Entscheidungsdatum
05.03.2021Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
L502 2213714-3/4E
L502 2213717-3/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX und 2.) XXXX , geb. XXXX , beide StA. Türkei und vertreten durch RA XXXX , gegen die mündlich verkündeten Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.02.2021, FZ. XXXX und XXXX , beschlossen:
A)
I. Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG rechtmäßig.
II. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Der Erstbeschwerdeführer (BF1) ist Vater des Zweitbeschwerdeführers (BF2). Beide stellten im Gefolge ihrer illegalen Einreise in das Bundesgebiet am 11.11.2016 jeweils einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz.
2. Diese Anträge wurden mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 18.12.2018 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie gemäß § 52 Abs. 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ihnen eine Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt.
Die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 31.07.2019 mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 04.11.2019 vollumfänglich als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis erwuchs nach erfolgter Zustellung an die Verfahrensparteien mit 05.11.2019 in Rechtskraft.
Die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) vom 28.01.2020 zurückgewiesen.
3. Mit Schriftsatz einer rechtsfreundlichen Vertreterin vom 19.03.2020 stellten sie einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheiden des BFA vom 12.06.2020 sowohl hinsichtlich des Status der Asylberechtigten als auch des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurden. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den Beschwerdeführern gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie abermals eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde ihnen keine Frist zur freiwilligen Ausreise gewährt. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurden gegen die Beschwerdeführer je ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt.
Die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 20.10.2020 vollumfänglich als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis erwuchs nach erfolgter Zustellung an die Verfahrensparteien mit 21.10.2020 in Rechtskraft.
Die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 09.12.2020 abgelehnt und die Beschwerde dem VwGH zur Entscheidung abgetreten. Der VwGH wies die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision mit Beschluss vom 04.02.2021 zurück.
3. Am 08.02.2021 stellten die Beschwerdeführer aus dem Stande der Anhaltung in der Schubhaft vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im PAZ Wien den gg. dritten Antrag auf internationalen Schutz.
4. Am selben Tag erfolgte dazu die Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes.
5. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 18.02.2021 wurde ihnen zur Kenntnis gebracht, dass beabsichtigt sei diesen zweiten Folgeantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
6. Am 23.02.2021 brachte der BF2 im Wege seiner nunmehrigen Vertretung eine schriftliche Stellungnahme beim BFA ein.
7. Am 25.02.2021 wurden die Beschwerdeführer vor dem BFA niederschriftlich einvernommen.
8. Im Zuge dieser Einvernahmen wurden gemäß § 22 Abs. 10 AsylG mündliche Bescheide über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes der Beschwerdeführer gemäß § 12a Abs. 2 AsylG verkündet und beurkundet.
9. Mit 02.03.2021 langten die Beschwerdevorlagen des BFA beim BVwG ein und wurden die Beschwerdeverfahren zunächst der Abteilung L529 des Gerichts zur Entscheidung zugewiesen.
Infolge einer Unzuständigkeitseinrede wurden die Verfahren der nunmehr zur Entscheidung berufenen Gerichtsabteilung zugewiesen.
10. Das BVwG erstellte aktuelle Auszüge aus den Datenbanken der Grundversorgungsinformation, des Melde- sowie des Strafregisters.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
1.1. Der og. Verfahrensgang steht fest.
1.2. Die Identität der Beschwerdeführer steht fest. Sie sind türkische Staatsangehörige und alevitische Kurden. Der BF1 ist Vater des BF2. Sie stammen aus dem Dorf XXXX in der Provinz XXXX , lebten vor der Ausreise jedoch für mehrere Jahre in der Stadt XXXX .
Sie sprechen Türkisch und Kurdisch auf muttersprachlichem Niveau. Der BF1 ist seit 1999 verheiratet und hat mit seiner Ehegattin neben dem BF2 ein weiteres gemeinsames Kind. Auch diese beiden Angehörigen halten sich noch in Österreich auf.
Der BF1 verfügt in der Türkei nach wie vor über ein Haus im Dorf, in dem er aufwuchs, und über mehrere Grundstücke dort sowie über eine Eigentumswohnung in der Stadt XXXX , in welcher er und der BF2 vor der Ausreise lebten. Ihre finanzielle Lage in der Türkei war gut.
Der BF1 besuchte in der Türkei für zumindest fünf Jahre die Schule. Er besuchte zuletzt die Hauptschule, brach diese jedoch zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt ab. Der BF1 hat den Wehrdienst bereits absolviert. Er war in der Türkei in der Viehzucht erwerbstätig. Zudem hat er eine Lehre als Koch abgeschlossen und bis zur Ausreise im Jahr 2016 gemeinsam mit seiner Ehegattin ein Restaurant in XXXX betrieben.
Der BF2 besuchte in der Türkei bis zur Ausreise die Schule. Der von ihm besuchte Schultyp war nicht näher feststellbar.
In der Türkei leben zwei Tanten des BF1. Zudem leben dort mehrere Verwandte seiner Ehegattin. In Österreich leben zwei Schwager des BF1. Ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zu diesen besteht nicht. Die Eltern, der Bruder und zwei Schwestern des BF1 leben in Deutschland. In Deutschland leben außerdem zwei Brüder und zwei Schwestern seiner Ehegattin. Eine Schwester des BF1 lebt in der Schweiz und eine Schwägerin in den Niederlanden.
Die Beschwerdeführer verließen die Türkei illegal und schlepperunterstützt von Istanbul aus auf dem Landweg und reisten in der Folge illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, wo sie am 11.11.2016 jeweils einen ersten Antrag auf internationalen Schutz stellten und sich seither aufhalten.
Der BF1 verfügt über Grundkenntnisse der deutschen Sprache. Er absolvierte Deutschprüfungen auf dem Niveau A2 und A1 und besuchte auch danach einen Deutschkurs. Zudem hat er an einem Werte- und Orientierungskurs teilgenommen und war im Oktober und Dezember 2017 sowie im März, Mai, Juni und Oktober 2018 ehrenamtlich in der Grundversorgungseinrichtung XXXX der XXXX tätig. Dabei hat er Reinigungstätigkeiten, Dolmetscherdienste sowie Ausmal- und Ausbesserungsarbeiten übernommen. Er war außerdem ehrenamtlich bei Veranstaltungen der Gemeinde XXXX und des Vereins XXXX tätig, bei denen er mit seiner Ehegattin das Catering übernahm. Er war zudem fallweise als Haushaltshilfe tätig, wofür er mit Dienstleistungsschecks entlohnt wurde.
Der BF2 besuchte in Österreich eine HTL in XXXX . Er hat an einem Erste-Hilfe-Kurs im Ausmaß von sechs Stunden teilgenommen. Zudem hat er an einem Deutschkurs auf dem Niveau A1 teilgenommen und eine Probeprüfung absolviert. Eine Deutschprüfung hat er bislang nicht absolviert. Er spricht kaum Deutsch. Er hat kurdische und österreichische Freunde. Mit diesen spielt er in seiner Freizeit Fußball. Er besucht zudem ein Fitnessstudio. Er ist kein Mitglied eines Vereins und hat bislang keine gemeinnützige Arbeit verrichtet.
Die Beschwerdeführer sind in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig erwerbstätig, sondern leben seit der ersten Antragstellung von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Sie sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Die Beschwerdeführer leiden an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung.
1.3. Mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer zur Begründung ihres gg. dritten Antrages auf internationalen Schutz wurde keine maßgebliche Änderung in Bezug auf die sie betreffende asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat oder sonstige in ihrer Person gelegene Umstände seit der Erlassung des Erkenntnisses des BVwG im ersten Verfahrensgang aufgezeigt.
Es war für das erkennende Gericht nicht glaubhaft, dass der BF1 in seinem ehemaligen Heimatdorf bis 2019 von Sicherheitskräften gesucht wurde.
1.4. Zur aktuellen Lage in der Türkei werden die bereits von der belangten Behörde in den angefochtenen Bescheiden getroffenen länderkundlichen Feststellungen auch der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde gelegt.
Eine entscheidungswesentliche Änderung der allgemeinen Lage in der Türkei seit der Erlassung des Erkenntnisses des BVwG im ersten Verfahrensgang ist nicht eingetreten. Die Beschwerdeführer unterliegen auch im Hinblick auf die aktuelle allgemeine Lage im Herkunftsstaat keiner maßgeblichen individuellen Gefährdung.
2. Beweiswürdigung
2.1. Beweis erhoben wurde im gg. Verfahren durch Einsichtnahme in die Verfahrensakten des Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des BF1 und des BF2 und der bekämpften Bescheide, durch Einsichtnahme in die Entscheidungen des BVwG im ersten und zweiten Verfahrensgang sowie durch die Einholung aktueller Auszüge aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister, dem Zentralen Melderegister und dem Strafregister.
2.2. Der gg. Verfahrensgang stellt sich im Lichte des vorliegenden Akteninhaltes als unstrittig dar.
2.3. Die Feststellungen unter 1.2. stützen sich auf die rechtskräftigen Feststellungen des BVwG im ersten und zweiten Verfahrensgang, auf das persönliche Vorbringen der Beschwerdeführer im nunmehrigen Verfahrensgang sowie das Ergebnis der amtswegigen Beschaffung von Informationen aus den og. Datenbanken und stellen sich insoweit als unstrittig dar.
2.4.1. Die Feststellungen unter 1.3. stützen sich auf folgende Erwägungen:
Anlässlich der Erstbefragung vom 08.02.2021 gab der BF1, zu seinen Antragsgründen befragt, im Wesentlichen an, dass er seine alten Fluchtgründe aufrechthalte. Er habe in XXXX ein Restaurant geführt, in dessen oberer Etage sich ein Büro der HDP befunden habe. Er habe deren Mitarbeiter verpflegt bzw. bei deren Meetings die Verpflegung bereitgestellt. Deshalb habe er „sehr viele Schwierigkeiten“ mit der Polizei gehabt. Dann sei er von der Polizei mitgenommen worden. In der Polizeiinspektion seien er, einer seiner Mitarbeiter und die Mitglieder der HDP bedroht worden. Sie seien aufgefordert worden sich von der HDP fernzuhalten. Auch von nicht uniformierten Polizisten seien sie verfolgt worden. Sein Vater befände sich aus politischen Gründen seit 28 Jahren in Deutschland. Der BF1 habe auch wegen seinem Vater viele Schwierigkeiten erlebt. Die türkische Regierung würde planen die HDP zu schließen, Kurden stünden generell unter Druck und würden verhaftet werden. Er habe auch in XXXX an einer Demonstration teilgenommen. Dabei sei er gefilmt worden und das entsprechende Video sei im Internet aufrufbar. Nun habe er deshalb große Angst, da man nun wisse wo er sich aufhalte und dass er politisch aktiv sei. Er habe auch Freunde, die an der Demonstration teilgenommen hätten und bei der Rückreise in die Türkei festgenommen worden seien.
In seiner Einvernahme vom 25.02.2021 wiederholte er, dass er in der Türkei Wahlwerbung für die HDP gemacht habe. Die Polizei in seiner Heimat wisse, wer Mitglied der HDP ist und wer für sie arbeitet. Freunde, die mit ihm zusammengearbeitet hätten, würden im Gefängnis sitzen. Er sei in Österreich Mitglied in einem kurdischen Kulturverein. Viele Mitglieder dieses Vereins seien festgenommen worden, als sie in die Türkei zurückgekehrt seien. Weiter vermeinte er, dass sein Vater in der Türkei politisch tätig und deshalb im Gefängnis gewesen sei. Nach seiner Entlassung habe er erneut eine Haftstrafe erhalten, sei jedoch ins Ausland geflohen. Deswegen habe auch der BF1 Probleme bekommen. Soldaten hätten ihn mehrmals befragt und er sei unterdrückt worden. Deshalb sei er aus seinem Dorf im Jahr 2007 geflohen. Die Soldaten in seinem Heimatdorf hätten zuletzt im Oktober 2019 nach ihm gesucht.
Der BF2 gab bei seiner Erstbefragung im Wesentlichen an, dass sie nicht zurückkehren wollen, weil in der Türkei ihr Leben in Gefahr sei. Sein Vater würde sofort inhaftiert werden und er selbst müsse den Militärdienst ableisten. Ansonsten halte er seine bisherigen Fluchtgründe aufrecht.
In der Stellungnahme seiner Vertretung wurde dargelegt, dass sich die Situation für HDP-Mitglieder seit der Erstantragstellung verschlechtert habe, und wurde diesbezüglich auf mehrere Zeitungsartikel verwiesen. Der BF2 unterliege der Wehrpflicht.
Auch in seiner Einvernahme vor dem BFA nannte der BF2 vornehmlich seinen bevorstehenden Militärdienst in der Türkei als Grund für die nochmalige Antragstellung. Er habe Angst „an die Front“ geschickt zu werden und gegen Kurden kämpfen zu müssen.
2.4.2. Zu diesen Angaben der Beschwerdeführer ist festzuhalten, dass sie sowohl Probleme aufgrund von Verbindungen zur HDP und wegen der politischen Vergangenheit des Vaters des BF1 als auch die Teilnahme an einer Demonstration in Österreich in Verbindung mit einer deshalb nun drohenden Verfolgung als auch die Angaben zum Militärdienst des BF2 inklusive der damit verbundenen Befürchtungen bereits im ersten Verfahrensgang vorbrachten. In Anbetracht dessen war sohin zur Feststellung zu gelangen, dass sich beide Beschwerdeführer damit auf Sachverhalte beriefen, die bereits Gegenstand des mit Erkenntnis des BVwG rechtskräftig abgeschlossenen ersten Verfahrensgangs waren, wie auch die belangte Behörde in den gg. Bescheiden gemäß § 22 iVm § 12a AsylG zu Recht festhielt.
Als ergänzenden neuen Aspekt behauptete der BF1, dass die Soldaten, die ihn in der Vergangenheit im ehemaligen Herkunftsdorf wegen seines Vaters belästigt hätten, nun wieder nach ihm fragen würden und zuletzt im Oktober 2019 nach ihm gesucht hätten (AS 78). Zumal der BF1 bereits 2007 bzw. 2009 aus jenem Dorf weggegangen war und sich danach bis zur Ausreise im Jahr 2016 in XXXX aufgehalten hatte, stellte es sich für das erkennende Gericht jedoch als nicht plausibel dar, dass man im einstigen Heimatdorf noch im Jahr 2019 – also 10 bis 12 Jahre nach seiner Übersiedelung in die genannte Stadt – nach ihm suchen würde.
Seine weiterführende Begründung für die dortige Suche nach ihm, als deren Ursache er die Festnahme seiner Freunde bzw. von Verwandten seiner Frau wegen der HDP vermutete, bestätigte die mangelnde Nachvollziehbarkeit dieser Angaben jedoch weiter, zumal er selbst einräumte, dass die Probleme mit der HDP wegen der Vorfälle in seinem Restaurant in XXXX entstanden seien. Ausgehend davon entbehrte es jedoch der nötigen Nachvollziehbarkeit, dass man in seinem ehemaligen Heimatdorf nach ihm suchen hätte sollen und nicht in XXXX . Überdies befand er sich zu diesem Zeitpunkt schon seit etwa drei Jahren in Österreich. Ausgehend von seinen Angaben war jedoch nicht ersichtlich, dass es sich bei ihm um eine derart prominente Person handelt, dass man drei Jahre lang nach ihm suchen würde.
Diese Behauptung einer drohenden Verfolgung durch staatliche Organe in der Türkei wegen seiner angeblichen Verbindung zur HDP ist sohin nicht nur bereits von der Rechtskraft des abgeschlossenen Erstverfahrens erfasst, unabhängig davon fehlt seinen Angaben daher auch ein glaubwürdiger Kern, der Anlaß für eine inhaltliche Prüfung dieses Vorbringens geben könnte.
Im Übrigen wurde die fehlende Glaubhaftigkeit einer drohenden Verfolgung wegen behaupteter exilpolitischer Betätigung in Österreich schon im Erstverfahren vom BVwG festgestellt, worauf schon das BFA zutreffend hinwies.
2.5. Die Feststellungen des BVwG hinsichtlich der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat stützen sich auf die im mündlich verkündeten und beurkundeten Bescheid des BFA enthaltenen länderkundlichen Feststellungen der Behörde, denen die Beschwerdeführer nicht substantiiert entgegengetreten sind.
Die mit der Stellungnahme vorgelegten Zeitungsartikel wurden nicht mit der individuellen Situation der Beschwerdeführer in Verbindung gebracht. Diese beziehen sich zudem vorwiegend auf „führende Mitglieder“ der HDP, weshalb auch daraus für die beiden Beschwerdeführer, die nicht einmal einfache HDP-Mitglieder sind, nichts zu gewinnen war.
3. Rechtliche Beurteilung
Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.
Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde als gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Mit BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eingerichtet.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idgF), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Zu A)
1. § 12a Abs. 2 AsylG lautet:
Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,
2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 12a Abs. 6 AsylG bleiben Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG für 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn, es wurde ein darüberhinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt.
§ 22 Abs. 10 AsylG lautet:
Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.
§ 22 BFA-VG lautet:
(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.
(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.
(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.
2. Die in den Bescheiden des BFA vom 18.12.2018 und vom 12.06.2020 gegen die Beschwerdeführer erlassenen Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG erwuchsen jeweils mit der Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerden durch das BVwG in Rechtskraft.
Ungeachtet der sohin schon seit November 2019 bestehenden Ausreiseverpflichtung verblieben beide Beschwerdeführer bis dato im Bundesgebiet.
In Ansehung dessen war die Voraussetzung des § 12a Abs. 2 Z. 1 AsylG erfüllt.
3. Aus den Feststellungen oben zu den nunmehrigen individuellen Antragsgründen der Beschwerdeführer im gg. Folgeantragsverfahren in Gegenüberstellung zu jenen im ersten Verfahrensgang war nach Maßgabe der dazu vom BVwG angestellten Erwägungen in Übereinstimmung mit der belangten Behörde zur Schlussfolgerung zu gelangen, dass der Folgeantrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil von ihnen keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts behauptet worden ist.
Das BFA und das BVwG haben sowohl im Erst- als auch im Zweitverfahren die Frage, ob den Beschwerdeführern bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohen würde oder für sie als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehe, geprüft und verneint. Eine entscheidungswesentliche Änderung ist zwischenzeitlich auch dahingehend nicht eingetreten, wie sich aus den aktuellen Länderinformationen ergab, und wurde dies von den Beschwerdeführern auch nicht substantiiert behauptet.
Es bestanden sohin keine Anhaltspunkte dafür, dass ihre Abschiebung in die Türkei eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeutet oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt.
Dem zufolge lagen im gg. Fall auch die Voraussetzungen für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes iSd §12a Abs. 2 Z. 2 und 3 AsylG vor.
4. Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes durch die belangte Behörde mit mündlich verkündeten und beurkundeten Bescheiden vom 25.02.2021 ist daher gemäß § 12a Abs. 2 AsylG rechtmäßig erfolgt.
5. Die Übermittlung der Verwaltungsakten durch das BFA mit 02.03.2021 galt gemäß § 22 Abs. 10 AsylG als Beschwerde an das BVwG. Die damit in der gg. Sache anhängige Beschwerde war in Ansehung der og.
Entscheidungsgründe als unbegründet abzuweisen.
6. Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG war diese Entscheidung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu treffen.
7. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der eine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
aufrechte Rückkehrentscheidung entscheidungsrelevante Sachverhaltsänderung faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Familienverfahren Folgeantrag non refoulementEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:L502.2213714.3.00Im RIS seit
31.05.2021Zuletzt aktualisiert am
31.05.2021