TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/3 L521 2161407-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.03.2021
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Entscheidungsdatum

03.03.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch


L521 2161407-2/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Irak, vertreten durch Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, 1020 Wien, Leopold-Moses-Gasse 4, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.12.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 03.02.2021 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte nach unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet am 03.03.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am Tag der Antragstellung legte der Beschwerdeführer dar, den im Spruch angeführten Namen zu führen und Staatsangehöriger des Irak zu sein. Er sei am XXXX in der irakischen Stadt XXXX geboren, Angehöriger der ethno-religiösen Gruppe der Jesiden und sei ledig.

Im Hinblick auf seinen Reiseweg brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, den Irak etwa einen Monat vor der Antragstellung vom Gouvernement XXXX ausgehend auf dem Landweg in die Türkei verlassen zu haben. In der Folge sei er schlepperunterstützt ebenfalls auf dem Landweg von der Türkei aus direkt nach Österreich verbracht worden.

Zu den Gründen seiner Ausreise befragt führte der Beschwerdeführer aus, er habe Angst davor, im Krieg getötet zu werden. Als Jeside werde er außerdem vom Islamischen Staat verfolgt.

Da der Beschwerdeführer außerdem vorbrachte, Analphabet zu sein, unterfertigte er die Niederschrift mit seinem Fingerabdruck.

3. Im Anschluss an die Antragstellung verließ der Beschwerdeführer am 24.03.2015 das Bundesgebiet und begab sich in die Bundesrepublik Deutschland, sodass das Asylverfahren in der Folge am 30.06.2015 wegen unbekannten Aufenthaltes des Beschwerdeführers gemäß § 24 Abs. 2 AsylG 2005 eingestellt wurde.

4. Nachdem ein erster Überstellungsversuch am 16.09.2015 scheiterte wurde der Beschwerdeführer am 29.10.2015 gemäß der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 von Deutschland nach Österreich im Rahmen einer kontrollierten Überstellung rücküberstellt.

5. Am 15.03.2017 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 3 B-VG wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl. Eine für den 22.03.2017 anberaumte Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl kam infolge Verständigungsschwierigkeiten mit dem Dolmetscher nicht zustande.

6. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.03.2018, L525 2161407-1/8E, wurde das Verfahren wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl aufgrund der Zurückziehung der Säumnisbeschwerde am 27.02.2018 eingestellt.

7. Am 07.11.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol, im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Kurmancî niederschriftlich vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter einvernommen.

Eingangs der Befragung legte der Beschwerdeführer dar, einvernahmefähig zu sein und den anwendenden Dolmetscher zu verstehen. Er habe bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt richtige Angaben in seinem Asylverfahren getätigt. Einige seiner Angaben bei der Erstbefragung wären allerdings nicht richtig protokolliert worden. Den Dolmetscher bei der Erstbefragung habe er gut verstanden.

Befragt nach dem Grund für das Verlassen des Heimatstaates führte der Beschwerdeführer aus, er sei „vom Islam weggelaufen“. Er sei nahezu täglich aufgrund seiner Zugehörigkeit zur ethno-religiösen Gruppe der Jesiden beleidigt worden. Er bevorzuge jedoch den Tod, anstatt sich täglich beleidigen zu lassen. Auch wenn er ein Universitätsstudium im Irak abgeschlossen habe, habe er im Irak „viel gelitten“ und aufgrund seiner Abstammung und Religionszugehörigkeit im Irak keine Arbeit in seinem erlernten Beruf gefunden. Am 16.02.2015 habe er den Irak verlassen.

Auf Nachfrage legte der Beschwerdeführer zunächst dar, dass es keinen konkreten Grund zum Verlassen des Irak gerade am 16.02.2015 gegeben habe. Zu persönlichen Konfrontationen mit Milizionären des Islamischen Staates sei es nicht gekommen, auch sein Heimatort seit vom Islamischen Staat verschont geblieben. Auf die Frage nach seinen Rückkehrbefürchtungen legte der Beschwerdeführer dar, dass er im Irak nicht bedroht sei und im Fall einer Rückkehr „nichts zu befürchten“ habe. Er fühle sich im Irak allerdings nicht hinreichend sicher und habe Angst vor Armut sowie Befürchtungen im Hinblick auf seinen psychischen Gesundheitszustand.

8. Mit dem hier angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.12.2018, Zl. XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wider den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 wurde ausgesprochen, dass die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe im Irak keine asylrelevante Verfolgung erlitten und keine Verfolgungshandlungen zu gewärtigen gehabt. Ausgehend davon könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in den Irak einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre. Eine Rückkehr werde aufgrund vorhandener familiärer Anknüpfungspunkte und des persönlichen Profils des Beschwerdeführers als zumutbar erachtet und es sei der Beschwerdeführer in der Lage, sich zumindest durch Hilfstätigkeiten ein ausreichendes Auskommen zu sichern.

9. Mit Verfahrensanordnung vom 05.12.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben und der Beschwerdeführer ferner gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

10. Gegen den am 07.12.2018 eigenhändig zugestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.12.2018, Zl. XXXX , richtet sich die im Wege der dem Beschwerdeführer beigegebenen Rechtsberatungsorganisation fristgerecht eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

In dieser wird inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert und beantragt, den angefochtenen Bescheid abzuändern und dem Antrag auf internationalen Schutz Folge zu geben und dem Beschwerdeführer der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen oder hilfsweise des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen bzw. festzustellen, dass die erlassene Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei und die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (plus) gemäß § 55 AsylG 2005 vorliegen würden und dem Beschwerdeführer daher gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 eine Aufenthaltsberechtigung (plus) amtswegig zu erteilen sei. Eventualiter wird ein Aufhebungsantrag gestellt und jedenfalls die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht begehrt.

In der Sache bringt der Beschwerdeführer vor, das belangte Bundesamt habe sich nicht ausreichend mit der Verfolgung der ethno-religiösen Gruppe der Jesiden auseinandergesetzt und keine Feststellungen zur aktuellen Lage der jesidischen Minderheit im Irak getroffen. Tatsächlich sei die ethno-religiösen Gruppe der Jesiden im Irak von Gruppenverfolgung bedroht. Berichten zufolge wären Jesiden mit Schwierigkeiten bei der Rückkehr konfrontiert und es würden sich zahlreiche Jesiden noch in der Gewalt des Islamischen Staates befinden. Einer Rückkehr stünde nicht nur die Kontaminierung mit Sprengmitteln, sondern rigide Sicherheitsvorschriften sowie konfessionelle Trennungen durch schiitische Milizen, fehlende Dokumente und Grundstücksstreitigkeiten entgegen. Dem Beschwerdeführer sei eine Rückkehr insbesondere deshalb nicht zumutbar, weil der Islamische Staat zahlreiche Häuser mit Sprengkörpern versehen habe und eine Wiederansiedelung für den Beschwerdeführer deshalb lebensgefährlich sei. Die Lage in der Herkunftsregion sei außerdem aufgrund des Konfliktes zwischen der irakischen Zentralregierung und der kurdischen Regionalregierung über das Schicksal der sogenannten umstrittenen Gebiete unsicher und es sei die Arbeitslosigkeit unter Jesiden sehr hoch. Eine Rückkehr ein eine Flüchtlingslager sei dem Beschwerdeführer ebenso wenig zuzumuten wie die Inanspruchnahme einer anderweitigen innerstaatlichen Aufenthaltsalternative.

11. Die Beschwerdevorlage langte am 08.01.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.

12. Zur Vorbereitung der für den 29.12.2020 anberaumten mündlichen Verhandlung wurden der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.12.2021 aktuelle Länderdokumentationsunterlagen zur allgemeinen Lage im Irak zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt und die Möglichkeit eingeräumt, dazu innerhalb einer Frist schriftlich oder im Rahmen der Verhandlung mündlich Stellung zu nehmen. Eine schriftliche Stellungnahme dazu wurde innerhalb der eingeräumten Frist nicht abgebeben.

13. Infolge einer als Vertagungsbitte zu wertenden Eingabe der (seinerzeitigen) Rechtsvertretung ARGE Diakonie und Volkshilfe wurde die mündliche Verhandlung auf den 03.02.2021 verlegt.

14. Am 03.02.2021 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, seiner nunmehrigen rechtsfreundlichen Vertretung sowie eines Dolmetschers für die Sprache Kurmancî durchgeführt. Im Verlauf der Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer neuerlich die Gelegenheit eingeräumt, seine Ausreisegründe und seine Rückkehrbefürchtungen umfassend darzulegen. Der Beschwerdeführer brachte im Rahmen der mündlichen Verhandlung Unterlagen zu seiner Integration im Bundesgebiet sowie Beweismittel und kurdischer bzw. arabischer Sprache zu einem am Tag der mündlichen Verhandlung erstmals im gesamten Verfahren neu vorgebrachten Asylgrund in Vorlage.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , er ist Staatsangehöriger des Irak und Angehöriger der ethno-religiösen Gruppe der Jesiden. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Er spricht die kurdische Sprache (Kurmancî) und verfügt über Grundkenntnisse der arabischen Sprache.

Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in der in den sogenannten umstrittenen Gebieten gelegenen Stadt XXXX des Distrikts Sêmêl (auch Sumel oder Semile) im irakische Gouvernement XXXX der Autonomen Region Kurdistan geboren und lebte dort – abgesehen von einem Studienaufenthalt in der Stadt Erbil in den Jahren 2009 bis 2013 und einem kurzen Aufenthalt in der Türkei vom 07.08.2014 bis zum 20.09.2014 – von Geburt an bis zur Ausreise, zuletzt in einem Haus im Eigentum seiner Familie.

Der Beschwerdeführer besuchte in seiner Heimstadt die Grundschule und eine weiterführende Schule im Ausmaß von zwölf Jahren und erlangte die Matura. Im Anschluss an den Schulbesuch absolvierte der Beschwerdeführer in den Jahren 2009 bis 2013 die Salahaddin-Universität in der Stadt Erbil, wo er das Bachelorstudium Filmwissenschaft am 04.07.2013 erfolgreich abschloss. Sein Studium finanzierte der Beschwerdeführer durch Inanspruchnahme staatlicher Zuwendungen (unentgeltliches Studentenwohnheim, monatliches Stipendium von USD 50,00), ferner wurde er von seinem in Deutschland lebenden Bruder mit monatlich USD 100,00 finanziell unterstützt. Im Anschluss an das Studium gelang es dem Beschwerdeführer nicht, in seinem erlernten Beruf Fuß zu fassen, er ging anstatt dessen Gelegenheitsarbeiten auf Baustellen nach.

Der Vater des Beschwerdeführers verstarb im Jahr 1994 eines natürlichen Todes. Die Mutter des Beschwerdeführers lebt in der Stadt XXXX in einem Haus im Eigentum der Familie des Beschwerdeführers. In diesem Haus lebt außerdem eine unverheiratete Schwester des Beschwerdeführers sowie sein Bruder XXXX gemeinsam mit dessen Ehegattin und dem gemeinsamen Kind. Der Bruder des Beschwerdeführers arbeitet in einem Hotel in der nahe gelegenen Stadt XXXX und erhält damit die Familie. In der Herkunftsregion des Beschwerdeführers leben außerdem seine Schwestern XXXX und XXXX , die jeweils verheiratet sind und fünf bzw. zwei Kinder haben. Der Ehegatte der Schwester XXXX ist als Lehrer erwerbstätig, der Beruf des Ehegatten der Schwester XXXX ist dem Beschwerdeführer nicht geläufig. Der Beschwerdeführer steht mit seinen Angehörigen im Irak in unregelmäßigem Kontakt.

In Europa leben weitere Geschwister des Beschwerdeführers – eine Schwester lebt im Königreich Norwegen, drei Brüder und zwei weitere Schwestern leben – teilweise bereits seit Jahren – in der Bundesrepublik Deutschland. Sein in Deutschland lebender Bruder XXXX besuchte den Beschwerdeführer im Jahr 2020 in XXXX .

Den Irak verließ der Beschwerdeführer zuletzt am 16.02.2015 legal unter Verwendung seines irakischen Reisepasses auf dem Landweg in die Türkei und gelangte in der Folge schlepperunterstützt ebenfalls auf dem Landweg nach Österreich, wo er am 03.03.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Bereits zuvor hielt sich der Beschwerdeführer vom 07.08.2014 an bis zum 20.09.2014 in der Türkei auf, er kehrte jedoch am 20.09.2014 freiwillig in den Irak zurück.

1.2. Der Beschwerdeführer steht derzeit nicht in einer laufenden medizinischen Behandlung und nimmt keine Medikamente ein. Er leidet an in Abständen wiederkehren Kopf- und Oberbauchschmerzen und möchte deshalb einen Facharzt konsultieren. Aktuelle Befunde über Erkrankungen des Beschwerdeführers liegen nicht vor. Der Verdacht einer epileptischen Erkrankung bestätigte sich nicht.

1.3. Der Beschwerdeführer gehörte in seinem Herkunftsstaat keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an hatte vor seiner Ausreise keine Schwierigkeiten mit Behörden, Gerichten oder Sicherheitskräften seines Herkunftsstaates zu gewärtigen.

Der Beschwerdeführer wurde vor seinen Ausreisen in den Jahren 2014 und 2015 nicht von Milizionären bzw. Anhängern des Islamischen Staates bedroht oder angegriffen. Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers – die ca. 15 km südlich von XXXX in der Autonomen Region Kurdistan gelegene und überwiegend von Jesiden bewohnte Stadt XXXX – wurde von den Milizen des Islamischen Staates weder angegriffen, noch (temporär) besetzt und stand vielmehr stets unter der Kontrolle kurdischer Sicherheitskräfte.

Der Beschwerdeführer war vor seiner Ausreise nicht in Grundstückstreitigkeiten verwickelt und wurde auch nicht in diesem Zusammenhang in den Jahren 2012 und 2013 persönlich bzw. telefonisch bedroht.

Der Beschwerdeführer war vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat auch keiner anderweitigen individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt durch staatliche Organe, Kämpfer schiitischer oder sunnitischer Milizen oder Privatpersonen ausgesetzt und wird im Falle einer Rückkehr in seine Herkunftsregion XXXX in der Autonomen Region Kurdistan einer individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt sein.

Der Beschwerdeführer ist im Fall einer Rückkehr in seine Herkunftsregion XXXX in der Autonomen Region Kurdistan nicht einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretenden individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt aufgrund seiner Zugehörigkeit zur ethno-religiösen Gruppe der Jesiden ausgesetzt. Er hat auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit einer individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt aufgrund einer Asylantragstellung im Ausland oder seines mehrjährigen Aufenthaltes in Europa zu rechnen. Ihm droht keine strafrechtliche Verfolgung.

1.4. Dem Beschwerdeführer droht im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nicht die Todesstrafe. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse, terroristische Anschläge oder organisierte Kriminalität.

Der Beschwerdeführer hegt nicht die Absicht, an regierungskritischen Protesten im Irak teilzunehmen.

Die Autonome Region Kurdistan ist im Luftweg mit Linienflügen (Schwechat-Istanbul/Dubai-Erbil) direkt und gefahrlos erreichbar.

1.5. Der Beschwerdeführer ist ein gesunder, arbeits- und anpassungsfähiger Mensch mit im Herkunftsstaat erworbener hervorragender Ausbildung in der Schule und einem abgeschlossenen Universitätsstudium Filmwissenschaft und beruflicher Erfahrung in der Bauwirtschaft. Der Beschwerdeführer verfügt über eine – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherte Existenzgrundlage in seinem Herkunftsstaat sowie über familiäre Anknüpfungspunkte in seiner Herkunftsregion in Gestalt seiner dort lebenden Mutter, eines Bruders und dreier Schwestern. Er verfügt insbesondere über eine unentgeltliche Wohnmöglichkeit bei seinen Angehörigen. Dem Beschwerdeführer ist darüber hinaus die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zumindest in Form der Verrichtung von Gelegenheitsarbeiten zur Sicherstellung seines Auskommens möglich und zumutbar.

1.6. Der Beschwerdeführer verfügt über einen irakischen Personalausweis (ausgestellt am 16.07.2008 in Sêmêl in der Autonomen Region Kurdistan) im Original.

1.7. Der Beschwerdeführer hielt sich zunächst vom 03.03.2015 bis zum 24.03.2015 als Asylwerber im Bundesgebiet auf. Am 24.03.2015 verließ er das Bundesgebiet und reiste unrechtmäßig in die Bundesrepublik Deutschland ein, da sein Reiseziel die Bundesrepublik Deutschland aufgrund der dort lebenden Geschwister war. Sein Asylverfahren wurde in der Folge am 30.06.2015 wegen unbekannten Aufenthaltes des Beschwerdeführers gemäß § 24 Abs. 2 AsylG 2005 eingestellt. Nachdem ein erster Überstellungsversuch am 16.09.2015 scheiterte, wurde der Beschwerdeführer am 29.10.2015 von Deutschland nach Österreich im Rahmen einer kontrollierten Überstellung gemäß der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 rücküberstellt und das Asylverfahren fortgesetzt.

Seit dem 29.10.2015 hält sich der Beschwerdeführer ohne Unterbrechung in Österreich auf. Er reiste rechtswidrig in das Bundesgebiet ein, ist bis zum Entscheidungszeitpunkt als Asylwerber im Bundesgebiet aufhältig und verfügt über keinen anderen Aufenthaltstitel.

Der Beschwerdeführer bezieht seit der Antragstellung Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber. Nach der Einreise war der Beschwerdeführer zunächst bis zum 24.03.2015 in einer Unterkunft für Asylwerber in der Gemeinde XXXX untergebracht. Seit der Rücküberstellung ist der Beschwerdeführer in Unterkünften für Asylweber in der Stadt XXXX untergebracht und lebt dort derzeit mit weiteren Asylwerbern in einem Mehrbettzimmer. Fallweise wird der Beschwerdeführer von seinem in Deutschland lebenden Bruder XXXX finanziell unterstützt.

Der Beschwerdeführer ging in den Jahren 2017 und 2018 einer Remunerantentätigkeit als Hilfskraft in den von ihm bewohnten Unterkünften nach und erhielt dafür EUR 3,00 pro Arbeitsstunde. Er geht der Fotografie als Hobby nach und betätigt sich sportlich, indem er Fußball spielt und ein Fitnesscenter besucht. Der Beschwerdeführer wirkte außerdem beim Intentionalen Film Festival XXXX im Mai 2016 als Volontär im Bereich Einlasskontrolle, Ticketing, Saalregie und Gästebetreuung mit. Der Festival Manager attestiert dem Beschwerdeführer ein freundliches Wesen und eine kollegiale Haltung sowie Zielerreichung unter schwierigen Bedingungen. Ferner wirkte der Beschwerdeführer als Volontär beim XXXX Nature Filmfestival an zwei Tagen im Monat Oktober 2020 mit.

Der Beschwerdeführer nahm am 17.06.2019 an einem handwerklich-motorischen Eignungstest sowie an einem Kompetenzcheck teil. Er ging bislang keiner sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nach und hat eine solche auch nicht in Aussicht.

Der Beschwerdeführer besuchte Qualifizierungsmaßnahmen zum Erwerb der deutschen Sprache, er verfügt aufgrund des Kursbesuchs und seiner sozialen Kontakte über gute Kenntnisse der deutschen Sprache, die eine Verständigung in alltäglichen Situationen ohne weiteres ermöglichen. Am 29.07.2020 legte der Beschwerdeführer die Integrationsprüfung über Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau B1 erfolgreich ab. Er besuchte zuvor am 02.11.2018 einen Werte- und Orientierungskurs und am 25.11.2016 einen Erste-Hilfe-Kurs im Ausmaß von 16 Stunden.

Der Beschwerdeführer ist für keine Person im Bundesgebiet sorgepflichtig. Er unterhält seit dem Monat August 2019 eine Beziehung zu einer am XXXX geborenen italienischen Staatsangehörigen, die ebenfalls in der Stadt XXXX lebt. Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Freundin nicht im gemeinsamen Haushalt, er besucht sie allerdings regelmäßig an fünf bis sechs Tagen pro Woche (2-3 mal unter der Woche sowie am Wochenende). Die ihm im Rahmen der Grundversorgung zur Verfügung gestellte Unterkunft möchte der Beschwerdeführer nicht aufgeben. Der Beschwerdeführer bekocht seine Freundin, geht gemeinsam mit ihr sportlichen Aktivitäten nach und reinigt ihre Wohnung. Er hat die Familie seiner Freundin sowie ihre (aus einer früheren Verbindung herrührende) Tochter und deren Partner kennengelernt. Konkrete Absichten im Hinblick auf eine Eheschließung sind nicht feststellbar, der Beschwerdeführer möchte sich insbesondere nicht in ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis zu seiner Freundin begeben.

Der Beschwerdeführer legte seine Beziehung vor der Befragung in der mündlichen Verhandlung am 03.02.2021 gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht nicht offen. Seine Freundin begleitete ihn nicht zur mündlichen Verhandlung. In einem Schreiben teilt sie mit, dass es ihr ein großes emotionales Anliegen sei, dass der Beschwerdeführer in Österreich leben könne und sie eine glückliche Beziehung führen würde. Den Beschwerdeführer beschreibt sie als freundlichen, höflichen, ruhigen und humorvollen Menschen. Vor Gericht würde sie nicht erscheinen, da sie aufgeregt sei und befürchte, keine Unterstützung für den Beschwerdeführer zu sein. Die Tochter der Freundin des Beschwerdeführers beschreibt diesen als positiven und großherzigen Menschen und hebt seine Kochkünste sowie seinen positiven Einfluss auf ihre Mutter hervor.

Dass der Beschwerdeführer über anderweitige engere freundschaftliche Kontakte oder Beziehungen zu in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen verfügt kam im Verfahren nicht hervor. Er ist nicht Mitglied in einem Verein.

1.8. Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet war nie nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Abs. 1a FPG 2005 geduldet. Sein Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Der Beschwerdeführer wurde nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.

1.9. Zur gegenwärtigen Lage im Gouvernement XXXX werden folgende Feststellungen getroffen:

Das Gouvernement XXXX (auch Dahuk) gehört zur Autonomen Region Kurdistan (KRI) und ist Iraks nördlichste Provinz. Sie liegt im Nordwesten Iraks und hat eine internationale Grenze mit der Türkei und Syrien. Innerhalb des Landes grenzt XXXX an die Gouvernements Ninawa und Erbil. Die Fläche des Gouvernements beläuft sich auf 6 553 km². Für 2019 schätzte die irakische Zentrale Statistikorganisation die Bevölkerung das Gouvernement auf 1.326.562 Einwohner. Die Hauptstadt des Gouvernements ist die gleichnamige Stadt XXXX .

Das Gouvernement XXXX ist in vier Distrikte untergliedert (Amedi, XXXX , Sumel und Zakho), darüber hinaus wurden verwaltungstechnisch sechs Territorien gebildet ( XXXX , Semeal, Zakho, Amedeye, Sheikhan und Akri). Die Distrikte Akri (Akre) und Sheikan gehören eigentlich zur Provinz Ninawa, werden aber seit der Schaffung der sogenannten „Grünen Linie“ im Zusammenhang mit dem im Jahr 1991 zwischen Saddam Hussein und der KRI geschlossenen Waffenstillstandsabkommen von der KRI verwaltet. Offizielles Verwaltungszentrum der KRI ist Erbil, jedoch ist die Kontrolle über die Region auf die beiden wichtigsten politischen Parteien aufgeteilt. Während die DPK die Gouvernements XXXX und Erbil kontrolliert, kontrolliert die PUK das Gouvernement Sulaimaniyya.

Der United States Commission on International Religious Freedom zufolge sind die meisten Einwohner der KRI sunnitische Kurden, außerdem gibt es sunnitische Araber, Christen, Tscherkessen, Faili-Kurden, Schabak, schiitische und sunnitische Turkmenen, Yarsan (einschließlich Kaka’i) sowie Jesiden. Die größte ethnische Gruppe im Gouvernement XXXX sind Kurden; daneben gibt es kleinere Minderheiten von Turkmenen und Arabern. Der Website des Gouvernement XXXX ist zu entnehmen, dass die Stadt XXXX 340.000 Einwohner hat, die mehrheitlich Kurden sind, doch lebt in der Stadt auch eine beträchtliche assyrische Gemeinschaft. Außerdem sind assyrische und jesidische Binnenvertriebene in die Stadt gezogen, nachdem 2014 der ISIL in ihre Heimatgebiete eingezogen war. Laut IOM waren 50 % der Binnenvertriebenen in Dahuk sunnitische und schiitische Kurden, 35 % Jesiden, 9 % sunnitische Araber, 4 % Minderheiten (Christen, Kaka’i, Schabak) und 1 % Turkmenen (sunnitische und schiitische Muslime).

Nach dem von den USA vermittelten Abkommen zur Beendigung des kurdischen Bürgerkriegs im Jahr 1998 kam das Gouvernement XXXX zusammen mit dem Gouvernement Erbil unter die Kontrolle der DPK. Von den bewaffneten Auseinandersetzungen mit dem Islamischen Staat war das Gouvernement XXXX nicht betroffen, jedoch stellten einer Quelle zufolge „Kriminalität, Unruhen und grenzübergreifender Schmuggel ... eine begrenzte, aber anhaltende Bedrohung der Sicherheit dar“. IOM stellte im Oktober 2017 fest, das sich das Gouvernement XXXX ebenso wie der Rest der KRI seit Beginn der bewaffneten Auseinandersetzungen mit dem Islamischen Staat im Jahr 2014 einer „stabilen Sicherheitslage“ erfreute, dies trotz der Aktivitäten der Türkei und der PKK im Gouvernement XXXX , die es laut Al-Monitor seit den 1990er Jahren gab und gibt. Die von ACCORD vorgenommene Zusammenstellung von ACLED-Daten für 2019 ergab, dass das Provinz Gouvernement XXXX bezüglich der konfliktbedingten Vorfälle mit 390 nach Diyala und Erbil an dritter Stelle stand. Dem Bericht zufolge waren von den Vorfällen unter anderem die folgenden Ortschaften betroffen: Amadiya, Barwari, Cemanke, Chiya-e Gara, Dahuk, Dereluk, Gulkah, Haftanin, Kani Masi, Khantur-Berge, Metin, Metina, Sheladiz, Shiladiza, Sigiri, Uzmana, Zakho. Nach Angaben der UN Inter-Agency Information and Analysis Unit (IAU) waren einige Fragen „bezüglich des administrativen Status der Bezirke Al-Shikhan, Telafar, Tilkaif, Akre und Sindschar“ zwischen den Gouvernements XXXX und Ninawa weiterhin ungeklärt.

Bewaffnete Akteure

Peschmerga

Die Peschmerga sind die Sicherheitskräfte der KRI. Zu ihnen gehören 14 Infanteriebrigaden und zwei Unterstützungsbrigaden, der Nachrichtendienst Asayesch und von DPK und PUK kontrollierte Milizen. Der Großteil der Sicherheitskräfte untersteht direkt der DPK oder der PUK. Nach Angaben der Defense Post „gibt es 14 Peschmerga-Brigaden, die sich praktisch gleich auf die DPK in XXXX und Erbil im Norden der Region und auf die PUK in Sulaimaniyya im Süden verteilen“. Früher wurden Peschmerga-Kämpfer nach politischer Nähe auf DPK und PUK verteilt, und es gab mehrere Versuche, alle Peschmerga-Kämpfer zu vereinigen. 2006 wurde das Ministerium für Peschmerga-Angelegenheiten wiedereingerichtet. Derzeit gibt es 14 Regionale Wachbrigaden (Regional Guard Brigades, RGB) mit 40 000 DPK- und PUK-Kämpfern, doch ist die Kommandostruktur dieser RGB nach wie vor auf die politischen Familien verteilt. Rudaw führte aus, die Peschmerga seien keine „vollständig integrierte nationale Truppe“, sondern eher auf die beiden in der KRI herrschenden Parteien verteilt, wobei es eine kleine Zahl unabhängiger Peschmerga-Kämpfer gebe, die dem Ministerium für Peschmerga-Angelegenheiten unterstehe. Die Quelle fügte hinzu, dass „sowohl die DPK als auch die PUK in den jeweils ihrer Kontrolle unterstehenden Gebieten der Region Kurdistan ihren eigenen Sicherheits- und Geheimdienstapparat unterhalten“ und dass das Gouvernement XXXX von der DPK kontrolliert wird. Zusätzlich zu den Peschmerga unterhielt auch jede der beiden Parteien einen eigenen Geheimdienst für innere Sicherheit (Asayesch) und Nachrichtendienst.

Am 9. Juli 2020 meldete das kurdische Online-Medium Rudaw, das Innenministerium des KRG „entsende Zeravani-Peschmerga nach Mount Matin in Dahuk […] vor dem Hintergrund intensiverer türkischer Bombenangriffe auf mutmaßliche PKK-Stellungen in der Region“. Laut Global Security gehören die Zeravani-Kräfte zu den Peschmerga und sind eine paramilitärische Polizeitruppe. Sie sind für Grenzsicherheit, Schutz lebenswichtiger Infrastruktur sowie andere Aufgaben im Bereich Sicherheit zuständig. Die irakische Nachrichtenagentur Gilgamesh zitierte einen kurdischen Offiziellen, dem zufolge die Zeravani-Kräfte direkt dem Innenministerium der KRG unterstehen und der DPK nahestehen.

Türkische Streitkräfte

In den letzten Jahren hat die Türkei etwa 13 Militärstützpunkte in Schlüsselgebieten wie XXXX , Erbil, Sulaimaniyya und Zakho aufgebaut. Im Juli 2020 kündigte der türkische Generalkonsul an, die militärischen Operationen der türkischen Armee würden in der KRI so lange fortgesetzt, bis die Präsenz der PKK beendet sei. Nach dem Anlaufen der militärischen Operationen Operation Adlerklaue und Operation Tigerklaue wurden weitere Militärstützpunkte errichtet, um gegen Hochburgen der PKK in Nordirak und in der KRI vorzugehen, insbesondere in Sindschar (Provinz Ninawar), Qandil (iranisch-irakische Grenze), Karacak, Zap, Avasin-Basyan und Hakurk. Laut Rudaw bestätigte das Amt des türkischen Präsidenten im Juli 2020 die Existenz von 32 türkischen Stützpunkten in der gesamten KRI, darunter zwei in den Städten XXXX und Zakho. Andere Stützpunkte waren bereits zuvor in den Städten und Dörfern Kuna Masi, Sheladiz, Amedi und Zakho Valley in XXXX errichtet worden. Eine Liveuamaps-Karte vom 8. Juli 2020 bestätigt die Existenz mehrerer über die Provinz XXXX verteilter Militärstützpunkte.

Irakische Streitkräfte

Laut Rudaw richtete im Juli 2020 der irakische Grenzschutz Stützpunkte an fünf strategisch wichtigen Punkten im Bezirk Zakho ein, um die Situation zwischen der Türkei und der PKK zu deeskalieren und zu verhindern, dass Zivilpersonen ihr Leben verlieren. Der Einsatz der irakischen Grenztruppen erfolgte am 1. Juli 2020 und war mit den kurdischen Peschmerga abgesprochen.

PKK

Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ist eine marxistisch-leninistische Gruppierung, die im Jahr 1970 gegründet wurde. Seit 1984 führt sie einen bewaffneten Kampf gegen die türkische Regierung und fordert einen unabhängigen kurdischen Staat in der Türkei. Die PKK wurde von der Europäischen Union in die Liste der an terroristischen Aktivitäten beteiligten Gruppen aufgenommen und gilt in der Türkei, den Vereinigten Staaten und Australien als terroristische Vereinigung. Die PKK hat ihre territoriale Präsenz und Kontrolle über Gebirgsgebiete in der KRI ausgebaut, darunter in den Zab-Bergen im Gouvernement XXXX entlang der türkischen Grenze. In diesen Gebieten unterhält die PKK Stützpunkte und die Lager ihrer Anhänger. Im Jahr 2016 erklärten örtliche Amtsträger gegenüber Rudaw, dass in der KRI möglicherweise nicht weniger als 650 Gemeinschaften in von der PKK kontrollierten Gebieten leben, obwohl einige der Dörfer aufgrund des Konflikts geräumt wurden. Ausgehend von diesen Gebieten führte die PKK grenzübergreifende Angriffe auf die Türkei durch, auf die die türkische Luftwaffe mit regelmäßigen Angriffen reagierte. Nach Ansicht eines Analysten vom September 2019 gilt die PKK „als ein wichtiger neuer Akteur auf der irakischen geopolitischen Bühne“.

Kurdische aufständische Gruppen und kurdisch-iranische Oppositionsgruppen

Berichten aus dem Jahr 2017 zufolge sind in den Bergregionen der KRI bewaffnete kurdische aufständische Gruppen sowie kurdisch-iranische Widerstandsgruppen aktiv. Dazu gehören der iranische Ableger der PKK, die Kurdistan Free Life Party (Partiya Jiyana Azad a Kurdistane?, PJAK), sowie die Kurdistan Democratic Party of Iran (PDKI, oder auf Kurdisch: Hi?zbi? De?mukrati? Kurdistani? E?ran) und ihre Splittergruppe, die Kurdistan Democratic Party (KDP-I, oder auf Kurdisch: Hizba De?mokrata Kurdistane?-I?ran)1369, die Society of Revolutionary Toilers (Komala) und die Kurdistan Free Party (PAK).

Sicherheitsentwicklungen 2019-2020

Wie schon in dem EASO-Bericht zur Sicherheitslage von 2019 festgestellt, verschärfte sich der Konflikt zwischen der Türkei und der PKK weiter. Verschiedene Quellen berichteten von türkischen Militäroperationen gegen die PKK im Gouvernement XXXX in den Jahren 2019 und 2020. Am 8. Juli 2020 meldete Al- Monitor, dass kurdischen Quellen zufolge die türkischen Streitkräfte 50 km in die KRI vorgedrungen wären und dort 12 neue Stützpunkte und Kontrollpunkte eingerichtet hätten. Dabei wären auch von Zivilisten bewohnte Gebiete stark betroffen. Allein in den Distrikten Zakho und Amedi im vergangenen Monat fast 100 Dörfer evakuiert wurden. Der unabhängigen Plattform Irfaa Sawtak zufolge waren die Ziele der türkischen Luftangriffe am 23. Juni 2020 die Dörfer Sheladiz, Batifa und Kane Mase in der Region Berwari. In einem Interview mit der Plattform behauptete ein Einwohner der Region Berwari, bei den Luftangriffen sei eine Person getötet worden und erheblicher Sachschaden entstanden. Shafaq News berichtete am 4. Juli 2020, dass Luftangriffe und Beschuss seitens der Türkei hauptsächlich gegen Grenzgebiete in der KRI gerichtet waren, wo PKK-Einrichtungen vermutet wurden. Die Quelle zitierte die Präfekten von Kane Mase und Darkar, die Boden- und Luftangriffe auf ein Dorf und verschiedene Ortschaften in ihren Präfekturen bestätigten. Am 24. August 2019 verkündete Kurdistan 24, die türkische Armee habe mit der „Operation Claw 3“ in XXXX begonnen. Ziel der Operation war es laut türkischem Verteidigungsministerium, „die Terroristen und ihre Höhlen und Unterkünfte in der Region Sinat-Haftanin zu zerstören“. Der UN-Sicherheitsrat stellt am 23. August 2020 fest, die Türkei beginne mit Phase III der Operation, deren Schwerpunkt das Gebiet Sinat-Haftanin im Norden des Gouvernements XXXX sei. Das in diesem Bericht des UN-Sicherheitsrats zitierte türkische Verteidigungsministerium gab bekannt, es seien seit dem 27. Mai 2019 417 PKK-Angehörige getötet worden, ohne jedoch die Zahl der im Gouvernement XXXX getöteten PKK-Angehörigen genau anzugeben. Am 26. Januar 2019 stürmten Demonstranten einen türkischen Militärstützpunkt in Sheladiz, nachdem es bei türkischen Luftangriffen am 24. Januar 2019 Opfer unter Zivilisten gegeben hatte. Berichten zufolge kamen zwei Demonstranten ums Leben. Am 27. Januar 2019 verhafteten Asayesch-Kräfte mehrere Demonstranten, Aktivisten und Journalisten.

Am 5. Juli 2020 zitierte Arab Weekly irakische Sicherheitsbeamte dahingehend, die irakische Armee habe begonnen, „Stellungen entlang der Grenze zur Türkei zu beziehen, um türkische Streitkräfte davon abzuhalten, weiter auf irakisches Hoheitsgebiet vorzudringen“. Laut Rudaw war der Einsatz der irakischen Grenztruppen mit der Türkei abgesprochen. Die Quelle zitierte den Kommandeur der 1. Irakischen Grenzschutzeinheit, dem zufolge „die Türkei uns um Kooperation bei der Sicherung der Gebiete entlang der irakisch-türkischen Grenze gebeten hat“. Berichten zufolge hat dieser Einsatz der irakischen Grenztruppen „die örtliche Bevölkerung beruhigt, die sich von türkischen Luftangriffen bedroht fühlte“. Es kamen jedoch nicht nur irakische Grenztruppen, sondern auch Peschmerga-Kräfte zum Einsatz. Am 9. Juli 2020 gab das Ministerium für Peschmerga-Angelegenheiten den Einsatz von Peschmerga-Einheiten im Bezirk Amedi im Grenzgebiet im Norden des Gouvernement XXXX bekannt. Berichten zufolge bestand der Zweck des Einsatzes darin, die Einwohner der Region zu schützen und etwaiger Vertreibung aufgrund der heiklen Sicherheitslage vorzubeugen.

Rezente Sicherheitsvorfälle

?        Nach Angaben der BBC stürmten am 26. Januar 2019 kurdische Demonstranten einen türkischen Militärstützpunkt in XXXX und steckten zwei Panzer und andere militärische Ausrüstung in Brand. In demselben Artikel hieß es, zwei Demonstranten seien beim Betreten des türkischen Militärstützpunkts in Sheladiz getötet worden.

?        Am 14. Mai 2020 meldete Rudaw, PKK-Kämpfer hätten einen türkischen Militärstützpunkt im Teilbezirk Kane Mase angegriffen. Berichten zufolge dauerten die Auseinandersetzungen eine Stunde und waren von einer Unterbrechung der Stromversorgung in dem Gebiet begleitet.

?        In einem Bericht des UN-Sicherheitsrats hieß es, dass am 27. Mai 2019 die türkischen Streitkräfte „mit regelmäßigen Luftangriffen auf Stellungen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in den Provinzen XXXX , Erbil und Sulaimaniyya fortfuhren“. Nach Angaben des türkischen Verteidigungsministeriums wurden zwischen dem 27. Mai und dem 10. Juni 2019 43 PKK-Kämpfer festgenommen oder getötet. Von zivilen Opfern oder Schäden an ziviler Infrastruktur berichtete die Quelle nicht.

?        Am 30. Mai 2020 kamen ein Vater und sein Sohn bei einem türkischen Luftangriff ums Leben. Laut Xeber 24 ereignete sich der Vorfall in dem Dorf Etit in der Region Dayralok nördlich von XXXX -City.

?        Am 17. Juni 2020 berichtete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu über den Beginn der Operation Tigerklaue gegen die PKK in XXXX . Es gab Berichte über Luftangriffe und den Beschuss mehrere Dörfer und Gebiete in der Region. Die Einwohner des Dorfes Keshani in der Provinz berichteten von Angst und Wut über die türkischen Angriffe.

?        Iraq Body Count (IBC) dokumentierte den Tod von sechs Menschen bei einem türkischen Luftangriff in XXXX am 19. Juni 2020. Sawtak meldete, dass am selben Tag drei Menschen in einem Dorf in Sheladiz ums Leben kamen, als ihr Auto bei einem türkischen Luftangriff getroffen wurde. Rudaw berichtete von mindestens vier Toten bei diesem Luftangriff, davon drei in Sheladiz und einer in Kane Mase.

?        Am 20. Juni 2020 berichtete Rudaw über eine Demonstration, die in einen gewaltsamen Angriff umschlug, als Demonstranten versuchten, einen türkische Beobachtungsposten in Sheladiz nach den Luftangriffen mit mehreren Toten zu stürmen. Berichten zufolge setzten die Sicherheitskräfte Tränengas ein und es wurden zwei Demonstranten und vier Polizisten verletzt.

?        Am 2. Juli 2020 flogen türkische Kampfflugzeuge Angriffe gegen Ortschaften im Bezirk Amedi und richteten Schaden an Bauernhöfen in der Region an.

?        Am 15. Juli 2020 meldete Rudaw, die türkische Luftwaffe habe schwere Bombenangriffe auf drei Dörfer im Teilbezirk Batifa von Zakho geflogen. Der Quelle zufolge gab es keine Opfer, doch wurden aufgrund der Militäroperationen in der Region mehrere Dörfer aufgegeben.

Anzahl ziviler Opfer

Die nachstehende Tabelle gibt Auskunft über mit bewaffneten Konflikten zusammenhängende Vorfälle und zivile Opfer in der Provinz, die von UNAMI für den Zeitraum 1. Januar 2019 - 31. Juli 2020 erfasst wurden:

Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle

Im Referenzzeitraum verzeichnete ACLED 127 Fälle bewaffneter Auseinandersetzung, 620 Fälle von Remote Violence (Angriffe mit Bomben, Granaten, improvisierten Sprengkörper (IEDs), Artilleriefeuer oder -beschuss, Raketenangriffe, schweres Maschinengewehrfeuer, Luft- oder Drohnenangriffe, Selbstmordattentate und dergleichen), 4 Fälle von Gewalt gegen Zivilpersonen und keineUnruhen; die meisten sicherheitsrelevanten Vorfälle ereigneten sich im Distrikt Amedi im Norden von XXXX . Ferner wurden für den Referenzzeitraum 8 Demonstrationen im Gouvernement XXXX gemeldet. Die folgende Abbildung gibt Auskunft über die Entwicklung aller Arten sicherheitsrelevanter Vorfälle im Referenzzeitraum.

Fähigkeit des Staates zur Sicherung von Recht und Ordnung

Am 11. April 2020 meldete Rudaw, dass während der in XXXX zur Begrenzung der Ausbreitung von COVID-19 verhängten Ausgangssperre kurdische Sicherheitskräfte und die Zeravan-Kräfte durch die geschlossenen Märkte patrouillierten und im März 2020 keine Diebstähle registrierten.

Schäden an der Infrastruktur und explosive Kampfmittelrückstände

Die türkischen Militäroperationen gegen die PKK in XXXX haben Auswirkungen auf das Leben der Dorfbewohner in den von den Luftangriffen betroffenen Gebieten. In einem Interview vom Juni 2020 mit der unabhängigen Plattform Irfaa Sawtak erklärte der Präfekt von Kane Mase im Juli 2020, es sei zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten gekommen, da die Bauern aufgrund der gegen ihre Höfe gerichteten Luftangriffe ihre Felder nicht bestellen konnten. Weiter führte er aus, 20 Dörfer in seiner Präfektur seien unzugänglich, was zu Knappheit bei Dienstleistungen führe. Das Assyrian Policy Institute stellte im Zeitraum 2.-6. Oktober 2019 fest, dass türkische Luftangriffe gegen assyrische Dörfer in der Region Nahla in XXXX geflogen wurden, die zu erheblichen Schäden an Ackerland, Eigentum und Infrastruktur geführt haben. Nähere Einzelheiten nannte die Quelle nicht.

Im Hinblick auf Minen verzeichnete die KRI Ende 2018 eine Minenkontamination auf 181 km², das sind 14 % weniger als Ende 2017. Mine Action Review gab an, dass Ende 2018 in XXXX eine Fläche von 20.793.723 m² mit Minen kontaminiert war. Dem Bericht zufolge wurde 2018 in 16 Gebieten in XXXX eine Fläche von 203.265 m² von Minen geräumt. Diese Daten umfassten keine Gebiete an der türkischen Grenze, in denen aufgrund fortgesetzter Kämpfe und Luftangriffe nie Erhebungen durchgeführt wurden, wie Mine Action Review berichtete.

Vertreibung und Rückkehr

In dem im Januar 2020 veröffentlichten Humanitarian Response Plan des OCHA hieß es, dass mehr als 40 % aller während des Konflikts 2014-2017 Vertriebenen Sicherheit in der KRI suchten – eine Zahl, die laut OCHA 2019 „unverändert blieb oder sogar zurückging“. Am 20. Juli 2020 gab das Innenministerium der KRI den neuesten Bericht über die humanitäre Lage mit Angaben zu den Bewegungen von Binnenvertriebenen in den drei Provinzen heraus. Laut diesem Bericht gab es in XXXX 208.530 Binnenvertriebene und 87.330 (aus dem Ausland stammende) Flüchtlinge. Ferner war dem Bericht zu entnehmen, dass 154.307 Binnenvertriebene und 58.259 Flüchtlinge in Lagern lebten. Zu den Veränderungen bei Vertreibung und Rückkehr im Juli sagte der Bericht, es seien keine Flüchtlinge oder Binnenvertriebene in das Gouvernement XXXX gekommen, wohingegen 5.208 Binnenvertrieben und 1 850 Flüchtlinge die Provinz verlassen hätten. Schließlich besagte der Bericht, es gäbe im Gouvernement XXXX 16 Lager für Binnenvertriebene und fünf Lager für Flüchtlinge.

Die IOM Displacement Tracking Matrix gab in ihrem Master List Report 116 an, dass es per 30. Juni 2020 im Gouvernement XXXX 319.062 Binnenvertriebene gab (das war die zweithöchste Zahl in Irak), die hauptsächlich in drei Bezirken lebten: Sumel (176.652), Zakho (104.106) und XXXX (31.368). Dem Bericht zufolge stammten 99 % dieser Binnenvertriebenen aus der Provinz Ninawa, 1 % aus den Provinzen Salah Al-Din, al-Anbar, Kirkuk und Bagdad. In ihrem vorherigen Master List Report 115 hatte die IOM bemerkt, dass 11 % der Binnenvertriebenen im Gouvernement XXXX als in prekären Unterkünften lebend eingestuft wurden.

Zwischen dem 18. Juni und dem 1. August 2019 führte REACH in drei Lagern für Binnenvertriebene im Gouvernement XXXX eine Erhebung durch und befragte 188 Haushalte nach ihren Absichten. Den Antworten entnahm REACH, dass 98 % der Binnenvertriebenen in den drei Monaten nach der Erhebung und 90 % in den 12 Monaten nach der Erhebung nicht zurückkehren wollten. Laut dem Bericht waren die Gründe, aus denen die Binnenvertriebenen in Vertreibung bleiben wollten, der Mangel an Sicherheitskräften in den Herkunftsgebieten (47 %), mangelnde Verfügbarkeit von Dienstleistungen in den Herkunftsgebieten (34 %) sowie Angst und Traumata in Verbindung mit den Herkunftsgebieten (34 %). Des Weiteren stuften 83 % der befragten Haushalt ihre Herkunftsgebiete als unsicher ein. Mit Blick auf XXXX -City stellte die IOM fest: „Das hohe Maß an Sicherheit und Gefahrenabwehr in XXXX -City mit, abgesehen von Kleinkriminalität, wenigen Sicherheitsvorfällen scheint für viele Binnenvertriebene ein wichtiger Grund zu sein, die Rückkehr in die Herkunftsgebiete hinauszuschieben.“ Berichten zufolge ist „das Zusammenleben mit der Aufnahmegemeinschaft insgesamt friedlich“.

Im Hinblick auf Rückkehrer heißt es im IOM Displacement Tracking Matrix Report von Mai und Juni 2020, dass per 30. Juni 2020 768 Binnenvertriebene in ihr Herkunftsgebiet Zakho zurückgekehrt waren. Dem Bericht zufolge waren alle Rückkehrer Vertriebene im Distrikt XXXX . USAID berichtete am 30. September 2019, dass am 27. August 2019 90 irakische Flüchtlinge im Rahmen des Programms für freiwillige Rückkehr des irakischen Ministeriums für Migration und Vertreibung aus der Türkei über das Gouvernement XXXX nach Irak zurückkehrten. Die letztendlichen Zielorte der Rückkehrer waren in dem Bericht nicht angegeben.

Die türkischen Militäroperationen in der Region haben Vertreibung bewirkt, da Quellen zufolge die Einwohner mehrerer Dörfer auf der Suche nach einem sicheren Ort aus ihren Häusern flohen. Am 23. August2019 berichtete Kurdistan24, den örtlichen Behörden zufolge seien „in letzter Zeit mehr als 18 Dörfer aufgrund der Bedrohung durch türkische Kampfflugzeuge evakuiert worden“. Der von Kurdistan24 zitierte Bürgermeister der Stadt Sheikhan sagte aus, dass „die Luftangriffe nicht nur erheblichen Schaden an Ackerland, Umwelt und Infrastruktur in den Dörfern verursacht haben, sondern auch einen Exodus von Menschen aus den Dörfern in städtische Gebiete bewirkt haben“. Die durch die türkischen Militäroperationen bedingte Vertreibung hat sich 2020 fortgesetzt. AP meldete am 22. Juni 2020, dass Dutzende von Einwohnern des Dorfes Keshani ihre Häuser nach den türkischen Militäroperationen in ihrem Gebiet verlassen haben. Am 27. Juni 2020 verkündete Rudaw, dass „nunmehr ein Verbot verhängt wurde, damit Menschen sich nicht mehr in betroffene Dörfer begeben, womit 50 Dörfer praktisch abgeriegelt sind“. Dieser Trend setzte sich fort, als am 10. Juli 2020 die Einwohner eines anderen Dorfes in Dahuk, nämlich Avla, ihr Dorf verließen. Am 14. Juli 2020 berichtete Rudaw, mehrere Dörfer im Teilbezirk Kane Mase seien aufgegeben worden, da das Gebiet wiederholt angegriffen worden sei, „wobei die örtliche Bevölkerung nach einem Angriff auf das Dorf Dargale Musa Bag’ am 18. Mai [2020] ‚angsterfüllt‘ gewesen sei“. Im Hinblick auf Dörfer von Minderheiten sagte der Bürgermeister des Bezirks Zakho Kurdistan24 am 1. Juli 2020, dass seit Beginn der jüngsten türkischen Militäroperationen in Nordirak „neun von 11 christlichen Dörfern in dem Gebiet vollständig evakuiert wurden“. Laut Al-Monitor haben diese durch die türkischen Militäroperationen verursachten Evakuierungen und Opfer „den Druck auf die KRG erhöht, während die Reaktionen der Regierung in Bagdad, in der die Kurden vertreten sind, deutlich schärfer ausfielen als von Ankara erwartet“. Die irakische Regierung bestellte zweimal den türkischen Botschafter ein und drohte an, die Angelegenheit der Arabischen Liga, der Organisation für Islamische Zusammenarbeit oder dem UN-Sicherheitsrat vorzutragen und wirtschaftliche Sanktionen gegen die Türkei zu verhängen.

Straßensicherheit

Es liegen nur spärliche Informationen über Straßensicherheit und Kontrollpunkte im Gouvernement XXXX vor. Örtliche Quellen berichteten, dass Anfang September 2019 die Sanierung der Hauptstraße zwischen den Städten Mossul und XXXX in Angriff genommen worden war. Berichten zufolge war die Straße im Verlauf der militärischen Operationen gegen den Islamischen Staat schwer beschädigt worden. Weiter merkte das UNDP an, es habe 2018-2019 12 Projekte zur Wiederherstellung von Infrastruktur einschließlich Straßen im Gouvernement XXXX durchgeführt.

1.10. Zur gegenwärtigen Lage von Angehörigen der jesidischen Minderheit (insbesondere in der Autonomen Region Kurdistan) werden folgende Feststellungen getroffen:

Die Jesiden sind eine der ältesten Minderheiten des Irak. Die Zahl der monotheistisch-synkretistischen Jesiden in Irak liegt nach eigenen Angaben bei etwa 450.000 bis 500.000 (die Zahl variiert je nach Quelle stark. Die Mehrzahl siedelte im Norden Iraks, insbesondere im Gebiet um die Städte Sindschar (zwischen Tigris und syrischer Grenze), Schekhan (Provinz Ninawa) und im Gouvernement XXXX . Etwa 15% der Jesiden leben im Gouvernement XXXX , der Rest im Gouvernement Ninawa.

Die überwältigende Mehrheit der Jesiden spricht das kurdische „Kurmancî“. In der wissenschaftlichen Literatur werden die Jesiden aufgrund ihrer Sprache und Kultur überwiegend den Kurden zugeordnet. Die Mehrheit der Jesiden definiert sich ebenfalls ethnisch als Kurden. Ein Teil der Jesiden betrachtet sich dagegen jedoch als eigene, unabhängige ethnische Volksgruppe. Diese Gruppe geht sogar so weit, dass sie jegliche ethnische Verbindung zu den Kurden und zum Kurdentum negiert.

In XXXX leben sehr viele Jesiden nahe des jesidischen Heiligtums Lalesh weitgehend ohne Unterdrückung oder Verfolgung. Die kurdische Regionalregierung erlaubte den Jesiden, ihre religiösen Feiertage zu feiern. Die United States Commission on International Religious Freedom berichtet im Mai 2017, dass die kurdische Regionalregierung gegenüber Minderheiten weitaus toleranter ist als die regionalen Nachbarn. Gleichzeitig klagen Minderheiten über systemische Vorurteile gegen sie, die sie daran hindern, sich voll an der Gesellschaft zu beteiligen. Insbesondere fürchten Minderheiten einen wachsenden Extremismus in der Mehrheitsbevölkerung, von dem sie annehmen, dass er sie langfristig bedrohen könnte. Aktuelle oder historische Berichte über Verfolgungshandlungen gegenüber Jesiden im Gouvernement XXXX liegen nicht vor. Es kam im Gouvernement XXXX auch zu keiner vom Islamischen Staat ausgehenden Verfolgung von Jesiden.

Die Führer der Gemeinschaft berichten, dass die Jesiden aufgrund von Glaubensfragen langjährige Verfolgungen zu erleiden hatten. Sie litten insbesondere, als ihre Siedlungsgebiete ab August 2014 vom Islamischen Staat überrannt wurden. Für die Extremisten des Islamischen Staates sind Jesiden Apostaten und Teufelsanbeter, die entweder konvertieren oder mit dem Tod bestraft werden können. Ab dem Jahr 2014 waren die Jesiden im Distrikt Sinjar, im Gouvernement Ninewa von als Völkermord deklariertem Vorgehen durch den IS betroffen und sind fast vollständig aus der Region geflohen. Über 300.000 bis 360.000 Jesiden sind IDPs und viele leben immer noch in informellen Lagern, oft an Berghängen. Die Angriffe des Islamischen Staates auf die jesidische Gemeinschaft in und um Sindschar umfassten massenhafte Ermordungen, Zwangskonvertierungen, die Entführung von Kleinkindern und die sexuelle Versklavung Tausender Frauen und Mädchen. Jesidische Frauen und Mädchen wurden durch den IS systematisch vergewaltigt, sexuell versklavt und zwangsverheiratet. Bislang wurde kein IS-Mitglied wegen dieser spezifischen Verbrechen strafrechtlich verfolgt oder verurteilt. Zwischen 2.700 und 3.200 Jesiden, meist Frauen und Kinder, bleiben vermisst oder in Gefangenschaft. Der Oberste Geistliche Rat der Jesiden verkündete im April 2019, dass vom IS verschleppte Frauen und Kinder wieder in die jesidische Gemeinschaft zurückkehren dürfen, nicht aber Kinder, die mit IS-Kämpfern gezeugt wurden. Hunderte aus IS-Gefangenschaft befreite jesidische Frauen sind nun mit der Wahl konfrontiert, entweder unter Zurücklassen ihrer Kinder zu ihren Familien zurückzukehren oder die Ächtung ihrer Familien erdulden zu müssen. Bereits vor den Übergriffen des Islamischen Staates kam es zu Fällen von willkürlicher Verhaftung, Diskriminierung und anderen Misshandlungen gegen die jesidische Gemeinschaft. Vor Juni 2014 war die Bevölkerungszahl schon von 700.000 (im Jahr 2005) auf ungefähr 500.000 zurückgegangen. Dem Experten Mark Lattimer zufolge werden Jesiden in der irakischen Gesellschaft stark diskriminiert und bilden (abgesehen von den schwarzen Irakern im Süden) die „ärmste Gemeinschaft des Irak“.

Jesiden genießen in der Verfassung verbriefte Minderheitenrechte, sind jedoch im täglichen Leben – insbesondere außerhalb der Autonomen Region Kurdistan – oft benachteiligt. Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt. Trotz der verfassungsrechtlichen Gleichberechtigung leiden religiöse Minderheiten wie die Jesiden unter weitreichender faktischer Diskriminierung im Alltag und im Erwerbsleben. Die Arbeitslosenrate unter Jesiden ist besonders hoch und kann Werte bis zu 70% erreichen. Das Gesetz zur Nationalen Identitätskarte von 2015 verhinderte, dass sich die Jesiden mit ihrer religiösen und ethnischen Gruppe identifizieren konnten, die offiziellen Aufenthaltskarten und der Führerschein erforderten eine Identifizierung als kurdisch oder muslimisch. Kurdische Beamte setzten die Jesiden häufigem Druck aus, sich als Kurden und Muslime zu identifizieren, und diejenigen, die damit nicht einverstanden sind oder sich weigern, sich als Kurden zu bekennen, riskieren Schikanen, Inhaftierungen oder Abschiebungen aus der KRI oder es wird ihnen der Zutritt in die KRI verwehrt. USDOS berichtete, dass Jesiden in der irakischen Region Kurdistan diskriminiert wurden, wenn sie sich weigerten, sich als Kurden und Muslime zu identifizieren. Nur diejenigen, die sich für kurdisch und muslimisch erklärten, konnten leitende Positionen in Führungsebenen übernehmen. Jesiden in Kurdistan berichten auch, dass sie mit der Feindseligkeit der breiten Bevölkerung konfrontiert sind. Bei verschiedenen Gelegenheiten haben sich die Spannungen zwischen Kurden und Jesiden verschärft, was zu Gewalt führte. Eine von der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP) eingerichtete Blockade, durch die die Ein- und Ausreise nach bzw. von Sinjar kontrolliert wird, hat Tausende Jesiden von ihrer Heimat abgeschnitten.

UNHCR hat am 6.5.2019 einen Bericht über die Situation von jesidischen IDPs (innerstaatlichen Flüchtlingen) in der Autonomen Kurdischen Region im Irak veröffentlicht. Darin heißt es, dass der Zugang in die Autonome Region Kurdistan im Irak (KRI) über den Flughafen Erbil oder die Binnengrenzen grundsätzlich möglich ist, solange die Person über gültige Reisedokumente verfügt. Es gibt keine Visumpflicht für irakische Staatsangehörige, um in den KRI einzureisen. Angesichts der anhaltend hohen Anzahl von Vertriebenen in der Region und vor dem Hintergrund der sich verschlechternden sozioökonomischen Bedingungen und der zunehmenden Armut in der KRI sowie der begrenzten (und abnehmenden) humanitären Hilfe bestehen ernste Bedenken hinsichtlich der Aufnahmekapazität.

Die Mehrheit der jesidischen Binnenvertriebenen lebt außerhalb von Lagern, während andere in Binnenvertriebenenlagern untergebracht sind. Vertriebene außerhalb von Lagern werden in informellen Siedlungen und in städtischen Gebieten angesiedelt, einschließlich in unfertigen oder verlassenen Gebäuden und/oder Mietwohnungen. Binnenvertriebene, die in Lagern und informellen Siedlungen leben, sind besonders extremen Wetterbedingungen ausgesetzt, und die Herausforderungen im Zusammenhang mit unzureichender Wasser- und Abwasserinfrastruktur bestehen nach wie vor. Der Zutritt zu den Lagern unterliegt räumlichen Beschränkungen und wird daher durch Wartelisten geregelt. Es wird berichtet, dass Vertriebene in Kurdistan Schwierigkeiten beim Zugang zu Beschäftigungen haben und viele nur Gelegenheitsarbeit finden können, sodass sie kein geregeltes Einkommen haben. Für Binnenvertriebene ist es schwierig, Arbeitsplätze zu finden, die es ihnen ermöglichen, ihre grundlegenden Lebenshaltungskosten, einschließlich medizinischer Versorgung, Bildungskosten und Unterkunft, zu decken.

Eine im September 2018 von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in der Autonomen Region Kurdistan im Irak durchgeführte Umfrage ergab, dass Binnenvertriebene, die sich in Lagern niedergelassen haben, verwundbarer sind als jene, die sich nicht in Lagern angesiedelt haben. Der öffentliche Sektor, der eine dominante Rolle in der Wirtschaft der KRI spielt, steht in der Regel Nicht-Kurden von außerhalb der Region nicht offen. Angesichts begrenzter Existenzmöglichkeiten und erschöpfter Ersparnisse sind Binnenvertriebene zunehmend auf negative Bewältigungsstrategien angewiesen, um ihre Grundbedürfnisse zu decken, darunter Schulden, Kinder- und Zwangsehen, Kinderarbeit und die Verringerung der Nahrungsaufnahme. Die Unfähigkeit, Zugang zu Beschäftigungsmöglichkeiten und Lebensgrundlagen zu erhalten, führt oft zu Schwierigkeiten beim Zugang zu Nahrung, Gesundheitsdiensten und Unterkünften. Die meisten jesidischen IDPs, die 2014 aus dem Distrikt Sinjar geflohen sind, haben aufgrund der weitreichenden Zerstörung von Häusern und Infrastruktur, des Mangels an Lebensgrundlagen und Grundversorgung, der anhaltenden Spannungen in der Bevölkerung sowie wegen der anhaltenden Unsicherheit nicht versucht, in ihre Heimatregion. Die meisten Bemühungen um einen Wiederaufbau von Häusern, Infrastruktur, Unternehmen und Gotteshäusern in Sinjar werden durch den Kampf um Einfluss durch rivalisierende Kräfte der PMF, der syrischen YPG, der kurdischen Peshmerga und der ISF verhindert.

Der UNHCR berichtet im Mai 2019 außerdem, dass die Sicherheitslage in der Autonomen Kurdischen Region im Irak relativ stabil ist, auch wenn das das Risiko von Angriffen durch den Islamischen Staat (IS) weiterhin besteht. Die Sicherheitskräfte sind jedoch wachsam angesichts des berichteten Vorhandenseins einheimischer IS-Schläferzellen, sowie von IS-Operationen in den benachbarten Gouvernements Kirkuk und Diyala. Es sind jedoch keinerlei Angriffe von IS-Schläferzellen auf Angehörige der jesidischen Minderheit im Gouvernement XXXX dokumentiert.

1.11. Zur aktuellen Lage im Irak werden schließlich folgende (allgemeinen) Feststellungen unter Heranziehung der abgekürzt zitierten und gegenüber dem Beschwerdeführer offengelegten Quellen getroffen:

1.       Aktuelle Ereignisse

09.03.2020: Nach dem Rücktritt des Premierminister-Kandidaten (vgl. BN v. 02.03.20) gewannen die regierungskritischen Proteste erneut an Stärke. Die Menschen forderten einen innen- und außenpolitisch unabhängigen Kandidaten. Der irakische Präsident, Braham Salih, hat bis zum 16.03.20 Zeit, eine

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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