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60/04 Arbeitsrecht allgemein;Norm
AMFG §44a;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Fuchs und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Dr. E in S, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Salzburg vom 30. Dezember 1994, Zl. III 6702 B/1276901, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Arbeitsmarktservice hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte am 5. April 1994 die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für die polnische Staatsangehörige B für die berufliche Tätigkeit als Aufräumefrau.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30. Dezember 1994 lehnte die belangte Behörde die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i. V.m. § 4 Abs. 1 und Abs. 6 AuslBG ab.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird festgestellt, die mit der Verordnung BGBl. Nr. 794/1993 für das Bundesland Salzburg mit Wirkung vom 1. Jänner 1994 festgesetzte Landeshöchstzahl von 17.000 sei "derzeit deutlich überschritten". Die Anzahl der im Bundesland Salzburg Ende November 1994 bewilligt beschäftigten Ausländer habe laut Mitteilung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger 20.038 betragen. Der Ausländerausschuß des Landesdirektoriums bei der Landesgeschäftsstelle Salzburg (Tagung vom 21. September 1994) habe sich nicht einhellig für die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung ausgesprochen. Da aufgrund der geringen Entlohnung der vorgesehenen Teilzeitbeschäftigung als Reinigungsfrau von S 7.034,40 keine Arbeitskräfte vorhanden seien, die geeignet und bereit wären, die Beschäftigung beim Beschwerdeführer aufzunehmen, lasse die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes allein die Beschäftigung der beantragten Ausländerin zu. Wegen der oben erwähnten Überschreitung der Landeshöchstzahl müsse aber als weiteres Genehmigungserfordernis der Abs. 6 des § 4 AuslBG beachtet werden. Die einhellige Befürwortung durch die Mitglieder des Ausländerausschusses liege nicht vor. Es seien daher die besonders wichtigen Gründe gemäß § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a bis d AuslBG zu prüfen gewesen. Diese seien aber nicht erfüllt (wird im angefochtenen Bescheid näher ausgeführt). Schließlich sei zu prüfen, ob öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die beantragte Beschäftigung erforderten. Insbesondere im Hinblick auf das starke Ansteigen der Arbeitslosenzahl von ausländischen Arbeitskräften, die einen Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung durch länger dauernde Beschäftigungsverhältnisse im Inland erworben hätten, stehe der weitere Zugang von ausländischen Arbeitskräften ohne Arbeitslosengeldanspruch auf dem heimischen Arbeitsmarkt den öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interessen entgegen. Da somit die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 AuslBG nicht gegeben seien, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Laut dem auf einer Durchschrift des angefochtenen Bescheides angebrachten Vermerk in den Verwaltungsakten wurde der angefochtene Bescheid am 9. Jänner 1995 an den Beschwerdeführer abgesandt. Die Zustellung erfolgte nach den Angaben in der Beschwerde am 10. Jänner 1995.
In der Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die belangte Behörde hat die Versagung der Erteilung der Beschäftigungsbewilligung zwar laut Spruch des angefochtenen Bescheides sowohl auf § 4 Abs. 1 als auch auf § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt, laut Begründung des angefochtenen Bescheides erfolgte die Ablehnung aber ausschließlich wegen Nichterfüllung der erschwerten Voraussetzungen im Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG.
§ 4 Abs. 6 AuslBG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung (Z. 1 in der Fassung der ab 1. Juli 1994 in Kraft getretenen Novelle BGBl. Nr. 314/1994, die übrigen Bestimmungen i. d.F. der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:
"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und
1. bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Regionalbeirat einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder
2. die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere
a) als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer,
b) in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder
c) als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder
d) im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder
3. öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder
4. die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."
Über Berufungen gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstelle entscheidet gemäß § 20 Abs. 3 AuslBG (i.d.F. BGBl. Nr. 314/1994) die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice nach Anhörung des Landesdirektoriums.
Bereits in bezug auf die Anwendungsvoraussetzung des erschwerten Verfahrens (Überschreitung der Landeshöchstzahl) nach § 4 Abs. 6 AuslBG ist der belangten Behörde ein rechtlicher Fehler unterlaufen.
Da eine Rechtsmittelbehörde im allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Mai 1977, Slg. Nr. 9.315/A), war die belangte Behörde nicht berechtigt, ihre mit der Zustellung am 10. Jänner 1995 erlassene Entscheidung auf die mit Ablauf des 31. Dezember 1994 außer Kraft getretene Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 26. November 1993, BGBl. Nr. 794/1993 (Landeshöchstzahlenverordnung 1994), zu stützen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Mai 1993, 93/09/0022).
Der angefochtene Bescheid war daher aus diesem Grund wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Damit erübrigte sich ein Eingehen auf das Beschwerdevorbringen, das (ausschließlich) eine anzunehmende einhellige Befürwortung durch die "Mitglieder des Ausländerausschusses" (gemeint offenbar des Landesdirektoriums nach § 20 Abs. 3 AuslBG) ins Spiel bringt (dazu, daß eine "Anhörung" nach § 20 Abs. 3 AuslBG keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung im erschwerten Verfahren nach § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 leg. cit. hat, siehe allerdings beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. November 1993, 93/09/0180, vom 21. Jänner 1994, 93/09/0429, und vom 24. Februar 1995, 94/09/0083).
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Für den zuerkannten Aufwandersatz hat das Arbeitsmarktservice als Rechtsträger im Sinn des § 47 Abs. 5 VwGG aufzukommen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Juni 1996, 95/09/0261).
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995090051.X00Im RIS seit
20.11.2000