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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AuslBG §28 Abs1 idF 1988/231;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 16. August 1995, Zl. Senat-MD-94-073, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der angelasteten unerlaubten Beschäftigungen der Ausländer J (17. bis 21.8.1992), C (17. bis 21.8.1992) und D (17. bis 21.8.1992) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im übrigen wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 16. August 1995 wurde der Beschwerdeführer - ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung - der Begehung von Verwaltungsübertretungen nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) dahingehend schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Arbeitgeberin Bauunternehmung K Gesellschaft m.b.H. (mit dem Sitz in W) zu verantworten, daß diese Gesellschaft auf der Baustelle in Wien XXII, A-Gasse - H-Gasse 17-19 die folgenden Ausländer (jeweils jugoslawische Staatsangehörige) zu den jeweils angegebenen Tatzeiten beschäftigt habe, ohne daß für diese Ausländer Beschäftigungsbewilligungen erteilt bzw. Befreiungsscheine oder Arbeitserlaubnisse ausgestellt worden seien:
J von 17. bis 21.8.1992, C von 17. bis 21.8.1992, D von 17. bis 21.8.1992, A von 17. bis 21.8. und am 24.8.1992, B von 17. bis 21.8. und am 24.8.1992, G von 17. bis 21.8. und am 24.8.1992, S am 24.8.1992 und M am 24.8.1992.
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurde über den Beschwerdeführer "je beschäftigtem Ausländer die gesetzlich vorgeschriebene Mindeststrafe (Wiederholungsfall) von S 20.000,-- (insgesamt S 160.000,--), Ersatzfreiheitsstrafen je zwei Tage (insgesamt 16 Tage) und ein Kostenbeitrag (für das erstinstanzliche Verfahren) von insgesamt S 16.000,-- verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht verletzt, nicht nach dem AuslBG schuldig erkannt und bestraft zu werden. Er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist unbestritten, daß der angefochtene Bescheid am 23. August 1995 an die rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers zugestellt und an diesem Tag gegenüber dem Beschuldigten erlassen wurde. (Ein Zustellnachweis ist in den vorgelegten Verwaltungsakten nicht vorhanden.)
Damit ist hinsichtlich der angelasteten unerlaubten Beschäftigung der Ausländer J, C und D aber die Strafbarkeitsverjährung gemäß § 31 Abs. 3 VStG eingetreten, da seit dem Zeitpunkt an dem das strafbare Verhalten aufgehört hat - das war in Ansehung der genannten Ausländer jeweils der 21. August 1992 - bereits drei Jahre vergangen waren, ohne daß das Straferkenntnis bzw. die Berufungsentscheidung gegenüber dem Beschuldigten gefällt wurde. In einem solchen Fall durfte gemäß § 31 Abs. 3 erster Satz leg. cit. ein Straferkenntnis aber nicht mehr gefällt werden. Befindet sich das Verwaltungsstrafverfahren im Stadium der Berufung, dann darf die Berufungsbehörde das Straferkenntnis nicht mehr bestätigen. Vielmehr hat die Berufungsbehörde den Eintritt der Strafbarkeitsverjährung in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen und solcherart das erstinstanzliche Straferkenntnis in dem von der genannten Verjährung betroffenen Umfang zu beheben und das Verfahren insoweit einzustellen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. Dezember 1996, Zl. 95/09/0255, und vom 25. Oktober 1994, Zl. 94/07/0020).
Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift ist die Frist des § 31 Abs. 3 erster Satz VStG nur dann gewahrt, wenn das Straferkenntnis bzw. die Berufungsentscheidung innerhalb der dort genannten Frist gegenüber dem Beschuldigten rechtswirksam erlassen wurde. Die Erlassung des Straferkenntnisses bzw. der Berufungsentscheidung gegenüber einer anderen Verfahrenspartei (etwa der Bezirkshauptmannschaft als zuständiger Bezirksverwaltungsbehörde) ist nicht geeignet, diese Wirkung herbeizuführen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. April 1995, Zl. 94/09/0374, und vom 12. November 1996, Zl. 96/04/0122). Dem Hinweis der belangten Behörde auf das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 1993, Zl. 93/02/0085 (dieses Erkenntnis setzt sich jedoch mit der Bestimmung des § 51 Abs. 7 VStG und nicht mit der Strafbarkeitsverjährung auseinander, sodaß anscheinend das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1995, Zl. 94/02/0424, gemeint sein dürfte), ist zu erwidern, daß der Verwaltungsgerichtshof diese Aussage zur Bestimmung des § 31 Abs. 3 erster Satz VStG nicht aufrecht erhalten hat (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 10. Mai 1996, Zl. 96/02/0086).
Hinsichtlich der übrigen, dem Beschwerdeführer angelasteten Verwaltungsübertretungen (nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG) ist - unter Bedachtnahme auf die durch die strafrechtliche Figur des fortgesetzten Deliktes zu einer einzigen Deliktseinheit verbundenen Einzelhandlungen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 7. September 1995, Zl. 94/09/0321) - im Hinblick auf das jeweils erst am 24. August 1992 beendete strafbare Verhalten die Strafbarkeitsverjährung nicht eingetreten, da der Berufungsbescheid am 23. August 1992 und demnach noch einen Tag vor Ablauf dieser Frist erlassen wurde.
Gemäß § 51e Abs. 1 VStG (in der im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 620/1995) ist, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Zu dieser sind die Parteien und die anderen zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige zu laden. Wenn in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid oder nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder wenn im bekämpften Bescheid eine 3.000 Schilling nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, dann kann nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle eine Verhandlung unterbleiben, es sei denn, daß eine Partei die Durchführung einer Verhandlung ausdrücklich verlangt.
Gemäß § 51i leg. cit. ist, wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschuldigte hätte darauf verzichtet, oder als es sich um Beweiserhebungen handelt, deren Erörterung infolge des Verzichts auf eine fortgesetzte Verhandlung gemäß § 51e Abs. 3 dritter Satz entfallen ist.
Gemäß § 67g Abs. 1 AVG (diese Bestimmung gilt zufolge § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren) ist der Bescheid samt der wesentlichen Begründung öffentlich zu verkünden. Wenn keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, dann kann die öffentliche Verkündung des Bescheides unterbleiben, sofern die Einsichtnahme in den Bescheid jedermann gewährleistet ist. Gleiches gilt, wenn der Bescheid nicht unmittelbar im Anschluß an die Verhandlung gefällt wird und alle anwesenden Parteien auf die Verkündung verzichten.
Im Beschwerdefall richtete sich die erhobene Berufung gegen ein Straferkenntnis, mit dem 13 Geldstrafen in der Höhe von je S 60.000,-- (insgesamt S 780.000,--) über den Beschwerdeführer verhängt worden waren. In seiner Berufung hat der Beschwerdeführer unter anderem behauptet und näher dargelegt, daß bzw. warum der von der Erstbehörde angenommene Sachverhalt unvollständig und unrichtig festgestellt worden sei. Er hat unter anderem auch vorgebracht, daß der in seinem Unternehmen beschäftigte Baupolier nicht befugt gewesen sei, den Arbeitern der "Subfirmen" Anordnungen zu erteilen.
Bei dieser Konstellation des Beschwerdefalles lagen der belangten Behörde aber Tatfragen vor, die der Klärung in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung bedurft hätten. Dabei hatte die belangte Behörde auch die in einem Verwaltungsstrafverfahren nach dem AuslBG dem Beschuldigten durch Art. 6 EMRK gewährleisteten Verfahrensgarantien zu wahren (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 12. Dezember 1995, Zl. 95/09/0057, und vom 19. Dezember 1996, Zl. 95/09/0231).
Für den Fall gesetzmäßigen Vorgehens hätte die belangte Behörde jedoch im Hinblick auf § 51i VStG (Unmittelbarkeit des Verfahrens) bei ihrer Entscheidung nur auf das Rücksicht nehmen dürfen, was in der Verhandlung vorgekommen ist. Solcherart ist aber der von der belangten Behörde ihrer Entscheidung ausschließlich aufgrund der Ermittlungen der Erstbehörde zugrunde gelegte Sachverhalt nicht in einem gesetzmäßigen (mängelfreien) Verfahren zustande gekommen. Denn die belangte Behörde hätte den im angefochtenen Bescheid genannten Baupolier - auf dessen Aussage sie ihre Entscheidung stützt - in einer Verhandlung unmittelbar einvernehmen müssen. Sie durfte sich nicht darauf beschränken, eine vor der Erstbehörde abgelegte Zeugenaussage (aufgrund einer selbständigen Beweiswürdigung) zu beurteilen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 6. März 1997, Zl. 95/09/0207, und vom 18. Juni 1996, Zl. 95/04/0193).
Da (von den Parteien) auf Verkündung des Bescheides nicht verzichtet wurde, hätte - für den Fall gesetzmäßigen Vorgehens - zudem der angefochtene Bescheid samt seiner wesentlichen Begründung öffentlich verkündet und damit den Parteien Gelegenheit gegeben werden müssen, an der Verkündung teilzunehmen (§ 67g Abs. 1 AVG; vgl. auch Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate, 2. Auflage, S. 132 f).
Gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG ist vom Verwaltungsgerichtshof der vor ihm angefochtene Bescheid aufzuheben, wenn Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Im vorliegenden Fall läßt sich nicht ausschließen, daß die belangte Behörde bei Beachtung der Bestimmungen der §§ 51e und 51i VStG und unter Wahrung der dem Beschwerdeführer in der Verhandlung zukommenden Mitwirkungsbefugnisse - soweit nicht bereits Strafbarkeitsverjährung eingetreten ist - zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang der eingetretenen Strafbarkeitsverjährung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und im übrigen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 und 4 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der RechtswirkungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995090264.X00Im RIS seit
20.11.2000