind (vgl. EuGH 26.11.1998, C-1/97, Birden, Rz. 33). Zur Begründung der Auslegung des Begriffes 'regulär' als synonym mit 'legal' hat sich der Europäische Gerichtshof nicht nur auf eine Untersuchung der verschiedenen Sprachfassungen des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei gestützt, sondern auch auf den Zweck dieses Beschlusses, dessen soziale Bestimmungen einen weiteren, durch die Art. 48, 49 und 50 EG-Vertrag geleiteten Schritt zur Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer bilden (vgl. EuGH 26.11.1998, C-1/97, Birden, Rz. 47ff). Die Ausübung einer Beschäftigung fördert unter legalen Umständen die Integration türkischer Staatsangehöriger im Aufnahmemitgliedstaat. Die Verleihung der in Art. 6 Abs. 1 erster bis dritter Gedankenstrich ARB 1/80 verankerten Rechte setzt daher nur voraus, dass der türkische Arbeitnehmer die Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats über die Einreise in das Hoheitsgebiet und die Ausübung einer Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis beachtet hat (vgl. EuGH 10.2.2000, C-340/97, Nazli, Rz. 32). Zweifellos erfüllt ein türkischer Arbeitnehmer diese Voraussetzung, wenn feststeht, dass er rechtmäßig in das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats eingereist ist, dass ihm bewilligt worden war, dort eine Berufsausbildung zu absolvieren, und dass er im Rahmen dieser Ausbildung länger als vier aufeinander folgende Jahre rechtmäßig beschäftigt war. Der Begriff 'regulärer Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats' ist nicht dahin auszulegen, dass er den allgemeinen Arbeitsmarkt im Gegensatz zu einem begrenzten Markt mit besonderer Zwecksetzung bezeichnet. Zweck und Systematik des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei sind auf die Förderung der Integration türkischer Staatsangehöriger im Aufnahmemitgliedstaat gerichtet (vgl. EuGH 26.11.1998, C-1/97, Birden, Rz. 42ff).
Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 verlangt als dritte Voraussetzung eine ordnungsgemäße Beschäftigung. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes setzt die Ordnungsgemäßheit der Beschäftigung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates und damit das Bestehen eines nicht bestrittenen Aufenthaltsrechts voraus (vgl. dazu etwa EuGH 19.11.2002, C-188/00, Kurz, Rz. 55; VwGH 26.06.2012, 2010/09/0234). So kann es insbesondere nicht zulässig sein, dass ein türkischer Arbeitnehmer sich die Möglichkeit zur Erfüllung dieser Voraussetzung und somit zum Erwerb dieses Rechts allein dadurch verschafft, dass er, nachdem ihm von den nationalen Behörden eine für diesen Zeitraum gültige Aufenthaltserlaubnis verweigert wurde, den im nationalen Recht vorgesehenen Rechtsweg gegen diese Weigerung beschreitet und infolge der aufschiebenden Wirkung seiner Klage bis zum Ausgang des Rechtsstreits vorläufig in dem betreffenden Mitgliedstaat bleiben und dort eine Beschäftigung ausüben darf, vorausgesetzt allerdings, dass das Gericht seine Klage abweist (vgl. EuGH 20.9.1990, C-192/89, Sevince, Rz. 31f). Der Grund dafür ist, dass andernfalls einer Gerichtsentscheidung, durch die dem Betroffenen dieses Recht endgültig verweigert wird, jede Bedeutung genommen und ihm damit ermöglicht würde, für sich die in Art. 6 Abs. 1 dritter Gedankenstrich vorgesehenen Rechte während eines Zeitraums zu begründen, in dem er die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllte (vgl. EuGH 16.12.1992, C-237/91, Kus, Rz. 16).
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist der Umstand, dass ein türkischer Staatsangehöriger als Student zum Studium oder als Au-pair-Kraft zum Erlernen der Sprache des Aufnahmemitgliedstaats in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates eingereist ist, – sofern diese Voraussetzungen erfüllt sind und insbesondere feststeht, dass es sich bei der von den betreffenden türkischen Staatsangehörigen ausgeübten Arbeit um eine tatsächliche Tätigkeit handelt, - nicht von Belang. Wenn es diesen türkischen Staatsangehörigen durch ihr Verdienst gelingt, die in den drei Gedankenstrichen von Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 vorgesehenen Voraussetzungen zu erfüllen, dürfen ihnen die Rechte nicht vorenthalten werden, die ihnen diese Vorschrift, abgestuft nach der Dauer ihrer Beschäftigung als Arbeitnehmer, verleiht (vgl. EuGH 24.1.2008, C-294/06, Payir, Rz. 45).
Etwas anderes gälte nur dann, wenn die Betreffenden einen Anspruch auf Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats durch Täuschung erlangt hätten, indem sie wahrheitswidrig die Absicht bekundeten, zu studieren oder eine Au-pair-Tätigkeit auszuüben. Wenn dagegen das Bestehen dieser Absicht dadurch bestätigt wird, dass sie tatsächlich studieren oder eine Au-pair-Tätigkeit ausüben, wenn sie rechtmäßig eine Arbeit im Aufnahmemitgliedstaat erhalten und wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erfüllen, können die Betreffenden in vollem Umfang die Rechte geltend machen, die ihnen diese Bestimmung verleiht (vgl. EuGH 24.1.2008, C-294/06, Payir, Rz. 46).
IV.3.1.4.
Der Beschwerdeführer verfügte vom 11.3.2013 bis 14.3.2017 über mehrere Aufenthaltsbewilligungen „Studierender“. Am 9.12.2016 stellte er einen Verlängerungs-/Zweckänderungsantrag auf Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“, der in der Folge am 26.2.2019 auf „Niederlassungsbewilligung“ nach dem FrG 1997 modifiziert wurde. Der Beschwerdeführer erfüllt gegenwärtig keine der Voraussetzungen des Art. 6 ARB 1/80 und ist dieser gegenständlich somit nicht anwendbar.
Der Beschwerdeführer war vom 15.4.2013 bis 29.9.2015 für den Vorstudienlehrgang der Wiener Universitäten gemeldet. Er hat die Ergänzungsprüfung aus Deutsch am 22.9.2015 abgelegt. Am 9.12.2016 gab der Beschwerdeführer vor der Behörde an, er habe derzeit keinen Studienerfolg und möchte in Österreich arbeiten. Am 10.1.2017 teilte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers mit, ein Sammelzeugnis könne nicht vorgelegt werden. Am 23.11.2017 teilte der Beschwerdeführer mit, er setze sein Studium derzeit nicht fort, habe aber die Absicht weiter zu arbeiten. Aus Sicht des erkennenden Gerichts ist davon auszugehen, dass seit der Stellung des Zweckänderungsantrages am 9.12.2016 keine Studienabsicht mehr vorlag, sodass ab diesen Zeitpunkt keine ordnungsgemäße Beschäftigung aufgrund der Aufenthaltsbewilligung „Student“ mehr vorlag, zumal ein Studiu