TE Bvwg Beschluss 2021/3/9 L521 2233085-1

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Veröffentlicht am 09.03.2021
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Entscheidungsdatum

09.03.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
GSVG §41
VwGVG §34 Abs3

Spruch


L521 2233085-1/12Z

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. im Verfahren über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner Rechtsanwälte GmbH in 8020 Graz, Neubaugasse 24, gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (Landesstelle Salzburg) vom 14.04.2020, 7 B 29/20, den

BESCHLUSS

gefasst:

A)

Das Beschwerdeverfahren wird gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG bis zur Entscheidung in dem beim Verwaltungsgerichthof zur Zahl Ra 2020/08/0155 anhängigen Verfahren ausgesetzt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (Landesstelle Salzburg) vom 14.04.2020 wurde ein Begehren der Beschwerdeführerin vom 20.02.2020 auf Rückzahlung ungebührlich entrichteter Beiträge zur Pensions- und Krankenversicherung nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG) für den Zeitraum 23.04.2012 bis 31.12.2017 im Betrag von EUR 14.533,18 unter Bezugnahme auf § 41 Abs. 3 GSVG abgelehnt.

Dem Begehren liegt eine für die XXXX im strittigen Zeitraum ausgeübte Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin als „Schlafberaterin“ zugrunde, die im Instanzenzug mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.02.2018, L510 2127009-1/336E, als in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit ausgeübte und der Pflicht(Voll-)versicherung in der Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung gem. § 4 Abs. 1 und 2 ASVG iVm § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterliegende unselbständige Erwerbstätigkeit qualifiziert wurde.

Begründend führte die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen im Wesentlichen aus, die von der Beschwerdeführerin nach dem GSVG entrichteten Beiträge zur Pensions- und Krankenversicherung wären gemäß § 41 Abs. 3 GSVG an die Österreichische Gesundheitskasse als nunmehr zuständigen Versicherungsträger zu überweisen, weshalb kein an die Beschwerdeführerin auszubezahlendes (weiteres) Guthaben verbleiben würde.

2. Dagegen richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, worin im Wesentlichen vorgebracht wird, dass § 41 Abs. 3 GSVG in rechtswidriger Weise auf einen vor dessen Inkrafttreten am 01.07.2017 liegenden Zeitraum rückwirkend angewendet werde. Darüber hinaus begünstige § 41 Abs. 3 GSVG in einseitiger Weise den Dienstgeber, da die vom Dienstnehmer zuvor der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen geleisteten Beiträge auf die gesamte Beitragsschuld bei der Österreichischen Gesundheitskasse angerechnet werde. Damit würden – zumindest anteilig – Beitragsschuldigkeiten des Dienstgebers mit vom Dienstnehmer geleisteten Beiträgen getilgt. Die Beschwerdeführer strebe eine Klärung dieser Frage durch den Verfassungsgerichtshof an.

3. Die Beschwerdevorlage langte am 16.07.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Das Beschwerdeverfahren wurde in der Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Erledigung zugewiesen.

4. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.10.2020 wurde die Beschwerdeführerin vom vor dem Verwaltungsgerichtshof zur Zahl Ra 2020/08/0155 anhängigen Verfahren in einer im Hinblick auf den zugrundeliegenden Sachverhalt und die stritten Rechtsfragen ähnlichen Rechtssache in Kenntnis gesetzt und ihr (nebst der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme zu einem von der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen eingebrachten Schriftsatz) die Möglichkeit einer Äußerung zur beabsichtigten Aussetzung des Verfahrens eingeräumt.

Innerhalb der festgesetzten Frist von sechs Wochen langte keine Äußerung der Beschwerdeführerin zur beabsichtigten Aussetzung des Verfahrens ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Gemäß § 34 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 BGBl. I Nr. 119/2020, kann das Verwaltungsgericht kann ein Verfahren über eine Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG mit Beschluss aussetzen, wenn

1. vom Verwaltungsgericht in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist und gleichzeitig beim Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren über eine Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss eines Verwaltungsgerichtes anhängig ist, in welchem dieselbe Rechtsfrage zu lösen ist, und

2. eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Lösung dieser Rechtsfrage fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2. Im gegenständlichen Verfahren ist insbesondere die Rechtsfrage zu klären, ob § 41 GSVG in der Fassung des Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetzes, BGBl. I Nr. 125/2017, auch auf ungebührlich entrichtete Beiträge zur Pflichtversicherung in der Kranken-, Pensions- und Unfallversicherung nach dem GSVG anzuwenden ist, wenn diese Beiträge vor dem Inkrafttreten am 01.07.2017 geleistet wurden.

Im Hinblick auf diese Rechtsfrage sind bereits zahlreiche Beschwerdeverfahren – die allesamt in Zusammenhang mit der XXXX stehen und damit auch einen identen Grundsachverhalt betreffen – beim Bundesverwaltungsgericht anhängig (nämlich die Verfahren L521 2233283-1, G302 2237646-1, G302 2230956-1, G302 2231014-1, G302 2231323-1 und G312 2230944-1).

Am 21.08.2020 wurde im Verfahren G308 2230998-1, welches ebenfalls im Hinblick auf den zugrundeliegenden Sachverhalt und die strittigen Rechtsfragen gleichgelagert ist – insbesondere hinsichtlich der Rechtsfrage der Anwendung des § 41 GSVG für bereits abgelaufene Zeiträume, für die nachträglich eine Umqualifizierung einer zuvor selbständigen Tätigkeit für die XXXX in ein unselbständiges Dienstverhältnis erfolgte – eine Entscheidung getroffen.

Gegen das ergangene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.08.2020, G308 2230998-1/6E, wurde in der Folge zur Zahl Ra 2020/08/0155 Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Der Ausgang dieses Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof ist für das gegenständliche Beschwerdeverfahren zufolge Identität der wesentlichen Rechtsfragen von grundlegender Bedeutung. Da somit die Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 VwGVG zur Aussetzung des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens gegeben sind, wird dieses bis zum Abschluss des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahrens Ra 2020/08/0155 ausgesetzt. Entgegen der im Verfahren G308 2230998-1 vertretenen Rechtsansicht liegt nämlich sehr wohl eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, zumal Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Anwendung von § 41 Abs. 3 GSVG auf ungebührlich entrichtete Beiträge zur Pflichtversicherung in der Kranken-, Pensions- und Unfallversicherung nach dem GSVG anzuwenden ist, wenn diese Beiträge vor dem Inkrafttreten am 01.07.2017 geleistet wurden, fehlt (§ 34 Abs. 3 Z. 2 VwGVG).

Die Beschwerdeführerin hat sich schließlich nicht gegen eine Aussetzung des Verfahrens ausgesprochen.

3. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Im vorliegenden Fall ergibt sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt eindeutig aus den Akten des Verwaltungsverfahrens und lässt die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten. Die Notwendigkeit der Durchführung einer Verhandlung ist auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC nicht ersichtlich. Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität ist (VfSlg. 17.597/2005; VfSlg. 17.855/2006; zuletzt etwa VfGH 18.06.2012, B 155/12). Darüber hinaus gebietet Art. 6 MRK bei verfahrensrechtlichen Entscheidungen nicht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (vgl. VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0073 mwN).

4. Eine Ausfertigung dieser Entscheidung wird gemäß § 34 Abs. 3 letzter Satz VwGVG dem Verwaltungsgerichtshof übermittelt, um ein Vorgehen gemäß § 44 Abs. 2 VwGG zu ermöglichen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Darüber hinaus liegt bei Fehlen einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, wenn die Rechtslage wie im gegenständlichen Fall eindeutig ist (VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Vielmehr macht das Bundesverwaltungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 VwGVG Gebrauch.

Schlagworte

Aussetzung Rechtsfrage VwGH

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L521.2233085.1.00

Im RIS seit

01.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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