TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/17 L518 2153397-1

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Veröffentlicht am 17.03.2021
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Entscheidungsdatum

17.03.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §28 Abs7

Spruch


L518 1425626-3/32E

L518 1431603-3/10E

L518 2153397-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX und XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien alias Aserbaidschan alias Russische Föderation, vertreten durch RAe HOFBAUER und WAGNER KG, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.04.2017, Zl. XXXX , Zl. XXXX und Zl. XXXX zu Recht erkannt:

A)

In Erledigung der Beschwerden werden die angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 2 und Abs. 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) iVm § 28 Abs. 7 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (im Folgenden auch gemäß der Nennung im Spruch bP1-3) stellten Anträge auf internationalen Schutz (bP 1 am 29.09.2011 nach nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet; bP 2 und 3 über die bP 1 als Mutter und gesetzliche Vertreterin nach ihrer Geburt in Österreich am 09.07.2012 und 28.06.2016) bei der belangten Behörde (idF auch bB).

I.2. Die abweisenden Bescheide der bB hinsichtlich der bP 1 vom 08.03.2012 sowie hinsichtlich der bP 2 vom 30.11.2012 wurden mit Entscheidungen des Asylgerichtshofes vom 03.07.2013 behoben, da die Staatsangehörigkeit der bP 1 und 2 nicht entsprechend ermittelt worden ist.

I.3. Mit Schriftsatz, eingelangt bei der belangten Behörde am 17.07.2015, erhoben die bP 1 und 2 Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht („Säumnisbeschwerde“).

Die bP beantragten, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung anberaumen sowie über den Antrag des Beschwerdeführers selbst erkennen und die Kosten des Verfahrens zuerkennen sowie den Rechtsträger der belangten Behörde verpflichten, die Kosten zu Handen des bevollmächtigten Rechtsanwaltes zu ersetzen. Angeführt war ein Kostenverzeichnis iHv 841, 31 Eur.

Zur Begründung führten die bP aus, die belangte Behörde sei nach § 73 Abs. 1 AVG verpflichtet, über den Antrag der bP aus dem Jahr 2011 bzw. 2012 ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach Antragseinbringung einen Bescheid zu erlassen. Am 03.07.2013 sei mit Entscheidung des Asylgerichtshofes die Sache an die belangte Behörde zurückverwiesen worden. Eine Entscheidung sei bis dato nicht ergangen und es treffe die belangte Behörde das alleinige Verschulden an der Verletzung der Entscheidungspflicht.

I.4. Das BFA legte ohne weitere Verfahrensschritte mit Schreiben vom 23.10.2015 den gegenständlichen Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor, an dessen Außenstelle Linz dieser am 28.10.2015 einlangte. Das BFA gab in diesem Schreiben bekannt, dass aufgrund personeller Engpässe und stetig steigender Zahl von Asylanträgen keine fristgerechte Erledigung erfolgen habe können.

I.5. Das Bundesverwaltungsgericht forderte die belangte Behörde mit Schreiben vom 01.12.2015 auf, eine Stellungnahme dazu abzugeben, warum die vorliegenden Fälle nicht fristgerecht erledigt wurden. Die entsprechende Stellungnahme langte am 04.12.2015 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

I.6. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts wurde den Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungsfrist stattgegeben (Erkenntnis L518 1425626-2/4E ua. vom 14.03.2016) und wurde der bB aufgetragen, die versäumten Bescheide hinsichtlich bP 1 und 2 binnen acht Wochen zu erlassen.

I.7. Die bP 1 wurde sodann mehrfach vor der bB einvernommen und tätigte die bB Erhebungen in Armenien, Aserbaidschan und der Russischen Föderation zur Staatsangehörigkeit der bP.

Am 10.06.2016 wurde die bP 3 in Österreich geboren.

I.8. Die bB erließ in der Folge am 01.04.2017 betreffend die bP 1-3 Bescheide mit jeweils nachfolgendem, inhaltsgleichem Spruch:

I.       Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 29.09.2011 wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen.

II.      Gemäß § 8 Absatz 6 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wird Ihr Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen.

III.    Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 8 Abs. 6 AsylG und iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. Es wird gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung zulässig ist.

IV.      Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

I.9. Gegen die Bescheide wurde Beschwerde erhoben.

I.10. Aufgrund der Zurückziehung der Beschwerden mit Schriftsatz vom 31.01.2020 wurden die Verfahren der bP 2 und 3 mit Beschlüssen vom 06.03.2020 eingestellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die beschwerdeführenden Parteien stellten Anträge auf internationalen Schutz.

In weiterer Folge wurden die Verfahren zugelassen.

Den Beschwerden der bP 1 und 2 wegen Verletzung der Entscheidungspflicht wurden mit Erkenntnissen des BVwG vom 14.03.2016 stattgegeben und endetet die darin angeführte 8 Wochen Frist zur Erlassung von Bescheiden am 09.05.2016.

Nachdem die bP 1 niederschriftlich einvernommen und Anfragebeantwortungen erstattet worden waren, sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 01.04.2017 über die Anträge der bP auf internationalen Schutz ab und übersendete die Akten im Rahmen einer „Beschwerdevorlage – Fortsetzung nach Säumnisbeschwerde“ an das Bundesverwaltungsgericht.

Diese Bescheide wurden der rechtsfreundlichen Vertretung der bP zugestellt und wurden Beschwerden erhoben.

2. Beweiswürdigung:

Der gegenständlich wesentlichen Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 und Z 4 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Zur Behebung der Bescheide (Spruchpunkt I.)

3.2.1. § 28 VwGVG samt Überschrift lautet:

§ 28 VwGVG Erkenntnisse

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.

die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

(4) Hat die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben, hat das Verwaltungsgericht, wenn es nicht gemäß Abs. 2 in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

(5) Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

(6) Ist im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen, so hat das Verwaltungsgericht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben. Dauert die für rechtswidrig erklärte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Zustand herzustellen.

(7) Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG kann das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Behörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst, wobei es auch das sonst der Behörde zustehende Ermessen handhabt.“

Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 28 VwGVG (Stand 1.10.2018, rdb.at) halten in diesem Zusammenhang fest:

Holt die belangte Behörde im Säumnisbeschwerdeverfahren den Bescheid nicht innerhalb der Nachfrist gem § 16 Abs 1 VwGVG im Vorverfahren (vgl VwGH 4. 7. 2016, Ra 2014/04/0015) nach, hat sie dem VwG die Beschwerde samt Verwaltungsakten vorzulegen. Das – nunmehr zuständige (die Zuständigkeit des VwG beginnt mit ungenütztem Verstreichen der dreimonatigen Nachfrist; s VwGH 27. 5. 2015, Ra 2015/19/0075; 20. 6. 2017, Ra 2017/01/0052) – VwG kann – ist die Säumnisbeschwerde nicht als unzulässig zurückzuweisen oder mangels überwiegendem Verschulden der Behörde an der eingetretenen Verzögerung abzuweisen (zB VwGH 25. 11. 2015, Ra 2015/08/0102) – sein Erkenntnis zunächst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid auf Grundlage der zum Ausdruck gebrachten Rechtsanschauung innerhalb einer maximal 8-wöchigen Frist nachzuholen („Teilerkenntnis“: VwGH 4. 7. 2016, Ra 2014/04/0015; 21. 2. 2017, Ra 2017/12/0004; Vorbild dafür war offenkundig § 42 Abs 4 VwGG aF). Solcherart wird die Zuständigkeit wieder an die Behörde übertragen, die in dem vom VwG abgesteckten Rahmen an die festgelegte Rechtsanschauung gebunden ist (VwGH 16. 12. 2014, Ra 2014/22/0106; s auch schon VwGH 2. 12. 1987, 87/03/0077). Macht das VwG von der Möglichkeit zur Erlassung eines Teilerkenntnisses keinen Gebrauch oder kommt die Behörde dem Auftrag nicht fristgerecht nach (mit Fristablauf geht die Zuständigkeit ex lege wieder auf das VwG über; zur fehlenden Erstreckbarkeit der Frist vgl Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG ErgBd § 28 VwGVG Rz 201), entscheidet das VwG vollumfänglich in der Sache selbst und holt die ausstehende behördliche Entscheidung nach, wobei es auch das der Behörde zustehende Ermessen übt. In jeder Phase des Verfahrens, auch bereits hinsichtlich des Teilerkenntnisses, ist das VwG befugt, eigene Sachverhaltsfeststellungen zu treffen (s schon Holoubek in Holoubek/Lang [2013] 131). Das VwG legt seiner Entscheidung die in diesem Zeitpunkt maßgebliche Sach- und Rechtslage zugrunde (VwGH 10. 11. 2015, Ro 2015/19/0001).

Der VwGH hat in seiner Entscheidung vom 03.10.2018, Zl. Ra 2018/12/0034 festgehalten:

§ 28 Abs. 7 VwGVG stellt es ins Ermessen des Verwaltungsgerichts, entweder in der Sache selbst zu entscheiden oder sich auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen zu beschränken und gleichzeitig das Verfahren an die Behörde mit dem Auftrag zurückzuverweisen, den ausstehenden Bescheid unter Bindung an die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts innerhalb einer Frist von höchstens acht Wochen nachzuholen (vgl. VwGH 24.10.2017, Ra 2016/06/0023; 20.6.2017, Ra 2017/01/0029, jeweils mwN). Auch wenn das Gesetz nicht explizit Determinanten für die Ausübung dieses Ermessens nennt, ist davon auszugehen, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung in erster Linie die Grundsätze der Verfahrensökonomie zu beachten hat (vgl. VwGH 24.10.2017, Ra 2016/06/0023, mwN).

12 Damit kann das Verwaltungsgericht im Falle einer zulässigen Säumnisbeschwerde die Zuständigkeit in der Angelegenheit unter den näher bestimmten Voraussetzungen wieder auf die Behörde übertragen. Eine maßgebliche Voraussetzung für eine solche Entscheidung ist, dass das Verwaltungsgericht darin über einzelne maßgebliche Rechtsfragen der Angelegenheit entscheidet. Diese Entscheidung hat im Spruch des Erkenntnisses zu erfolgen (vgl. hiezu VwGH 15.3.2016, Ra 2015/01/0208, mwN).

13 Im vorliegenden Fall hat das BVwG zwar im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses der belangten Dienstbehörde die Erlassung eines Bescheides überbunden, jedoch im allein maßgeblichen Spruch keine Entscheidung maßgeblicher Rechtsfragen getroffen. Damit ging zwar die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag der Revisionswerberin wieder auf die belangte Dienstbehörde über, eine Bindung an etwaige in der Begründung enthaltene Ausführungen ist aber mangels Entscheidung maßgeblicher Rechtsfragen im Spruch nicht eingetreten. Dies folgt insbesondere daraus, dass die Begründung einer Entscheidung zwar zur Auslegung, nicht aber zur Ergänzung, auch eines in sich unklaren Spruches herangezogen werden darf (vgl. etwa VwGH 25.1.2012, 2011/12/0035). Ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Entscheidung der maßgeblichen Rechtsfragen im Spruch des Erkenntnisses zu erfolgen hat (vgl. erneut VwGH 15.3.2016, Ra 2015/01/0208, mwN), wird in der Zulässigkeitsbegründung nicht dargetan; die Revisionswerberin geht in ihrem Zulässigkeitsvorbringen vielmehr davon aus, dass eine Bindung der belangten Dienstbehörde an die in der Begründung geäußerten Rechtsansichten eingetreten sei.

3.2.2. Das BVwG hat im konkreten Fall mit seiner Entscheidung vom 14.03.2016 damit die Entscheidungspflicht an sich wieder an die bB überbunden.

§ 28 Abs. 7 VwGVG spricht – wie § 16 VwGVG - ausdrücklich davon, dass der Bescheid innerhalb der gesetzten Frist zu erlassen ist.

Für das Zustandekommen eines Bescheides ist es erforderlich, dass er erlassen wird. Erst mit seiner Erlassung erlangt der Bescheid rechtliche Existenz (vgl. VwGH 26.04.2000, 99/05/0239; VwGH 23.07.2009, 2007/05/0139). Gemäß § 62 Abs. 1 AVG können Bescheide sowohl schriftlich als auch mündlich erlassen werden, sofern die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen.

Die Erlassung schriftlicher Bescheide hat durch Zustellung im Sinne von §§ 21f AVG iVm Zustellgesetz oder durch Ausfolgung zu erfolgen. Erlassen ist ein Bescheid diesfalls erst ab dem Zeitpunkt, ab dem eine rechtswirksame Zustellung vorliegt (vgl. VwGH, 26.06.2001, 2000/04/0190).

Da schriftliche Bescheide erst mit ihrer rechtswirksamen Zustellung erlassen werden, hat die Behörde im Falle von Fristen, die bei der Bescheiderlassung zu wahren sind, dafür Sorge zu tragen, dass sie ihre Schriftstücke rechtzeitig zur Post gibt. Denn es ist zu berücksichtigen, dass die Zustellung der Schriftstücke per Post zumindest noch einige Tage in Anspruch nehmen wird.

Da die bB jedoch nicht innerhalb der gesetzten Frist von 8 Wochen entschieden hat, liegt die Entscheidungspflicht seit Ablauf der Frist wieder beim BVwG und hätte die bB die gegenständlichen Bescheide nach Ablauf der Frist nicht mehr erlassen dürfen.

Der VwGH führt in seiner Entscheidung zu Ra 2018/22/0060 vom 28.05.2019 aus:

§ 28 Abs. 7 VwGVG wird im Spruch nicht als Rechtsgrundlage genannt und auch in der Begründung erfolgt (abgesehen von einer Zitierung dieser Norm bei den Rechtsgrundlagen) kein Hinweis darauf, dass Spruchpunkt III. in Anwendung des § 28 Abs. 7 erster Satz VwGVG ergangen ist. Das Verwaltungsgericht trägt der belangten Behörde in Spruchpunkt III. eine unverzügliche Befassung des BFA auf, setzt aber - entgegen der Vorgabe des § 28 Abs. 7 erster Satz VwGVG - keine bestimmte Nachfrist fest. Die Festsetzung einer bestimmten Frist ist aber schon deshalb von wesentlicher Bedeutung, weil mit Ablauf dieser Frist (wie sich § 28 Abs. 7 letzter Satz VwGVG entnehmen lässt) die Zuständigkeit wieder - und diesfalls endgültig - auf das Verwaltungsgericht übergeht (vgl. auch Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG ErgBd (2017) § 28 VwGVG Rz. 204).

Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG §28 VwGVG (Stand 15.2.2017, rdb.at):

Mit einem Teilerkenntnis iSd 28 Abs 7 erster Satz VwGVG wird das Verfahren an die Behörde „zurückverwiesen“ und die Zuständigkeit in der Angelegenheit wieder auf die Behörde übertragen (vgl VwGH 16. 12. 2014, Ra 2014/22/0106; 10. 11. 2015, Ra 2015/19/0144; 15. 3. 2016, Ra 2015/01/0208).

Diese hat zum einen den ausstehenden Bescheid innerhalb der im Erkenntnis festgesetzten Frist nachzuholen (vgl VwGH 16. 12. 2014, Ra 2014/22/0106; 10. 11. 2015, Ra 2015/19/0144; 15. 3. 2016, Ra 2015/01/0208). Kommt die Behörde diesem Auftrag nicht nach, so hat das VwG gem § 28 Abs 7 letzter Satz VwGVG durch Erkenntnis in der Sache selbst zu entscheiden. Die Zuständigkeit geht also mit Fristablauf ex lege – und diesmal endgültig – wieder auf das VwG über. Damit beginnt wiederum die Entscheidungsfrist für das VwG (§ 34 Abs 1 zweiter Satz VwGVG).

Zum anderen ist die Behörde im fortgesetzten Verfahren an die im kondemnatorischen Erkenntnis geäußerte Rechtsanschauung gebunden (vgl VwGH 16. 12. 2014, Ra 2014/22/0106), hat diese also der versäumten Entscheidung zugrunde zu legen (vgl Oberndorfer, Verwaltungsgerichtsbarkeit 178). Missachtet die Behörde die Bindungswirkung des Erkenntnisses gem § 28 Abs 7 erster Satz VwGVG, so ist der Bescheid schon wegen dieses Widerspruchs rechtswidrig (vgl Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG). Auch dem dagegegen angerufenen VwG – wie auch im Anschluss daran den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts – ist es konsequenterweise nicht gestattet, von der (verbindlich gebliebenen [vgl Rz 205]) Entscheidung der Rechtsfragen im Teilerkenntnis abzuweichen (vgl auch Rz 136). Umgekehrt ist schon die belangte Behörde nur im Rahmen der entschiedenen maßgeblichen Rechtsfragen an die Rechtsanschauung des VwG gebunden (vgl auch Mayer4 B-VG VIII.1; Oberndorfer, Verwaltungsgerichtsbarkeit 178), im Übrigen hingegen zur selbständigen Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen verpflichtet (vgl VwGH 2. 12. 1987, 87/03/0077).

Es liegt somit nunmehr wiederum eine Entscheidungspflicht des BVwG vor.

Die Zuständigkeit ging zumindest in den Verfahren der bP 1 und 2 wieder auf das Bundesverwaltungsgericht über.

Die nach Übergang der Zuständigkeit auf das Bundesverwaltungsgericht (verspätet) ergangenen Bescheide des Bundesamtes vom 01.04.2017 hinsichtlich der bP 1 und 2 wurden daher von einer unzuständigen Behörde erlassen und waren im angefochtenen Umfang (zur Gänze) aufzuheben. Im Rahmen des Familienverfahrens war damit letztlich auch der Bescheid der minderjährigen bP 3 aufzuheben, um eine gemeinsame Sachentscheidung in allen Verfahren treffen zu können und wäre der Bestand einer alleinigen Entscheidung samt Rückkehrentscheidung betreffend einem minderjährigen Kind ohne entsprechende Ausreiseverpflichtung gemeinsam mit der Mutter rechtswidrig.

Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Entscheidungspflicht ersatzlose Behebung Familienverfahren Frist Minderjährigkeit unzuständige Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L518.2153397.1.00

Im RIS seit

01.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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