Entscheidungsdatum
10.03.2021Norm
AlVG §14Spruch
L501 2234163-1/6E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichter Mag. Markus BRANDNER und Dr. Andreas GATTINGER als Beisitzer über die Beschwerde von Frau XXXX , geboren XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Kirchdorf vom 7.4.2020, zur Versicherungsnummer: XXXX , betreffend Arbeitslosengeld, nach ergangener Beschwerdevorentscheidung derselben Behörde vom 8.7.2020, GZ: XXXX , beschlossen:
A) Der Vorlageantrag wird als verspätet zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
Mit Bescheid vom 7.4.2020 sprach das Arbeitsmarktservice Kirchdorf (im Folgenden "AMS") aus, dass dem Antrag der beschwerdeführenden Partei (im Folgenden "bP") auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes vom 30.3.2020 gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 iVm § 14 AlVG mangels Erfüllung der Anwartschaft keine Folge gegeben werde.
Die gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobene Beschwerde vom 22.4.2020 wurde von der belangten Behörde im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 AlVG abgewiesen. Die Beschwerdevorentscheidung wurde der bP am 10.7.2020 durch Hinterlegung zugestellt.
Mit Schreiben vom 17.8.2020 stellte die bP einen Vorlageantrag ("Einspruch"). Der Vorlageantrag wurde am 18.8.2020 per E-Mail (Anhang) bei der belangten Behörde eingebracht.
Am 18.8.2020 wurde der Akt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt. Mit Schreiben vom 12.02.2021 wurde der bP dargelegt, aus welchen Gründen sich der Vorlageantrag vom 17.08.2020 für das Bundesverwaltungsgericht als verspätet darstellt. Ihr wurde die Möglichkeit eingeräumt, bis spätestens 25.02.2021 eine Stellungnahme zur Rechtzeitigkeit des Vorlageantrages einzubringen. Eine Äußerung langte nicht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
Die gegen den Bescheid des AMS vom 7.4.2020 fristgerecht erhobene Beschwerde vom 22.4.2020 wurde mit Bescheid vom 8.7.2020 im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung abgewiesen. Die Beschwerdevorentscheidung wurde nach einem erfolglosen Zustellversuch am 9.7.2020 und Einlegen einer Verständigung über die Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung beim Postamt hinterlegt und dort ab dem 10.7.2020 zur Abholung bereitgehalten.
Mit Schreiben vom 17.8.2020 stellte die bP einen Vorlageantrag ("Einspruch"). Der Vorlageantrag wurde am 18.8.2020 per E-Mail (Anhang) beim AMS eingebracht.
Am 18.8.2020 wurde der Akt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
II.2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt des AMS Kirchdorf. Die getroffenen Feststellungen gehen unmittelbar aus dem Akteninhalt hervor.
Der Beweis, dass eine Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist, wird durch den eine öffentliche Urkunde darstellenden Zustellnachweis (Rückschein) erbracht, gegen den jedoch gemäß § 47 AVG in Verbindung mit § 292 Abs. 2 ZPO der Gegenbeweis zulässig ist (VwGH vom 24.6.2020, Ra 2020/17/0017). Die Zustellung der Beschwerdevorentscheidung durch Hinterlegung am 10.7.2020 ist durch den im Akt erliegenden Rückschein dokumentiert. Die bP trat den Gegenbeweis nicht an und besteht auch sonst kein Grund zur Annahme, dass die Zustellung nicht vorschriftsmäßig erfolgt ist.
Die Einbringung des gegenständlichen Vorlageantrags (Schreiben vom 17.8.2020) per E-Mail (als Anhang) am 18.8.2020 ergibt sich aus dem im Verwaltungsakt befindlichen Ausdruck des entsprechenden E-Mail-Schriftverkehrs.
Es war daher vom oben festgestellten Sachverhalt auszugehen.
II.3. Rechtliche Beurteilung:
II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch einen Senat, anzuwendendes Verfahrensrecht:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 56 Abs. 2 AlVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 2013/33 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Zu A) Zurückweisung des Vorlageantrags:
II.3.2. Maßgebliche gesetzliche Grundlagen:
II.3.2.1. § 15 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) lautet:
Vorlageantrag
§ 15. (1) Jede Partei kann binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Wird der Vorlageantrag von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt, hat er die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3), und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten.
(2) Ein rechtzeitig eingebrachter und zulässiger Vorlageantrag hat aufschiebende Wirkung, wenn die Beschwerde
1. von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat;
2. von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hatte, die Behörde diese jedoch zuerkannt hat.
Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Vorlageantrag und die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorzulegen und den sonstigen Parteien die Vorlage des Antrags mitzuteilen.
(3) Verspätete und unzulässige Vorlageanträge sind von der Behörde mit Bescheid zurückzuweisen. Wird gegen einen solchen Bescheid Beschwerde erhoben, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht unverzüglich die Akten des Verfahrens vorzulegen.
II.3.2.2. Das Zustellgesetz (ZustG) lautet auszugsweise:
Zustellung an den Empfänger
§ 13. (1) Das Dokument ist dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen. […]
[…]
Hinterlegung
§ 17. (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.
(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.
(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.
(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.
II.3.2.3. Das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) lautet auszugsweise:
5. Abschnitt: Fristen
§ 32. (1) Bei der Berechnung von Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, wird der Tag nicht mitgerechnet, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll.
(2) Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.
§ 33. (1) Beginn und Lauf einer Frist werden durch Samstage, Sonntage oder gesetzliche Feiertage nicht behindert.
(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.
(3) Die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 des Zustellgesetzes zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) werden in die Frist nicht eingerechnet.
(4) Durch Gesetz oder Verordnung festgesetzte Fristen können, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nicht geändert werden.
II.3.3. Zum gegenständlichen Verfahren:
Die Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde wurde der bP am Freitag, den 10.7.2020, durch vorschriftsmäßige Hinterlegung gemäß § 17 ZustG zugestellt. Die zweiwöchige Frist des § 15 Abs. 1 VwGVG zur Stellung eines Vorlageantrages endete daher gemäß § 32 Abs. 2 AVG am Freitag, den 24.7.2020. Der bei der belangten Behörde am 18.8.2020 per E-Mail (Anhang) eingebrachte Vorlageantrag erweist sich somit als verspätet.
Der Vorlageantrag wäre daher bereits von der belangten Behörde mit Bescheid gemäß § 15 Abs. 3 VwGVG als verspätet zurückzuweisen gewesen. Ungeachtet dessen legte die belangte Behörde den Akt – ohne vorangegangene Zurückweisung des Vorlageantrags – dem Bundesverwaltungsgericht vor.
In § 15 Abs. 3 VwGVG ist – ebenso wie in § 64a Abs. 3 AVG (vgl. dazu Hengstschläger/Leeb, AVG § 64a Rz 36) – lediglich von einer Zurückweisung durch die Behörde, die die Vorentscheidung erlassen hat, die Rede. Zu § 15 Abs. 3 VwGVG wird demgegenüber aber auch vertreten, dass nach Vorlage eines Vorlageantrages das Verwaltungsgericht über dessen Unzulässigkeit bzw. Verspätung absprechen kann (vgl. Eder ua., § 15 Anm. K 7, 13 [Zurückweisung]; Müllner, ZfV 2013, 887; Schmied/Schweiger, Verfahren 64 [Zurückweisung]; Wessely, Administrativverfahren 217 [Zurückweisung]; aA Leeb/Zeinhofer, Verwaltungsgerichtsbarkeit 58 Fn 157; vgl. auch Gruber, § 15 Rz 12 [Einstellung des Verfahrens]); (vgl. Goldstein/Neudorfer in Raschauer/Wessely, VwGVG § 15 Rz 7).
Der Verwaltungsgerichtshof beanstandete in seiner jüngeren Rechtsprechung (Beschluss vom 16.6.2020, Ra 2020/01/0160) die Zurückweisung eines verspäteten Vorlageantrags durch das Bundesverwaltungsgericht nicht und trat der – im genannten Beschluss dargestellten – Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach nach § 15 Abs. 3 VwGVG zwar die Behörde über die Rechtzeitigkeit und Zulässigkeit des Vorlageantrages absprechen müsse, wenn die Behörde jedoch den Vorlageantrag nicht als verspätet zurückgewiesen und diesen mit der Beschwerde dem BVwG vorgelegt habe, diese Zuständigkeit dem Verwaltungsgericht zukomme, zumal mit der Vorlage des Vorlageantrages, der Beschwerde und des Verwaltungsaktes die Zuständigkeit zur Führung des Verfahrens auf das BVwG übergegangen und die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde erloschen sei, nicht entgegen.
Der Vorlageantrag war daher spruchgemäß vom Bundesverwaltungsgericht als verspätet zurückzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil zu den gegenständlich anzuwendenden Bestimmungen - wie im Erkenntnis angeführt - zahlreiche Judikate des Verwaltungsgerichtshofes vorliegen, die Rechtsfragen in der bisherigen Rechtsprechung einheitlich beantwortet wurden und in der vorliegenden Entscheidung von der höchstrichterlichen Spruchpraxis auch nicht abgewichen wurde.
Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung:
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 30.9.2015, Ra 2015/06/0073, im Falle einer Beschwerde gegen die Zurückweisung eines verspäteten Vorlageantrages ausgesprochen, dass eine solche Entscheidung, in der nur darüber abgesprochen wird, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, nicht aber über die Sache selbst, aus Sicht des Art. 6 EMRK keine inhaltliche Entscheidung über eine strafrechtliche Anklage oder über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen ist. Die Verfahrensgarantie des "fair hearing" im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK kommt nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht konnte daher von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen.
Schlagworte
Rechtsmittelfrist Verspätung Vorlageantrag Zurückweisung ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:L501.2234163.1.00Im RIS seit
31.05.2021Zuletzt aktualisiert am
31.05.2021