TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/17 W232 2190022-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.03.2021
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Entscheidungsdatum

17.03.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W232 2190022-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Simone BÖCKMANN-WINKLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Eritrea, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.02.2018, Zl. 1133622307-161476526, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.03.2021 zu Recht:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX alias XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX alias XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Eritrea, reiste ins Bundesgebiet ein und stellte am 28.10.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. In der am 29.10.2016 durchgeführten polizeilichen Erstbefragung gab er den XXXX als Geburtsdatum und Mayduma, Eritrea, als Geburtsort an. Den Entschluss zur Ausreise habe er vor etwa drei bis vier Jahren gefasst, tatsächlich (illegal) aus Eritrea ausgereist sei er im Mai 2016, als er zu Fuß nach Äthiopien gegangen sei. Einen Reisepass habe er niemals besessen. Zu seinen Angehörigen gab er an, seine Eltern sowie vier Brüder würden weiterhin in Eritrea leben, sein etwa 33-jähriger Bruder XXXX lebe in Österreich, ein etwa 18-jähriger Bruder lebe in Deutschland. Zu seinem Fluchtgrund befragt gab er im Wesentlichen an, dass er geflüchtet sei, um nicht zum Militär einrücken zu müssen. Die Behörden würden ihn suchen, weil er die Schule abgebrochen habe und untergetaucht sei. Bei einer Rückkehr befürchte er aufgrund der illegalen Ausreise ins Gefängnis zu müssen.

3. Mit Aktenvermerk vom 03.11.2016 hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, dass aufgrund der persönlichen Ausstrahlung und des Bartwuchses des Beschwerdeführers Zweifel an seiner behaupteten Minderjährigkeit bestünden und veranlasste zunächst die Durchführung eines Handwurzelröntgens, welches ergab, dass die Epiphysenfugen an den Phalangen und den Metacarpalia geschlossen seien bzw. die Epyphysenfuge an der Ulna knöchern und am Radius kortikal noch nicht vollständig knöchern durchbaut sei.

4. Mit Schreiben vom 14.12.2016 verständigte die Bezirkshauptmannschaft XXXX das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl davon, dass der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl von ihr im Namen des Landes Salzburg vertreten werde.

5. Am 12.01.2017 führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein einer Mitarbeiterin der für den Beschwerdeführer zuständigen Rechtsberatungsorganisation eine niederschriftliche Einvernahme zur Feststellung des Alters des Beschwerdeführers durch. Dieser gab auf Vorhalt des von ihm im Rahmen der Erstbefragung angegebenen Geburtsdatums an, das Monat sowie das Jahr seiner Geburt von seiner Mutter zu wissen, zu welcher er zuletzt im April 2016, als er noch in Eritrea gewesen sei, Kontakt gehabt habe. Beim Tag sei er sich nicht sicher, er habe damals ein ungefähres Geburtsdatum angegeben. Weiters wurde dem Beschwerdeführer die von ihm in der Erstbefragung zu seinem Fluchtgrund getätigte Aussage vorgehalten und wurde er gefragt, ob diese der Wahrheit entspreche. Der Beschwerdeführer bejahte und gab an, es fehle noch etwas, er habe nicht gesagt, dass sein Vater festgenommen worden sei. Zudem wurde ihm vorgehalten, dass seine Angaben zum eritreischen Militär im Widerspruch zu den dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Verfügung stehenden Länderinformationen stünden, wonach die eritreische „Matura“, welche nur im Militärcamp in Sawa abgelegt werden könne, nach dem 12. Schuljahr, also mit etwa 18 Jahren, abgelegt werde, was die Frage aufwerfe, ob der Beschwerdeführer nun älter als in der Erstbefragung angegeben oder sein Fluchtvorbringen unrichtig sei. Der Beschwerdeführer gab daraufhin an, es stimme zwar, dass er bis zur Matura noch einige Jahre gehabt habe, er habe sein Heimatland aber verlassen, weil er die Angst vor der zwangsweisen Einziehung zum Wehrdienst nicht mehr habe ertragen können und ständig mit Fluchtgedanken beschäftigt gewesen sei. Zudem sei sein Vater festgenommen und ins Gefängnis gebracht worden. Es könne sein, dass er ein oder zwei Jahre älter sei als angegeben, er sei jedoch auf keinen Fall 18. In Eritrea werde der Geburtstag nicht jährlich gefeiert, auch verfüge er über keine Geburtsurkunde oder ein vergleichbares Dokument.

6. Am 03.10.2017 wurde der Beschwerdeführer im Beisein einer Mitarbeiterin der für ihn zuständigen Rechtsberatungsorganisation erneut einvernommen und gab im Wesentlichen an, er habe seinen Herkunftsstaat im Mai 2016 im Alter von etwa 13 oder 14 Jahren verlassen, als er sich in der achten Schulstufe befunden habe. Diese habe er nur begonnen, nicht aber abgeschlossen. Sein genaues Alter kenne er nicht, da in Eritrea Geburtstage nicht gefeiert würden. Sein älterer Bruder XXXX lebe bereits als Asylberechtigter in Österreich, mit ihm habe er regelmäßig telefonischen Kontakt, ein paar Mal sei er von seinem Bruder auch schon besucht worden.

Die letzten vier bis fünf Monate vor seiner Ausreise aus Eritrea habe er bei seiner im Grenzgebiet zu Äthiopien lebenden Tante gelebt, wo er nicht zur Schule gegangen sei. Diese habe er zuvor wegen des psychischen Stresses, den er zu jener Zeit insbesondere aufgrund der Haft seines Vaters gehabt habe, abgebrochen. Da man Probleme mit den Behörden bekomme, wenn man die Schule abbreche, sei er zu seiner Tante gegangen. Nachgefragt gab er an, sein Vater sei eines nachts, kurz nachdem sein Bruder Saleh Eritrea verlassen und Waffen zuhause habe liegen lassen, zuhause von Soldaten aufgesucht und mitgenommen worden. Die Familie des Beschwerdeführers habe bereits viele Strafen bezahlen müssen. Sein anderer Bruder, XXXX , sei nach wie vor in Eritrea und Soldat. Eines Tages nach dem Schulabbruch hätten eritreische Beamte versucht, den Beschwerdeführer zu Hause aufzusuchen. In Eritrea werde nämlich jeder Jugendliche, der nicht zur Schule gehe, letztlich in ein Militärcamp gebracht. Zuerst werde seitens der Behörden versucht, mit den Eltern ins Gespräch und dadurch zu einer Lösung zu kommen, erst im Falle des Scheiterns eines Lösungsversuches würden die Jugendlichen von zuhause abgeholt und in ein Militärcamp gebracht. Der Beschwerdeführer habe an jenem Tag Glück gehabt, da er mit seinen Freunden Fußball gespielt und sich daher nicht zuhause aufgehalten habe. Seine Mutter habe ihn schließlich deshalb zu seiner im Grenzgebiet zu Äthiopien lebenden Tante geschickt. Der Beschwerdeführer kenne überdies jemanden, der über zwei Jahre im Gefängnis habe verbringen müssen, weil er versucht habe, Eritrea zu verlassen. Dem Beschwerdeführer würde eine doppelte Strafe drohen, da er das Land illegal verlassen habe. Auf Nachfrage gab der Beschwerdeführer an, dass er nach der Fest- und Inhaftnahme seines Vaters noch circa ein Jahr in Eritrea verbracht habe, bevor er das Land mitten in der achten Schulstufe verlassen habe. Anschließend rief das einvernehmende Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl den in Österreich lebenden Bruder des Beschwerdeführers, XXXX , an, welcher im Rahmen des Telefongesprächs angab, dass er das genaue Alter des Beschwerdeführers nicht kenne, jedoch schätze, dass dieser inzwischen etwa 15 oder 16 Jahre alt sei. In Hinblick auf seine im Rahmen einer am 07.10.2014 durchgeführten Einvernahme getätigte Aussage, der Beschwerdeführer sei etwa 1995 geboren und im Sommer 2014 zur einjährigen Ausbildung in Sawa, Eritrea eingerückt, gab XXXX an, diese Aussage sei falsch gewesen, der Beschwerdeführer sei mit Sicherheit nicht 2014 eingerückt.

7. Am 17.10.2017 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein.

8. Der Beschwerdeführer wurde in weiterer Folge einer sachverständigen Volljährigkeitsbeurteilung unterzogen. Das am 25.10.2017 von einem Facharzt für Allgemeinmedizin im Rahmen einer multifaktoriellen Untersuchungsmethodik zur Altersdiagnose erstellte Gutachten ergab ein höchstmögliches Mindestalter zum Untersuchungszeitpunkt von 17,5 Jahren, woraus sich wiederum das spätestmögliche fiktive Geburtsdatum des XXXX ableiten lasse, welches laut dem Gutachten mit dem vom Beschwerdeführer angegebenen Alter nicht vereinbar sei.

9. Mit Verfahrensanordnung vom 14.11.2017 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass aufgrund des medizinischen Gutachtens festgestellt werde, dass er spätestens am XXXX geboren worden sei, weswegen ebendieses Geburtsdatum fortan als Teil seiner Verfahrensidentität geführt werde.

10. Mit Bescheid vom 05.02.2018 wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten stattgegeben (Spruchpunkt II.) und dem Beschwerdeführer die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 04.02.2019 erteilt (Spruchpunkt III.).

In der rechtlichen Beurteilung führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten zusammengefasst aus, dass sich im Rahmen des gesamten Ermittlungsverfahrens unter Berücksichtigung sämtlicher Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes, welcher gemäß Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK zur Gewährung von Asyl führen würde, ergeben hätten.

11. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer durch seinen bevollmächtigten Vertreter mit Schriftsatz vom 08.03.2018 Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, ihm würde im hypothetischen Fall einer Rückkehr nach Eritrea von den dortigen Behörden wegen seiner unrechtmäßigen Ausreise und der Wehr- bzw. Nationaldienstverweigerung eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt werden. Aufgrund dieser wäre er unmenschlicher Behandlung bzw. Bestrafung ausgesetzt und würde zwangsweise zum Nationaldienst eingezogen werden. Die belangte Behörde habe sich in ihrer Beweiswürdigung auch nicht mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass der Beschwerdeführer über sämtliche Befragungen hinweg gleichbleibend angegeben habe, aus Angst vor dem Einzug in den militärischen Nationaldienst aus Eritrea geflohen zu sein, sondern fälschlich angenommen, der Beschwerdeführer habe diesen bereits abgeleistet.

12. Am 30.11.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in der der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt wurde.

13. Am 26.07.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Schreiben des Beschwerdeführers ein, in welchem er auf die Gefahren bzw. Repressalien aufmerksam machte, die ihm im Fall einer Rückkehr nach Eritrea aufgrund der Wehrdienstverweigerung bzw. der unrechtmäßigen Ausreise drohen würden. Er legte zudem einschlägige Länderberichte unter anderem des U. S. State Department und von Amnesty International vor.

14. Am 04.03.2020 legte der Beschwerdeführer dem Bundesverwaltungsgericht diverse Integrationsunterlagen vor.

15. Am 29.05.2020 legte der Beschwerdeführer dem Bundesverwaltungsgericht sein Jahreszeugnis seiner Lehrberufsschule sowie entsprechende Schulbesuchsbestätigungen vor.

16. Am 10.03.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine weitere öffentliche mündliche Verhandlung statt, in der der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt wurde. Der Beschwerdeführervertreter gab eine abschließende Stellungnahme zu den ins Verfahren genommen Länderberichten ab, in dem er darauf hinwies, dass die Militanz der eritreischen Regierung seit der letzten Aktualisierung jedenfalls nicht gesunken sei, wie sich auch im Eingreifen der eritreischen Armee, im Norden von Äthiopien, in den letzten Monaten zeige. Die Bedeutung des Militärs für die eritreische Regierung bestehe weiterhin und ebenso der Zwang für alle Staatsbürger, zum Militär zu gehen. Der Beschwerdeführer sei ein gesunder, junger Mann und jedenfalls wehrpflichtig. Seine Flucht aus Eritrea, trotz des Wissens, dass er verpflichtet sei den Militärdienst zu leisten, für wie lange auch immer die Regierung fordere, möglichweise für immer, so wie die Länderberichte zeigen würden, stelle eine politische Widerstandstat dar und entsprechend würde ihm im Falle einer Rückkehr, ein politischen Verbrechen vorgeworfen werden. Die Gefahr einer sehr strengen Bestrafung sei umso höher, als seine Familie bereits seit der Flucht des älteren Bruders, unter Verdacht stehe. Vorgelegt und zum Akt genommen wurden Kopien von Ausweisen der Eltern des Beschwerdeführers (Beilage ./A), Integrationsunterlagen (Beilage ./B) sowie ein Konvolut an Länderberichten (Beilage ./C).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer, ein eritreischer Staatsangehöriger, wurde spätestens am XXXX in Eritrea geboren, ist Angehöriger der Volksgruppe der Tigrinya und bekennt sich zur christlich-orthodoxen Konfession. Sein Bruder XXXX verließ Eritrea vor einigen Jahren und ist in Österreich asylberechtigt. Der Vater des Beschwerdeführers wurde etwa eineinhalb Jahre vor der Ausreise des Beschwerdeführers inhaftiert, wobei die Inhaftierung mit der Ausreise des nunmehr in Österreich asylberechtigten Bruders in ursächlichem Zusammenhang stand. Der Beschwerdeführer vermutet, dass sich sein Vater weiterhin in Haft befindet. In seiner Geburtsstadt, in der er sich in Eritrea die überwiegende Zeit aufhielt, brach der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise die Schule ab, um seiner Mutter nach der Inhaftierung seines Vaters zu helfen. Kurz nach dem Schulabbruch suchten eritreische Behördenvertreter die Mutter des Beschwerdeführers zu Hause auf. Der Beschwerdeführer befand sich nicht zu Hause. Die Behördenvertreter erkundigten sich nach dessen Verbleib und forderten die Mutter auf, ihn zur Schule zu schicken, damit er danach zum Nationaldienst eingezogen werden kann. Nachdem eritreische Behördenvertreter versuchten, den Beschwerdeführer zu Hause aufzusuchen, schickte ihn seine Mutter zu seiner im Grenzgebiet zu Äthiopien lebenden Tante, welche den Beschwerdeführer für einige Monate bei sich aufnahm. Im Mai 2016 verließ er seinen Herkunftsstaat illegal auf dem Landweg in Richtung Äthiopien sowie Sudan und reiste schließlich im Oktober 2016 illegal ins österreichische Bundesgebiet ein.

Der Beschwerdeführer lehnt den eritreischen National- respektive Militärdienst ab, da er in dessen Rahmen zeitlich unbegrenzt zur Verrichtung verschiedener Tätigkeiten verpflichtet würde. Der Beschwerdeführer hat Eritrea verlassen, weil er den bevorstehenden (und überdies in der Regel zeitlich unbefristeten) Nationaldienst in Eritrea nicht absolvieren wollte. Da sich der Beschwerdeführer dadurch dem Nationaldienst entzogen hat und aufgrund seiner illegalen Ausreise, droht ihm bei der Rückkehr die Anwendung physischer Gewalt durch eritreische Behörden. Im Falle einer Rückkehr nach Eritrea ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass er Verfolgungshandlungen ausgesetzt sein wird.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Eritrea:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat stützen sich auf das aktuelle Länderinformationsblatt der BFA-Staatendokumentation zu Eritrea, welches zuletzt am 26.02.2019 gesamtaktualisiert wurde und auszugsweise wie folgt lautet:

(…)

2. Politische Lage

Eritrea ist nach dem Südsudan das zweitjüngste und eines der ärmsten Länder Afrikas. Das Land löste sich nach einem Referendum von Äthiopien und wurde 1993 ein eigener Staat (AA 25.2.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Das Land ist ein in sechs Provinzen aufgeteilter Zentralstaat. Die Verfassung von 1997 ist nie in Kraft getreten. Alle wesentlichen Entscheidungen werden vom Präsidenten getroffen. Es gibt keine Gewaltenteilung. Das Übergangsparlament besteht aus 150 Abgeordneten, von denen 75 dem Zentralrat der Staatspartei PFDJ (People's Front for Democracy and Justice) angehören. Weitere 60 Abgeordnete sind ausgewählte Vertreter der Provinzen und 15 Sitze entfallen auf die Vertreter der Auslandseritreer. Das Parlament trat zuletzt 2001 zusammen und ist faktisch inaktiv (AA 24.5.2018). Seit der Unabhängigkeit des Landes gab es keine Wahlen auf nationaler Ebene (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 25.2.2018). De facto handelt es sich um eine Einparteiendiktatur. Die Regierungspartei PFDJ ging 1994 aus der Eritrean People's Liberation Front (EPLF) hervor. Sie stellt den Staats- und Regierungschef Isaias Afewerki sowie die gesamte weitere politische Führung des Landes. Andere politische Parteien sind verboten (AA 25.2.2018).

Am Sonntag, 8.7.2018, kam es in Asmara zu einem historischen Treffen zwischen dem äthiopischen Ministerpräsidenten Abiy Ahmed und dem seit 25 Jahren herrschenden eritreischen Staatschef Isaias Afewerki (JA 9.7.2018; vgl. NZZ 9.7.2018). Am Montag, 9.7.2018, wurde ein Friedens- und Freundschaftsvertrag unterzeichnet (AN 11.7.2018; vgl. AN 28.12.2018, NZZ 9.7.2018) und somit der Kriegszustand zwischen den Nachbarstaaten offiziell für beendet erklärt (AN 11.7.2018). Die beiden Staatschefs haben sich nicht nur auf den Frieden geeinigt, sondern auf eine umfassende Kooperation (DS 9.7.2018). Mit der Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung haben sie den Weg für eine dauerhafte Versöhnung geebnet (JA 9.7.2018).

Äthiopien und Eritrea vereinbarten, ihre diplomatischen Beziehungen wieder aufzunehmen, ihre Grenzen zu öffnen, die Wiederaufnahme des Luft- und Seeverkehrs und den Personenverkehr zwischen den beiden Ländern zu ermöglichen (BBC 9.7.2018; vgl. JA 8.7.2018, JA 9.7.2018, KZ 10.7.2018). Einen Tag nach der Friedenserklärung wurde die Telefonverbindung zwischen Äthiopien und Eritrea wieder hergestellt und es gibt nun wieder Flüge von Addis Abeba nach Eritrea (AN 29.1.2019; vgl. BBC 9.7.2018, DS 9.7.2018, KZ 10.7.2018). Auch die Landgrenze wurde wieder geöffnet (AFAR 15.1.2019; vgl. AN 28.12.2018; AN 29.12.2018). Der Handel von äthiopischer Seite reicht nun nach Asmara und in andere große eritreische Städte. In umgekehrter Richtung hält der Flüchtlingsstrom an (AN 28.12.2018).

Durch die Erleichterung des Personenverkehrs, des Zugangs zu den Häfen und die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation des Landes wird sich die Lage zwangsläufig ändern. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Regentschaft von Isaias Afeworki anpassen wird (JA 9.7.2018). Bisher hat die eritreische Regierung weder ein Programm für demokratische Reformen eingeführt, noch die Menschenrechtslage im Land verbessert. Die Öffnung der Grenze zu Äthiopien hat dazu geführt, dass Tausende von Eritreern aus dem Land strömen. Bis zu 500 Menschen überqueren täglich die Grenze nach Äthiopien (AFAR 14.11.2018).

Außerdem hat Eritrea inzwischen auch Frieden mit Somalia geschlossen (AN 28.12.2018). Die diplomatischen Beziehungen wurden wiederhergestellt, als der somalische Präsident Mohamed Abdullahi Mohamed Farmajo im Juli 2018 seinen Amtskollegen in Asmara besuchte (AN 15.11.2018). Die beiden Länder hatten seit mehr als einem Jahrzehnt angespannte Beziehungen, was insbesondere auf Asmaras angebliche Unterstützung der al Shabaab zurückzuführen ist. Dieser Vorwurf hat außerdem dazu geführt, dass Eritrea seit 2009 Sanktionen der Vereinten Nationen unterliegt, darunter das Einfrieren von Vermögenswerten und Reiseverbote für politische und militärische Beamte im Ausland, sowie einem Waffenembargo. Die jüngsten Berichte der UN-Embargokommission führen keine Beweise mehr für eine eritreische Unterstützung der Islamisten an (JA 28.7.2018). Letztlich, nach fast einem Jahrzehnt, beschloss der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im November 2018 einstimmig die Aufhebung des Waffenembargos und der gezielten Sanktionen gegen Eritrea (AFAR 14.11.2018; vgl. AN 28.12.2018). Mit Beendigung der Sanktionen ist Eritrea aus der internationalen Isolation ausgebrochen. Gleichzeitig ist Eritrea ein wichtiger Verbündeter Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate in ihrem Krieg im Jemen. Eritrea verfügt über Stützpunkte, von denen aus beide Länder operieren (AFAR 14.11.2018).

Auch mit Dschibuti ist es nach Jahren der Konflikte zu einer Entspannung gekommen (AN 15.11.2018; vgl. AN 28.12.2018). Eritrea und Dschibuti haben am 6.9.2018 den territorialen Streit um die Region Ras Doumeira beigelegt und ein neues Friedensabkommen unterzeichnet, mit dem der jahrzehntelange Konflikt zwischen den beiden Ländern effektiv beendet wurde (AJ 11.9.2018; vgl. RFI 6.9.2018). Gleichzeitig kündigten Eritrea und Dschibuti an, ihre diplomatischen Beziehungen wiederherzustellen (AN 15.11.2018).

3. Sicherheitslage

Die Lage bleibt angespannt (FD 26.2.2019). Es wird sich erst erweisen, inwieweit sich die Normalisierung des Verhältnisses zwischen Eritrea und Äthiopien und die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen im Juli 2018 auf die Sicherheitslage auswirkt (EDA 26.2.2019).

Gemäß dem französischem und dem österreichischen Außenministerium gilt für ganz Eritrea ein hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 4) (BMEIA 26.2.2019; FD 26.2.2019). Das deutsche Auswärtige Amt rät vor Reisen ins Grenzgebiet zu Äthiopien, zum Sudan und zu Dschibuti ab (AA 16.1.2019). Zudem besteht insbesondere im Grenzgebiet zu Äthiopien und Dschibuti landesweit akute Minengefahr (AA 26.2.2019; vgl. BMEIA 26.2.2019). Daneben kann im Grenzgebiet zu Äthiopien und dem Sudan Gefahr durch dort anwesende bewaffnete Gruppen drohen (FD 26.2.2019). Im Grenzgebiet zum Sudan sind zusätzlich Schmuggler aktiv. Die Situation ist gespannt. Von Reisen dorthin wird abgeraten (EDA 26.2.2019; vgl. FD 26.2.2019).

Demonstrationen in großen Ballungszentren sind selten, können aber von den Sicherheitskräften gewaltsam unterdrückt werden (FD 26.2.2019).

4. Rechtsschutz / Justizwesen

Das Gesetz und die nicht umgesetzte Verfassung sehen eine unabhängige Justiz vor. Die Justiz ist allerdings vor der Kontrolle durch die Exekutive nicht geschützt (AA 25.2.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Rechtsstaatlichkeit ist in Eritrea nicht gewährleistet (AA 25.2.2018). Es gibt keine Gewaltenteilung (AA 24.5.2018). Die Justiz ist weder unabhängig noch unparteiisch, Korruption ist ein Problem (USDOS 20.4.2018). Die Justiz bleibt unzureichend finanziert, es mangelt ihr an ausgebildetem Personal und Infrastruktur (USDOS 20.4.2018). Die Justizreform geht schleppend voran. Die EU unterstützt die Professionalisierung von „community courts“. Anfang 2015 wurde ein neues Strafgesetzbuch und eine neue Zivil- und Strafprozessordnung vorgelegt, welche die alten noch geltenden äthiopischen Gesetzbücher ablösten (AA 25.2.2018).

Neben der ordentlichen Gerichtsbarkeit existieren Militär- und Sondergerichte, die jedes Verfahren an sich ziehen können und vor denen keine Rechtsanwälte zugelassen sind. Sie sind auch für die Ahndung von Korruptionsfällen und von Kapitaldelikten zuständig (AA 25.2.2018; vgl. AA 24.5.2018, USDOS 20.4.2018). Eine Berufung gegen deren Urteile ist nicht möglich. In Verfahren vor diesen Gerichten gibt es keine öffentliche Verhandlung, keinen anwaltlichen Beistand und keine Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen (AA 25.2.2018).

Traditionelle juristische Institutionen sind der Gerechtigkeit verpflichtet, vernachlässigen aber die Gleichstellung der Geschlechter bis zu einem gewissen Grad (BTI 2018).

Eine Strafverfolgung aus politischen Gründen ist nicht auszuschließen. Verhaftungen ohne Haftbefehl und ohne Angabe von Gründen sind üblich. Umgekehrt werden Häftlinge auch ohne Angabe von Gründen freigelassen (AA 25.2.2018).

5. Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist für die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit verantwortlich, die Armee für die äußere Sicherheit. Doch die Regierung setzt manchmal die Streitkräfte, die Reserve, demobilisierte Soldaten oder Miliz dazu ein, um innere und äußere Sicherheitsaufgaben zu erfüllen. Agenten des Nationalen Sicherheitsbüros, das dem Präsidentenbüro unterstellt ist, sind für die Verhaftung von Personen verantwortlich, die verdächtigt werden, die nationale Sicherheit zu gefährden. Die Streitkräfte haben die Befugnis, Zivilisten anzuhalten und zu verhaften. Generell spielt die Polizei in Fällen der nationalen Sicherheit keine Rolle. Dabei ist bei Sicherheitskräften Straflosigkeit die Norm. Es gibt keine bekannten internen oder externen Mechanismen, um Vergehen von Sicherheitskräften zu untersuchen (USDOS 20.4.2018). Militär, Polizei und Sicherheitsdienste üben eine fast vollständige Kontrolle über das politische und gesellschaftliche Leben aus. Sie verfügen über weitreichende Vollmachten, die nicht immer eine gesetzliche Grundlage haben (AA 25.2.2018).

6. Folter und unmenschliche Behandlung

Das geltende Strafgesetzbuch verbietet Folter (AA 25.2.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Trotzdem wird Folter gegenüber Gefangenen, insbesondere während der Befragung, angewandt. Auch sollen Deserteure, Wehrdienstflüchtige und Wehrdienstverweigerer verschiedener religiöser Gruppen, insbesondere Anhänger der Zeugen Jehovas, physisch und psychisch misshandelt werden (AA 25.2.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Ferner kommt es bei Vernehmungen vereinzelt zu Folter. Medizinische Hilfe wird nur im Notfall gewährt. Es sind keine Fälle bekannt, in denen die Anwendung von Folter zu Sanktionen geführt hätte (AA 25.2.2018).

Die Vereinten Nationen und andere Organisationen haben wiederholt über Folter in Eritrea berichtet (BTI 2018; vgl. HRW 17.1.2019, HRW 3.10.2018). U.a. hat die von der UNO ernannte Untersuchungsmission für Menschenrechte in Eritrea festgestellt, dass in Eritrea seit 1991 Verbrechen gegen die Menschlichkeit, darunter Versklavung, Inhaftierung, Verschwindenlassen, Folter, Verfolgung, Vergewaltigung und Mord begangen werden (BTI 2018). Auch während des Nationaldienstes kommt es zu systematischem Missbrauch, einschließlich Folter und unzureichender Versorgung mit Nahrungsmitteln (HRW 3.10.2018).

Die Veränderung der Beziehung zu Äthiopien änderte bisher weder die repressive Politik noch die Härte staatlicher Herrschaft. Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen beklagt die systematischen, weit verbreiteten und schweren Menschenrechtsverletzungen der Regierung, die in einem Klima der allgemeinen Straflosigkeit begangen werden (HRW 17.1.2019). Zu den Menschenrechtsvergehen gehören willkürliche Inhaftierung, Verschwindenlassen, Folter und sexuelle Gewalt sowie Zwangsarbeit (HRW 3.10.2018; vgl. HRW 17.1.2019). Fernerhin werden weiterhin Menschen willkürlich und unter Zwang auf unbestimmte Zeit rekrutiert. Es kommt zu willkürlichen Verhaftungen und zur Anwendung von Folter durch staatliche Akteure (AA 25.2.2018).

7. Korruption

Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International nimmt Eritrea 2018 den 157 von 180 Plätzen ein (TI 2018). Die meisten staatlichen Institutionen sind von Korruption betroffen (BTI 2018). Strafrechtliche Sanktionen für korrupte Beamte sind gesetzlich vorgesehen, die Regierung setzt das Gesetz jedoch nicht effektiv um (USDOS 20.4.2018. Korrupte Praktiken bleiben häufig ungestraft (USDOS 20.4.2018; vgl. BTI 2018). Das offizielle Ziel der Regierung, die Korruption einzudämmen, wurde praktisch aufgegeben (BTI 2018).

Dabei gäbe es spezielle Gerichte, die für die Untersuchung von Korruptionsfällen zuständig sind (AA 25.2.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Jedoch gibt es keine Regierungsstelle, die unabhängig vom Büro des Präsidenten und der PFDJ arbeitet. Es gibt auch keine unabhängige Kontrollinstanz (USDOS 29.6.2017) und keine öffentliche Rechenschaftspflicht für Misswirtschaft oder Korruption. Die vom Militär geführten Sondergerichte für Korruptionsfälle sind weitgehend inaktiv (BTI 2018).

Korruption in der Zivilverwaltung und insbesondere im Militär bleibt weit verbreitet. Hochrangige Beamte beteiligen sich weiterhin an illegalen Aktivitäten (BTI 2018). Klientelismus, Vetternwirtschaft und Kleinkriminalität innerhalb der Exekutive basieren weitgehend auf familiären Beziehungen (USDOS 20.4.2018). Es gibt Berichte über Korruption bei der Polizei, die gelegentlich Bestechungsgelder fordert, um Häftlinge freizulassen (AA 25.2.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Auch die Korruption in der Justiz bleibt ein Problem (USDOS 20.4.2018).

8. NGOs und Menschenrechtsaktvisiten

Eritrea verbietet die Arbeit fast aller NGOs (BTI 2018; vgl. HRW 17.1.2019, USDOS 20.4.2018). Die Regierung hat die Entstehung einer unabhängigen Zivilgesellschaft seit ihrem Amtsantritt verhindert (BTI 2018). Infolge der Repressionspolitik der eritreischen Regierung gibt es keine nationalen Menschenrechtsorganisationen (AA 25.2.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Die Ausnahme sind ehemalige Massenorganisationen der Eritrean People‘s Liberation Front. Diese stehen jedoch unter strenger staatlicher Kontrolle und spielen keine Rolle bei der Interessenvertretung. Ihr Zweck besteht eher darin, die Ideologie der Regierung durchzusetzen (BTI 2018).

Die eritreische Regierung behindert ebenso den Zugfang zu unabhängiger humanitärer Hilfe und zu Hilfsorganisationen. Ausländische NGOs sind einer rigiden Gesetzgebung unterworfen. Tätig sind die Finnish Church Aid (FCA), die Norwegian Refugee Council (NRC), die irische NGO Vita und einige deutsche medizinische Hilfsorganisationen. Sie achten aber auf ein gutes Verhältnis zur Regierung und bewahren ein niedriges Erscheinungsbild („low profile“). Andere internationale Hilfsorganisationen, wie z.B. UNDP, FAO, IKRK, UNICEF und UNHCR, sind in Eritrea im Rahmen der engen, von der Regierung gesetzten Grenzen aktiv (Repatriierung/Wiedereinbürgerung bzw. Betreuung von Flüchtlingen, humanitäre Hilfsprogramme) (AA 25.2.2018).

9. Wehrdienst und Rekrutierungen

Der obligatorische Nationaldienst („national service“) dauert für Männer und Frauen offiziell 18 Monate (AA 25.2.2018; vgl. USDOS 20.4.2018, HRW 17.1.2019), kann aber nach wie vor willkürlich und unter Zwang auf unbestimmte Zeit verlängert werden (AI 30.7.2018; vgl. HRW 17.1.2019). Für Frauen dauert die Dienstpflicht aktuell bis zum 27. und für Männer bis zum 50. Lebensjahr (nach anderen Angaben für Frauen bis zum 47. und für Männer bis zum 57. Lebensjahr). Frauen werden in der Regel bei Heirat oder Schwangerschaft aus dem Nationaldienst entlassen (AA 25.2.2018).

In einigen Fällen dauert der Nationaldienst schon bis zu 18 Jahre (HRW 17.1.2019) - sodass dieser Dienst Sklaverei-ähnliche Zustände annehmen kann (AA 25.2.2018; vgl. HRW 17.1.2019). Dieses System der unbefristeten, unfreiwilligen Einberufung kommt Zwangsarbeit gleich (AI 30.7.2018). Nach dem Friedensabkommen mit Äthiopien hat die Regierung bisher keine langdienenden Nationaldienstleistenden freigestellt (HRW 17.1.2019).

Nationaldienstleistende werden seit langem unmenschlich und erniedrigend bestraft, es kommt auch zu Folter (HRW 17.1.2019). Bei geringen Verstößen werden harte Strafen verhängt (AI 30.7.2018). Obwohl die Löhne in den letzten Jahren erhöht wurden, bleiben sie unzureichend, um eine Familie zu ernähren (HRW 17.1.2019).

Der eritreische Informationsminister bestätigte in einem Interview 2018, dass weniger als ein Fünftel der Nationaldienstleistenden eine militärische Funktion ausübt (HRW 17.1.2019). Nach der militärischen Grundausbildung werden die Dienstverpflichteten z.B. beim Straßen- und Dammbau, in der Landwirtschaft, aber auch in allen Bereichen der staatlichen Verwaltung und Wirtschaft eingesetzt (AA 25.2.2018; vgl. HRW 17.1.2019).

Die „People´s Army“ (Volksarmee) in ihrer heutigen Form entstand 2012 nach zwei äthiopischen Angriffen auf eritreisches Territorium und existiert parallel bzw. ergänzend zum Nationaldienst. Es gibt keine öffentlich zugängliche gesetzliche Grundlage der Volksarmee, es besteht keine Dienstpflicht und die Volksarmee ist auch nicht Teil des Nationaldiensts. Für die Volksarmee müssen Eritreer zwischen 18 und ca. 75 Jahren, nicht im Nationaldienst aktiv sein und eine Waffenausbildung absolvieren (SEM 31.1.2017; vgl. SFH 30.9.2018). Seit Mai 2012 wurde der Großteil der erwachsenen Bevölkerung mit dem AK-47 Sturmgewehren bewaffnet (AA 25.2.2018; vgl. SEM 31.1.2017). Personen, welche dem Aufgebot zur Volksarmee nicht Folge leisten, droht der Entzug von Lebensmittelcoupons und Identitätsdokumenten, sowie Haftstrafen. Die Haftbedingungen sind auch in diesem Fall hart und für die Entlassung muss ein Schuldeingeständnis unterschrieben werden (SFH 30.9.2018). Ende 2014 und Anfangs 2015 haben dennoch zahlreiche Personen das Aufgebot zur Volksarmee ignoriert. Zum Umgang der Behörden mit Dienstverweigerern liegen nur anekdotische Informationen vor. Sie lassen darauf schließen, dass es keine einheitliche Praxis gibt (SEM 31.1.2017).

Das Gesetz verbietet die Rekrutierung von Kindern unter 18 Jahren. Es kommt jedoch vor, dass Kinder bei Razzien festgehalten und in das Sawa National Training and Education Center gebracht werden (USDOS 20.4.2018). Jugendliche, die versuchen, dem Wehrdienst zu entgehen, werden verhaftet. Minderjährige werden bei (illegalen) Ausreiseversuchen meist aber nach Hause geschickt. Volljährige und damit Wehr- und Nationaldienstpflichtige kommen in Haft. Diese wird auf Antrag häufig in offenem Vollzug abgeleistet. Sofern die Eltern der Jugendlichen oder andere Personen bei der Entziehung vom Wehrdienst behilflich waren, droht auch ihnen Strafverfolgung (AA 25.2.2018).

Es gibt Berichte über sexuelle Nötigung und Gewalt bis hin zu Vergewaltigung von weiblichen Rekruten. Eine Weigerung führt in manchen Fällen zu Internierung, Misshandlung und Folter (AA 25.2.2018; vgl. USDOS 20.4.2018), z.B. Nahrungsentzug oder dem Aussetzen extremer Hitze. Eine Schwangerschaft während des Militärdienstes, auch wenn sie das Resultat einer Vergewaltigung oder sexueller Übergriffe durch Vorgesetzte ist, führt zum Ausschluss aus dem Militär (AA 25.2.2018). Es kommt zudem auch zu Zwangsdiensten, bzw. sexueller Sklaverei von Frauen und Mädchen in Trainingslagern (USDOS 20.4.2018).

Ebenso kommt es vor, dass Wehrpflichtige nach Ableistung des 18-monatigen Wehrdienstes nicht nur aus dem Militär, sondern auch aus dem Nationaldienst entlassen werden. Als Grund nennt die Regierung gute schulische Leistungen. Abiturienten mit guten Noten soll so der rasche Zugang zu weiterführenden Bildungseinrichtungen (Colleges) ermöglicht werden (AA 25.2.2018).

Keine Schule in Eritrea, mit Ausnahme des Militärcamps „Sawa“, bietet die 12. Schulstufe an. Seit Sommer 2003 müssen alle Schüler das 12. Schuljahr in diesem zentralen Ausbildungslager in Sawa absolvieren (AA 25.2.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Nur in Sawa können sie ihr „Highschool“ Abschlusszeugnis erhalten. Die Besten werden danach zum Studium an einem der 19 Colleges zugelassen. Die Übrigen werden für eine Berufsschulausbildung oder für den Militärdienst herangezogen (AA 25.2.2018).

Gemäß Gesetz verpflichtet sich jeder Absolvent der High School zu einem 18-monatigen Nationaldienst, der eine sechsmonatige Militärausbildung beinhaltet (AI 30.7.2018). Nach anderen Angaben erhalten die Schüler in Sawa eine dreimonatige paramilitärische Ausbildung (AA 25.2.2018). In Sawa ist die Versorgung schlecht und es besteht eine mangelhafte sanitäre Grundversorgung und Hygienebedingungen (AI 30.7.2018; vgl. USDOS 20.4.2018).

Einige verlassen die Schule, um der Wehrpflicht zu entkommen, aber ohne eine Bescheinigung des Nationaldienstes können sie weder auf Lebensmittelrationen zugreifen noch ein Unternehmen gründen, eine Mobiltelefon erwerben, einen Führerschein oder ein Bankkonto eröffnen. Darüber hinaus führt das Militär spontane Hausdurchsuchungen durch, um jeden festzunehmen, der im Verdacht steht, sich dem Nationaldienst entziehen zu wollen (AI 30.7.2018).

Ein Recht zur Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen und einen Ersatzdienst gibt es nicht; Wehrdienstverweigerung wird mit Aufenthalten in Umerziehungslager oder mit Gefängnis bestraft. Dies betrifft insbesondere Zeugen Jehovas (AA 25.2.2018). Rein rechtlich wäre es möglich, aus gesundheitlichen Gründen vom Wehrdienst befreit zu werden. Laut Artikel 15 der National Service Proclamation können körperlich Behinderte, Blinde und Personen mit schweren psychischen Erkrankungen vom nationalen Dienst befreit werden (ILO 23.10.1995).

Trotz Ankündigungen der Regierung, den Nationaldienst zu befristeten und die Armee zu verkleinern, gab es bisher keine konkreten Schritte. Etliche Nationaldienstpflichtige sind seit dem historischen Friedensabkommen mit Äthiopien im Juli 2018 und nach der Grenzöffnung nach Äthiopien ausgereist (TG 12.10.2018). Zuvor mussten die Menschen an den Grenzen viel riskieren (AA 25.2.2018; vgl. IRIN 15.11.2018). Nach Abschluss des Friedensabkommen war es möglich, die Grenze auch ohne Pass oder Genehmigung zu überqueren und es musste auch nicht bestätigt werden, ob und wann eine Rückkehr geplant ist (IRIN 15.11.2018).

10. Allgemeine Menschenrechtslage

In Eritrea kann es fallweise zu massiven Verletzungen der Menschenrechte kommen (AA 25.2.2018). Es gibt absolut keinen Schutz der Bürgerrechte, sie werden durch kein Gesetz garantiert. Ein Vierteljahrhundert nach der Unabhängigkeit hat das Land immer noch keine Verfassung umgesetzt. Hochrangige Regierungsvertreter, darunter der Präsident, äußern offen ihre Missachtung und Nichtanerkennung der international anerkannten Menschenrechte und des rechtsstaatlichen Verfahrens. Das Recht auf Leben und Sicherheit wird ignoriert und Folter ist in Gefängnissen und Haftanstalten des Militärs weit verbreitet. Der Mangel an Bürgerrechten betrifft die gesamte Bevölkerung (BTI 2018). In der am 23.5.1997 von der Nationalversammlung angenommenen Verfassung, die bis heute nicht in Kraft getreten ist, sind in den Artikeln 14 bis 24 die Grundrechte niedergelegt, welche von staatlichen Organen nicht respektiert werden (AA 25.2.2018). Somit bleibt die Ausübung von Grundrechten, wie z.B. Rede- und Meinungsfreiheit, Versammlungs- und Religionsfreiheit, nicht oder nur extrem eingeschränkt möglich (AA 24.5.2018; vgl. BTI 2018). Alle Versammlungen von mehr als fünf Personen – in geschlossenen öffentlichen Räumen wie unter freiem Himmel – müssen vorher genehmigt werden (AA 25.2.2018).

Zu den Menschenrechtsvergehen gehören willkürliche Inhaftierung, Folter ( HRW 3.10.2018; vgl. HRW 17.1.2019, AA 25.2.2018), Verschwindenlassen und sexuelle Gewalt sowie Zwangsarbeit (HRW 3.10.2018; vgl. HRW 17.1.2019). Fernerhin werden weiterhin Menschen willkürlich und unter Zwang auf unbestimmte Zeit rekrutiert (AA 25.2.2018). Auch während des Nationaldienstes kommt es zu systematischem Missbrauch, einschließlich Folter und unzureichender Versorgung mit Nahrungsmitteln (HRW 3.10.2018).

Die Regierung hat im Allgemeinen keine Schritte unternommen, um gegen Beamte, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben, zu ermitteln, sie zu verfolgen oder zu bestrafen. Straffreiheit bei Missbrauch bleibt die Regel (USDOS 20.4.2018).

Die Veränderung der Beziehung zu Äthiopien änderte bisher weder die repressive Politik noch die Härte staatlicher Herrschaft. Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen beklagt die systematischen, weit verbreiteten und schweren Menschenrechtsverletzungen der Regierung, die in einem Klima der allgemeinen Straflosigkeit begangen werden (HRW 17.1.2019). Die von der UNO ernannte Untersuchungsmission für Menschenrechte in Eritrea stellte fest, dass in Eritrea seit 1991 Verbrechen gegen die Menschlichkeit, darunter Versklavung, Inhaftierung, Verschwindenlassen, Folter, Verfolgung, Vergewaltigung und Mord begangen werden (BTI 2018; vgl. HRW 3.10.2018, HRW 17.1.2019, HR 27.8.2018). Versammlungs-, Vereinigungs- und Religionsfreiheit sind eingeschränkt und Bewegungs- und Reisefreiheit beeinträchtigt. Frauen sind von Genitalverstümmelung und häuslicher Gewalt betroffen. Zudem kam es zu Menschenhandel, Zwangs- und Kinderarbeit. Gleichgeschlechtliche Handlungen sind verboten (HR 27.8.2018).

In den Gefängnissen gibt es keinen Ombudsmann der auf Beschwerden reagiert. Es gibt auch keine zivilrechtlichen Verfahren für Einzelpersonen, die Menschenrechtsverletzungen durch die Regierung geltend machen (USDOS 20.4.2018).

11. Meinungs- und Pressefreiheit

Die Presse unterliegt der absoluten Willkür des Präsidenten (RSF 2018). Eritrea belegt im Press Freedom Index von Reporter ohne Grenzen seit Jahren den letzten Platz (BTI 2018; vgl. RSF 2018). Es ist staatlichen Medien untersagt, über negative Entwicklungen zu berichten (BTI 2018).

Meinungs- und Pressefreiheit sind in Eritrea nicht gewährleistet (AA 24.5.2018; vgl. BTI 2018) bzw. nicht oder nur extrem eingeschränkt möglich. Rundfunk und Fernsehen unterliegen staatlicher Kontrolle (AA 24.5.2018). Im September 2001 hat die Regierung alle unabhängigen Zeitungen geschlossen und führende Journalisten verhaftet. Diese sind in Isolationshaft und wurden nicht vor Gericht gestellt (HRW 17.1.2019). Derzeit sind mindestens 11 Journalisten in Haft (RSF 2018). Die meisten unabhängigen Journalisten sind inhaftiert oder leben im Ausland. Journalisten müssen sich beim Staat eine Lizenz einholen. Publizieren ohne Genehmigung ist strafbar. Journalisten praktizierten Selbstzensur aus Angst vor staatlicher Vergeltung (USDOS 20.4.2018).

Radio Erena ist das einzige unabhängige und unpolitische Radio. Es wird von eritreischen Exil-Journalisten in Paris betrieben. Seine Frequenz wird jedoch regelmäßig gestört (RSF 2018). Internationale Medien können über Satellitenempfang und Internet verfolgt werden (AA 25.2.2018).

12. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit

Es gibt keine Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit in Eritrea (BTI 2018; vgl. AA 25.2.2018, USDOS 20.4.2018). Das Gesetz und die nicht umgesetzte Verfassung sehen zwar Versammlungsfreiheit vor, die Regierung schränkt dieses Recht jedoch ein (USDOS 20.4.2018). Versammlungen von religiösen Gruppen (Pfingstchristen, reformistisch-orthodoxe Christen, Anhänger des wahhabitischen Islam usw.) sind verboten (BTI 2018). Alle Versammlungen von mehr als fünf Personen – in geschlossenen, öffentlichen Räumen, wie unter freiem Himmel – müssen vorher genehmigt werden (AA 25.2.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Teilnehmer von Versammlungen werden oft willkürlich verhaftet, wobei einige jahrelang im Gefängnis bleiben. Bei politischen Demonstrationen kommt es zu allgemeiner Unterdrückung, Überwachung durch Sicherheitskräfte und dem weit verbreiteten Einsatz von Gewalt durch Polizei, Militär und staatliche Sicherheitsorgane. Sicherheitsbeamte infiltrieren private Veranstaltungen wie Hochzeiten und Beerdigungen, um private Gespräche zu beschatten (USDOS 20.4.2018).

12.1.   Opposition

In Eritrea existiert nur die Regierungspartei PFDJ (AA 25.2.2018). Die Staatsführung lehnt die Errichtung einer Demokratie strikt ab (BTI 2018) und die Regierung erlaubt keine weiteren politischen Parteien (USDOS 20.4.2018). Neben oppositionellen Bewegungen in der Diaspora gibt es im Land ethnisch oder islamisch ausgerichtete und andere Oppositionsgruppen (AA 25.2.2018). Allerdings gibt es keine organisierte politische Opposition (AA 24.5.2018).

Zahlreiche Regimekritiker bzw. politische Akteure und ehemaligen Befürworter der politischen Pluralisierung innerhalb der PFDJ (die sogenannte G-15-Gruppe), befinden sich seit 2001 ohne rechtsstaatliches Verfahren in Haft und werden ohne Zugang zum ordentlichen Rechtsverfahren und ohne Kontakt zur Außenwelt an geheimen Orten festgehalten (AA 24.5.2018). Viele von ihnen gelten als tot oder in schlechtem Zustand. Andere Kritiker der Regierungspolitik wurden entweder verhaftet, ins Exil gezwungen oder schweigen aufgrund des autoritären politischen Systems und aus Angst um ihr eigenes und das Leben ihrer Familie (BTI 2018).

Militärbeamte und hochrangigen PFDJ-Kader muslimischen Glaubens, die nach dem Putschversuch im Januar 2013 verhaftet wurden, bleiben in Haft (BTI 2018). Die Verhaftung des ehemaligen Finanzministers zeigt, dass die Repressionstaktik fortgesetzt wird (HRW 3.10.2018). Berhane Abrehe war im August 2018 wegen der Veröffentlichung eines Buches, in welchem er zum friedlichen Protest gegen die Regierung aufruft, in Haft genommen worden. Er wird an einem unbekannten Ort ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten (AI 18.9.2018; vgl. HRW 3.10.2018).

Inwieweit die Betätigung für eine Oppositionsbewegung oder -partei im Ausland bei einer Rückkehr nach Eritrea zu Verfolgungsmaßnahmen führen würde, liegen keine neuen Erkenntnisse vor. Ebenso liegen keine Erkenntnisse dazu vor, ob und wie die eritreischen Behörden auf unterschiedliche Arten einer Betätigung für eine Oppositionsorganisation bei einer Rückkehr des oder der Betroffenen nach Eritrea reagieren würden (AA 25.2.2018).

13. Haftbedingungen

Die Haftbedingungen sind zum Teil unmenschlich, hart und lebensbedrohlich. Auch die hygienischen Zustände und die medizinische Versorgung in Gefängnissen und Straflagern sind unzureichend (AA 25.2.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Die Regierung erlaubt keine unabhängige Kontrolle in Haftanstalten (HRW 17.1.2019; vgl. USDOS 20.4.2018). Mangelnde Transparenz und fehlender Zugang zu Informationen machen es unmöglich, die Zahl oder die Umstände von Todesfällen infolge von Folter oder schlechten Haftbedingungen zu ermitteln (USDOS 20.4.2018).

Dutzende Journalisten sitzen ohne Urteil, Kontakt zu Anwälten oder ihren Familien seit Jahren im Gefängnis und werden gefoltert (HRW 17.1.2019; vgl. RSF 2019). Laut Reporter ohne Grenzen befinden sich aktuell elf Journalisten und vier Medienmitarbeiter in Haft (RSF 2019). Die Regierung hat die Bedingungen ihrer prominentesten Gefangenen, Regierungsbeamten und Reporter weder freigegeben noch verbessert (HRW 17.1.2019; vgl. USDOS 20.4.2018).

14. Todesstrafe

Auch im neuen Strafgesetzbuch von 2015 wurde für einige Delikte die Androhung der Todesstrafe beibehalten. Demnach kann die Todesstrafe beispielsweise bei Hochverrat, Spionage, Kriegsverbrechen, Mord, etc. ausgesprochen werden. Abgeschafft wurde sie durch das neue Strafgesetzbuch u.a. für Fälle von Fahnenflucht, Befehlsverweigerung sowie Feigheit vor dem Feind. Seit der Unabhängigkeit ist nach offiziellen Angaben, die nicht überprüft werden konnten, im Rahmen eines de facto-Moratoriums noch kein Todesurteil verhängt und vollstreckt worden. Allerdings berichten Menschenrechtsorganisationen und Anhänger der Opposition von häufigen Todesfällen infolge von Folter und unmenschlichen Haftbedingungen sowie von Exekutionen im Militär (AA 25.2.2018). Art. 300 des Strafgesetzbuchs legt zusätzlich fest, dass eine Desertion in Kriegszeiten eine Gefängnisstrafe von fünf Jahren bis lebenslänglich mit sich zieht, in schlimmen Fällen wird sogar die Todesstrafe verhängt (UKHO 7.2018).

(…)

18. Bewegungsfreiheit

Die Gesetzgebung und die nicht umgesetzte Verfassung sehen Bewegungsfreiheit sowie die Möglichkeit von Auslandsreisen, Auswanderung und Wiedereinbürgerung vor. In der Praxis schränkt die Regierung diese Freiheiten ein (NMFA 21.6.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Eritrea verfolgte an seinen Grenzen offiziell eine "shoot to kill"-Politik. Dennoch sind in den letzten zwei Jahrzehnten Hunderttausende Eritreer - rund 12% der gesamten Bevölkerung - aus dem Land geflohen (AFAR 15.1.2019).

Häufig wird die Ausstellung von Reisepässe und Ausreisevisa verweigert, weil militärische Aufgaben nicht beendet wurden oder willkürlich ohne Angabe von Gründen (AA 25.2.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Jeder eritreische Staatsangehörige benötigt zur Ausreise ein Ausreisevisum, das nur nach sorgfältiger Prüfung und praktisch nur denjenigen erteilt wird, die nicht mehr der nationalen Dienstpflicht unterliegen, als regimetreu gelten oder älter als 56 (Männer) bzw. 46 (Frauen) Jahre alt sind (AA 25.2.2018). Die Behörden geben Kindern über fünf Jahren in der Regel kein Ausreisevisum und gewähren nur wenigen Jugendlichen Ausreisegenehmigungen (USDOS 20.4.2018). Jeder Ausreisende wird - auch wenn er über ein Ausreisevisum verfügt - am Flughafen Asmara streng überprüft. Über die Kontrollen in den Häfen und an der Landgrenze zum Sudan liegen keine Informationen vor. Obwohl die Grenzen nicht lückenlos überwacht werden, ist der illegale Grenzübertritt gefährlich (AA 25.2.2018).

Dennoch scheint die Einstellung der eritreischen Regierung gegenüber Eritreern, die versuchen ohne Genehmigung das Land zu verlassen, ambivalent zu sein: Einerseits versucht sie mit drakonischen Maßnahmen (angeblicher Schießbefehl bei Fluchtversuchen von Deserteuren, nicht näher bekannte Strafen nach fehlgeschlagenen Fluchtversuchen, Verweigerung von Reisepässen und Ausreisegenehmigungen) zu verhindern. Andererseits scheint die Regierung den Exodus, soweit er sich trotz der drastischen Gegenmaßnahmen nicht verhindern lässt, zu nutzen, um potentielle Regimegegner loszuwerden, die im Lande herrschende Arbeitslosigkeit zu lindern und durch die Erhebung einer 2%igen sogenannten „Aufbausteuer“ von im Ausland lebenden Eritreern Deviseneinnahmen zu erzielen (AA 25.2.2018).

Die Regierung verlangt, dass die Bevölkerung die lokalen Behörden benachrichtigt, wenn sie ihren Wohnsitz wechselt. Bei Reisen innerhalb des Landes, insbesondere in abgelegenen Regionen oder an Grenzen, verlangen die Behörden an den Kontrollpunkten eine Rechtfertigung für die Reise (USDOS 20.4.2018).

Am 11.9.2018 wurden in Zalambessa und in Bure die Grenzübergänge zwischen Äthiopien und Eritrea nach Jahrzehnten wieder geöffnet (AN 28.12.2018). Seitdem haben Tausende von Menschen die Grenze überquert, der Handel hat sich entwickelt. Familien, die seit dem Ausbruch des Krieges zwischen Äthiopien und Eritrea im Jahr 1998 getrennt waren, konnten sich wiedersehen (AN 29.12.2018). Die offenen Grenzen haben auch zu einer verstärkten Migration von Eritrea nach Äthiopien geführt (SEM 16.1.2019). Die Öffnung der Grenzen 2018 hat die Bewegungsfreiheit verbessert (AN 28.12.2018). Die neue Möglichkeit, frei nach Äthiopien zu reisen (ohne Pass, Erlaubnis oder Versprechen zur Rückkehr) erlaubt es, Eritrea mit wesentlich geringeren Risiken zu verlassen. Viele haben diese Möglichkeit ergriffen (AFAR 15.1.2019).

Am 26.12.2018 führten die eritreischen Behörden ohne Ankündigung Restriktionen für den Güter-, Fahrzeug- und Personenverkehr in Richtung Eritrea ein. Die genaue Art der Restriktionen ist nicht bekannt, aber sie verminderten den zuvor ungehinderten Warenimport aus Äthiopien. Am 7.1.2019 eröffneten die Behörden mit Omhajer–Humera offiziell den vierten Grenzübergang zwischen Eritrea und Äthiopien (SEM 16.1.2019). Viele Menschen in Eritrea fragen sich, wie lange die Grenze zu Äthiopien tatsächlich offen bleiben wird, da sie jahrzehntelang unter der autoritären und manchmal launischen Herrschaft von Präsident Isaias Afewerki gelebt haben (AFAR 15.1.2019).

(…)

23. Rückkehr

Die bloße Stellung eines Asylantrags im Ausland zieht keine Bestrafung nach sich (AA 25.2.2019), und es gibt Berichte von Staatsbürgern, die das Land verlassen haben, ohne dass ihnen die Wiedereinreise verweigert wurde (USDOS 20.4.2018). Es liegen keine Erkenntnisse vor, dass die Betätigung für eine Oppositionsbewegung oder -partei im Ausland bei einer Rückkehr nach Eritrea zu Verfolgungsmaßnahmen führet. Ebenso liegen keine Erkenntnisse dazu vor, ob und wie die eritreischen Behörden auf unterschiedliche Arten einer Betätigung für eine Oppositionsorganisation (politisch oder unpolitisch, d.h. z.B. als Reinigungskraft oder als Kassierer bei Veranstaltungen; als einfaches Mitglied oder in herausgehobener Position) bei einer Rückkehr des oder der Betroffenen nach Eritrea reagieren würden (AA 25.2.2019).

Personen, die das Land legal verlassen haben, können problemlos zurückkehren, auch wenn sie nicht zeitgerecht zurückkehren. Eritreer, die ihren Nationaldienst noch nicht beendet haben und das Land illegal verlassen haben, müssen das „Bedauerungsformular B4/4.2“ unterschreiben, wenn sie nach Eritrea zurückkehren wollen. Person, die dieses Formular unterzeichnen, bestätigen das Begehen einer Straftat und erklären sich bereit, zu gegebener Zeit eine angemessene Strafe zu akzeptieren. Die eritreische Regierung hat mehrmals wiederholt, dass diejenigen, die zurückkehren, nicht bestraft werden, solange sie keine anderen Verbrechen begangen haben (als keinen Nationaldienst zu leisten und illegal das Land zu verlassen). Die eritreischen Behörden haben erklärt, dass sie tolerant gegenüber der Rückkehr von Landsleuten sind. Ausländische Beobachter behaupten, dass zurückkehrende Migranten - unabhängig davon, ob ihnen in der Vergangenheit in Europa der Asylstatus zuerkannt wurde oder nicht - bei der Rückkehr gut behandelt werden. Beobachtern in Eritrea zufolge würden Eritreer nicht in großer Zahl zurückkehren, wenn sie wüssten, dass sie bestraft werden. Es kommt aber regelmäßig vor, dass Eritreer freiwillig und ohne weitere Folgen nach Unterzeichnung des Bedauerungsformulars und Zahlung der Diasporasteuer nach Eritrea zurückkehren (NMFA 21.6.2018).

Soweit einem Rückkehrer dagegen illegale Ausreise, das Umgehen des Nationaldienstes oder sogar Fahnenflucht vorgeworfen wird, muss davon ausgegangen werden, dass der Betroffene sich bei seiner Rückkehr nach Eritrea wegen dieser Delikte zu verantworten hat. Die Bestrafung kann von einer bloßen Belehrung bis zu einer Haftstrafe reichen. Im Regelfall kann man sich nach dreijährigem Auslandsaufenthalt als Mitglied der Diaspora registrieren lassen und frühere Verfehlungen werden nicht verfolgt. Festzustehen scheint, dass die Verhängung der Haft nicht in einem rechtsstaatlichen Verfahren erfolgt und die Betroffenen keinen Rechtsbeistand erhalten. Es liegen insbesondere keine Informationen darüber vor, wer welches Strafmaß anhand welcher Rechtsnormen oder anderer Kriterien verhängt. Sicher scheint nur zu sein, dass die Zahlung von Geld das Strafmaß und die Umstände der Strafvollstreckung für den Verurteilten günstig beeinflussen können (AA 25.2.2019).

Es wird berichtet, dass es für zurückkehrende Staatsbürger, die ihren Wohnsitz oder ihre Staatsangehörigkeit in anderen Ländern haben, keine Folgen gibt. Im Allgemeinen hat ein Staatsbürger das Recht auf Rückkehr; Staatsbürger mit Wohnsitz im Ausland müssen nachweisen, dass sie die 2%ige Steuer „Aufbausteuer“ (auf ausländisches Arbeitseinkommen) gezahlt haben, um einige staatliche Leistungen und Dokumente zu erhalten (z.B. Ausreiseerlaubnis, Geburts- oder Heiratsurkunden, Passverlängerungen und Immobilientransaktionen). Die Regierung setzt diese Anforderung uneinheitlich durch (USDOS 20.4.2018).

Nach Ansicht des UNHCR gelten wiederum folgende Gruppen bei ihrer Einreise als gefährdet: Personen, die den Militär-/Nationaldienst umgangen haben, Mitglieder der politischen Opposition und Regierungskritiker, Journalisten und andere Medienschaffende, Mitglieder von Gewerkschaften und Aktivisten des Arbeitsrechts, Mitglieder religiöser Minderheiten, Frauen und Kinder mit besonderen Profilen, Angehörige sexueller Minderheiten, Mitglieder bestimmter ethnischer Minderheiten und Opfer von Menschenhandel. Aufgrund der Allgegenwart der Streitkräfte, eines gut organisierten Netzwerks von Regierungsinformanten sowie der nationalen Kontrolle, die der Staat über die Bevölkerung ausübt, hält der UNHCR die Niederlassung in einem anderen Teil Eritreas für keine angemessene Alternative (NMFA 21.6.2018).

(…)

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers und zu seinem Fluchtvorbringen:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers (Geburtsort, Wohnorte, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, Schulbesuch) beruhen auf seinen vor dem Hintergrund der sozioökonomischen Lage in Eritrea plausiblen sowie mit Ausnahme des Geburtsdatums im gesamten Verfahren gleichgebliebenen diesbezüglichen Angaben. Das festgestellte Geburtsdatum ergibt sich aus dem von der belangten Behörde in Auftrag gegebenen schlüssigen medizinischen Gutachten vom 25.10.2017 (vgl. AS 89-121). Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers (Name und Geburtsdatum) getroffen wurden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellung zum Asylstatus seines Bruders XXXX , geb. XXXX , ergibt sich aus dem Inhalt des vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegten Verfahrensaktes. Die Feststellung zur Inhaftierung seines Vaters ergibt sich aus seinen gleichlautenden diesbezüglichen Angaben im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (vgl. AS 54f) sowie im Rahmen der mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. OZ 6, S. 7, 14f und Verhandlungsschrift vom 10.03.2021, S. 6 und 9).

Die Feststellungen zu den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründen beruhen auf seinen stringenten und im gesamten Verfahren gleichbleibenden entsprechenden Angaben. Der Beschwerdeführer konnte nachvollziehbar und schlüssig darlegen, dass er zum Militär hätte eingezogen werden sollen und den Nationaldienst nicht ableisten wollte und sich in diesem Zusammenhang vor den eritreischen Behörden versteckt hielt, indem er sich vor seiner Ausreise bei seiner Tante aufhielt. Er hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht auch nachvollziehbar dargelegt, dass er die Ableistung des eritreischen Nationaldienstes aufgrund der zu erwartenden Heranziehung zu zeitlich unbefristeter Zwangsarbeit ablehnt (OZ 6, S. 13 und Verhandlungsschrift vom 10.03.2021 S. 9). Es wird zwar nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vom 10.03.2021 sein Vorbringen insofern steigerte, als er erstmalig vorbrachte, auch einen Brief seitens der eritreischen Behörden erhalten zu haben, wonach er sich freiwillig zum Militärdienst hätte melden sollen, jedoch ändert dies nichts daran, dass das Kernvorbringen, nämlich, dass er seit seinem Schulabbruch von den eritreischen Behörden gesucht worden sei, von der Erstbefragung an, nachvollziehbar und gleichbleibend schilderte.

Festzuhalten ist auch, dass sich die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich des eritreischen Nationaldienstes bzw. Schulsystems und Militärs mit den einschlägigen Länderberichten unverkennbar decken. So ist diesen zu entnehmen, dass der obligatorische Nationaldienst in Eritrea auf unbestimmte Zeit verlängert werden kann und mit Zwangsarbeit gleichzusetzen ist (AI 30.7.2018; vgl. HRW 17.1.2019; AA 25.2.2018; vgl. HRW 17.1.2019). Ebenso geht aus den einschlägigen Länderberichten hervor, dass das Militär mitunter spontane Hausdurchsuchungen durchführt, um jeden festzunehmen, der im Verdacht steht, sich dem Nationaldienst entziehen zu wollen (AI 30.7.2018).

Es wird nicht weiters nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Flucht minderjährig war und den Länderberichten zu entnehmen ist, dass das Gesetz die Rekrutierung von Kindern unter 18 Jahren verbietet. Jedoch geht aus den Länderberichten auch hervor, dass einige die Schule verlassen, um der Wehrpflicht zu entkommen, aber ohne eine Bescheinigung des Nationaldienstes können sie weder auf Lebensmittelrationen zugreifen noch ein Unternehmen gründen, eine Mobiltelefon erwerben, einen Führerschein oder ein Bankkonto eröffnen. Darüber hinaus führt das Militär spontane Hausdurchsuchungen durch, um jeden festzunehmen, der im Verdacht steht, sich dem Nationaldienst entziehen zu wollen (AI 30.7.2018). Das Vorbringen des Beschwerdeführers steht somit im Einklang mit den Länderberichten.

Hinsichtlich der in der Einvernahme seines nunmehr in Österreich lebenden Bruders vom 07.10.2014 protokollierten Aussage, der Beschwerdeführer sei bereits im Sommer des J

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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