TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/3 I414 2230449-1

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Veröffentlicht am 03.12.2020
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Entscheidungsdatum

03.12.2020

Norm

BEinstG §14 Abs1
BEinstG §14 Abs2
BEinstG §19b Abs1
BEinstG §2
BEinstG §2 Abs1
BEinstG §2 Abs2
BEinstG §3
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I414 2230449-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Vorsitzenden und den Richter Dr. Harald NEUSCHMID sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Elisabeth RIEDER als Beisitzerin über die Beschwerde der XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (SMS) vom 03.03.2020, Zl. OB: XXXX , in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Am 30.12.2019 beantragte XXXX (in der Folge als Beschwerdeführerin bezeichnet) die Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten.

Mit medizinischem Sachverständigengutachten vom 19.02.2020 wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin an Diabetes mellitus, Insulinpflichtiger Diabetes bei stabiler Stoffwechsellage (Positionsnummer 09.02.02, GdB 40%) und an einer Endokrine Störung leichten Grades (Positionsnummer 09.01.01, GdB 10%) leide. Der Gesamtgrad der Behinderung betrage 40%, weil das führende Leiden 1 aufgrund Geringfügigkeit des Leidens 2 nicht weiter erhöht werde. Zugleich wurde ausgeführt, dass es sich hierbei um einen Dauerzustand handle.

Mit Bescheid des Sozialministeriumservice (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet) vom 03.03.2020 wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin, die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten festzustellen, abgewiesen. Zugleich wurde festgestellt, dass der Grad der Behinderung 40% beträgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der ein ärztliches Attest übermittelt wurde, aus dem zusammengefasst hervorgeht, dass bei der Beschwerdeführerin ein schlecht einstellbarer insulinpflichtiger DM Typ LADA bestehe. Der Allgemeinzustand der Beschwerdeführerin sei deutlich reduziert, verursacht durch BZ Schwankungen, welche derzeit kaum einstellbar seien.

Mit Beschwerdeergänzung vom 11.05.2020 wurde ein weiteres ärztliches Attest übermittelt. Darin wird im Wesentlichen angeführt, dass bei der Beschwerdeführerin immer wieder unerklärliche Hypoglykämien auftreten würden.

Aufgrund der neuen Beweismittel wurde vom erkennenden Gericht ein ergänzendes Sachverständigengutachten eingeholt. Dr. S. hielt in ihrem Gutachten nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin fest, dass ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus bei instabiler Stoffwechsellage nicht vorliege und die Leiden der Beschwerdeführerin wie bereits im Vorgutachten mit einem Gesamtgrad der Behinderung einzuschätzen seien.

Den Verfahrensparteien wurde das Ergänzungsgutachten zur Kenntnis gebracht. Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme wurde seitens der Beschwerdeführerin nicht Gebrauch gemacht, die belangte Behörde wies auf einen Tippfehler bei der Positionsnummer hin.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zunächst wird der unter Pkt. I. dargestellt Verfahrensgang als Sachverhalt festgestellt.

Die Beschwerdeführerin ist am XXXX geboren und österreichische Staatsangehörige.

Sie leidet unter folgenden Funktionseinschränkungen:

Leiden 1: Diabetes mellitus, insulinpflichtiger Diabetes bei stabiler Stoffwechsellage, Positionsnummer 09.02.02 und einem Grad der Behinderung von 40%,

Leiden 2: endokrine Störung leichten Grades, Hypothyrese, Positionsnummer 09.01.01. mit einem Grad der Behinderung von 10%;

Das führende Leiden 1 wird durch die Leiden 2 nicht weiter erhöht. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40%.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person und zum Sachverhalt ergeben sich aus dem unbestrittenen und unbedenkliche Inhalt des Verwaltungsaktes.

Zur Feststellung der Funktionseinschränkungen und des Gesamtgrades der Behinderung konnte zunächst auf das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten zurückgegriffen werden.

Ein Gutachten ist immer auf seine Vollständigkeit (also, ob es Befund und Gutachten im engeren Sinn enthält) und Schlüssigkeit zu überprüfen. Weitere Gutachten sind nur dann einzuholen, wenn sich die vorliegenden Gutachten als nicht vollständig oder nicht schlüssig und damit als nicht ausreichend erweisen.

Da die Beschwerdeführerin mit der Beschwerde weitere medizinische Unterlagen Leiden 1 betreffend vorbrachte, wurde ein ergänzendes Gutachten eingeholt. Dr. S. konnte sich durch persönliche Untersuchung der Beschwerdeführerin in Zusammenschau mit den ärztlichen Unterlagen ein ganzheitliches Bild vom Gesundheitszustand machen. Die Sachverständige hat alle zur Verfügung stehenden Beweismittel in ihrem Gutachten aufgelistet und sind diese neben dem Ergebnis der persönlichen Untersuchung in die Beantwortung der vom erkennenden Gericht gestellten Fragen miteingeflossen.

Dr. S. hat das vorgebrachte Leiden entsprechend der Einschätzungsverordnung eingestuft und kam dabei zu keinem anderen Ergebnis als das Vorgutachten. Sie führte nachvollziehbar aus, dass für eine höhere Einschätzung unter Pos. Nr. 09.02.04 (50% - 60%) eine instabile Stoffwechsellage vorliegen müsste. Aus den vorgelegten medizinischen Unterlagen und nach persönlicher Untersuchung geht nicht hervor, dass die Ursache für die Hypoglykämien nicht die Veränderung des Gesundheitszustandes ist, sondern als Folge der Therapiestrategie zu verstehen ist. Nachdem nämlich die orale Medikation zu keiner zufriedenstellenden Blutzuckereinstellung geführt hat, wurde mittels Insulin behandelt.

Dr. S. erklärte schlüssig, dass seit dem Einsatz der Insulintherapie rezidivierende Hypoglykämien aufgetreten sind, die zu einem deutlich reduzierten Allgemeinzustand geführt haben. Hinsichtlich der Insulintherapie bestehen möglicherweise Alternativen zur aktuellen Diabetestherapie und wurde solche bislang noch nicht versucht.

Leiden 1 ist daher weiterhin unter Pos. Nr. 09.02.02 einzuschätzen, Leiden 2 wurde nicht bestritten.

Den Hinweis der belangten Behörde aufgreifend wird ausgeführt, dass Dr. S. auf Seite 6 ihres Gutachtens zwar die Pos. Nr. 09.02.03 anführt, in der zusammenfassenden Stellungnahme auf Seite 7 aber die Pos. Nr. 09.02.02 angibt und es sich tatsächlich um einen Tippfehler gehandelt haben muss. Schon allein aufgrund des Alters der Beschwerdeführerin von über 18 Jahren scheidet die Pos. Nr. 09.02.03 bereits aus.

Die Beschwerdeführerin ist den Ausführungen der Sachverständigen im Rahmen des ihr eingeräumten Parteiengehörs nicht entgegengetreten. Aus diesen Gründen legt der erkennende Senat diese Gutachten unter freier Beweiswürdigung seiner Entscheidung zu Grunde.

Im Übrigen wäre es auch der Beschwerdeführerin frei gestanden, das im Auftrag der Behörde bzw. des Gerichtes erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen ihrer Wahl zu entkräften bzw. zu widerlegen zu versuchen. Dies ist im gegenständlichen Verfahren nicht erfolgt (vgl. VwGH vom 26.02.2008, Zl. 2005/11/0210).

Hinsichtlich einer wechselseitigen Leidensbeeinflussung führte die Sachverständige schlüssig aus, dass das führende Leiden 1 durch Leiden 2 aufgrund von Geringfügigkeit nicht beeinflusst wird. Es kommt daher zu keiner Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung. Dass ein Dauerzustand vorliegt, ergibt sich übereinstimmend aus beiden Gutachten. Auch diesen Beurteilungen wurde nicht entgegengetreten.

Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur vergleichbaren Regelung des § 67d AVG (vgl. VwGH vom 24.4.2003, 2002/07/0076) wird die Durchführung der Verhandlung damit ins pflichtgemäße Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die Wendung "wenn es dies für erforderlich hält" schon iSd rechtsstaatlichen Prinzips nach objektiven Kriterien zu interpretieren sein wird (vgl. VwGH vom 20.12.2005, 2005/05/0017). In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über die Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten sind die Art und das Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurden daher zwei ärztliche Sachverständigengutachten eingeholt. Wie bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Es wurden der Beschwerde keine Beweismittel beigelegt, welche mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen und ist die Beschwerdeführerin auch im Rahmen des eingeräumten Parteiengehörs nicht entgegengetreten. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben, die im Übrigen auch nicht beantragt wurde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

§ 7 BVwGG lautet folgend:

"Senate

§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen."

§ 19 Abs. 1, 6 und 7 BEinstG lautet wie folgt:

"§ 19b. (1) In Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten der §§ 8, 9, 9a und 14 Abs. 2 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch den Senat.

(6) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Abs. 3 dritter und vierter Satz sind anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

(7) Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) in Verfahren nach Abs. 2, 4 und 6 haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozial- und Arbeitsrechts) aufzuweisen."

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des BEinstG lauten:

"Begünstigte Behinderte

§ 2. (1) Begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH. Österreichischen Staatsbürgern sind folgende Personen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH gleichgestellt:

1. Unionsbürger, Staatsbürger von Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, Schweizer Bürger und deren Familienangehörige,

2. Flüchtlinge, denen Asyl gewährt worden ist, solange sie zum dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind,

3. Drittstaatsangehörige, die berechtigt sind, sich in Österreich aufzuhalten und einer Beschäftigung nachzugehen, soweit diese Drittstaatsangehörigen hinsichtlich der Bedingungen einer Entlassung nach dem Recht der Europäischen Union österreichischen Staatsbürgern gleichzustellen sind.

4. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 72/2013)

(2) Nicht als begünstigte Behinderte im Sinne des Abs. 1 gelten behinderte Personen, die

a) sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden oder

b) das 65. Lebensjahr überschritten haben und nicht in Beschäftigung stehen oder

c) nach bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften Geldleistungen wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit (dauernder Berufsunfähigkeit) bzw. Ruhegenüsse oder Pensionen aus dem Versicherungsfall des Alters beziehen und nicht in Beschäftigung stehen oder

d) nicht in einem aufrechten sozialversicherungspflichtigen Dienstverhältnis stehen und infolge des Ausmaßes ihrer Funktionsbeeinträchtigungen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit auch auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (§ 11) nicht in der Lage sind.

(3) Die Ausschlussbestimmungen des Abs. 2 lit. a gelten nicht für behinderte Personen, die als Lehrlinge in Beschäftigung stehen, eine Ausbildung zum gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege absolvieren, an einer Hebammenakademie oder einer entsprechenden Fachhochschule ausgebildet werden oder zum Zwecke der vorgeschriebenen Ausbildung für den künftigen, eine abgeschlossene Hochschulausbildung erfordernden Beruf nach Abschluss dieser Hochschulausbildung beschäftigt werden und die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllen.

[...]

Behinderung

§ 3. Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Arbeitsleben zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

[…]

Feststellung der Begünstigung

§ 14. (1) Als Nachweis für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gilt der letzte rechtskräftige Bescheid über die Einschätzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 vH

a) eines Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (der Schiedskommission) bzw. des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen oder der Bundesberufungskommission im Sinne des Bundesberufungskommissionsgesetzes, BGBl. I Nr. 150/2002;

b) eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung bzw. das Urteil eines nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, zuständigen Gerichtes;

c) eines Landeshauptmannes (des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales) in Verbindung mit der Amtsbescheinigung gemäß § 4 des Opferfürsorgegesetzes;

d) in Vollziehung der landesgesetzlichen Unfallfürsorge (§ 3 Z 2 Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 200/1967).

Die Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Nachweis gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung. Die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten (§ 2) auf Grund der in lit. a bis d genannten Nachweise erlischt mit Ablauf des dritten Monates, der dem Eintritt der Rechtskraft des jeweiligen Bescheides bzw. Urteiles folgt, sofern nicht der begünstigte Behinderte innerhalb dieser Frist gegenüber dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen erklärt, weiterhin dem Personenkreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten angehören zu wollen.

(2) Liegt ein Nachweis im Sinne des Abs. 1 nicht vor, hat auf Antrag des Menschen mit Behinderung das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung festzustellen. Hinsichtlich der ärztlichen Sachverständigen ist § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden. Die Begünstigungen nach diesem Bundesgesetz werden mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens mit dem Tag des Einlangens des Antrages beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wirksam. Sie werden jedoch mit dem Ersten des Monates wirksam, in dem der Antrag eingelangt ist, wenn dieser unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung (Abs. 3) gestellt wird. Die Begünstigungen erlöschen mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung des Bescheides folgt, mit dem der Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten rechtskräftig ausgesprochen wird."

§ 3 der Einschätzungsverordnung lautet wie folgt:

"Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine."

Wie im Rahmen des Sachverhalts samt Beweiswürdigung näher ausgeführt, wurde im Sachverständigengutachten von Dr. S. festgestellt, dass bei der Beschwerdeführerin ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus besteht, eine instabile Stoffwechsellage aber nicht vorliegt. Daher wurde dieses Leiden 1 gemäß der Einschätzungsverordnung unter die Positionsnummer 09.02.02 mit einem Grad der Behinderung von 40 % eingestuft. Weiters besteht bei der Beschwerdeführerin eine endokrine Störung mit einem Grad der Behinderung von 10%, die nicht weiter bestritten wurde.

Gemäß § 3 Abs. 2 der Einschätzungsverordnung ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20% sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht (vgl. VwGH vom 24. September 2003, Zl. 2003/11/0032).

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin wurde von der Sachverständigen mit 40% zu Recht festgestellt, da das Leiden 2 aufgrund von Geringfügigkeit nicht weiter erhöht.

Der Beschwerdeführerin wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Sie ist dem Sachverständigengutachten von Dr. S. jedoch nicht mehr entgegengetreten.

Die Voraussetzungen für die Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50% liegen daher bei der Beschwerdeführerin weiter nicht vor, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung und konnte sich das Bundesverwaltungsgericht auf die oben zitierten Judikate stützen; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

begünstigter Behinderter Behinderung Ergänzungsgutachten Grad der Behinderung Gutachten Mindestanforderung Nachvollziehbarkeit Sachverständigengutachten Schlüssigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I414.2230449.1.00

Im RIS seit

31.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

31.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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