Entscheidungsdatum
28.04.2021Index
L55007 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Tirol;Norm
AWG 2002 §37 Abs3 Z1;Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Aicher über die Beschwerde des AA, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 10.12.2020, Zl ***, betreffend die naturschutzrechtliche Bewilligung einer Bodenaushubdeponie in einem Verfahren nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird teilweise und insofern Folge gegeben, als dem Spruchteil „Nebenbestimmungen“ des angefochtenen Bescheides nachfolgende zusätzliche Auflage angefügt wird:
„Während der Amphibienwanderungszeit ist im Bereich des Deponiestandortes entlang der Landesstraße ein Amphibienzaun aufzustellen, dies in Verbindung mit in den Erdboden eingelassenen Eimern, in denen sich die wandernden Amphibien sammeln können. Die in den Eimern gesammelten Amphibien sind sodann unbeschadet über die Landesstraße zu bringen und im dortigen Gelände freizusetzen. Damit soll verhindert werden, dass wandernde Amphibien auf der Landesstraße durch Fahrzeuge überfahren werden.“
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
1)
Mit Eingabe vom 04.02.2020 – eingelangt bei der Bezirkshauptmannschaft Z am 06.02.2020 - ersuchte die konsenswerbende Gemeinde Y bei der belangten Behörde um die Erteilung der abfallrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb der verfahrensgegenständlichen Bodenaushubdeponie „BB“.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 10.11.2020 wurde die begehrte abfallrechtliche Genehmigung erteilt, wobei diese für eine Grundfläche von 5.500 m2 und für ein Schüttvolumen von 18.000 m3 befristet bis 31.10.2025 für näher spezifizierte Bodenaushub-Abfallarten erteilt wurde (Spruchpunkt I.).
Unter den Spruchpunkten II., III. und IV. wurden namentlich benannte Personen zur Deponieaufsicht, zur geologischen-geotechnischen Bauaufsicht und zur ökologischen Bauaufsicht bestellt.
Unter Spruchpunkt V. wurde die erteilte abfallrechtliche Genehmigung an eine Reihe von Nebenbestimmungen gebunden.
Dieser Bescheid wurde ua auch an den Landesumweltanwalt zugestellt und erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.
Mit dem weiteren und nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde vom 10.12.2020 wurde dem Vorhaben der Gemeinde Y zur Errichtung und zum Betrieb der Bodenaushubdeponie „BB“ die naturschutzrechtliche Ausnahmebewilligung zur vorübergehenden Beeinträchtigung geschützter Pflanzen- und Tierarten erteilt, dies unter Erteilung von Nebenbestimmungen und unter Erklärung der Projektunterlagen zu einem Bestandteil der Genehmigungsentscheidung.
Die belangte Behörde begründete die naturschutzrechtliche Ausnahmebewilligung im Wesentlichen damit, dass das gegenständliche Projekt zwar geschützte Pflanzen- und Tierarten sowie Vogelarten beeinträchtigen werde, aber im Gegenstandsfall andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung die Interessen des Naturschutzes überwiegen würden. Diese anderen öffentlichen Interessen am Vorhaben seien darin zu erblicken, dass Aushübe im Gemeindegebiet von Y bei Bauvorhaben auf kürzeren Wegen zur Deponierung gebracht werden könnten, wodurch es zu geringeren Emissionen komme.
Bei der Interessenabwägung seien auch die vorgesehenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu berücksichtigen, wodurch Beeinträchtigungen für die Schutzgüter „Lebensraum heimischer Tier- und Pflanzenarten“ sowie „Naturhaushalt“ dauerhaft abgemindert würden.
Aufgrund der vorgesehenen Ausgestaltung des Projekts und der landschaftspflegerischen Begleitmaßnahmen würden letztlich keine Beeinträchtigungen für das Schutzgut „Erholungswert“ mehr verbleiben und ergäbe sich eine spürbare Abminderung der Beeinträchtigung des „Landschaftsbilds“.
Bei einer Gesamtabwägung zeige sich, dass die beantragte Genehmigung erteilt habe werden können.
2)
Gegen den naturschutzrechtlichen Ausnahmebewilligungsbescheid der belangten Behörde vom 10.12.2020 richtet sich die vorliegende Beschwerde des AA, mit welcher in Beschwerdestattgabe die Versagung der naturschutzrechtlichen Genehmigung beantragt wurde.
In eventu wurde begehrt, die verfahrensgegenständliche Angelegenheit zur Ergänzung des maßgeblichen Sachverhaltes und zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
Weiters in eventu wurde begehrt, das erstinstanzliche Ermittlungsverfahren entsprechend zu ergänzen und in der Sache zu entscheiden.
Zur Begründung seines Rechtsmittels brachte der Landesumweltanwalt kurz zusammengefasst vor, dass das in Beurteilung stehende Vorhaben unweigerlich zu einer Beeinträchtigung von Schutzgütern im Sinne des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005 in Verbindung mit der Tiroler Naturschutzverordnung 2006 führe.
Die betroffene Grundfläche weise einen naturkundlich hochwertigen Ist-Zustand auf, der selbst bei Umsetzung der vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen kaum zu erreichen sein werde.
Für die Schutzgüter „Lebensraum heimischer Tier- und Pflanzenarten“ bzw „Naturhaushalt“ seien erhebliche und irreversible Beeinträchtigungen zu erwarten.
Die vorhandenen Feuchtelemente in der verfahrensbetroffenen Wiese seien durchaus potentielle Lebensräume für Amphibien, wie etwa Grasfrosch und Bergmolch. Die trockeneren Bereiche eigneten sich als potentieller Lebensraum für die Zauneidechse. Bei den genannten Arten handle es sich um geschützte Tierarten der Tiroler Naturschutzverordnung 2006.
Das Schutzgut „Landschaftsbild“ werde dauerhaft „signifikant“ beeinträchtigt, das Schutzgut „Erholungswert“ während der Bauphase erheblich.
In unmittelbarer Nähe zum Deponiestandort befinde sich ein Parkplatz, der als Ausgangspunkt für viele Spazier- und Wanderwege in das angrenzende JJ „GG“ diene.
Die belangte Behörde habe nur eine unzureichende und mangelhafte Interessenabwägung vorgenommen. Das von der belangten Behörde festgestellte öffentliche Interesse sei nicht geeignet, den Artenschutz zu durchbrechen. Eine rechtsrichtige Gewichtung der Interessen hätte zur Genehmigungsversagung geführt.
Im angefochtenen Bescheid fehle eine entsprechende Alternativenprüfung. Die in der Umgebung vorhandenen Deponiekapazitäten hätten geprüft werden müssen, ebenso alternative Standorte.
3)
Vom Landesverwaltungsgericht Tirol wurde am 12.04.2021 eine öffentliche mündliche Rechtsmittelverhandlung durchgeführt. In deren Rahmen wurden ein naturkundefachlicher sowie ein abfalltechnischer Sachverständiger zur Sache näher befragt. Ebenso wurde der Amtsleiter der konsenswerbenden Gemeinde zeugenschaftlich einvernommen.
Für die Verfahrensparteien bestand dabei die Gelegenheit, Fragen an die einvernommenen Personen zu richten und ihre Rechtsstandpunkte argumentativ auszuführen. Im Wesentlichen bekräftigten sie hierbei ihre schon bisher eingenommenen Standpunkte.
Von der konsenswerbenden Gemeinde wurden zudem mit Schriftsatz vom 06.04.2021 eine naturkundefachliche Stellungnahme einer privaten Sachverständigen sowie eine geotechnische Stellungnahme in Vorlage gebracht.
II. Sachverhalt:
Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist ein administrativrechtliches Genehmigungsverfahren nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 für eine Bodenaushub-deponie, und zwar konkret die im Rahmen dieses Bewilligungsverfahrens erteilte naturschutzrechtliche Ausnahmebewilligung.
Die strittige Deponiefläche befindet sich in der Gemeinde Y, nämlich nördlich des Siedlungsgebietes an der Grenze zur Gemeinde X und im Bereich der „CC“ sowie im Bereich des begradigten Teilstückes nördlich der Landesstraße L ***. Die Fläche befindet sich am Fuße des „DD“, umgeben von einem Fichten-Föhren-Hochwald. Der Deponiestandort wird auf allen Seiten von Verkehrswegen begrenzt, die EE verläuft im Süden der Fläche, während Forstwege im Norden, Westen und Osten entlang der Grundstücksgrenzen verlaufen.
Die gesamte Deponie hat eine Fläche von 5.500 m2 und ist darauf ein Schüttvolumen von 18.000 m3 geplant. Für die Bodenaushubdeponie werden landwirtschaftlich genutzte Flächen verwendet.
Die vorgesehene Betriebsdauer der Bodenaushubdeponie beträgt fünf Jahre.
Nördlich des Deponiestandortes befindet sich das Landschaftsschutzgebiet „FF“, welches Bestandteil des Naturparks „GG“ und somit eines JJ ist. Die Deponie beansprucht aber keine Schutzgebietsfläche.
Die Deponiefläche wurde teilweise bereits in der Vergangenheit einmal in unterschiedlicher Schichtstärke (von 35 cm bis 1,85 m) aufgeschüttet.
Auf der Deponiefläche finden sich eine landwirtschaftliche Extensivwiese und Feldgehölzbestände. Am Deponiestandort ist seit der Verlegung der Landesstraße im Gegenstandsbereich vor ca vier Jahren ein stehendes temporäres Kleingewässer gegeben, welches immer wieder trockenfällt. Die Deponiefläche ist potentieller Lebensraum von Reptilien, Insekten und Landlebensraum für Amphibien. Das Vorkommen der Zauneidechse, des Grasfrosches, der Erdkröte, der Wechselkröte, des Bergmolchs und des Auerhuhns konnte nachgewiesen werden.
Das gegenständliche Vorhaben sieht an Ausgleichsmaßnahmen vor,
- das vorhandene temporäre Amphibiengewässer im Randbereich der Deponie von derzeit ca 17 m2 auf ca 70 m2 zu vergrößern, wobei der Untergrund mit einer Lehmschicht abgedichtet und die Feuchtvegetation der bestehenden Senke abgehoben und in den Randbereich des neuen Gewässers versetzt werden soll,
- das vorhandene temporäre Amphibiengewässer außerhalb des Deponiebereiches, nämlich südlich bzw unterhalb der Landesstraße, von derzeit ca 10 m2 auf ca 62 m2 zu vergrößern, wobei vorhandene Feuchtvegetation in den Randbereich des neuen Gewässers versetzt und der Untergrund mit einer Lehmschicht abgedeckt werden soll,
- die zu entfernenden Feldgehölze entlang dem Wirtschaftsweg im Nord-Westen der Deponie mit heimischen, standortgerechten Sträuchern und Bäumen entsprechend dem derzeitigen Bestand (mit Ausnahme der vom Eschensterben betroffenen Eschen) zu 100 % zu ersetzen,
- den Trockenhang im Osten durch Entfernung des Pappel-Aufwuchses (Hintanhaltung der Verbuschung) und durch jährliche Herbstmahd zu pflegen,
- in den Randbereichen der Deponie Strukturen für Kleinsäuger, Insekten, Reptilien und Amphibien, wie Lesesteinhaufen und lockere Asthaufen, zu schaffen,
- den Ameisenhügel an eine geeignete Stelle in der Nähe zu versetzen und
- zur Hintanhaltung der Ausbreitung von Neophyten ein entsprechendes Management zu betreiben.
Aufgrund des gegenständlichen Deponievorhabens ergeben sich – längerfristig gesehen – folgende Auswirkungen auf die Schutzgüter des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005:
- Die Beeinträchtigungen der Schutzgüter „Lebensraum heimischer Tier- und Pflanzenarten“ bzw „Naturhaushalt“ sind bei projekts- und bescheidgemäßer Ausführung „dauerhaft etwas abgemindert“, zumal mittelfristig von den geplanten Ausgleichs- und Bepflanzungsmaßnahmen eine ökologische Funktion zu erwarten ist. Der Lebensraum für geschützte Tiere wird infolge des Vorhabens nicht so behandelt, dass ein weiterer Bestand dieser geschützten Tiere unmöglich wird.
- Die Beeinträchtigung des Schutzgutes „Erholungswert“ wird bei Einhaltung der vorgesehenen Vorschreibungen und bei Umsetzung der geplanten Ausgleichsmaßnahmen langfristig gegen Null abgemindert.
- Die Beeinträchtigung des Schutzgutes „Landschaftsbild“ werden bei Durchführung der Ausgleichsmaßnahmen und Beachtung der Vorschreibungen spürbar abgemindert.
Der verfahrensbetroffene Bereich wurde bei der Verlegung der EE infolge vorgenommener Geländeaufschüttungen für den Straßenkörper bereits anthropogen überformt. Infolge des Verkehrs auf der EE, welche unmittelbar am Deponiestandort vorbeiführt, besteht bereits eine Lärm- und Immissionsbeeinträchtigung des Projektbereichs. Die vom Vorhaben betroffenen Feldgehölze sind – soweit es sich dabei um Eschen handelt – vom Eschensterben betroffen. Zufolge der fallweisen Austrocknung der gegebenen temporären Wasserflächen ist bisher Laich von Grasfrosch und Erdkröte mitunter abgestorben.
Der in Tirol zur Verfügung stehende Deponieraum für Bodenaushub wird in etwa fünf bis sechs Jahren erschöpft sein.
Im Umkreis von 20 km um die Gemeinde Y bestehen bereits mehrere Bodenaushubdeponien mit einem Restvolumen von ca 3 Millionen m3.
III. Beweiswürdigung:
Beweiswürdigend ist in der vorliegenden Rechtssache festzuhalten, dass sich der zuvor festgestellte Sachverhalt aus der gegebenen Aktenlage, aus den Angaben des einvernommenen Zeugen sowie aus den Fachausführungen der beiden verfahrensbeteiligten Sachverständigen ergibt.
So stützen sich die Feststellungen zum Verfahrensgegenstand sowie zum strittigen Deponievorhaben auf die vorliegenden Aktenunterlagen, insbesondere auch auf die von der konsenswerbenden Gemeinde Y vorgelegten Planunterlagen. Aus den letzteren ergibt sich etwa, dass der vorgesehene Standort der geplanten Bodenaushubdeponie schon einmal in der Vergangenheit von einer Geländeaufschüttung betroffen gewesen ist.
Die Feststellungen zu den naturkundlichen Aspekten des Deponiestandortes basieren zum einen auf den Fachausführungen des beigezogenen Amtssachverständigen aus dem Fachgebiet der Naturkunde und zum anderen auf dem Projektteil „Naturkundefachlicher Bericht vom 21.10.2019“.
Auf den letztgenannten Projektteil gehen auch die Feststellungen zu den vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen zurück.
Die festgestellte Erschöpfung des für ganz Tirol verfügbaren Deponieraums für Bodenaushub in 5 bis 6 Jahren basiert auf der überzeugenden Darlegung des verfahrensbeteiligten abfalltechnischen Sachverständigen, der seine diesbezügliche Darlegung auf valide Daten der EDM zu stützen vermöchte.
Dieser Ausführung sind im Übrigen die Verfahrensparteien nicht entgegengetreten.
Die festgestellten Auswirkungen des Deponieprojekts auf die Schutzgüter des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005 beruhen auf der schlüssigen und nachvollziehbaren Fachbeurteilung des beigezogenen naturkundefachlichen Amtssachverständigen.
Auch die Privatsachverständige der konsenswerbenden Gemeinde Y aus dem Fachgebiet der Naturkunde ist davon ausgegangen, dass das verfahrensgegenständliche Vorhaben – jedenfalls vorübergehend – Beeinträchtigungen der Schutzgüter des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005 nach sich ziehen wird, weshalb sie eben entsprechende Ausgleichsmaßnahmen ausgearbeitet hat.
Überwiegend lassen sich die Facheinschätzungen des Amtssachverständigen mit jenen der Privatsachverständigen in Einklang bringen. Ein verfahrensrelevanter Widerspruch ergibt sich aber in Bezug auf die Beurteilung der langfristigen Landschaftsbildbeeinträchtigungen.
Während diesbezüglich der Amtssachverständige zwar eine spürbare Abminderung der Landschaftsbildbeeinträchtigungen annimmt, dies bei Durchführung der vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen und bei Einhaltung der vorgeschriebenen Nebenbestimmungen, jedoch infolge des von ihm erwarteten Strukturverlustes (Gehölze, Trockenhang, etc) dennoch von einer dauerhaften „signifikanten“ Beeinträchtigung des Landschaftsbildes ausgeht, vertritt die Privatsachverständige die Auffassung, dass die von ihr geplanten Ausgleichsmaßnahmen geeignet sind, sämtliche Beeinträchtigungen – auch die des Landschaftsbildes – auszugleichen, wobei sie auf die bereits eingetretene anthropogene Überformung des Gegenstandsbereiches durch den Straßenbau (Verlegung der Landesstraße) verweist.
Das Landesverwaltungsgericht Tirol geht im Gegenstandsfall mit Blick auf den im maßgeblichen Bereich bereits geschehenen Geländeeingriff durch die Straßenverlegung und angesichts des Umstandes, dass der naturkundlich wertvolle Trockenhang von der vorgesehenen Geländeaufschüttung nicht zur Gänze betroffen sein wird, davon aus, dass die projektgemäß vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen durchaus die Eignung aufweisen, die infolge des Vorhabens eintretenden Beeinträchtigungen der Schutzgüter nach dem Tiroler Naturschutzgesetz 2005 – jedenfalls langfristig gesehen – weitgehend zu beseitigen.
Das entscheidende Gericht zieht dabei in seine Überlegung mit ein, dass die aufgrund des Vorhabens zu entfernenden Gehölze zufolge des festgestellten Eschensterbens ohnehin zum Teil in Wegfall kommen, weil die abgestorbenen Eschen angesichts des in der Nähe verlaufenden Forstwegs nicht als Strukturelement des Landschaftsbildes stehengelassen werden können, wird doch dieser Forstweg von Erholungssuchenden, die vom nahegelegenen Parkplatz aus Wanderungen unternehmen, frequentiert, weshalb es notwendig sein wird, die abgestorbenen Eschen zu fällen, um Haftungsfolgen für die konsenswerbende Gemeinde als Eigentümerin der Totholz-Eschen auszuschließen.
Überdies nimmt das erkennende Gericht darauf Bedacht, dass der verfahrensgegenständliche Deponiestandort bereits in der Vergangenheit einmal von einer Geländeaufschüttung betroffen gewesen ist und sich trotzdem dort ein naturkundlich wertvoller Lebensraum entwickeln hat können. Beim nunmehrigen Vorhaben ist eine Reihe von Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen, denen durchaus das Potential zuerkannt werden kann, nach erfolgter Aufschüttung wiederum einen wertvollen Lebensraum herzustellen.
So werden zwei vorhandene temporäre Amphibiengewässer nicht unwesentlich vergrößert und dabei der Untergrund mit einer Lehmschicht abgedichtet, womit sichergestellt werden soll, dass diese Amphibiengewässer nicht mehr trockenfallen und der darin befindliche Laich von Grasfrosch sowie Erdkröte abstirbt. Die zu entfernenden Feldgehölze werden vollständig wiederaufgeforstet und wird der (verbleibende) Trockenhang durch Entfernung des Pappelaufwuchses und durch eine jährliche Herbstmahd gepflegt, um die abträgliche Verbuschung hintanzuhalten. Für Kleinsäuger, Insekten, Reptilien und Amphibien sollen im Bereich des (verbleibenden) Trockenhangs und der neu anzulegenden Feldgehölzreihe Strukturen wie Steinhaufen und lockere Asthaufen geschaffen werden. Das erkennende Gericht kann sich durchaus vorstellen, dass bei Umsetzung dieser Ausgleichsmaßnahmen wiederrum ein interessanter Lebensraum entstehen kann.
Jedenfalls wird der betroffene Lebensraum geschützter Tier- und Pflanzenarten sowie von geschützten Vögeln nicht in dergestalt bleibend verändert, dass der weitere Bestand der festgestellten geschützten Arten unmöglich gemacht wird.
IV. Rechtslage:
In der in Beurteilung stehenden Beschwerdesache sind mehrere Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002, BGBl I Nr 102/2002, letztmalig geändert durch das Gesetz BGBl I Nr 8/2021, sowie des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005, LGBl Nr 26/2005, letztmalig geändert durch das Gesetz LGBl Nr 80/2020, verfahrensmaßgeblich.
Diese haben folgenden Inhalt:
Nach § 37 Abs 3 Z 1 sind Deponien, in denen ausschließlich Bodenaushub- und Abraummaterial, welches durch Ausheben oder Abräumen von im Wesentlichen natürlich gewachsenem Boden oder Untergrund anfällt, abgelagert werden, sofern das Gesamtvolumen der Deponie unter 100.000 m3 liegt, abfallrechtlich zu genehmigen, und zwar nach dem vereinfachten Verfahren (§ 50 AWG 2002).
Entsprechend der Verfassungsbestimmung des § 38 Abs 1 AWG 2002 sind im Genehmigungsverfahren für gemäß § 37 genehmigungspflichtige Behandlungsanlagen alle Vorschriften – mit Ausnahme der Bestimmungen über die Parteistellung, die Behördenzuständigkeit und das Verfahren – anzuwenden, die ua im Bereich des Naturschutzrechts für Bewilligungen, Genehmigungen oder Untersagungen des Projekts anzuwenden sind, wobei hinsichtlich dieser landesrechtlichen Vorschriften die Behörde im selben Bescheid in einem eigenen Spruchpunkt zu entscheiden hat.
Gemäß § 50 Abs 4 AWG 2002 hat Parteistellung im vereinfachten Verfahren der Antragsteller, derjenige, der zu einer Duldung verpflichtet werden soll, das Arbeitsinspektorat gemäß dem Arbeitsinspektionsgesetz 1993, das wasserwirtschaftliche Planungsorgan in Wahrnehmung seiner Aufgaben und der Umweltanwalt mit dem Recht, die Einhaltung von naturschutzrechtlichen Vorschriften im Verfahren geltend zu machen.
Nach den §§ 23, 24 und 25 des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005 hat die Tiroler Landesregierung mit Verordnung Schutzmaßnahmen für geschützte Pflanzenarten, für geschützte Tierarten und geschützte Vogelarten entsprechend näheren gesetzlichen Vorgaben anzuordnen. Dem ist die Tiroler Landesregierung mit der Tiroler Naturschutzverordnung 2006, LGBl Nr 39/2006, nachgekommen. Von den dort festgelegten Schutzanordnungen ist im Gegenstandsfall vor allem das Verbot maßgeblich, dass der Lebensraum von geschützten Tier- und Pflanzenarten sowie von geschützten Vogelarten nicht in einer Weise behandelt werden darf, dass ihr weiterer Bestand in diesem Lebensraum erheblich beeinträchtigt oder unmöglich wird.
Die Bestimmungen der §§ 23, 24 und 25 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 sehen die Möglichkeit einer Ausnahmebewilligung vom vorgenannten Verbot dann vor, wenn es keine andere zufriedenstellende Lösung gibt und bestimmte näher bezeichnete öffentliche Interessen vorliegen.
V. Erwägungen:
1)
In der vorliegenden Beschwerdesache besteht die verfahrensrechtliche Besonderheit, dass die belangte Behörde entgegen der gesetzlichen Vorgabe des § 38 Abs 1 AWG 2002 zur Genehmigung der antragsgegenständlichen Bodenaushubdeponie „BB“ nicht einen einheitlichen Bewilligungsbescheid erlassen hat, dies mit der Naturschutzgenehmigung in einem eigenen Spruchpunkt, sondern zwei gesonderte Bescheide, und zwar einmal den unbekämpft gebliebenen und in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 10.11.2020 mit der abfallrechtlichen Genehmigung und einmal den vom Landesumweltanwalt angefochtenen Bescheid vom 10.12.2020 mit der naturschutzrechtlichen Bewilligung.
Es ergibt sich die Frage, welche Auswirkungen diese Nichtbeachtung der gesetzlichen Vorgabe nach § 38 Abs 1 AWG 2002 nach sich zieht.
Die im Verfassungsrang stehende Bestimmung des § 38 Abs 1 AWG 2002 begründet eine Verfahrens- und Entscheidungskonzentration für die in dieser Bestimmung genannten Materien, die sich insbesondere aus der gesetzlichen Anordnung des zweiten Satzes ergibt, wonach die zuständige Behörde hinsichtlich der landesrechtlichen Vorschriften „im selben Bescheid in einem eigenen Spruchpunkt zu entscheiden“ hat.
Der Verwaltungsgerichtshof in Wien hat zu dieser Konzentrationsbestimmung bereits klargestellt, dass die in einer landesrechtlichen Materie gemäß § 38 Abs 1 AWG 2002 zu treffende Entscheidung – wie dies vorliegend für das Tiroler Naturschutzgesetz 2005 zutrifft – noch nicht spruchreif sein kann, wenn das abfallwirtschaftsrechtliche „Hauptverfahren“ noch nicht abgeschlossen ist (VwGH 28.07.2016, 2013/07/0137).
Fallbezogen ist das abfallwirtschaftsrechtliche „Hauptverfahren“ bereits rechtskräftig mit Bescheid vom 10.11.2020 abgeschlossen, weshalb von einer noch nicht gegebenen Spruchreife des Naturschutzverfahrens aus diesem Grund nicht gesprochen werden kann, welche der Erlassung des angefochtenen Bescheides vom 10.12.2020 entgegengestanden wäre.
Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters zum Ausdruck gebracht, dass eine Aufsplitterung eines nach § 38 AWG 2002 konzentriert zu führenden Genehmigungsverfahrens in Einzelgenehmigungen nach den jeweiligen materiell-rechtlichen Vorschriften unzulässig ist (VwGH 05.08.2020, Ra 2020/05/0110).
Vorliegend gilt es allerdings zu bedenken, dass die geschehene Aufsplitterung nicht eine der in § 38 Abs 1a AWG 2002 genannten Materien betrifft, für die nicht in einem eigenen Spruchpunkt eine gesonderte Entscheidung zu treffen ist und für welche vom Gesetzgeber zufolge der angeordneten Verfahrenskonzentration ein unterschiedliches Verfahrensergebnis augenscheinlich ausgeschlossen werden soll, sondern die grundsätzlich nicht erwünschte Einzelgenehmigung die Naturschutzbewilligung anbelangt, für welche ohnedies ein eigener Spruchpunkt nach § 38 Abs 1 AWG 2002 vorgesehen wurde, womit auch die rechtliche Möglichkeit eröffnet wurde, eine zum abfallwirtschaftsrechtlichen „Hauptverfahren“ divergierende Erledigung vorzunehmen.
Zu bedenken gilt es gegenständlich weiters, dass die Naturschutzgenehmigung von der zuständigen Behörde erlassen worden ist, nämlich von der zuständigen Behörde nach dem AWG 2002, erhielt die belangte Behörde doch vom Landeshauptmann von Tirol mit Schreiben vom 24.02.2020 die Zuständigkeit zur Durchführung des abfallwirtschaftsrechtlichen Bewilligungsverfahrens und zur Entscheidung im eigenen Namen übertragen.
Mit Bedachtnahme auf all diese Umstände gelangte das entscheidende Verwaltungsgericht gegenständlich zur Auffassung, dass die an sich nicht statthafte Aufsplitterung in zwei Genehmigungsbescheide nicht zur Folge hat, dass der bekämpfte naturschutzrechtliche Genehmigungsbescheid zufolge Verletzung der Konzentrationsvorgabe des § 38 Abs 1 AWG 2002 zu beheben wäre.
2)
Auf dem Boden des festgestellten Sachverhaltes bedarf das verfahrensgegenständliche Vorhaben der Gemeinde Y, die Bodenaushubdeponie „BB“ zu errichten und zu betreiben, einer naturschutzrechtlichen Ausnahmebewilligung zufolge der Berührung und der (jedenfalls vorübergehenden) Beeinträchtigung des Lebensraumes geschützter Tier- und Pflanzenarten und geschützter Vogelarten (Auerhahn).
Für die Vogelart „Auerhahn“ ist in Tirol eine Jagdzeit festgelegt, was zur Folge hat, dass deren Artenschutz auf den Lebensraumschutz beschränkt ist, der Lebensraum des Auerhahns darf demzufolge nicht in einer Weise behandelt werden, dass dessen weiterer Bestand in diesem Lebensraum erheblich beeinträchtigt oder unmöglich wird.
Zu den Genehmigungsvoraussetzungen nach den §§ 23 Abs 5, 24 Abs 5 und 25 Abs 3 des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005 ist für das strittige Bodenaushubdeponieprojekt Folgendes festzuhalten:
a)
Der dem Rechtsmittelverfahren beigezogene Sachverständige für Naturkunde hat nachvollziehbar dargetan, dass bei Ausführung des Vorhabens mit Beeinträchtigungen aller Schutzgüter nach dem Tiroler Naturschutzgesetz 2005 zu rechnen ist, wobei er aber anfügte, dass die Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes, des Erholungswerts und des Lebensraumes für Tiere und Pflanzen – längerfristig gesehen – durch die vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen wesentlich abgemindert werden können.
Zur Veränderung des verfahrensgegenständlichen Lebensraumes für geschützte Tiere infolge des Deponievorhabens erklärte der Amtssachverständige, dass Grasfrosch und Erdkröte seiner fachlichen Einschätzung nach bei Durchführung der Ausgleichsmaßnahmen auch weiterhin am Standort einen Lebensraum vorfinden werden, wenn auch der Eintritt eines Populationsverlustes zu befürchten steht. Gleiches gilt nach den Darlegungen des Sachverständigen auch für die geschützten Tierarten Wechselkröte und Bergmolch. Nachdem die Ausgleichsmaßnahmen vorsehen, dass am Standort der Deponie letztlich ein Wassertümpel angelegt wird, der im Untergrund entsprechend abgedichtet wird, erklärte der Sachverständige, dass bezüglich der Wasserfläche sogar eine Verbesserung gegenüber dem derzeitigen Zustand erreicht werden kann.
Dass der vom streitverfangenen Projekt betroffene Lebensraum nach Durchführung der Ausgleichsmaßnahmen überhaupt nicht mehr für die geschützten Arten nutzbar wäre, mithin deren weiterer Bestand im verfahrensgegenständlichen Lebensraum unmöglich wird, hat das durchgeführte Beweisverfahren nicht erbracht.
Das in Streit gezogene Projekt sieht eine Reihe von Ausgleichsmaßnahmen vor, so etwa vor allem die Vergrößerung zweier vorhandener temporärer Amphibiengewässer, wobei diese im Untergrund mit einer Lehmschicht abgedichtet werden, was eine Verbesserung des Lebensraumes für Amphibien erwarten lässt. Die im Projektbereich vorhandene Feuchtvegetation (vor allem Binsen) soll von der Deponiefläche in den Randbereich der neu entstehenden Amphibiengewässer transplantiert werden. Die zu entfernenden Feldgehölze, worunter sich vom Eschensterben betroffene Bäume befinden, sollen zu 100 % durch Neuanpflanzung ersetzt werden. Der von der Geländeaufschüttung nicht betroffene Teil des Trockenhanges im Osten soll durch Entfernung des Pappelaufwuchses (zur Hintanhaltung der Verbuschung) und durch eine jährliche Herbstmahd gepflegt werden. Es soll Neophyten-Management betrieben und sollen Strukturen für Kleinsäuger, Insekten, Reptilien und Amphibien (wie Lesesteinhaufen und lockere Asthaufen) geschaffen werden. Schließlich soll der vorhandene Ameisenhügel im Nahbereich an geeigneter Stelle versetzt werden.
Über Anregung des beschwerdeführenden Landesumweltanwaltes wurde zudem vom erkennenden Verwaltungsgericht vorgesehen, dies in Form einer zusätzlichen Vorschreibung an die konsenswerbende Gemeinde, dass während der Amphibienwanderungszeit entlang der Landesstraße im Gegenstandsbereich ein Amphibienzaun aufgestellt, wandernde Amphibien in Eimern gesammelt und über die Landesstraße gebracht werden, um Verluste dieser Amphibien auf der Landesstraße infolge Überfahrens mit Fahrzeugen hintanzuhalten.
Insgesamt vermag das entscheidende Verwaltungsgericht auch einige Verbesserungen der Lebensraumsituation der geschützten Arten durch diese Ausgleichsmaßnahmen und die vorgesehenen Vorschreibungen zu erkennen. Das Landesverwaltungsgericht Tirol geht jedenfalls in der vorliegenden Rechtssache bei einer längerfristigen Betrachtung davon aus, dass der verfahrensbetroffene Lebensraum geschützter Arten letztlich nicht so behandelt wird, dass deren weiterer Bestand in diesem Lebensraum unmöglich wird.
b)
Die Ausnahmebewilligungen nach den §§ 23 Abs 5, 24 Abs 5 und 25 Abs 3 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 setzen voraus, dass es „keine andere zufriedenstellende Lösung gibt“.
Diese Voraussetzung ist nach Auffassung des entscheidenden Gerichts im gegenständlichen Fall zu bejahen.
Mit dem vorliegenden Projekt wird nämlich ua auch das (umwelt- und gesundheitsbezogene) Ziel verfolgt, durch kurze Transportstrecken das Verkehrsgeschehen im Zusammenhang mit dem Abtransport und der Deponierung von Aushubmaterial von Baustellen möglichst zu minimieren.
Infolgedessen sind andere in Frage kommende Aushubdeponien – aus dem Blickwinkel der Zielsetzung der Minimierung des Schwerverkehrs – im Rahmen einer alternativen Prüfung („keine andere zufriedenstellende Lösung“) von vorneherein gegenüber dem beantragten Vorhaben der Gemeinde Y im Nachteil, und zwar fallbezogen nach Auffassung des entscheidenden Verwaltungsgerichts in einer Weise, dass der „angestrebte Zweck“ im Sinne des § 29 Abs 4 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 – nämlich einer spürbaren Verkehrsverminderung – nicht so wie beim Betrieb der antragsgegenständlichen Deponie erreichbar ist, sodass eben bei Verbringungen des in der Gemeinde Y und allenfalls in den Gemeinden X sowie W anfallenden Bodenaushubmaterials auf andere genehmigte Deponien von keiner anderen zufriedenstellenden Lösung – unter dem Gesichtspunkt der Verkehrsverminderung – gesprochen werden kann.
c)
Die Tatbestände der §§ 23 Abs 5, 24 Abs 5 und 25 Abs 3 des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005 fordern für eine Ausnahmebewilligung Interessen der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit oder andere zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder positive Folgen für die Umwelt.
Das erkennende Verwaltungsgericht vermag in Bezug auf das in Streit gezogene Vorhaben der Gemeinde Y durchaus ein erhebliches und verfahrensmaßgebliches öffentliches Interesse an der Verwirklichung dieses Projekts zu erkennen, ist doch Deponieraum für Bodenaushubmaterial notwendigerweise laufend zu schaffen, um den gesetzlichen Vorgaben des Abfallwirtschaftsgesetzes in der Lebenswirklichkeit auch entsprechen zu können, wie dies der verfahrensbeteiligte abfalltechnische Sachverständige plausibel aufzuzeigen vermochte, indem er etwa ausführte, dass in Tirol entsprechender Deponieraum (nur) noch für rund 5 bis 6 Jahre zur Verfügung steht, dies bei Annahme eines annähernd gleichbleibenden Aufkommens an Bodenaushubmaterial.
Für das entscheidende Verwaltungsgericht liegt es zudem auf der Hand, dass die mit dem gegenständlichen Vorhaben angestrebte Verkehrsverminderung ein gesundheitsbezogenes Ziel darstellt und somit im Interesse der Volksgesundheit gelegen ist.
Demgegenüber ist bei der notwendigerweise vorzunehmenden Abwägung der im Gegenstandsfall doch auch gegenläufigen öffentlichen Interessen in Anschlag zu bringen, dass nach den getroffenen Feststellungen – längerfristig gesehen – die Beeinträchtigung der Schutzgüter nach dem Tiroler Naturschutzgesetz 2005 nach Durchführung der vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen und bei Einhaltung der vorgeschriebenen Nebenbestimmungen wesentlich abgemindert werden können.
Der verfahrensbetroffene Lebensraum wird nach dem festgestellten Sachverhalt – langfristig betrachtet – nicht so behandelt, dass ein weiterer Bestand der dort festgestellten geschützten Arten unmöglich wird. Für die Amphibien ist durch die vorgesehene Vergrößerung und Abdichtung der zwei Kleingewässer sogar zu erwarten, dass sich deren Lebensbedingungen verbessern können, etwa die Gefahr der Vertrocknung des Laichs von Erdkröte und Grasfrosch infolge der Austrocknung der bisherigen Feuchtstellen herabgemindert wird.
Vorliegend gilt es auch zu berücksichtigen, dass der vorgesehene Deponieraum außerhalb des Landschaftsschutzgebietes „FF“ und damit außerhalb des Naturparks „GG“ gelegen ist, an diesem eine viel befahrene Landesstraße unmittelbar vorbeiführt und der Projektbereich bereits anthropogen überformt worden ist, dies auch schon mit (in der Vergangenheit gelegener) Geländeaufschüttung.
Die zu entfernenden Feldgehölze sind schließlich zum Teil von „Eschensterben“ betroffen, kommen also ohnehin in Wegfall. Zu bedenken gilt es auch, dass der festgestellte Trockenstandort nur teilweise von der Aufschüttung erfasst wird und dieser Trockenstandort derzeit durch Verbuschung beeinträchtigt ist, was künftig durch entsprechende Ausgleichsmaßnahmen verhindert werden soll.
Insbesondere mit Blick auf die vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen gelangt das Landesverwaltungsgericht Tirol im Gegenstandsfall zur Auffassung, dass die öffentlichen Interessen an einer Verkehrsvermeidung und an der Ermöglichung eines tatsächlichen Vollzugs der Vorschriften des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002, mithin an einer ordnungsgemäßen Abfallwirtschaft und an der Schaffung ausreichenden Deponieraums, die entgegenstehenden Interessen an der Vermeidung einer Beeinträchtigung der Naturschutzinteressen überwiegen.
d)
Insgesamt besteht vorliegend unter Bedachtnahme auf alle Umstände des hier in Prüfung stehenden Falles nach Dafürhalten des entscheidenden Verwaltungsgerichts die Möglichkeit, die erforderlichen Ausnahmebewilligungen nach den §§ 23 Abs 5, 24 Abs 5 und 25 Abs 3 des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005 zu erteilen.
Demzufolge war die angefochtene Entscheidung der belangten Behörde grundsätzlich zu bestätigen. Dem Begehren des Landesumweltanwaltes war aber insoweit zu entsprechen, als mit einer zusätzlichen Auflage ein Schutz wandernder Amphibien bei der Überquerung der Landesstraße vorzusehen war.
Im Übrigen war aber dem Beschwerdebegehren des Umweltanwaltes nicht Rechnung zu tragen.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Bei der vorliegenden Beschwerdeentscheidung handelt es sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung der für sowie der gegen ein Vorhaben sprechenden Gründe unter Abwägung widerstreitender öffentlicher Interessen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung schon mehrfach klargestellt, dass Einzelfallentscheidungen grundsätzlich nicht revisibel sind (VwGH 22.01.2021, Ra 2020/01/0492).
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Aicher
(Richter)
Schlagworte
Bodenaushubdeponie;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.26.0334.6Zuletzt aktualisiert am
01.06.2021