TE Lvwg Erkenntnis 2021/2/15 VGW-151/085/8835/2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.02.2021
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Entscheidungsdatum

15.02.2021

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht
19/05 Menschenrechte

Norm

NAG §11 Abs3
NAG §47 Abs2
EMRK Art. 8

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin MMag. Dr. Salamun über die Beschwerde der Frau A. B. (geb.: 1983, StA: Iran - Islamische Republik) gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Wien, Magistratsabteilung 35, vom 16.06.2020, Zl. ..., betreffend den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Familienangehöriger" nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG),

zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

I.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 8.10.2019 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Familienangehöriger“ gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen, da der Aufenthalt der Beschwerdeführerin zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könne.

Begründend führte die Behörde zusammengefasst aus, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin seit 7.4.2020 bei der Firma C. GmbH für ein Mindesteinkommen von € 1524,99 beschäftigt sei. Zusätzlich übe er seit 1.5.2020 eine geringfügige Beschäftigung bei der Firma D. E. aus und lukriere daraus monatlich € 460,66. Die monatliche Mietzahlung betrage € 691,75 und die monatlichen Kreditrückzahlungen € 578,60. Da die Beschäftigung bei der C. GmbH seit 10.6.2020 jedoch nicht mehr aufrecht sei, sei der Lebensunterhalt nicht gesichert und könne der Antrag nicht bewilligt werden. Der Ehegattenrichtsatz betrage derzeit € 1.524,99 im Monat.

Eine Abwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG falle zu Ungunsten der Beschwerdeführerin aus, unter anderem da die Beschwerdeführerin bisher noch über keinen Aufenthaltstitel verfügt habe. Auch würden sich aus der Aktenlage keine Hinweise ergeben, dass sich der österreichische Zusammenführende in einer Ausnahmesituation befinden würde, die bei Nichtgewährung des Aufenthaltstitels an die Antragstellerin bedeuten würde, dass dieser de facto gezwungen wäre, das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen.

II.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die – durch ihren Ehegatten vertretene – Beschwerdeführerin im Wesentlichen ausführt, der Zusammenführende arbeite seit 1.7.2020 bei F. und verdiene dabei € 1.675 brutto. Mit seiner geringfügigen Beschäftigung seit 1.5.2020 verdiene er außerdem € 460,66 netto. Der Aufenthalt der Beschwerdeführerin führe daher auf keinen Fall zur finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft.

III.

Mit Schreiben vom 7.1.2021 forderte das Verwaltungsgericht Wien die Beschwerdeführerin auf, folgende Nachweise vorzulegen: - Nachweis des Rechtsanspruchs auf eine ortsübliche Unterkunft für die Dauer des beantragten Aufenthaltstitels, insbesondere Miet- oder Untermietverträge, bestandrechtliche Vorverträge oder Eigentumsnachweise, Zahlungsnachweise für die letzten 3 Monate; - Nachweis des gesicherten Lebensunterhalts, insbesondere Lohnzettel, Lohnbestätigungen, Dienstverträge, arbeitsrechtliche Vorverträge, Bestätigungen über Pensions-, Renten- oder sonstige Versicherungsleistungen, Nachweise über das Investitionskapital, Nachweis eigenen Vermögens in ausreichender Höhe; Nachweis über die Herkunft der Mittel; jedenfalls vollständige Kontoauszüge der letzten 3 Monate des Zusammenführenden, aktuelle Selbstauskunft des Kreditschutzverbandes 1870 des Zusammenführenden (unter Angabe, welche Kredite bereits zurückbezahlt wurden sowie Nachweis über Rückzahlung), Nachweis über Pfändungen/Exekutionen (Bezirksgericht) des Zusammenführenden; Angaben zur Höhe des Einkommens (gemeinsame Versteuerung der beiden Einkommen) bzw. zur Nachversteuerung der Einkünfte aus geringfügiger Beschäftigung; Angabe der Höhe monatlichen Beiträge für die Mitversicherung der Beschwerdeführerin als Angehörige bei der ÖGK (§ 123 ASVG); - Bekanntgabe, ob Vorehen der Beschwerdeführerin und des Zusammenführenden bestanden; wenn dies der Fall ist, Vorlage sämtlicher Heiratsurkunden/-verträge und Scheidungsurkunden/-urteile/-vergleiche (samt Unterhaltsvereinbarungen) u.ä. in deutscher Übersetzung; - Bekanntgabe, ob Unterhaltsverpflichtungen bestehen; - Bekanntgabe, ob bzw. welche Verwandte der Beschwerdeführerin in Österreich leben bzw. in welchen Staaten diese leben (im Herkunftsstaat, usw.).

Mit Eingabe vom 21.1.2021 legte der bevollmächtigte Ehegatte der Beschwerdeführerin ein Konvolut an Unterlagen vor.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde weder durch die Beschwerdeführerin noch durch die belangte Behörde beantragt. Gemäß § 19 Abs. 12 NAG kann unbeschadet des § 24 VwGVG eine mündliche Verhandlung durch das Verwaltungsgericht des Landes unterbleiben, wenn der Sachverhalt abschließend feststeht und die Beschwerdeführerin im Ausland aufhältig und nicht zur Einreise in das oder zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist. Da sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt vollumfänglich der Aktenlage entnehmen lässt und sich die Beschwerdeführerin im Ausland aufhält sowie aktuell nicht zur Einreise in das Bundesgebiet berechtigt ist, konnte die Entscheidung gemäß § 19 Abs. 12 NAG ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergehen. Eine Bewertung der finanziellen Verhältnisse, welche sich aus den vorgelegten finanziellen Unterlagen ergeben, kann aufgrund der schriftlichen Unterlagen erfolgen und bedarf keines unmittelbaren Eindruckes des Zusammenführenden.

IV. Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

IV.1. Rechtsgrundlagen:

Die maßgeblichen Rechtsvorschriften des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 146/2020, lauten:

„Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

[…]

9.       Familienangehöriger: wer Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind, ist (Kernfamilie); dies gilt weiters auch für eingetragene Partner; Ehegatten und eingetragene Partner müssen das 21. Lebensjahr zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits vollendet haben; lebt im Fall einer Mehrfachehe bereits ein Ehegatte gemeinsam mit dem Zusammenführenden im Bundesgebiet, so sind die weiteren Ehegatten keine anspruchsberechtigten Familienangehörigen zur Erlangung eines Aufenthaltstitels;

[…]

Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel

§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

1.       gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;

2.       gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;

3.       gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;

4.       eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;

5.       eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder

6.       er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

1.       der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2.       der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3.       der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4.       der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

5.       durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden;

6.       der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, rechtzeitig erfüllt hat, und7. in den Fällen der §§ 58 und 58a seit der Ausreise in einen Drittstaat gemäß § 58 Abs. 5 mehr als vier Monate vergangen sind.

(3) Ein Aufenthaltstitel kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 7 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.       der Grad der Integration;

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(4) Der Aufenthalt eines Fremden widerstreitet dem öffentlichen Interesse (Abs. 2 Z 1), wenn

1.       sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde oder

2.       der Fremde ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.

(6) Die Zulässigkeit, den Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des Abs. 2 Z 2 und 4 mit einer Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) erbringen zu können, muss ausdrücklich beim jeweiligen Aufenthaltszweck angeführt sein.

[…]

Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ und „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“

§ 47. (1) Zusammenführende im Sinne der Abs. 2 bis 4 sind Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und nicht ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben.

(2) Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden sind, ist ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.“

IV.2. Sachverhalt:

Aufgrund des Vorbringens der Beschwerdeführerin, des Aktes des gegenständlichen behördlichen Verfahrens und sowie des gegenständlichen Aktes des Verwaltungsgerichtes Wien wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen festgestellt:

Die am ...1983 geborene Beschwerdeführerin ist iranische Staatsangehörige. Sie verfügt über einen bis 16.4.2024 gültigen Reisepass.

Am 8.10.2019 stellte die Beschwerdeführerin den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ vor der Österreichischen Botschaft Teheran. Zusammenführender ist der Ehegatte der Beschwerdeführerin, Herr G. H., der österreichischer Staatsbürger ist.

Die Beschwerdeführerin hält sich derzeit in ihrem Herkunftsstaat auf. Aktuelle Meldedaten der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet liegen nicht vor.

Am 21.3.2019 heiratete die Beschwerdeführerin in I. (Iran) den am ...1979 geborenen Herrn G. H..

Der Beschwerdeführerin verfügte bislang über keinen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet. Am 8.10.2019 stellte sie den verfahrensgegenständlichen Antrag vor der Österreichischen Botschaft Teheran. Die belangte Behörde wies den Antrag gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG ab, da der Aufenthalt der Beschwerdeführerin zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte.

Der Zusammenführende kam im Jahr 2008 als Asylwerber nach Österreich. Er übte seit 2009 verschiedene Beschäftigungen bei mehreren Arbeitgebern aus, die durch kurze Zeiten des Arbeitslosengeldbezuges unterbrochen waren. Der Zusammenführende war zuletzt von 22.10.2018 bis 6.4.2020 und ist nunmehr wieder seit 1.7.2020 bei der F. AG als Angestellter (Feinkostverkäufer) beschäftigt. Er bezieht für seine Erwerbstätigkeit bei der F. AG laut Dienstzettel vom 1.7.2020 ein monatliches Bruttogehalt von € 1.675; eine Gehaltsveränderung durch Stundenerhöhung von € 1.634 auf € 1.995, welche ihm am 3.9.2019 im Rahmen der vorangehenden Beschäftigung bei der F. AG von 22.10.2018 bis 6.4.2020 zugesagt wurde, ist im neuen Dienstzettel vom 1.7.2020 nicht abgebildet. Nach dem Brutto-Netto-Rechner ergibt sich somit ein Monatsnettogehalt von € 1.584,72 inklusive aliquoter Sonderzahlungen. Aufgrund von Lohnzetteln oder Kontoauszügen sind folgende Nettolöhne aktenkundig:

?    August 2019 € 1.298,53

?    September 2019 € 1.552

?    Oktober 2019 € 1.608,31

?    November 2019 € 3.258,09

?    Juli 2020 € 1.324,42

?    Oktober 2020 € 1.348,88

?    November 2020 € 2.058,29

?    Dezember 2020 € 2.068,13

Neben der Vollzeitbeschäftigung bei der F. AG ist der Zusammenführende seit 1.5.2020 geringfügig bei D. E. für 10 Wochenstunden als Aushilfe beschäftigt und verdient dabei € 460,66 monatlich. Aufgrund von Lohnzetteln oder Kontoauszügen sind folgende Nettolöhne aktenkundig:

?    Mai 2020 € 460,66

?    Juni 2020 € 767,77

?    Juli 2020 € 460,66

?    September 2020 € 460,66

?    Oktober 2020 € 460,66

?    November 2020 € 767,77

?    Dezember 2020 € 460,66

Da die Einkünfte aus der geringfügigen Beschäftigung (€ 460,66 x 14 Monate = € 6.449,24), wenn sie dem Jahresbrutto der Vollzeitbeschäftigung bei der F. AG laut Brutto-Netto-Rechner hinzugerechnet werden, im Bereich zwischen € 18.000 und € 31.000 liegen, ist nach den Lohnsteuerklassen 2021 von einer Nachversteuerung in der Höhe von 35% auszugehen, sodass dem Monatsnettogehalt bei der F. AG ein Betrag in der Höhe von € 349,33 monatlich inklusive aliquoter Sonderzahlungen (€ 6.449,24 – 35% Lohnsteuer = € 4.192; € 4.192 : 12 Monate = € 349,33) hinzuzurechnen sind.

Von 7.4.2020 bis 10.6.2020 war der Zusammenführende bei der C. GmbH als Arbeiter gemeldet, wo er ein Monatsnettogehalt zwischen € 1.452,92 und € 1.579,80 bezog.

Der zusammenführende Ehegatte verfügt über ein Konto bei der Erste Bank mit der Kontonummer .... Am 31.12.2020 wies dieses Konto einen Kontostand in der Höhe von € 1.091,22 auf.

Der Zusammenführende hat folgende Kredit-/Leasingverträge, für welche monatliche Ratenzahlungen in der Höhe von insgesamt € 747,3 zu leisten sind:

1.   Abstattungskredit in der Höhe von € 1.149 bei der BAWAG P.S.K (Datum der Gewährung 15.3.2019, Kreditende 1.2.2024, monatliche Ratenhöhe € 20)

2.   Abstattungskredit in der Höhe von € 25.000 bei der BAWAG P.S.K (Datum der Gewährung 12.2.2020, Kreditende 1.3.2030, monatliche Ratenhöhe € 309)

3.   Leasingvertrag in der Höhe von € 13.500 bei der BMW Austria Leasing GmbH (Datum der Gewährung 8.5.2020, Kreditende 1.6.2023, monatliche Ratenhöhe € 173,14)

4.   Abstattungskredit in der Höhe von € 5.000 bei der Santander Consumer Bank GmbH (Datum der Gewährung 7.10.2020, Kreditende 31.10.2025, monatliche Ratenhöhe € 134,89)

5.   Kredit in der Höhe von € 5.000 bei der Bankhaus Denzel AG (Datum der Gewährung 29.4.2020, monatliche Ratenhöhe € 110,27)

Ob der Zusammenführende offene Exekutionen hat, konnte mangels Vorlage eines Auszuges aus dem Exekutionsregister nicht festgestellt werden. Auf den vorgelegten Lohnzetteln sind jedenfalls keine Gehaltsexekutionen ersichtlich.

Der Ehegattenrichtsatz für das Jahr 2021 beträgt € 1.578,36 im Monat. Dazu sind die regelmäßigen Aufwendungen hinzuzuzählen. Regelmäßige Aufwendungen sind: € 747,3 Kredit/Leasingraten + € 387,3 Unterkunft (€ 691,75 Miete inklusive Betriebskostenakonto abzüglich der freien Station in der Höhe von € 304,45) + € 65,76 Zusatzbeitrag für die Mitversicherung der Beschwerdeführerin bei der ÖGK (3,4% der Summe der monatlichen Nettoeinkünfte des Zusammenführenden in der Höhe von € 1.934,05), also insgesamt € 1.200,36. Es sind daher finanzielle Mittel in der Höhe von € 2.778,72 monatlich nachzuweisen.

Die für das Ehepaar monatlich zur Verfügung stehenden Mittel belaufen sich auf ca. € 2.025 (€ 1.584,72 Monatsgehalt F. inkl. aliquoter Sonderzahlungen laut Brutto-Netto-Rechner + € 349,33 geringfügige Beschäftigung nach Besteuerung inkl. aliquoter Sonderzahlungen + € 90,94 Kontoguthaben vom 31.12.2020 aufgeteilt auf 12 Monate). Die für das Ehepaar monatlich zur Verfügung stehenden Mittel liegen damit weit unter den nachzuweisenden finanziellen Mitteln in der Höhe von € 2.778,72 monatlich.

Es konnte somit nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin über einen Rechtsanspruch auf die gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG erforderlichen finanziellen Mittel verfügt.

Der Zusammenführende verfügt über einen Mietvertrag vom 25.7.2019, der befristet bis 30.9.2024 geschlossen wurde. Mietgegenstand ist eine Wohnung an der Adresse J.-Straße, Wien. Die Wohnung umfasst 46 m2 und besteht aus zwei Zimmern, Vorzimmer, Bad, WC, Loggia und Kellerabteil. Der monatliche Mietzins inklusive Betriebskostenakonto beträgt € 691,75 brutto. Außer dem Zusammenführenden ist niemand an dieser Adresse gemeldet. Es liegt daher ein Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft gemäß § 11 Abs. 2 Z 2 NAG vor.

Die Beschwerdeführerin hat als Angehörige gemäß § 123 ASVG einen Anspruch auf Mitversicherung bei ihrem Ehegatten, der auf Grund seiner Erwerbstätigkeit gesetzlich krankenversichert ist. Für die Mitversicherung ist ein Zusatzbeitrag im Ausmaß von 3,4 Prozent der Beitragsgrundlage zu entrichten.

Die Beschwerdeführerin verfügt über einen Bachelorabschluss der Pharmazie vom November 2017 an der K. (Indien). Laut ihrem Vorbringen verfügt sie auch über einen Masterstudienabschluss dieser Universität. Zudem hat sie am 22.9.2006 ein zweijähriges Studium (…) im Studienfach „Geburtshilfe“ an der L. Universität in M. (Iran) abgeschlossen. Mit E-Mail vom 10.3.2020 teilte das BMBWF mit, dass das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Studienabschlussdiplom „Bachelor of Pharmacy“ (4 Studienjahre) der K. – unter der Voraussetzung der Echtheit/Richtigkeit der Urkunde – die allgemeine Universitätsreife in Österreich gemäß § 64 Abs. 1 Z 4 UG in Verbindung mit § 9 Abs. 4 Z 3 IntG erfüllt. Die Beschwerdeführerin hat damit gemäß § 21a Abs. 3 Z 1 NAG den Nachweis der Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau A1 erbracht.

Die Eltern der Beschwerdeführerin leben im Iran. Ob die Beschwerdeführerin in Österreich Verwandte hat, konnte mangels diesbezüglicher Angaben entgegen der Aufforderung vom 7.1.2021 nicht festgestellt werden.

Diese Feststellungen beruhen auf folgenden Erwägungen:

Die Feststellungen gründen sich auf den eindeutigen Akteninhalt (Kontoauszüge, Mietvertrag, Versicherungsdatenauszug, Auskunft der Konsumentenkreditevidenz etc.).

Die Feststellungen betreffend die persönlichen und familiären Verhältnisse der Beschwerdeführerin beruhen auf den Angaben der Beschwerdeführerin anlässlich der Antragstellung.

Dass die Beschwerdeführerin nicht über die gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG erforderlichen finanziellen Mittel verfügt, ergibt sich aus den vom Zusammenführenden vorgelegten Gehaltsnachweisen über die Vollzeitbeschäftigung bei der F. AG und die geringfügige Beschäftigung bei D. E., welche – unter Hinzurechnung des Kontoguthabens aufgeteilt auf 12 Monate – monatlich insgesamt € 2.025 netto ergeben. Eine Gehaltsveränderung durch Stundenerhöhung, die dem Zusammenführenden im Rahmen seines vorangehenden Dienstverhältnisses mit der F. AG gewährt worden war, ist im aktuellen Dienstzettel vom 1.7.2020 nicht ersichtlich, sodass eine solche bei der Einkommensprognose nicht berücksichtigt werden konnte. Dagegen, dass der Zusammenführende im Rahmen der Beschäftigung bei der F. AG Überstunden machen könnte, spricht auch, dass er seit 1.5.2020 zusätzlich eine geringfügige Beschäftigung bei D. E. im Ausmaß von 10 Wochenstunden eingegangen ist. Selbst wenn man aber von einer monatlichen Gehaltsveränderung durch Stundenerhöhung bei der F. AG auf € 1.995 brutto - wie jener am 3.9.2019 - ausgehen würde, ergäben sich monatlich zur Verfügung stehende Mittel lediglich in der Höhe von insgesamt € 2.225,81 netto (€ 1.785,54 fiktives Monatsgehalt F. inkl. aliquoter Sonderzahlungen laut Brutto-Netto-Rechner + € 349,33 geringfügige Beschäftigung nach Besteuerung inkl. aliquoter Sonderzahlungen + € 90,94 Kontoguthaben vom 31.12.2020 aufgeteilt auf 12 Monate). Angesichts der lediglich 2 Monate andauernden Beschäftigung bei der C. GmbH konnte auch das bei dieser Beschäftigung erzielte etwas höhere Nettoeinkommen als bei der im Wesentlichen seit 2018 ausgeübten Beschäftigung bei der F. AG nicht als Maßstab für die Einkommensprognose herangezogen werden. Die regelmäßigen Aufwendungen des Zusammenführenden ergeben sich aus dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten aktuellen KSV-Auszug vom 18.1.2021, den Auszügen der Kreditkonten und des Leasingkontos sowie den Kontoauszügen des Girokontos des Zusammenführenden von Oktober bis Dezember 2020. Dabei ist bemerken, dass der Zusammenführende über das Jahr 2020 mehrere Kredit- bzw. Leasingverträge abschloss, sodass die monatlich zurückzuzahlenden Kreditraten anstiegen, wodurch sich auch die monatlich nachzuweisenden finanziellen Mittel erhöhten. Insgesamt reichen die Einkünfte somit nicht aus, um den gesetzlich geforderten Betrag in der Höhe von € 2.778,72 monatlich nachzuweisen (€ 1.578,36 Ehegattenrichtsatz für das Jahr 2021 + € 1.200,36 regelmäßige Aufwendungen).

Die Feststellungen hinsichtlich der Unterkunft gründen sich v.a. auf den vorgelegten Mietvertrag vom 25.7.2019.

Die Feststellungen zum Bestand einer alle Risiken abdeckenden Krankenversicherung gründen auf § 123 ASVG.

IV.3. Rechtliche Beurteilung:

IV.3.1.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gemäß § 47 Abs. 2 NAG.

Nach § 2 Abs. 1 Z 9 NAG ist Familienangehöriger wer Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind, ist (Kernfamilie); dies gilt weiters auch für eingetragene Partner.

Die Beschwerdeführerin ist Ehegattin eines österreichischen Staatsbürgers. Sie erfüllt damit den Begriff des Familienangehörigen gemäß § 2 Abs. 1 Z 9 NAG.

IV.3.2.

Der Ehegattenrichtsatz beträgt aktuell € 1.578,36. Somit sind für den Zuzug der Beschwerdeführerin regelmäßige Einkünfte in der Höhe von monatlich € 1.578,36 zuzüglich regelmäßiger Aufwendungen in der Höhe von € 1.200,36 (insgesamt € 2.778,72) nachzuweisen (siehe unter Punkt IV.2.).

Bei der Prüfung, ob ausreichende Unterhaltsmittel zur Verfügung stehen, ist eine Prognose über die Erzielbarkeit ausreichender Mittel zu treffen (vgl. VwGH 7.4.2011, 2009/22/0066 und 3.3.2011, 2009/22/0096). Dabei hat die Behörde jenen Zeitpunkt in Blick zu nehmen, in dem der Familiennachzug vollzogen wird (vgl. VwGH 25.3.2010, 2010/21/0088). Gleichzeitig kommt etwa früheren Beschäftigungen, den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung sowie der Wahrscheinlichkeit, ob die nun bekanntgegebenen Einkommensverhältnisse auch auf absehbare Zeit andauern werden, Bedeutung zu (vgl. VwGH 21.6.2011, 2009/22/0060).

Die in § 7 Abs. 1 Z 7 NAG-DV genannten Nachweise (u.a. arbeitsrechtlicher Vorvertrag) sind als demonstrative Aufzählung zu verstehen (vgl. zu § 9b NAG-DV VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0039) und ist die vorliegende konkrete Erwerbsaussicht der Beschwerdeführerin auf der Grundlage einer Prognose aufgrund einer glaubwürdigen und ausreichend konkretisierten Bestätigung zu bewerten (vgl. VwGH 9.9.2014, Ro 2014/22/0032), derzufolge davon auszugehen ist, dass die Einkünfte der Beschwerdeführerin in absehbarer Zukunft verfügbar sein werden, sodass dieser nicht zur finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen wird (zu dem Erfordernis der festen und regelmäßigen Einkünfte vgl. Art. 7 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2003/86/EG, EuGH 4.3.2010, C-578/08, Chakroun, sowie betreffend den Begriff der Sozialhilfeleistungen EuGH 19.9.2013, Brey, C-140/12, und die zur „Familienzusammenführungsrichtlinie“ ergangene Mitteilung der Europäischen Kommission vom 3.4.2014, COM[2014] 210 final, Punkt 4.4.). Die Behörde hat sich diesfalls mit der vom Fremden vorgelegten Bestätigung inhaltlich auseinanderzusetzen und sie einer Beweiswürdigung zu unterziehen (vgl. VwGH 21.12.2010, 2009/21/0096).

Unter Berücksichtigung des Wertes der freien Station in der Höhe von € 304,45 ergibt sich aus dem Einkommen aus der Vollzeitbeschäftigung bei der F. AG, der geringfügigen Beschäftigung bei D. E. und dem aliquoten Kontoguthaben ein zur Verfügung stehendes regelmäßiges Haushaltseinkommen in der Höhe von monatlich € 2.025 inklusive aliquoter Sonderzahlungen, welches somit deutlich unter dem erforderlichen Richtsatz in der Höhe von € 1.578,36 zuzüglich regelmäßiger Aufwendungen in der Höhe von € 1.200,36 (insgesamt € 2.778,72) liegt (siehe unter Punkt VI.2.). Es ist im Beschwerdefall aber jedenfalls eine auf den Einzelfall Bedacht nehmende Prüfung vorzunehmen.

IV.3.3.

In seinem zur Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung in der Rechtssache C-578/08 "Chakroun" ergangenen Urteil vom 4. März 2010 hat der Europäische Gerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass die Unterschreitung eines vorgegebenen Mindesteinkommens nicht ohne eine konkrete Prüfung der Situation des einzelnen Antragstellers die Ablehnung der Familienzusammenführung zur Folge haben darf. Dies kann insbesondere bei einer nur geringfügigen Unterschreitung des nach der österreichischen Rechtslage maßgeblichen Richtsatzes nach § 293 ASVG bzw. bei einer langen Ehedauer von Bedeutung sein (vgl. VwGH 21.12.2010, 2009/21/0002; 4.4.2011, 2008/21/0300).

Diese Einzelfallbetrachtung führt jedoch im Beschwerdefall auch unter Bedachtnahme auf die im Grunde des Art. 8 EMRK geschützten Interessen der Beschwerdeführerin nicht zu dem Ergebnis, dass der gegenständliche Aufenthaltstitel zu erteilen wäre. Insbesondere liegt gegenständlich keine bloß geringfügige Unterschreitung des maßgeblichen Richtsatzes vor und ist auch die Ehe noch nicht von langer Dauer.

IV.3.4.

Auch eine Interessenabwägung im Sinne von § 11 Abs. 3 NAG iVm Art. 8 MRK bringt kein zugunsten der Beschwerdeführerin ausfallendes Ergebnis.

Die Beschwerdeführerin verbrachte zweifelsohne die maßgeblichen Zeiten ihrer Sozialisierung in ihrem Herkunftsstaat, dessen Sprache sie spricht und wo sie auch die Schule besucht hat.

Die Beschwerdeführerin verfügt über einen Bachelorabschluss der Pharmazie an einer Universität in Indien und über ein zweijähriges Studium im Studienfach „Geburtshilfe“ an einer Universität im Iran. Damit hat die Beschwerdeführerin gemäß § 21a Abs. 3 Z 1 NAG den Deutschnachweis auf dem Niveau A1 erbracht. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie über Deutschkenntnisse verfügt, die ausreichen, um eine längere Alltagskommunikation auf Deutsch zu ermöglichen. Im Übrigen würde die gegenständliche Interessenabwägung auch nicht zu Gunsten der Beschwerdeführerin ausfallen, wenn von einer tiefgehenden sprachlichen Integration der Beschwerdeführerin in Österreich auszugehen wäre.

Es ist zwar zutreffend, dass die Beschwerdeführerin in Österreich über enge familiäre Beziehungen insofern verfügt, als in Österreich ihr Ehegatte lebt. Zwar kommt der Ehe der Beschwerdeführerin mit ihrem österreichischen Ehegatten ein besonderes Gewicht zu. Vor allem ist in diesem Zusammenhang jedoch zu betonen, dass bei der Eheschließung im März 2019 der Beschwerdeführerin und ihrem Ehegatten bewusst war, dass die Beschwerdeführerin zwecks Begründung eines gemeinsamen Familienlebens in Österreich einen Aufenthaltstitel benötigen werde. Die familiären und sozialen Bindungen der Beschwerdeführerin in Österreich sind somit – wie bereits erwähnt – zu einem Zeitpunkt entstanden, zu dem der Beschwerdeführerin bekannt sein musste, dass sie nicht auf einen dauerhaften Aufenthalt vertrauen durfte. Das Gewicht der bislang erlangten Bindungen der Beschwerdeführerin ist daher zwar zu berücksichtigen, aber im Ergebnis als entsprechend geschmälert zu werten. Auch wird die Ehe bzw. die Beziehung mit dem Ehegatten seit der Heirat im Jahr 2019 weitgehend über technische Kommunikationsmittel aufrechtgehalten, da der Zusammenführende in Österreich lebt und hier auch erwerbstätig ist.

Im Übrigen ist es grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass ein gemeinsames Familienleben auch im Iran geführt werden könnte. Der Zusammenführende ist österreichischer Staatsbürger und fand die Heirat im März 2019 im Iran statt. Einer Familienzusammenführung sowie der Begründung eines gemeinsamen Familienlebens im Iran stehen im Beschwerdefall keine schwerwiegenden oder unzumutbaren Hindernisse entgegen (vgl. insbesondere auch die Verankerung der Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsland und die dort bestehenden familiären Bindungen). Dass die Begründung des Familienlebens im Iran von der Beschwerdeführerin und ihrem Ehegatten als wirtschaftlich nachteilig bzw. nicht wünschenswert beurteilt wird, ist in diesem Zusammenhang nicht ausschlaggebend. Es ist somit davon auszugehen, dass das Führen eines gemeinsamen Familienlebens im Iran möglich und zumutbar wäre.

Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß Art. 8 EMRK sind die betroffenen öffentlichen Interessen den im Grunde des Art. 8 EMRK geschützten Interessen der Beschwerdeführerin gegenüberzustellen (vgl. etwa VfGH 29.9.2007, B 1150/07; VwGH 22.11.2007, 2007/21/0317, 0318; 18.6.2009, 2008/22/0387).

Durch die gegenständliche Entscheidung erfolgt zwar ein Eingriff in die durch Art. 8 EMRK geschützten Interessen der Beschwerdeführerin insofern, als sie daran gehindert ist, ein gemeinsames Familienleben mit ihrem Ehegatten in Österreich zu führen. Dieser auf gesetzlicher Grundlage beruhende Eingriff erweist sich jedoch aus den oben dargestellten öffentlichen Interessen als dringend erforderlich und auch mit Blick auf die verfolgte Zielsetzung (Vermeidung finanzieller Belastungen von Gebietskörperschaften durch den Zuzug von Drittstaatsangehörigen, die nicht über die erforderlichen Unterhaltsmittel verfügen) als verhältnismäßig.

Somit ist ein überwiegendes Interesse der Beschwerdeführerin im Sinne des Art. 8 EMRK (sowie im Sinne von § 11 Abs. 3) nicht gegeben. Es ist zwar davon auszugehen, dass durch die Verweigerung, den gegenständlichen Aufenthaltstitel zu erteilen, ein gewichtiger Eingriff in die durch Art. 8 EMRK geschützten Interessen der Beschwerdeführerin (welche insbesondere in dem in Österreich aufzunehmenden Familienleben begründet sind) erfolgt. Allerdings ist dieser Eingriff im Hinblick auf das als sehr hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung zwingender fremdenrechtlicher Vorschriften dringend erforderlich und im Hinblick auf die verfolgte Zielsetzung auch verhältnismäßig. Die privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin haben daher vor dem gewichtigen öffentlichen Interesse an der Einhaltung insbesondere des § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG zurückzutreten.

IV.3.5.

Im Lichte der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die unten zitierte Judikatur) sowie der Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH 15.11.2011, C-256/11, "Dereci ua") ist auch in keiner Weise davon auszugehen, dass der Ehegatte – für den Fall der Nichterteilung des gegenständlichen Aufenthaltstitels – de facto gezwungen wäre, Österreich oder das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen.

Der Zusammenführende ist in Österreich erwerbstätig und finanziert den eigenen Lebensunterhalt. Er ist daher finanziell und wirtschaftlich unabhängig. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass eine Ausnahmesituation im Beschwerdefall vorliegen sollte, sodass der Ehegatte der Beschwerdeführerin durch die gegenständliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wien in dem Genuss des Kernbestands seiner durch die Unionsbürgerschaft garantierten Rechte beeinträchtigt wäre.

Die finanzielle Versorgung des Ehegatten wird durch seine eigene Erwerbstätigkeit gewährleistet (vgl. hingegen die den Urteilen des EuGH vom 19. Oktober 2004, Zhu und Chen, C-200/02, sowie vom 17. September 2002, Baumbast und R, C-413/99, zugrundeliegenden Ausgangsverfahren). Der tatsächliche Genuss des Kernbestandes der durch die Unionsbürgerschaft gewährleisteten Rechte (vgl. Art. 20 AEUV) durch den Ehegatten setzt somit vor dem Hintergrund des vorliegenden Sachverhalts nicht voraus, dass sich die Beschwerdeführerin in Österreich aufhalten und im Bundesgebiet einer Erwerbstätigkeit nachgehen darf.

Allein aus der Verweigerung eines Aufenthaltstitels für die Beschwerdeführerin kann nicht abgeleitet werden, dass der Ehegatte gezwungen wäre, Österreich und das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen. Der Wunsch nach einem gemeinsamen Familienleben in Österreich begründet noch keine Ausnahmesituation (vgl. VwGH 19.2.2014, 2013/22/0049). Die bloße Tatsache, dass es für einen Staatsbürger eines Mitgliedstaates aus wirtschaftlichen Gründen oder zur Aufrechterhaltung der Familiengemeinschaft im Gebiet der Union wünschenswert erscheinen könnte, dass Familienangehörige, die nicht die Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaats besitzen, sich mit ihm zusammen im Gebiet der Union aufhalten können, rechtfertigt für sich genommen nicht die Annahme, dass der Unionsbürger gezwungen wäre, das Gebiet der Union zu verlassen, wenn dem Familienangehörigen kein Aufenthaltsrecht gewährt würde (vgl. EuGH 15.11.2011, C-256/11, "Dereci ua", Rz. 68, sowie VwGH 17.4.2013, 2013/22/0062, und 19.12.2012, 2012/22/0218).

IV.3.6.

Auf dem Boden dieser Erwägungen ist der gegenständliche Aufenthaltstitel weder im Lichte einer Einzelfallbetrachtung noch im Lichte einer Interessenabwägung im Sinne von Art. 8 EMRK in Verbindung mit § 11 Abs. 3 NAG oder zum Genuss des Kernbestands der durch die Unionsbürgerschaft garantierten Rechte zu erteilen.

Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde somit abzuweisen und der angefochtene Bescheid zu bestätigen.

Es war folglich spruchgemäß zu entscheiden.

IV.4. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vielmehr war im Beschwerdefall nach Durchführung eines ausführlichen Ermittlungsverfahrens im Lichte der eindeutigen Gesetzeslage (vgl. u.a. § 11 Abs. 5 NAG in Verbindung mit § 293 ASVG) sowie im Rahmen der Leitlinien der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. VwGH 21.12.2010, 2009/21/0002 sowie 4.4.2011, 2008/21/0300) festzuhalten, dass die gemäß § 293 ASVG maßgeblichen Richtsätze nicht erfüllt werden, im Ergebnis keine lediglich geringfügige Unterschreitung der Richtsätze vorliegt und im Übrigen auch weder eine Einzelfallbetrachtung noch eine Interessenabwägung im Sinne von Art. 8 EMRK in Verbindung mit § 11 Abs. 3 NAG oder zum Genuss des Kernbestands der durch die Unionsbürgerschaft garantierten Rechte zu einem zu Gunsten der Beschwerdeführerin ausfallenden Ergebnis führen. Bei einer Interessenabwägung im Sinne von Art. 8 EMRK handelt es sich um eine Einzelfall bezogene Entscheidung, die im Regelfall nicht revisibel ist.

Schlagworte

Aufenthaltstitel; Familienangehörige; Interessensabwägung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.151.085.8835.2020

Zuletzt aktualisiert am

02.06.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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