TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/9 L518 2209943-1

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Veröffentlicht am 09.03.2021
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Entscheidungsdatum

09.03.2021

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §9
BFA-VG §9 Abs3
VwGVG §29 Abs5

Spruch


L518 2209943-1/12E

L518 2209944-1/10E

Gekürzte Ausfertigung des am 22.2.2021 mündlich verkündeten Erkenntnisses:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , beide StA. Georgien, alle vertreten durch RA Mag. Dr. SIUDAK, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, vom 25.10.2018, Zl. XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.02.2021, zu Recht:

A)

Die Beschwerden werden hinsichtlich des Spruchpunktes I. als unbegründet abgewiesen.

Insoweit wider den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde, wird der Beschwerde Folge gegeben, der Bescheid behoben und festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und dem BF aus Gründen des Art. 8 EMRK gem. § 55 Asylgesetz 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Der maßgebliche Sachverhalt steht aufgrund des Ergebnisses der Beschwerdeverhandlung fest und deckt sich im Wesentlichen mit den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid.

Zu A)

Es konnte nicht festgestellt werden, dass den Beschwerdeführern im Heimatland eine begründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung droht. Ebenso konnte unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände nicht festgestellt werden, dass sie im Falle einer Rückkehr nach Georgien der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung iSd GFK ausgesetzt wären. Die Beschwerdeführer gaben glaubwürdig und nachvollziehbar an, dass der Gesundheitszustand der P2 der einzige Grund für ihre Ausreise aus dem Heimatland war.

Auch konnte unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Georgien eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für die Beschwerdeführer als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Es kamen auch keine jeweils in der Person der Beschwerdeführer liegende Gründe, die einer Abschiebung entgegenstehen würden, wie beispielsweise eine lebensbedrohliche Erkrankung, zum Vorschein.

Fest steht, dass die P2 2011 im Heimatland an Leukämie erkrankte, welche im Heimatland erfolgreich behandelt wurde. Sie erhielt kurz nach ihrer 2015 erfolgten Einreise in Österreich bis zum 18. Lebensjahr eine Nachbehandlung im XXXX , zumal laut den vorliegenden Befunden nach der Leukämie-Therapie in Georgien eine massive beidseitige Hüftkopfnekrose bestand. Am 5.11.2015 und am 12.9.2016 wurde die P2 in Österreich erfolgreich operiert und wurde die massive beidseitige Hüftkopfnekrose vollständig geheilt.

Angesichts dieser, dem Grunde nach nicht bestrittenen Umstände, erkannte die belangte Behörde zu Recht, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen und war insoweit der Status des subsidiär Schutzberechtigten folgerichtig abzuerkennen.

Im Hinblick auf die oben getroffenen Ausführungen wurde der Antrag vom 16.8.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gem. § 8 Abs. 4 AsylG abzuweisen.

Insoweit die rechtsfreundliche Vertretung den Beweisantrag stellt, ein medizinisches Sachverständigengutachten zur Wahrscheinlichkeit des Rückfalls, an Leukämie zu erkrankten bzw. zur Möglichkeit von Knochenmarkstransplantationen udgl in Georgien, sowie der medizinischen Versorgung in Georgien, einzuholen, war im Wesentlichen festzustellen, dass einerseits zwar die höhere Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls nicht in Abrede gestellt wird, wenngleich die Heilungsbewährung bereits mehrere Jahre zurückliegt. Zudem war festzustellen, dass es sich dabei um ein hypothetisches und möglicherweise in der Zukunft liegendes Ereignis handelt, weshalb im vorliegenden Fall ein Erkundungsbeweis vorliegt. Auch ist ein nicht auf dem Niveau von Österreich befindliches Gesundheitssystem nicht von entscheidender Relevanz (siehe die nachstehenden Ausführungen).

Ein tauglicher Beweisantrag liegt nach der Rsp. des VwGH nur dann vor, wenn darin sowohl das Beweisthema wie auch das Beweismittel genannt sind und wenn das Beweisthema sachverhaltserheblich ist (VwGH 24.01.1996, 94/13/0125); Thienel Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Auflage, S 174)

Die zitierte Entscheidung (Rechtssatz) lautet:

Aus sachlicher Sicht setzt ein Beweisantrag voraus, dass er „prozessual ordnungsgemäß“ gestellt wird, denn nur dann ist er als solcher beachtlich. Entscheidend für einen Beweisantrag ist vor allem die Angabe des Beweismittels und des Beweisthemas, also der Punkt und Tatsachen, die durch das angegebene Beweismittel geklärt werden sollen. Erheblich ist ein Beweisantrag jedoch in der Folge nur dann, wenn Beweisthema eine Tatsache ist, deren Klärung, wenn diese schon nicht selbst erheblich (sachverhaltserheblich) ist, zumindest mittelbar beitragen kann Klarheit über eine erhebliche (sachverhaltserhebliche) Tatsache zu gewinnen (Hinweis, Stoll, BAO-Handbuch, 1891). Beweise bei einem nur unbestimmten Vorbringen müssen nicht aufgenommen werden (Hinweis E 20.1.1988, 87/13/0022, 0023).

Erkundungsbeweise sind Beweise, die nicht konkrete Behauptungen sondern lediglich unbestimmte Vermutungen zum Gegenstand haben. Sie dienen also nicht dazu, ein konkretes Vorbringen der Partei zu untermauern, sondern sollen es erst ermöglichen, dieses zu erstatten. Nach der Rsp des Verwaltungsgerichtshofes sind Erkundungsbeweise im Verwaltungsverfahren unzulässig. Daher ist die Behörde einerseits nicht gem. §§ 37 iVm 39 Abs 2 AVG zur Durchführung eines solchen Beweises (zur Entsprechung eines dahingehenden Antrages) verpflichtet, sodass deren Unterlassung keinen Verfahrensmangel bedeutet. (Hengstschläger – Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, Rz 16 zu § 46 mwN).

Insoweit war dem Beweisantrag der rechtsfreundlichen Vertretung nicht zu entsprechen.

Im vorliegenden Fall konnten somit seitens der bP keine akut existenzbedrohenden Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung nach Georgien belegt werden, respektive die Notwendigkeit weitere Erhebungen seitens des Bundesverwaltungsgerichts begründen.

Den BF steht es frei, das wenngleich nicht auf gleichem Niveau befindliche Sozialsystem in Anspruch zu nehmen. Zudem gaben die volljährigen Beschwerdeführer an, arbeitsfähig zu sein und auch für ihren Unterhalt aufkommen zu wollen.

Die bloße theoretische Möglichkeit einer Wiedererkrankung reicht jedenfalls nicht aus, der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. Folge zu geben.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts der Beschwerdeführer im Bundesgebiet deren persönliche Interessen am Verbleib im Bundesgebiet überwiegen und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidungen eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen (und auch in der Beschwerde nicht vorgebracht worden), dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre. Insbesondere halten sich die Beschwerdeführer im Vergleich erst kurze Zeit im Bundesgebiet auf und kamen keinerlei Merkmale einer relevanten, außergewöhnlichen Integration in sprachlicher, beruflicher oder gesellschaftlicher Hinsicht zu Tage.

Zwar spricht die P2 Deutsch auf dem Niveau von B2 und die P1 auf dem Niveau von A2 und arbeiten die P seit einigen Monaten und weisen diese eine ihrer Aufenthaltsdauer entsprechende, jedoch nicht außergewöhnliche soziale Integration auf, jedoch war diese Integration dahingehend zu relativieren, als den P von Beginn ihrer Asylantragstellung bewusst war, dass bei Wegfall der Voraussetzungen für den Status des subsidiär Schutzberechtigen, dieser Status wieder abzuerkennen ist. Dies war den P auch bewusst, und führte die P1 am 1.4.2015 im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA selber aus, dass sie wolle, dass Ihre Tochter gesund und operiert wird und sie dann Österreich verlassen würden.

Da im Hinblick auf die oben dargelegten Abwägungen zum Entscheidungszeitpunkt das Interesse des BF an der Aufrechterhaltung des Privat- und/oder Familienlebens in Österreich im konkreten Fall die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen überwiegt und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen nicht nur vorübergehenden Eingriff in das Recht auf Privat- und/oder Familienleben darstellen würde, war der Beschwerde diesbezüglich stattzugeben und gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

Da die beschwerdeführenden Parteien Nachweise über die Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 5 IntG vorgelegt haben (Teilnahme an einem Werte- und Orientierungskurs, allgemein anerkannter Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse zumindest auf dem A2-Sprachniveau), war den beschwerdeführenden Parteien daher gleichzeitig der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 55 AsylG für die Dauer von 12 Monaten zu erteilen.

Es liegen sohin die Voraussetzungen des § 55 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 in Verbindung mit § 9 Abs. 4 IntG, in der Fassung BGBl. I Nr. 86/2017, in Verbindung mit § 11 Abs. 2 IntG vor, und ist dem BF somit gemäß § 55 Abs. 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen.

Zu B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Gemäß § 29 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, kann das Erkenntnis in gekürzter Form ausgefertigt werden, wenn von den Parteien auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof verzichtet oder nicht binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift gemäß Abs. 2a leg. cit. eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 leg. cit. von mindestens einem der hiezu Berechtigten beantragt wird. Die gekürzte Ausfertigung hat den Spruch sowie einen Hinweis auf den Verzicht oder darauf, dass eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 nicht beantragt wurde, zu enthalten.

Diese gekürzte Ausfertigung des nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 22.2.2021 verkündeten Erkenntnisses ergeht gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG, da ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 leg. cit. durch die hierzu Berechtigten innerhalb der zweiwöchigen Frist nicht gestellt wurde.

Schlagworte

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Aufenthaltsberechtigung plus Familienverfahren gekürzte Ausfertigung Integrationsvereinbarung Interessenabwägung non refoulement private Interessen Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L518.2209943.1.00

Im RIS seit

31.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

31.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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