Entscheidungsdatum
03.12.2020Norm
BBG §43 Abs1Spruch
I414 2207764-1/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Vorsitzender und den Richter Dr. Harald NEUSCHMID sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Elisabeth RIEDER als Beisitzerin über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (SMS) vom 17.09.2018, Zl. XXXX , in nicht öffentlicher Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und festgestellt, dass der Gesamtgrad der Behinderung 60% beträgt. Die Voraussetzung für die Ausstellung eines Behindertenpasses befristet bis zum 30.05.2021 liegen vor.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Mit medizinischem Sachverständigengutachten nach persönlicher Untersuchung vom 11.08.2018 stellte Dr. R. fest, dass der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers 50% betrage und nachstehende Leiden vorliegen: Chronische Darmstörungen mittleren Grades mit chronischen Schleimhautveränderungen, Chronisch obstruktive Lungenerkrankung - Moderate Form - COPD II, Wirbelsäule - Funktionseinschränkungen geringen Grades, leichte Hypertonie und eine endokrine Störung leichten Grades.
Gegen den auf der Grundlage dieses Gutachtens ergangenen Bescheides des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet) erhob der Beschwerdeführer ein Rechtsmittel an das Bundesverwaltungsgericht.
Mit Verbesserungsauftrag des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.01.2019 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert aufzuzeigen, inwiefern die Behörde eine mangelhafte Entscheidung vorgenommen hätte, worin der beanstandete inhaltliche Mangel liege und welche inhaltlichen Gründe für eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung seiner Ansicht nach sprechen sowie diese Gründe durch Befunde, Atteste udgl zu belegen.
Mit fristgerechtem Schreiben vom 03.02.2019 teilte der Beschwerdeführer mit, dass er an einem Auge komplett blind sei, er keinen Geruch- und Geschmacksinn mehr habe, er unter Nacken- und ständigen Kopfschmerzen leide. Zugleich legte der Beschwerdeführer einen Ärztebericht, datiert mit 10.11.2014 vor. Ferner gab er an, dass er alle Befunde vorgelegt habe.
Aus dem medizinischem Ergänzungsgutachten, eingelangt am 19.06.2019, geht im Wesentlichen hervor, dass die vom Beschwerdeführer angeführten Sehstörungen nicht beurteilt werden können, da zum Untersuchungszeitpunkt keine Befunde vorgelegen seien. Aufgrund der nunmehr vorliegenden Befunde betrage der Gesamtgrad der Behinderung 60%. Eine Nachuntersuchung in einem halben Jahr sei notwendig, da sich bei gutem Heilungsverlauf die körperliche Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers verbessern könnte.
Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.06.2019 wurde der Beschwerdeführer vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt. Zugleich wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.
Binnen offener Frist wurde vom Beschwerdeführer kommentarlos ein ärztlicher Befundbericht von einer Fachärztin für Augenheilkunde und Optometrie, datiert mit 28.06.2019, vorgelegt.
Unter abschließender Miteinbeziehung dieses Befundes stellte der Sachverständige in seinem abschließenden Gutachten fest:
„Ergebnis Nr. 1: COPD II-B mit Lungenemphysem Pos. Nummer: 06.06.03 Gdb: 50% Begründung: COPD mit begleitenden Lungenemphysem
Ergebnis Nr. 2: chron. Darmstörung mittleren Grades mit chron. Schleimhautveränderungen bei z.n Hemikolektomie bei ausgeprägter Polyposis des Colons. Pos. Nummer: 07.04.05 Gdb: 40%
Ergebnis Nr. 3: vollständige Blindheit des linken Auges, Visus rechtes Auges CC pos. Nummer: 11.02.01 Gdb: 40% Begründung: Einstufung laut Tabelle
Ergebnis Nr. 4: Wirbelsäulenleiden mit Funktionseinschränkungen geringen Grades pos. Nummer: 02.01.01 Gdb: 20% Begründung: Oberer Rahmensatz bei deg. WS- Veränderungen und merkbarer Funktionsminderung des HWS und LWS
Ergebnis Nr. 5: Arterille Hypertonie pos. Nummer: 05.01.01 Gdb: 10% Begründung: Problemlose medikamentöse Einstellung
Ergebnis Nr. 6: Schilddrüsenunterfunktion leichten Grades pos. Nummer: 09.01.01 Gdb: 10%
Gesamtgrad der Behinderung: 60%
Begründung: Leiden 1 wird durch Leiden 2 negativ verstärkt, dadurch erhöht sich der Gdb um 1 Stufe, Folgeleiden 3 und 4 erhöhen wegen fehlender Leidensbeeinflussung, Leiden 5 und 6 wegen Geringfähigkeit den Gdb nicht weiter.
Keinen Grad der Behinderung erreichen:
Z.n Rippenserienfraktur 2-7 links, posttraumatische Impingement linke Schulter. z.n Haemorrhoiden Operation, z.n Leistenbruch Op, Z.". Nabelbruch Op.
Stellungnahme zu den gesundheitlichen Veränderungen:
Die vorliegende Sehstörung wurde als neues Leiden aufgenommen, aufgrund fehlender Leidensbeeinflussung war jedoch KEINE Änderung des Gdb notwendig.“
Dem Ergebnis der Beweisaufnahme wurde nicht mehr entgegengetreten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland und ist österreichischer Staatsangehöriger.
Es liegen folgende Gesundheitseinschränkungen vor:
1. chronisch obstruktive Lungenerkrankung COPD II-B mit Lungenemphysem, Pos. Nr. 06.06.03, mit einem Grad der Behinderung von 50% (Leiden 1),
2. chronische Darmstörung, Pos. Nr. 07.04.05, mit einem Grad der Behinderung von 40% (Leiden 2),
3. vollständige Blindheit des linken Auges, Visus rechtes Auge CC 0,5, Pos. Nr. 11.02.01, mit einem Grad der Behinderung von 40% (Leiden 3),
4. Funktionseinschränkung der Wirbelsäule geringen Grades, Pos. Nr. 02.01.01, mit einem Grad der Behinderung von 20% (Leiden 4),
5. arterielle Hypertonie, Pos. Nr. 05.01.01, mit einem Grad der Behinderung von 10% (Leiden 5) und
6. Schilddrüsenunterfunktion, Pos. Nr. 09.01.01, mit einem Grad der Behinderung von 10%.
Leiden 2 steht in wechselseitig negativem Einfluss mit Leiden 1 und erhöht um eine Stufe. Die übrigen Leiden erhöhen den Gesamtgrad der Behinderung nicht weiter.
Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt somit - befristet bis 30.05.2021 - 60%.
Betreffend Leiden 2 kann es zu einer Verbesserung kommen. Eine Nachuntersuchung in einem halben Jahr ist initiiert.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den Akt der belangten Behörde, in die Gutachten und Stellungnahmen von Dr. R., in den bekämpften Bescheid sowie in den Beschwerdeschriftsatz und die Schreiben des Beschwerdeführers nach Parteiengehör.
Die Feststellungen zur Person und zum Antrag ergeben sich aus dem Veraltungsakt der belangten Behörde und sind unstrittig.
Den festgestellten Funktionseinschränkungen wurden letztlich nicht mehr entgegengetreten und ergeben sich diese aus den Gutachten des Dr. R. und insbesondere aus seiner Gesamtbeurteilung in der Stellungnahme vom 16.07.2019.
Die getroffenen Einschätzungen basieren auf dem erhobenen klinischen Befund und den vorgelegten medizinischen Beweismitteln und entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen nach der Einschätzungsverordnung. Der Sachverständige konnte sich auch durch persönliche Untersuchung des Beschwerdeführers ein Bild vom ganzheitlichen Gesundheitszustand machen.
Strittig blieb letzten Endes Leiden 3, die vollständige Blindheit des linken Auges. Aufgrund der im Rahmen des Parteiengehörs weiter vorgelegten Befunde war die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme durch den Sachverständigen notwendig, um eine abschließende Beurteilung zu erreichen.
Der Sachverständige führte nach Vorlage des zuletzt noch ausständigen augenärztlichen Befundes schlüssig und nachvollziehbar aus, dass die Blindheit am linken Auge ein neues Leiden bedingt und die Pos. Nr. 11.02.01 mit einem Grad der Behinderung von 40% hinzuzufügen war. Dadurch ändert sich aber nicht der Gesamtgrad der Behinderung, da es an einer wechselseitig negativen Beeinflussung zum führenden Leiden 1 fehlt.
Zu einer Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung gegenüber dem angefochtenen Bescheid kam es aufgrund des chronisch obstruktiven Lungenleidens, das nunmehr nach Beibringung weiterer Befunde unter die Pos. Nr. 06.06.03 und einem Einzelgrad der Behinderung mit 50% einzuschätzen war. Der Sachverständige begründete seine Wahl nachvollziehbar mit dem begleitenden Lungenemphysem. Da dieses Leiden nunmehr das Führende darstellt, für sich genommen bereits 50% beträgt und eine wechselseitige Leidensbeeinflussung durch Leiden 2 (weiterhin) vorliegt, konnte Dr. R. schlüssig die Änderung im Vergleich zum Vorgutachten aufzeigen.
Zur Feststellung der notwendigen Nachuntersuchung nach einem halben Jahr gelangt das erkennende Gericht ebenso durch die schlüssigen Erklärungen des Sachverständigen Dr. R., wonach der weitere Heilungsverlauf hinsichtlich der Darmstörung abzuwarten ist und eine Verbesserung eintreten kann. Der medizinische Sachverständige schlug im Juli 2019 eine Nachuntersuchung im Jänner 2021 vor, sohin in einem halben Jahr und konnte dieser Zeitraum daher übernommen werden. Daraus ergibt sich die Befristung auf ein halbes Jahr, gerechnet vom heutigen Entscheidungsdatum.
Bezüglich der weiteren Leiden führt Dr. L. verständlich aus, dass betreffend Leiden 2 keine Änderung eingetreten ist und der Zustand nach Hemikolektomie bereits im Vorgutachten vollständig und gleichlautend berücksichtigt wurde. Auch die Einschätzungen der arteriellen Hypertonie und der Schilddrüsenunterfunktion blieben gleich.
Zu Leiden 4, der Funktionseinschränkung der Wirbelsäule blieb zwar die Positionsnummer 02.01.01 gleichbleibend, es kam aber der höhere Rahmensatz von 20% aufgrund merkbarer Funktionsminderung der Hals- und Lendenwirbelsäule zur Anwendung.
Insgesamt ist festzuhalten, dass der Gutachter auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausreichend eingegangen ist und die Beeinträchtigungen im Sinne der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft wurden.
Hinsichtlich des Gesamtgrades führt der Gutachter schlüssig aus, dass das Leiden 2 zu einer wechselseitigen negativen Leidensbeeinflussung von Leiden 1 führt, wie oben bereits angegeben. Es wurde auch dargelegt, dass Leiden 3 und 4 mangels Beeinflussung und die Leiden 5 und 6 aufgrund Geringfügigkeit (10%) nicht weiter erhöhen.
Die Gutachten von Dr. R. wurde dem Beschwerdeführer sowie der belangten Behörde zur Stellungnahme übermittelt. Diese sind der zuletzt eingeholten Stellungnahme zum Gutachten vom 16.07.2019 in der Folge jedoch nicht entgegengetreten.
Das Gutachten steht mit den allgemeinen Gesetzen der Logik in Einklang, ist schlüssig und vollständig und ihm wurde nicht entgegengetreten. Aus diesen Gründen legt der erkennende Senat dieses Gutachten samt Stellungnahme unter freier Beweiswürdigung seiner Entscheidung zu Grunde.
Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Nach § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG). Wurde - wie im vorliegenden Fall - kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße - und zu begründende - Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH). Gemäß Abs. 3 leg.cit. hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Gemäß Abs. 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und dem eingeholten Ergänzungsgutachten. Zudem sind die Verfahrensparteien dem letztlich eingeholten Ergänzungsgutachten nicht (mehr) entgegengetreten. Es wurde keinerlei Stellungnahme abgegeben.
Dies lässt - gerade auch vor dem Hintergrund des Umstandes, dass eine mündliche Verhandlung nicht beantragt wurde - die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
§ 7 Abs. 1 BVwGG lautet wie folgt:
„Senate
§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen.“
§ 45 Abs. 3 und 4 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl 1990/283 in der geltenden Fassung, lauten wie folgt:
„(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.“
Über die vorliegende Beschwerde war daher durch einen Senat, bestehend aus zwei Berufsrichtern und einem fachkundigen Laienrichter, zu entscheiden.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A) Stattgabe der Beschwerde:
Die maßgeblichen Bestimmungen des BBG lauten wie folgt:
„§ 43 (1) Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.
(2) Der Besitzer des Behindertenpasses ist verpflichtet, dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen binnen vier Wochen jede Änderung anzuzeigen, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, und über Aufforderung dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Behindertenpass vorzulegen.
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.“
§ 4 der Einschätzungsverordnung (EVO) in der geltenden Fassung, lautet wie folgt:
„Grundlage der Einschätzung
§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.“
Dem vom Bundesverwaltungsgericht als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei gewertete Sachverständigengutachten von Dr. R. samt der dazu erstatteten ergänzenden Gutachten und Stellungnahme, zuletzt vom 16.07.2019 folgend, beträgt der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers nunmehr 60%.
Nach Beibringung aller relevanten Befunde konnte der Sachverständige als das nunmehr führende Leiden die chronisch obstruktive Lungenerkrankung COPD II-B unter die Positionsnummer 06.06.03 einstufen und einen Einzelgrad der Behinderung mit 50% festlegen. Berücksichtigt wurde dabei insbesondere das Lungenemphysem. Die weiteren Einschätzungen der Leiden 2 bis 6 unter die Positionsnummern 07.04.05, 11.02.01, 02.02.01, 05.01.01 und 09.01.01 und die gewählten Rahmensätze entsprechen ebenfalls dem vorgegebenen Rahmen der Anlage zur Verordnung, wobei die vollständige Erblindung am linken Auge mit einem Grad der Behinderung von 40% neu hinzugekommen ist.
Auch bei der Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist der Gutachter nach den Vorgaben von § 3 Abs 3 der Einschätzungsverordnung ausgegangen, wonach eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, (nur) dann vorliegt, wenn sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt oder zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen. Diesbezüglich hat der Gutachter angegeben, dass das Leiden 1 durch Leiden 2 wechselseitig negativ beeinflusst wird und begründete dies umfassend. Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers wurde daher zu Recht mit 60 % festgestellt.
Eine Befristung kann ausgesprochen werden, wenn sich nachvollziehbar ergibt, dass eine Nachuntersuchung aufgrund von möglichen Änderungen einer oder mehrerer Funktionseinschränkungen notwendig ist.
Auch dazu wurde schlüssig ausgeführt, dass eine Verbesserung betreffend Leiden 2 bei gutem Heilungsverlauf eintreten kann. Sollte sich Leiden 2 verbessern, ist auch eine Reduktion des Gesamtgrades der Behinderung denkbar, da auch eine wechselseitige Leidensbeeinflussung dadurch wegfallen kann. Der Gutachter veranschlagte eine Nachuntersuchung im Jänner 2021, was zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung ca. ein halbes Jahr bedeutete. Diese zeitliche Vorgabe wird daher übernommen und eine Nachuntersuchung nach Ablauf dieses Zeitraumes festgelegt.
Zusammengefasst liegt ein Gesamtgrad der Behinderung von 60% befristet bis 30.05.2021 vor.
Der Beschwerde war daher stattzugeben und spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Befristung Behinderung Ergänzungsgutachten Grad der Behinderung Gutachten Nachvollziehbarkeit Sachverständigengutachten SchlüssigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I414.2207764.1.00Im RIS seit
31.05.2021Zuletzt aktualisiert am
31.05.2021