TE Lvwg Erkenntnis 2021/4/22 LVwG-2021/37/0545-6, LVwG-2021/37/0546-6

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Veröffentlicht am 22.04.2021
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Entscheidungsdatum

22.04.2021

Index

81/01 Wasserrechtsgesetz
80/02 Forstrecht
L55007 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Tirol
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

WRG 1959 §12, 102
ForstG 1975 §§17, 17a, 19
NatSchG Tir 2005 §§36, 43
VwGVG 2014 §§14, 15, 24, 28, 31

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol fasst/erkennt durch seinen Richter Dr. Hirn über die Beschwerde der AA, Adresse 1, **** Z, vertreten durch BB und CC, Rechtsanwälte in **** Y, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 30.11.2020, Zl ***, betreffend eine Angelegenheit nach dem WRG 1959, dem ForstG 1975 und dem TNSchG 2005 (mitbeteiligte Parteien: Gemeinde Z und DD; belangte Behörde: Bezirkshauptmannschaft X), hinsichtlich des Spruchpunktes I. nach Beschwerde-vorentscheidung der Bezirkshauptmannschaft X vom 18.01.2021, Zl ***, aufgrund des Vorlageantrages der AA, vertreten durch BB und CC, Rechtsanwälte in **** Y, (den)

I.

Beschluss:

1.       Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. und III. des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft X vom 30.11.2020, Zl ***, wird als unzulässig zurückgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

II.

zu Recht:

1.       Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 30.11.2020, Zl ***, wird als unzulässig zurückgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung vom 18.01.2021, Zl ***, bestätigt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

1.       Verfahrensgang bei der belangten Behörde:

Mit Schriftsatz vom 17.08.2020 hat die Gemeinde Z, vertreten durch Bürgermeister JJ, Adresse 3, **** Z, um die Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung für die Errichtung sowie Verlegung eines Teiles des Wanderweges „Natur- und Vogellehrpfad“ in W-V angesucht. Mit diesem Schriftsatz hat die Gemeinde Z zudem die vorübergehende Rodung von insgesamt 65 m2 und die dauernde Rodung von insgesamt 100 m2 auf näher bezeichneten Waldflächen angezeigt. Dem Ansuchen und der Anzeige waren Einreichunterlagen, insbesondere ein technischer Bericht, die Zustimmungserklärung des betroffenen Grundeigentümers sowie ein Rodungsplan, in dreifacher Ausfertigung beigefügt.

Zum beantragten Vorhaben haben der forsttechnische Amtssachverständige KK mit Schriftsatz vom 04.09.2020, Zl ***, der wildbachtechnische Amtssachverständige FF mit Schriftsatz vom 14.09.2020, Zl ***, und die naturkundliche Amtssachverständigen GG mit Schriftsatz vom 05.11.2020, Zl *** Stellungnahmen abgegeben.

Mit den Spruchpunkten II. und III. des Bescheides vom 30.11.2020, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft X der Gemeinde Z die naturschutzrechtliche (Spruchpunkt II.) und wasserrechtliche Bewilligung (Spruchpunkt III.) zur Errichtung bzw Verlegung eines Teiles des Wanderweges im Bereich näher bezeichneter Grundstücke, alle GB ***** W, nach Maßgabe eines signierten Projektes und unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen erteilt. Mit Spruchpunkt I. des Bescheides vom 30.11.2020, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft X gemäß den §§ 17a und 170 Abs 1 Forstgesetz 1975 (ForstG 1975) die Rodung im Ausmaß von 65 m² vorübergehender Rodefläche und 96 m² dauernder Rodefläche betreffend das Gst Nr **1 sowie 4 m² dauernder Rodefläche betreffend das Gst Nr **2, beide GB ***** W, also eine vorübergehende Rodung von insgesamt 65 m² sowie eine dauernde Rodung von insgesamt 100 m², zur Errichtung bzw Verlegung eines Teiles des Wanderweges auf näher bezeichneten Grundstücken des GB ***** W nach Maßgabe eines näher bezeichneten und signierten Projektes zustimmend zur Kenntnis genommen.

Mit Schriftsatz vom 04.01.2021 hat AA, Adresse 1, **** W, vertreten durch BB und CC, Rechtsanwälte in **** Y, Beschwerde gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 30.11.2020, Zl ***, erhoben und beantragt, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben; hilfsweise wird beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und der belangten Behörde die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 18.01.2021, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft X als Forstbehörde die Beschwerde der rechtsfreundlich vertretenen AA gemäß § 14 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) in Verbindung mit (iVm) den §§ 17a und 19 ForstG 1975 als unzulässig zurückgewiesen. Mit Schriftsatz vom 03.02.2021 hat AA, vertreten durch BB und CC, Rechtsanwälte in **** Y, beantragt, die Beschwerde vom 04.01.2021 dem Landesverwaltungsgericht Tirol vorzulegen.

Mit Schriftsatz vom 22.02.2021, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft X den behördlichen Akt einschließlich der Beschwerdevorentscheidung vom 18.01.2021, Zl ***, dem Landesverwaltungsgericht Tirol mit dem Ersuchen um Entscheidung über die Beschwerde der rechtsfreundlich vertretenen AA, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid vom 30.11.2020, Zl ***, vorgelegt.

2.       Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol:

Mit Schriftsatz vom 25.02.2021 hat sich die Gemeinde Z, vertreten durch
LL, MM und NN, Rechtsanwälte in **** X, zum Beschwerdevorbringen geäußert und ihrer Stellungnahme die geologische Beurteilung vom Februar 2021, verfasst vom „Ziviltechnikerbüro für Geologie OO“, sowie den Rodungserlass des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus vom 17.07.2002, Zl ***, in der Fassung vom 04.03.2020, Zl ***, beigefügt.

Mit Schriftsatz vom 18.03.2021, Zl *** und ***, hat das Landesverwaltungsgericht Tirol die Beschwerdeführerin ersucht, den im Rechtsmittel vom 03.02.2021 enthaltenen Bezug auf jedes Verfahren und das zu ihren Gunsten bestehende Recht auf Forstproduktenablieferung über Gst Nr **3 in EZ ***** GB ***** W, insbesondere die Grundlage dieses Rechtes, näher darzulegen. Dazu hat sich die Beschwerdeführerin im Schriftsatz vom 08.04.2021 geäußert und diesem Schriftsatz den Kaufvertrag vom 04.09.1882 sam einem Lichtbild des „PP“ beigefügt.

Über Aufforderung des Landesverwaltungsgerichtes Tirol hat die Agrarbehörde den Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 27.01.1969, Zl ***, übermittelt. Mit diesem Bescheid erfolgte ua die behördliche Anerkennung der durch freie Übereinkunft gebildeten „Güterweggenossenschaft QQ“.

II.      Beschwerdevorbringen und Stellungnahem der mitbeteiligten Partei:

1.       Beschwerdevorbringen:

Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie sei Eigentümerin der Liegenschaft EZ ** GB ***** W. Mit dem Eigentum dieser Liegenschaft sei das Recht der Forstproduktenablieferung über
Gst Nr **1 in EZ ***** verbunden. Sie sei demnach dinglich Berechtigte hinsichtlich des Gst Nr **1, GB ***** W, über welches ein Abschnitt des bewilligten Wanderweges verlaufen soll. Im behördlichen Verfahren habe sie keine Möglichkeit gehabt, zum gegenständlichen Vorhaben Stellung zu nehmen, auf ihr Bringungsrecht sei daher in keiner Weise eingegangen worden. Insbesondere wäre mit dem forstfachlichen Sachverständigen abzuklären gewesen, inwieweit der Wanderweg der Ausübung ihres beschriebenen Rechtes entgegenstehe und ob allenfalls Auflagen erforderlich seien. Sie [= die Beschwerdeführerin] sei daher übergangene Partei. Ihr Recht auf Gehör sei verletzt worden. Schon aufgrund dieses Mangels sei der angefochtene Bescheid zu beheben.

Zudem hebt die Beschwerdeführerin hervor, zum Gutsbestand der Liegenschaft EZ 30
GB ***** W gehöre auch das Gst Nr **4, welches westlich an das Gst Nr **1,
GB ***** W, grenze. Das Gst Nr **4, GB ***** W, sei im östlichen Teil, also im Grenzbereich zum Gst Nr **1, GB ***** W, bestockt. Ihr komme daher gemäß
§ 19 Abs 4 ForstG 1975 Parteistellung zu. Auch unter diesem Aspekt sei sie als übergangene Partei zu qualifizieren.

Die Beschwerdeführerin weist daraufhin, dass das Gst Nr **1 steil in Gst Nr **4, beide GB ***** W, abfalle. Immer wieder würden sich Steine aus dem Gst Nr **1, GB ***** W, lösen und letztlich auf dem Gst Nr **4, GB ***** W, zu liegen kommen. In dem, dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Verfahren sei unerörtert geblieben, inwieweit ein Einschnitt in diesen Hang durch die Wegerrichtung Auswirkungen auf die Stabilität habe. Durch die Baumaßnahme verschärfe sich die bestehende Situation und komme es daher zu verstärktem Steinschlag. Auch aus diesem Grund sei das dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Verfahren mangelhaft geblieben.

Im Vorlageantrag vom 03.02.2021 hält die Beschwerdeführerin ausdrücklich fest, in jedem Verfahren sei zu beachten, ob durch die beantragten Maßnahmen Rechte Dritter betroffen seien. Falls dies auch nur abstrakt möglich sei, seien die Berechtigten als Parteien beizuziehen, es sei zu prüfen, inwieweit durch die Maßnahmen private Rechte betroffen würden. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass durch behördliche Maßnahmen in fremde Privatrechte rechtmäßig eingriffen werden könnte.

2.       Stellungnahme der mitbeteiligten Partei:

Die beteiligte Partei betont in ihrer Stellungnahme vom 25.02.2021 die Rechtskonformität der Beschwerdevorentscheidung der Bezirkshauptmannschaft X vom 18.01.2021,
Zl ***. Entgegen deren Vorbringen komme der Beschwerdeführerin keine Parteistellung zu. Dies ergebe sich auch aus dem ergänzenden geologischen Gutachten und der ergänzenden forstfachlichen Stellungnahme, jeweils erstellt im Februar 2021.

Abschließend verweist die mitbeteiligte Partei auf den Rodungserlass vom 17.07.2002,
Zl ***, idF vom 04.03.2020, Zl ***, insbesondere die darin enthaltenen Ausführungen zu § 17a ForstG 1975.

III.     Sachverhalt:

1.       Allgemeines:

Der derzeitige Natur- und Vogellehrpfad führt durch eine landwirtschaftliche Fläche („RR“, Gst Nr **1, GB ***** W). Im weiteren Verlauf nach Süden führt dieser Weg nahe an einem Mistlager und Wirtschaftsgebäude vorbei.

Mit dem vorliegenden Projekt wird der Natur- und Vogellehrpfad an die westliche Grenze der Gste Nrn **1, **5, **6 und **7, alle GB ***** W, verlegt.

2.       Technische Beschreibung:

Der nunmehr projektierte Wanderweg verläuft über die Gste Nrn **2, **1, **5, **6 und **7, alle GB ***** W. Eigentümer der genannten Grundstücke ist DD, Adresse 2, **** Z. Dieser hat der Errichtung sowie Verlegung eines Teiles des Wanderweges und den dafür vorgesehenen Rodungen auf einer Länge von 561 m zugestimmt.

Der neu geplante Wanderweg hat eine Gesamtlänge von 561 m und soll in einer Breite von
1 m bzw 1,5 m in den Kehren ausgeführt werden. Es sind laut Projekt in den talseitigen Wegböschungen abschnittweise Kunstbauten wie Grobsteinschlichtungen oder bewehrte Erde vorgesehen, dies betrifft den Wegabschnitt zwischen hm 0 bis 2,00 sowie Abschnitte zwischen hm 1,65 und 1,95 sowie den Bereich um hm 1,35. Der geplante Weg soll geschottert ausgeführt werden. Die Entwässerung des Wegplanums soll über Querneigung des Wegplanums sowie in den steileren Hangbereichen über Wasserauskehrungen erfolgen. Der Trassenverlauf dieses Weges bewegt sich in den roten und gelben Wildbachgefahrenzonen des EE Baches. Zudem wird eine gelbe Lawinengefahrenzone (Schneerutsch) und ein brauner Hinweisbereich „Vernässung“ berührt.

Für dieses Bauvorhaben sind auf dem Gst Nr **1, GB ***** W, dauernde Rodungen im Ausmaß von 96 m² und eine vorübergehende Rodung im Ausmaß von 65 m² sowie auf dem Gst Nr **2, ***** W, eine dauernde Rodung im Ausmaß von 4 m² erforderlich. Die von den Rodungen betroffenen Flächen haben somit ein Ausmaß von insgesamt 165 m² (dauernde Rodung: 100 m²; vorübergehende Rodung: 65 m²).

3.       Feststellungen betreffend die Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ ** GB ***** W. Zu dieser Liegenschaft zählen die Gste Nrn **8, **4 und 1836/2. Zu Gunsten der EZ ** GB ***** W ist das Recht der Forstproduktenablieferung über Gst Nr **1 in EZ ***** eingetragen. Grundlage für die Dienstbarkeit der Forstproduktenablieferung über Gst Nr **1, GB ***** W, ist der am 04.09.1882 abgeschlossene Kaufvertrag. Unter Punkt 5. der „Bedingungen“ wurde das beschriebene Recht über das „Festler-Feld“ eingeräumt.

Mit Bescheid vom 27.01.1969, Zl ***, hat das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz die aufgrund freier Übereinkunft von Eigentümern näher bezeichneter angeführter land- und forstwirtschaftlich genutzter Liegenschaften in der
GB ***** W zum Zwecke der Errichtung, Erhaltung und Benützung eines landwirtschaftlichen Güterweges vom Gemeindeweg W-V bis zum Hofe QQ die „Güterweggenossenschaft QQ“ behördlich anerkannt. Mitglied dieser Güterweg-genossenschaft ist unter anderem der jeweilige Eigentümer/die jeweilige Eigentümerin des Gst Nr **8 EZ ** GB ***** W. Zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides waren SS und TT, geborene UU, Miteigentümer des Gst Nr **8, GB ***** W.

Gemäß Spruchpunkt II. des Bescheides vom 27.01.1969, Zl ***, besteht zu Gunsten der „Güterweggenossenschaft QQ“ das landwirtschaftliche Bringungsrecht im Umfang der Dienstbarkeit der Duldung, der Errichtung, Erhaltung und Benützung eines 3,50 m breiten Geh- und Fahrweges nach Maßgabe einer näher bezeichneten Unterlage auf mehreren Grundstücken, unter anderem dem Gst Nr **8, GB ***** W. Dieser Güterweg führt abzweigend von der Vstraße über die Gste Nrn **9, **10, **11, **12, **8 und **13, alle GB ***** W. Die verfahrensgegenständliche Wegverlegung weist keine Berührungspunkte mit dem eben beschriebenen Güterweg auf.

In Spruchpunkt IV. „Parteienübereinkommen“ des Bescheides vom 27.01.1969, Zl ***, hat die Agrarbehörde das von den am Verfahren beteiligten Parteien abgeschlossene Parteienübereinkommen beurkundet:

„Den Eigentümern der vier an der Genossenschaft beteiligten Waldparzellen steht die Benützung des Weges zum Zwecke der Holzablieferung aus ihren Waldgrundstücken zu. Sollte jedoch durch die Holzbringung auf den bestehenden und den Güterweg kreuzenden Holzriesen an der Weganlage ein nennenswerter Schaden angerichtet werden, verpflichten sich diejenigen Genossenschaftsmitglieder, welche im Zuge der Holzablieferung den Schaden verursacht haben, diesen auf e i g e n e Kosten wiederum zu beheben.“

Das im Eigentum der Beschwerdeführerin stehende, teilweise bestockte Gst Nr **4,
GB ***** W, grenzt westlich an das Gst Nr **1, GB ***** W.

IV.      Beweiswürdigung:

Die Feststellungen der Kapitel 1. und 2. der Sachverhaltsdarstellung der gegenständlichen Entscheidung stützen sich auf den behördlichen Akt, insbesondere die Einreichunterlagen.

Die Feststellungen des Kapitels 3. der Sachverhaltsdarstellung der gegenständlichen Entscheidung stützen sich insbesondere auf das Beschwerdevorbringen, die vom Landesverwaltungsgericht Tirol eingeholten Grundbuchsauszüge sowie den vom Landesverwaltungsgericht Tirol eingeholten Bescheid der Agrarbehörde vom 29.01.1969, Zl ***. Ergänzend dazu erfolgte eine Einsicht in TIRISMaps.

V.       Rechtslage:

1.       Wasserrechtsgesetz 1959:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959), BGBl Nr 215/1959 in den Fassungen BGBl I Nr 82/2003 (§ 12) und BGBl I Nr 73/2018
(§ 102) lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:

„Grundsätze für die Bewilligung hinsichtlich öffentlicher Interessen und fremder Rechte.

§ 12.

(1)    Das Maß und die Art der zu bewilligenden Wasserbenutzung ist derart zu bestimmen, daß das öffentliche Interesse (§ 105) nicht beeinträchtigt und bestehende Rechte nicht verletzt werden.

(2)    Als bestehende Rechte im Sinne des Abs. 1 sind rechtmäßig geübte Wassernutzungen mit Ausnahme des Gemeingebrauches (§ 8), Nutzungsbefugnisse nach § 5 Abs. 2 und das Grundeigentum anzusehen.

[…]“

„Parteien und Beteiligte.

§ 102.

(1)    Parteien sind:

a)   der Antragsteller;

b)   diejenigen, die zu einer Leistung, Duldung oder Unterlassung verpflichtet werden sollen oder deren Rechte (§ 12 Abs. 2) sonst berührt werden, sowie die Fischereiberechtigten (§ 15 Abs. 1) und die Nutzungsberechtigten im Sinne des Grundsatzgesetzes 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten, BGBl. Nr. 103, sowie diejenigen, die einen Widerstreit (§§ 17, 109) geltend machen;

[…]

(2)    Beteiligte im Sinne des § 8 AVG. sind ? nach Maßgabe des jeweiligen Verhandlungsgegenstandes und soweit ihnen nicht schon nach Abs. 1 Parteistellung zukommt ? insbesondere die Interessenten am Gemeingebrauch, alle an berührten Liegenschaften dinglich Berechtigten, alle, die aus der Erhaltung oder Auflassung einer Anlage oder der Löschung eines Wasserrechtes Nutzen ziehen würden, und im Verfahren über den Widerstreit von Entwürfen (§ 109) alle, die bei Ausführung eines dieser Entwürfe als Partei (Abs. 1) anzusehen wären. Beteiligte sind auch nach § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 anerkannte Umweltorganisationen im Rahmen ihrer örtlichen Anerkennung, um einen möglichen Verstoß gegen die Verpflichtung des § 104a zu verhindern, insbesondere dann, wenn erhebliche negative Auswirkungen auf den ökologischen, chemischen und/oder mengenmäßigen Zustand und/oder das ökologische Potential der betreffenden Gewässer im Sinne des § 104 Abs. 1 lit. b zu erwarten sind.

(3)    Die Beteiligten sind berechtigt, im Verfahren ihre Interessen darzulegen; in diesem Rahmen haben die nach § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 anerkannten Umweltorganisationen auch die Möglichkeit, alle von ihr für das geplante Vorhaben als relevant erachteten Stellungnahmen, Informationen, Analysen oder Meinungen in Schriftform vorzulegen oder während einer mündlichen Verhandlung oder Untersuchung mit dem Antragsteller vorzutragen. Diese sind bei der Entscheidung der Behörde angemessen zu berücksichtigen. Die Erhebung von Einwendungen steht den Beteiligten jedoch nicht zu.

[…]“

2.       Forstgesetz 1975:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Forstgesetzes 1975 (ForstG 1975), BGBl Nr 440/1975, in den Fassungen BGBl I Nr 59/2002 (§ 17) und BGBl I Nr 104/2013 (§§ 17a und 19) lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:

„Rodung

§ 17.

(1)    Die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) ist verboten.

(2)    Unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 1 kann die Behörde eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald nicht entgegensteht.

(3)    Kann eine Bewilligung nach Abs. 2 nicht erteilt werden, kann die Behörde eine Bewilligung zur Rodung dann erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.

[…]“

„Anmeldepflichtige Rodung

§ 17a.

(1)    Einer Rodungsbewilligung bedarf es nicht, wenn

1.   die Rodungsfläche ein Ausmaß von 1 000 m² nicht übersteigt und

2.   der Antragsberechtigte das Rodungsvorhaben unter Anschluss der in § 19 Abs. 2 genannten Unterlagen bei der Behörde anmeldet und

3.   die Behörde dem Anmelder nicht innerhalb von sechs Wochen ab Einlangen der Anmeldung mitteilt, dass die Rodung aus Rücksicht auf das öffentliche Interesse an der Walderhaltung ohne Erteilung einer Rodungsbewilligung nach § 17 nicht durchgeführt werden darf. § 91 Abs. 2 gilt sinngemäß.

[…]

„Rodungsverfahren

§ 19.

(1)    Zur Einbringung eines Antrags auf Rodungsbewilligung sind berechtigt:

1.   der Waldeigentümer,

2.   der an der zur Rodung beantragten Waldfläche dinglich oder obligatorisch Berechtigte in Ausübung seines Rechtes unter Nachweis der Zustimmung des Waldeigentümers,

3.   die zur Wahrnehmung der öffentlichen Interessen im Sinne des § 17 Abs. 3 Zuständigen,

[…]

(4)    Parteien im Sinne des § 8 AVG sind:

1.   die Antragsberechtigten im Sinn des Abs. 1 im Umfang ihres Antragsrechtes,

2.   der an der zur Rodung beantragten Waldfläche dinglich Berechtigte,

[…]

4.   der Eigentümer und der dinglich Berechtigte der an die zur Rodung beantragten Waldfläche angrenzenden Waldflächen, wobei § 14 Abs. 3 zweiter Halbsatz zu berücksichtigen ist, und

[…]“

3.       Tiroler Naturschutzgesetz 2005:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Tiroler Naturschutzgesetz 2005 (TNSchG 2005), LGBl Nr 26/2005 in den Fassungen LGBl Nr 14/2015 (§ 36) und LGBl Nr 163/2019 (§ 43) lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:

㤠36

Landesumweltanwältin bzw. Landesumweltanwalt

[…]

(8)    Der Landesumweltanwältin bzw. dem Landesumweltanwalt kommt in allen naturschutzrechtlichen Verfahren, mit Ausnahme von Verwaltungsstrafverfahren, Parteistellung im Sinne des § 8 AVG zu. Sie/Er hat bei der Ausübung ihrer/seiner Parteienrechte auf andere öffentliche Interessen, auch auf wirtschaftliche Interessen, Bedacht zu nehmen. Die Landesumweltanwältin bzw. der Landesumweltanwalt ist berechtigt, sich in den von der Bezirksverwaltungsbehörde durchzuführenden naturschutzbehördlichen Verfahren durch die Naturschutzbeauftragte bzw. den Naturschutzbeauftragten (§ 37) vertreten zu lassen sowie Ausgleichsmaßnahmen im Sinne des § 14 Abs. 6 und sonstige Maßnahmen im Sinne der Ziele nach § 1 Abs. 1 anzuregen. Die Landesumweltanwältin bzw. der Landesumweltanwalt ist weiters berechtigt, zum Schutz jener öffentlichen Interessen, deren Wahrnehmung ihr/ihm gesetzlich aufgetragen ist, gegen Bescheide der Bezirksverwaltungsbehörde Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht zu erheben.

[…]“

㤠43

Verfahren

[…]

(5)    In allen Verfahren zur Entscheidung über ein Ansuchen um die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung haben die vom betreffenden Vorhaben berührten Gemeinden zur Wahrnehmung ihrer Interessen in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches Parteistellung im Sinn des § 8 AVG.

(6)    Anerkannte Umweltorganisationen im Sinn des § 3 Abs. 11 sind berechtigt,

a)   gegen Bescheide über Bewilligungen nach § 14 Abs. 4 erster Satz,

b)   gegen Bescheide über Feststellungen nach § 14 Abs. 4 zweiter Satz,

c)   gegen Bescheide, insoweit damit

1.  hinsichtlich der in den Anhängen IV lit. b und V lit. b bzw. in den Anhängen IV lit. a und V lit. a der Habitat-Richtlinie genannten Pflanzen- und Tierarten Ausnahmen von den Verboten nach § 23 Abs. 2 und 3 lit. a bzw. nach § 24 Abs. 2 und 3 lit. a oder

2.  hinsichtlich der durch dieses Gesetz geschützten Vogelarten Ausnahmen von den Verboten nach § 25 Abs. 1 lit. a bis e und g erteilt werden, sowie

d)   gegen Bescheide über Bewilligungen nach den §§ 23 Abs. 7, 24 Abs. 7 und 25 Abs. 7

Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht zu erheben. Werden in einer Beschwerde gegen Bescheide nach lit. a Gründe erstmals vorgebracht, so sind diese nur zulässig, wenn die anerkannte Umweltorganisation am Unterbleiben der Geltendmachung während der Dauer der Kundmachung nach § 14 Ab. 9 sechster Satz oder im Zuge des Verwaltungsverfahrens kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft und sie dies hinreichend glaubhaft macht.

[…]“

3.     Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl I Nr 33/2013 in den Fassungen BGBl I Nr 122/2013 (§ 15) sowie BGBl I Nr 138/2017 (§§ 14, 24 und 28) sowie BGBl I Nr 57/2018 (§ 31) lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:

„Beschwerdevorentscheidung

§ 14.

(1)    Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden.

(2)    Will die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

Vorlageantrag

§ 15.

(1)    Jede Partei kann binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Wird der Vorlageantrag von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt, hat er die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3), und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten.

(2)    […]

Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Vorlageantrag und die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorzulegen und den sonstigen Parteien die Vorlage des Antrags mitzuteilen.

[…]“

„Verhandlung

§ 24.

(1)    Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2)    Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1.   der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist oder

[…]“

„Erkenntnisse

§ 28.

(1)    Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

[…]“

„Beschlüsse

§ 31.

(1)    Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

[…]“

VI.      Erwägungen:

1.       Zur Rechtzeitigkeit:

Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde vier Wochen.

Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 30.11.2020, Zl ***, wurde der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters am 07.12.2020 zugestellt. Deren Beschwerde vom 04.01.2021 ist an diesem Tag und somit innerhalb der vierwöchigen Beschwerdefrist bei der Bezirkshauptmannschaft X eingelangt. Die Erhebung der Beschwerde erfolgte somit fristgerecht.

Gemäß § 15 Abs 1 erster Satz VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird.

Die Beschwerdevorentscheidung der Bezirkshauptmannschaft X vom 18.01.2021,
Zl ***, wurde der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters am 21.01.2021 zugestellt. Der Vorlageantrag vom 03.02.2021 ist an diesem Tag und somit innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 15 Abs 1 erster Satz VwGVG bei der Bezirkshauptmannschaft X eingelangt. Der Vorlageantrag wurde somit fristgerecht eingebracht.

2.       Prüfgegenstand- und umfang:

Mit den Spruchpunkten II. und III. des Bescheides vom 30.11.2020, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft X der Gemeinde Z die naturschutzrechtliche (Spruchpunkt II.) und wasserrechtliche Bewilligung (Spruchpunkt III.) zur Errichtung bzw Verlegung eines Teiles des Wanderweges im Bereich näher bezeichneter Grundstücke, alle GB ***** W, nach Maßgabe eines signierten Projektes und unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen erteilt. Mit Spruchpunkt I. des Bescheides vom 30.11.2020, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft X gemäß den §§ 17a und 170 Abs 1 ForstG 1975 eine vorübergehende Rodung von insgesamt 65 m² sowie eine dauernde Rodung von insgesamt 100 m² zur Errichtung bzw Verlegung eines Teiles des Wanderweges auf näher bezeichneten Grundstücken des GB ***** W nach Maßgabe eines näher bezeichneten und signierten Projektes zustimmend zur Kenntnis genommen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 18.01.2021, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft X als Forstbehörde die Beschwerde der rechtsfreundlich vertretenen AA gemäß § 14 Abs 1 VwGVG iVm §§ 17a und 19 ForstG 1975 als unzulässig zurückgewiesen. Der Vorlageantrag vom 03.02.2021 ist fristgerecht bei der Bezirkshauptmannschaft X eingelangt.

Die Beschwerdevorentscheidung ist allerdings nur an die Stelle des Spruchpunktes I. des Bescheides vom 30.11.2020, Zl ***, getreten.

Gegenstand des Verfahrens beim Landesverwaltungsgericht Tirol sind daher aufgrund der Beschwerde vom 04.01.2021 die Spruchpunkte II. und III. des Bescheides vom 30.11.2020, Zl ***. Im Hinblick auf den zulässigen Vorlageantrag vom 03.02.2021 ist Prüfgegenstand des Beschwerdeverfahrens zudem die Beschwerdevorentscheidung vom 18.01.2021, Zl ***. Diesbezüglich hat das Landesverwaltungsgericht Tirol die Rechtmäßigkeit der von der belangten Behörde vorgenommenen Zurückweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 30.11.2020, Zl ***, zu prüfen.

3.       In der Sache:

3.1.    Zum Beschluss (Spruchpunkt 1. der gegenständlichen Entscheidung):

3.1.1.  Zur wasserrechtlichen Bewilligung:

Ausgehend von der wildbachtechnischen Stellungnahme vom 27.08.2020, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft X die gegenständliche Wegverlegung als Errichtung/Abänderung einer „anderen“ Anlage innerhalb der Grenzen des Hochwasserabflusses fließender Gewässer qualifiziert und diese Maßnahme dem Bewilligungstatbestand des § 38 Abs 1 WRG 1959 unterstellt.

In einem Bewilligungsverfahren gemäß § 38 WRG 1959 haben die Inhaber bestehender Rechte im Sinn des § 12 Abs 2 WRG 1959 Parteistellung gemäß § 102 Abs 1 lit b WRG 1959 und damit auch das Recht, Einwendungen zu erheben [Bumberger – Hinterwirth, WRG2 (2013) § 38 E 50 und E 56].

Die in § 12 Abs 2 WRG 1959 genannten Rechte sind rechtmäßig geübte Wasserbenutzungen, Nutzungsbefugnisse nach § 5 Abs 2 WRG 1959 und das Grundeigentum. Demjenigen, dem nur ein sonstiges dingliches Recht an der berührten Liegenschaft zusteht, mangelt somit die Parteieigenschaft, da das ihm zustehende Recht nicht zu den in § 12 Abs 2 WRG 1959 als geschützt erklärten Rechten zählt. Dienstbarkeitsrechte zählen ? ebenso wie etwa ein Bringungsrecht ? nicht zu den wasserrechtlich geschützten Rechten des § 12 Abs 2 WRG [Bumberger – Hinterwirth, WRG2 (2013) § 102 E 47 und E 48].

Die Beschwerdeführerin ist nicht Eigentümerin der von der verfahrensgegenständlichen Wegverlegung betroffenen Grundstücke. Sie verfügt auf der Grundlage des Kaufvertrages vom 04.09.1882 über das grundbücherlich sichergestellte „Recht der Forstproduktenablieferung“ über Gst Nr **1 in EZ ***** GB ***** W und somit über eine im Zivilrecht begründete Dienstbarkeit. Diese Dienstbarkeit verleiht der Beschwerdeführerin gemäß § 102 Abs 2 WRG 1959 zwar die Stellung als Beteiligte, wonach sie aber lediglich berechtigt ist, im Verfahren ihre Interessen darzulegen, aber keine Parteistellung nach dem WRG 1959. Eine solche Parteistellung würde ihr auch das umschriebene, agrarbehördlich eingeräumte Bringungsrecht nicht vermitteln, darüber hinaus wird dieses Bringungsrecht durch die gegenständliche Wegverlegung nicht berührt. Der Beschwerdeführerin kommt somit im Hinblick auf die mit Spruchpunkt III. des Bescheides vom 30.11.2020, Zl ***, erteilte wasserrechtliche Bewilligung keine Parteistellung zu.

3.1.2.  Zur naturschutzrechtlichen Bewilligung:

Parteien eines naturschutzrechtlichen Verfahrens sind neben dem Antragsteller/der Antragstellerin die Landesumweltanwältin bzw der Landesumweltanwalt (vgl § 36 Abs 8 TNSchG 2005) und die vom betreffenden Vorhaben berührten Gemeinden zur Wahrnehmung ihrer Interessen in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches (vgl § 43 Abs 5 TNSchG 2005). Darüber hinaus sind anerkannte Umweltorganisationen gemäß § 43 Abs 6 lit a bis d TNSchG 2005 berechtigt, Beschwerde gegen genau bezeichnete Bescheide an das Landesverwaltungsgericht zu erheben.

Aus den zitierten Bestimmungen lässt sich im Hinblick auf die mit Spruchpunkt II. des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft X vom 30.11.2020, Zl ***, erteilte naturschutzrechtliche Bewilligung eine Parteistellung der Beschwerdeführerin nicht ableiten.

3.2.    Zum Erkenntnis (Spruchpunkt II. der gegenständlichen Entscheidung):

Mit Spruchpunkt I. des Bescheides vom 30.11.2020, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft X gemäß den §§ 17a und 170 Abs 1 ForstG 1975 eine vorübergehende Rodung von insgesamt 65 m² sowie eine dauernde Rodung von insgesamt 100 m² auf näher bezeichneten Waldflächen des GB ***** W angezeigt.

Das Anmeldeverfahren nach § 17a ForstG 1975 bildet ein dem „ordentlichen“ Rodungsverfahren nach § 17 ForstG 1975 vorgelagertes Rechtsinstitut. Liegen die in § 17a ForstG 1975 umschriebenen Voraussetzungen vor, ist kraft Gesetzes eine Ausnahme vom Erfordernis einer Rodungsbewilligung statuiert. Einer Rodungsbewilligung bedarf es nicht, wenn die Behörde dem Anmelder nicht innerhalb von sechs Wochen ab Einlangen der Anmeldung mitteilt, dass die Rodung aus Rücksicht auf das öffentliche Interesse an der Walderhaltung ohne Erteilung einer Rodungsbewilligung nach § 17 Abs 3 ForstG 1975 nicht durchgeführt werden darf. Damit wird aber nur eine den Gang des Verfahrens betreffende, nicht normative Willensentscheidung getroffen und der Anmelder auf das (ordentliche) Bewilligungsverfahren nach § 17 ForstG 1975 verwiesen (VwGH 16.10.2006, 2003/10/0226).

Mit Spruchpunkt I. des Bescheides vom 30.11.2020, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft X gemäß den §§ 17a und 170 Abs 1 ForstG 1975 eine vorübergehende Rodung von insgesamt 65 m² sowie eine dauernde Rodung von insgesamt 100 m² zur Errichtung bzw Verlegung eines Teiles des Wanderweges auf näher bezeichneten Grundstücken des GB ***** W nach Maßgabe eines näher bezeichneten und signierten Projektes zustimmend zur Kenntnis genommen. Sie hat somit der Gemeinde Z nicht innerhalb von sechs Wochen ab Einlangen der Anmeldung mitgeteilt, dass die Rodung aus Rücksicht auf das öffentliche Interesse an der Walderhaltung ohne Erteilung einer Rodungsbewilligung nach § 17 ForstG 1975 nicht durchgeführt werden darf.

Die Bestimmungen des ForstG 1975 sehen wohl eine Parteistellung des Eigentümers eines an die Rodefläche angrenzenden Grundstückes im (über Antrag eines hiezu berechtigten eingeleiteten) Rodungsverfahrens vor, räumen ihm aber keinen Anspruch auf Erteilung einer Rodungsbewilligung betreffend den nachbarlichen Wald bzw ein entsprechendes Antragsrecht ein. Ebenso wenig normiert das ForstG 1975 ein Antragsrecht des Eigentümers des Nachbargrundstückes auf Durchführung eines Rodungsverfahrens über eine im Sinne des § 17a ForstG 1975 angemeldete Rodung (vgl VwGH 26.02.2007, 2006/10/0259).

Eine Einbindung des Eigentümers eines an die Rodefläche angrenzenden Grundstückes als Partei in rechtsförmlicher Weise ist in § 17a ForstG 1975 nicht vorgesehen.

In dem von der Bezirkshauptmannschaft X aufgrund der Rodungsanmeldung der Gemeinde Z durchgeführten Verfahrens nach § 17a ForstG 1975 kam der Beschwerdeführerin auch unter Berücksichtigung des § 19 Abs 4 Z 4 ForstG 1975 mangels dem Erfordernis einer Rodungsbewilligung nach § 17 ForstG 1975 eine Parteistellung nicht zu.

4.       Ergebnis:

4.1.    Zur Entscheidung:

4.1.1.  Zum Beschluss (Spruchpunkt I./1. der gegenständlichen Entscheidung):

In den mit den Spruchpunkten II. und III. des Bescheides vom 30.11.2020, Zl ***, abgeschlossenen naturschutzrechtlichen und wasserrechtlichen Verfahren war der Beschwerdeführerin keine Parteistellung eingeräumt. Deren Beschwerde gegen die beiden zitierten Spruchpunkte war daher mangels Parteistellung als unzulässig zurückzuweisen. Dementsprechend lautet Spruchpunkt I./1. der gegenständlichen Entscheidung (Beschluss).

4.1.2.  Zum Erkenntnis (Spruchpunkt 2. der gegenständlichen Entscheidung):

Die belangte Behörde hat aufgrund der von der Gemeinde Z im Hinblick auf die verfahrensgegenständliche Wegverlegung vorgenommene Rodungsanmeldung ein Verfahren nach § 17a ForstG 1975 durchgeführt. Mit Spruchpunkt I. des Bescheides vom 30.11.2020,
Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft X die angemeldete vorübergehende sowie dauernde Rodung zur Kenntnis genommen und folglich der Gemeinde Z nicht innerhalb von sechs Wochen ab Einlangen der Anmeldung mitgeteilt, dass die Rodung aus Rücksicht auf das öffentliche Interesse an der Walderhaltung ohne Erteilung einer Rodungsbewilligung nach § 17 ForstG 1975 nicht durchgeführt werden darf. Bei der Gemeinde Z handelt es sich um eine Antragsberechtigte im Sinne des § 19 Abs 1 Z 3 ForstG 1975. Der Beschwerdeführerin als Eigentümerin des an das Gst Nr **1 angrenzenden Gst Nr **4, beide GB ***** W, kommt keine Parteistellung in einem Verfahren nach § 17a ForstG 1975 zu. Die Zurückweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 30.11.2020, Zl ***, ist somit nicht rechtswidrig. Die Beschwerdevorentscheidung der Bezirkshauptmannschaft X war daher zu bestätigen. Dementsprechend lautet Spruchpunkt II./1. (Erkenntnis) der gegenständlichen Entscheidung.

4.2.    Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Die gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 30.11.2020, Zl ***, erhobene Beschwerde der AA war zurückzuweisen. Dementsprechend konnte gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer Verhandlung entfallen.

VII.    Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hatte die verfahrensrelevanten Rechtfragen anhand der in Kapitel V. der gegenständlichen Entscheidung angeführten Bestimmungen zu klären. Aufgrund des klaren und eindeutigen Wortlautes der anzuwendenden Bestimmungen des WRG 1959, des ForstG 1975 und des TNSchG 2005 liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (vgl VwGH 13.12.2018, Ro 2018/07/0048; VwGH 25.04.2019, Ro 2019/07/0001, mit weiteren Nachweisen). Darüber hinaus ist das Landesverwaltungsgericht Tirol von der einheitlichen Judikatur zu den §§ 12 und 102 Abs 1 lit b WRG 1959 sowie zu den §§ 17, 17a und 19 ForstG 1975 nicht abgewichen.

Dementsprechend wird die ordentliche Revision in den Spruchpunkten I./2. (Beschluss) und II./2. (Erkenntnis) der gegenständlichen Entscheidung nicht zugelassen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Hirn

(Richter)

Schlagworte

Rodungsanmeldung; dingliche Berechtigung; Partei;

Anmerkung

Der Verwaltungsgerichtshof wies die gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 22.04.2021, Z LVwG-2021/37/0545-6 und LVwG-2021/37/0546-6, erhobene außerordentliche Revision mit Beschluss vom 19.07.2021, Z Ra 2021/10/0102-4, zurück.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.37.0545.6

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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