Entscheidungsdatum
24.02.2021Index
L55006 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz SteiermarkNorm
StNSchG 2017 §5 Abs2 Z2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch Richter Mag. Höcher über die Beschwerden
1. des B C, Hgasse, G und
2. der Umweltorganisation D, Wstraße, W,
beide vertreten durch E Rechtsanwälte GmbH, Tstraße, W, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 30.01.2019, GZ: A17-NBV-075184/2018/0052,
z u R e c h t e r k a n n t:
I. Gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl I 2013/33 idF BGBl I 2020/119 (VwGVG) wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid im Umfang der inzidenten Anwendung des (Unions-) Artenschutzrechtes wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde ersatzlos aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz, BGBl 1985/10 idF BGBl I 2021/2 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Beschwerdevorbringen, Vorverfahren, mündliche Verhandlung, Sachverhalt:
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde gemäß der §§ 5 Abs 2 Z 2 und Z 5, 27 Abs 1 und 2 Steiermärkisches Naturschutzgesetz, LGBl 2017/71 (StNSchG) und § 13 VwGVG die naturschutzrechtliche Bewilligung für die plan- und beschreibungsgemäße Umsetzung der Uferumgestaltung im Bereich des linken Murufers des As zwischen Fluss-km xx und Fluss-km xx – A-absenkung auf näher genannten Grundstücken entsprechend der mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Projektunterlagen der Stadt Graz, vertreten durch den Bürgermeister, dieser wiederum vertreten durch den Abteilungsvorstand der Abteilung für Grünraum und Gewässer, Herrn Dipl.-Ing. F H, I, G unter Auflagen und Fristen erteilt, die Anträge, Einwendungen bzw. Vorbringen der ARGE J, des B C, der Organisation „K“ sowie der Bürgerinitiative „L“ ab- bzw. zurückgewiesen und die aufschiebende Wirkung eines gegen diesen Bescheid erhobenen Rechtsmittels aus überwiegenden öffentlichen Interesse und wegen gravierender Nachteile für das öffentliche Wohl aberkannt.
Der angefochtene Bescheid wurde laut „Zustellhinweis“, Punkt 2. der Umweltanwältin des Landes Steiermark, Frau MMag. M N, Sgasse, G, Punkt 3. der ARGE J, Pstraße, G, Herrn Dipl.-Ing. O P, als anerkannte Umweltorganisation, Punkt 5. dem B C, Hgasse, G, Frau Dr. Q R, als anerkannte Umweltorganisation und Punkt 6. der Bürgerinitiative „K“, Hgasse, G, Frau S T, BA, als Umweltorganisation sowie mit Punkt 4. der Bürgerinitiative „L“, Hgasse, G, Frau Dipl.-Ing. Mag. U V, als Umweltorganisation (Hinweis auf den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 14.02.2019, GZ: LVwG 52.28-375/2019-4) zugestellt.
Die Beschwerden gegen diesen Bescheid hat das Landesverwaltungsgericht Steiermark mit Beschluss vom 09.04.2019, GZ: LVwG 52.28-375/2019-13, zurückgewiesen. Mit Erkenntnis vom 18.12.2020, Ra 2019/10/0081 bis 0082-9, hat der Verwaltungsgerichtshof aufgrund der außerordentlichen Revision des B C und des D, beide rechtsfreundlich vertreten, den angefochtenen Beschluss wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Diese Entscheidung enthält folgende (tragende) Begründung:
„Die für den vorliegenden Revisionsfall entscheidende Frage ist daher, ob in dem gegenständlichen naturschutzrechtlichen Fall (auch) der Schutz von Normen des Unionsumweltrechts auf dem Spiel stand. Dem naturschutzrechtlichen Bewilligungsbescheid der belangten Behörde vom 30. Jänner 2019 ist in diesem Zusammenhang - worauf die Revisionswerber in ihrem Vorbringen hinweisen - zu entnehmen, mit Blick auf die „artenschutzrechtliche Prüfung“ gemäß §§ 17, 18 und 19 StNSchG 2017 lägen drei (näher angeführte) positive Stellungnahmen der Stmk. Landesregierung vor, denen zufolge „durch die ausgeführten Begleitmaßnahmen“ eine „erhebliche Beeinträchtigung auf die Populationen dieser Arten“ durch das beantragte Projekt ausgeschlossen werden könne (S. 39 des Bescheides). Mit den §§ 17, 18 und 19 StNSchG 2017 hat der Landesgesetzgeber unzweifelhaft Umweltrecht der Union, nämlich die FFH-RL und die Vogelschutz-Richtlinie, umgesetzt (vgl. auch § 42 StNSchG 2017).
Angesichts dessen kann den Revisionswerbern nicht entgegen getreten werden, wenn sie in dieser Beurteilung durch die belangte Behörde eine inzidente Anwendung des (Unions-)Artenschutzrechtes erblicken (vgl. wiederum das Erkenntnis Ro 2018/10/0010 [insbes. Rz 25], dem die Berücksichtigung der genannten Richtlinien durch die Forstbehörde zugrunde lag, sowie das erwähnte EuGH-Urteil Protect [Rz 38]).
Daraus ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht die Beschwerdelegitimation der Revisionswerber nicht mit der Begründung der mangelnden Anwendbarkeit der Aarhus-Konvention auf den vorliegenden Fall verneinen hätte dürfen (vgl. erneut Ro 2018/10/0010 [Rz 27] oder das in der Revision ins Treffen geführte Erkenntnis Ra 2015/07/0055 [Rz 30 sowie 35 bis 37]), weshalb sich die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Zurückweisung der Beschwerden der Revisionswerber als inhaltlich rechtswidrig erweist.“
II. Rechtslage:
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark entscheidet diese Rechtssache gemäß § 3 iVm 28 Abs 1 VwGVG mit Erkenntnis.
Gemäß § 63 Abs 1 VwGG sind die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden verpflichtet in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision stattgegeben hat.
III. Erwägungen:
Im gemäß § 63 Abs 1 VwGG umzusetzenden Verwaltungsgerichtshoferkenntnis wird ausgeführt, dass die belangte Behörde in der angefochtenen Entscheidung inzident (Unions-)Artenschutzrecht angewendet hat. Aufgrund der erkannten Rechtswidrigkeit der Zurückweisung des Beschwerdevorbringens ist gemäß § 27 VwGVG zu prüfen, ob die belangte Behörde für die Anwendung des (Unions)Artenschutzrechtes zuständig war. Im Fall der Unzuständigkeit der belangten Behörde wäre die Entscheidung in diesem Umfang ersatzlos aufzuheben. Damit ist die Wirkung verbunden, dass dann, wenn das Vorhaben auch eine (unions)artenschutzrechtliche Beurteilung erfordert, die Genehmigung durch die zuständige Behörde erst zu erteilen ist.
Seit Erlassung der angefochtenen Entscheidung erfolgte auch eine Änderung der Rechtslage im Hinblick auf Rechtsschutzmöglichkeiten anerkannter Umweltorganisationen. Nun bestimmt § 8 Abs 3 Gesetz über Einrichtungen zum Schutz der Umwelt, LGBl 1988/78 idF LGBl 2019/75 (StESUG), dass anerkannte Umweltorganisationen gemäß Abs 1 berechtigt sind, gegen Bescheide gemäß Abs 1 und § 28 Abs 2 bis 4 StNSchG, § 17 Abs 5, § 18 Abs 5 und § 19 Abs 6 StNSchG Beschwerde aufgrund von Rechtswidrigkeit wegen der Verletzung von unionsrechtlich bedingten Umweltschutzvorschriften zu erheben.
Im umzusetzenden Verwaltungsgerichtshoferkenntnis sind die §§ 17, 18 und 19 StNSchG als jene Bestimmungen genannt, die unzweifelhaft Umweltrecht der Union, nämlich der FFH-RL und der Vogelschutz-Richtlinie, sind, die die belangte Behörde inzident angewandt hat. In diesen Bestimmungen (§ 17 Abs 5, § 18 Abs 5 und § 19 Abs 6 StNSchG) ist die Landesregierung als zuständige Behörde zur Bewilligung von Ausnahmen von den Schutzbestimmungen genannt. In Umsetzung des Verwaltungsgerichtshoferkenntnisses (und nunmehr auch basierend auf § 8 Abs 3 Z 2 StESUG) ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführer zu Recht die artenschutzrechtliche Prüfung des Projektes durch die als unzuständig erkannte belangte Behörde moniert haben. In Stattgebung der Beschwerde ist daher der angefochtene Bescheid in diesem Umfang aufzuheben.
Diese Entscheidung konnte gemäß § 24 Abs 2 Z 1 zweiter Fall VwGVG ohne Durchführung einer verwaltungsgerichtlichen, mündlichen, öffentlichen Verhandlung getroffen werden.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
(Unions-)Artenschutzrecht, Unzuständigkeit, naturschutzrechtliche Bewilligung , Uferumgestaltung, Unionsumweltrecht, inzidente Anwendung, Beschwerdelegitimation, Rechtsschutzmöglichkeiten anerkannter UmweltorganisationenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGST:2021:LVwG.52.28.375.2019Zuletzt aktualisiert am
01.06.2021