Entscheidungsdatum
18.03.2021Norm
BFA-VG §22a Abs1Spruch
L514 2235165-6/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. KLOIBMÜLLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2021, Zl. XXXX , und die Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 und § 76 Abs. 6 FPG als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung in Schubhaft seit XXXX 2021 für rechtmäßig erklärt.
II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.
III. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG iVm VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, hat der Beschwerdeführer dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von 426,20 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
IV. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG als unzulässig abgewiesen.
V. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang von der Befreiung der Entrichtung der Eingabegebühr wird gemäß § 8a VwGVG iVm § 64 Abs. 1 Z 1 lit a) ZPO abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte nach seiner Einreise in das Bundesgebiet am XXXX 2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz, wobei er bei seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu seinen Fluchtgründen angab, dass die Lage in Afghanistan nicht gut und dort Krieg sei. Es würden die IS-Truppen gegen die Taliban kämpfen. Diese würden die Zivilisten in Afghanistan bekämpfen.
Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) brachte er am 11.01.2018 zu seinen Ausreisegründen vor, dass er aufgrund seiner Arbeitslosigkeit Soldat geworden sei. Er sei von der Regierung mit fünfzig anderen Soldaten in die Provinz XXXX geschickt worden, wo er gegen die Taliban habe kämpfen müssen. Er sei dort ca. einen Monat lang gewesen und habe gesehen, dass viele Soldaten getötet worden seien. Die Taliban hätten dort 30 Soldaten geköpft und habe er dann Angst bekommen. Nach seiner Flucht nach Kabul sei er rund einen Monat lang wieder als Soldat arbeiten gegangen. Seine Flucht habe keine Konsequenzen gehabt und habe er dann frei bekommen. Er sei nach Hause gegangen, wo er mit seiner Frau über seine Probleme gesprochen und sich danach zur Flucht aus Afghanistan entschlossen habe.
Der erste Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA vom 14.03.2018, Zl. XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG (Spruchpunkt IV.) wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Der Beschwerdeführer erhob gegen den ordnungsgemäß zugestellten Bescheid fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Diese wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.03.2019, Zl. W263 2191936-1/25E, als unbegründet abgewiesen.
Die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision wurde durch den Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 12.04.2019, Ra 2019/14/0141-5, zurückgewiesen.
2. Der Beschwerdeführer entzog sich seinem Erstverfahren in Österreich und reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen illegal nach Frankreich, wo er am XXXX 2019 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz stellte. Nachdem er nach erfolgter Dublin-Zustimmung Österreichs am XXXX 2019 von Frankreich zurück nach Österreich überstellt wurde, stellte er am selben Tag einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet. Dieser wurde mit Bescheid des BFA vom 10.12.2019 gemäß § 68 Abs. 1 AVG in Hinblick auf die Zuerkennung von internationalen und subsidiären Schutz zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG versagt, eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 52 Abs. 9 FPG zulässig sei, keine Frist zur freiwilligen Ausreise eingeräumt und ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
Diese unbekämpft gebliebene Entscheidung erwuchs am 28.12.2019 in Rechtskraft.
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG wurde durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.11.2019, W265 2191936-2/3E, für rechtmäßig erklärt.
3. Am XXXX 2020 stellte der Beschwerdeführer den zweiten Folgeantrag und wiederholte im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA wurde mittels mündlich verkündetem Bescheid der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.06.2020, W119 2191936-3/2E, wurde die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes für rechtmäßig erklärt.
Mit Bescheid des BFA vom 27.10.2020, Zl. XXXX , wurde der zweite Folgeantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigen neuerlich gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben, welche mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.11.2020, W242 2191936, als unbegründet abgewiesen wurde.
4. Am XXXX 2021 stellte der Beschwerdeführer seinen nunmehr vierten Antrag auf internationalen Schutz aus dem Stande der Schubhaft. Am 15.03.2021 wurde er vor dem BFA niederschriftlich einvernommen und gab auf Nachfrage zur Begründung seines neuerlichen Antrages an, dass nach wie vor die alten Gründe aufrecht seien und er von den Taliban verfolgt werde.
5. Mit dem Bescheid des BFA vom XXXX 2020, Zl. XXXX , wurde wider den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet.
Begründet wurde dies damit, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines Vorverhaltens sich als nicht vertrauenswürdig erwiesen habe und er von der afghanischen Botschaft positiv identifiziert worden sei sowie die Zustimmung für ein Ersatzreisedokument vorliegen würde und aus diesem Grund in absehbarerer Zeit eine Abschiebung nach Afghanistan möglich sei.
Gegen diese ordnungsgemäß zugestellte Entscheidung des BFA wurde vom Beschwerdeführer keine Beschwerde erhoben.
In weiterer Folge wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Akt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG dem zur amtswegigen Überprüfung der Anhaltung gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zum Zweck der Sicherung der Abschiebung insgesamt fünf Mal vorgelegt.
Mit Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.09.2020, G312 2235165-1, vom 19.10.2020, G308 2235165-2, vom 11.11.2020, G307 2235165-3 und vom 07.12.2020, G306 2235165-4, wurde jeweils festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen würden und, dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig sei.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX 2020, G303 2235165-5, wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht mehr vorliegen würden und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft nicht mehr verhältnismäßig sei.
Begründet wurde dies damit, dass die für den XXXX 2020 geplante Abschiebung des Beschwerdeführers aufgrund restriktiver Vorgaben der afghanischen Behörden laut Angabe des BFA storniert und das Laissez-Passer-Dokument seitens der afghanischen Behörden nicht akzeptiert worden sei.
Der Beschwerdeführer sei jedoch seit XXXX 2020, 15:00 Uhr, in Schubhaft angehalten und betrage die Dauer der Anhaltung zum Entscheidungszeitpunkt über sieben Monate. Gemäß § 80 Abs. 4 FPG dürfe die Anhaltung in Schubhaft nur bei Vorliegen der dort in den Z 1 bis 4 genannten alternativen Voraussetzungen höchstens achtzehn Monate dauern. Würden diese Voraussetzungen nicht vorliegen, so beträgt die Schubhaftdauer wie in § 80 Abs. 2 Z 2 FPG als Grundsatz normiert nur sechs Monate.
Da bereits die Zustimmung für das ausgestellte Laissez-Passer-Dokuments seitens der afghanischen Behörden erteilt worden sei, die Identität des Beschwerdeführers geklärt sei und der Beschwerdeführer eine Abschiebung nicht dadurch vereitelt habe, dass er sich der Zwangsgewalt widersetzt habe, würden die Z1 bis 3 des § 80 Abs. 4 FPG jedenfalls nicht zum Tragen kommen.
Im vorliegenden Fall sei die für XXXX 2020 geplante Abschiebung aufgrund dessen gescheitert, dass das Laissez-Passer-Dokument seitens der afghanischen Behörden nicht akzeptiert worden sei. Die Abschiebung des Beschwerdeführers habe demnach nur (mehr) aus vom Beschwerdeführer nicht zu vertretenden Gründen nicht durchgeführt werden können. Dass der Beschwerdeführer im Jahr 2019 untertauchte und rechtswidrig nach Frankreich gereist sei und sich damit dem Zugriff der Behörde entzogen habe, sei für die längere Dauer der gegenständlichen Schubhaft jedoch nicht kausal gewesen.
Wenn kein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Drittstaatsangehörigen und der Verzögerung der Abschiebung festgestellt werden könne, würden aber die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 6 lit. a) RückführungsRL und damit der Ausnahmetatbestand des § 80 Abs. 4 Z 4 FPG für eine Anhaltung in Schubhaft über die Dauer von sechs Monaten (vgl. § 80 Abs. 2 Z 2 FPG) hinaus nicht vorliegen (vgl. VwGH XXXX 2020, Ra 2020/21/0404).
Da gegenständlich die gesetzlich höchstmögliche Dauer der Schubhaft von sechs Monaten überschritten worden sei, würden zum Entscheidungszeitpunkt die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.
6. Der Beschwerdeführer wurde in der Folge aufgrund dieser Entscheidung am XXXX 2020 aus der Schubhaft entlassen. Gleichzeitig wurde jedoch vom BFA aufgrund des Fortbestehens einer Fluchtgefahr mit Bescheid vom XXXX 2020, Zl. XXXX , gemäß § 77 Abs. 1 und 3 iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG über den Beschwerdeführer das gelindere Mittel zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert in der XXXX Unterkunft zu nehmen und sich jeden Tag bei der PI XXXX zu melden.
Am XXXX 2021 sollte der Beschwerdeführer per Charter abgeschoben werden und wurde er aus diesem Grund bereits am XXXX 2021 festgenommen. Am XXXX 2021 musste der Beschwerdeführer jedoch wieder entlassen werden, da seine Abschiebung aus organisatorischen Gründen storniert werden musste. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer erneut angewiesen in der XXXX Unterkunft zu nehmen.
7. Am XXXX 2021 versuchte der Beschwerdeführer illegal nach Deutschland auszureisen. Er wurde jedoch von den deutschen Behörden kontrollierten und in der Folge den österreichischen Behörden übergeben.
Am XXXX 2021 wurde der Beschwerdeführer von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes befragt und gab er im Rahmen der Befragung an, dass er nach Deutschland gefahren sei, da seine Abschiebung nach Afghanistan schon drei Mal abgesagt worden sei. Zwar würde er gerne in Österreich bleiben wollen, jedoch sei dies nicht möglich, weshalb er in seine Heimat zurückkehren müsse.
Hinsichtlich seiner persönlichen Umstände im Bundesgebiet führte der Beschwerdeführer auf Nachfrage aus, dass er gesund sei und keine Medikamente benötigen würde, in Österreich über keinen Wohnsitz verfügen würde und auch keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte habe.
Gründe, die einer mögliche Schubhaft entgegenstehen würden, würden nicht vorliegen und werde er sich im Falle seiner Entlassung wieder in die XXXX begeben.
Mit Mandatsbescheid des BFA vom XXXX 2021, Zl. XXXX , wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.
Begründend wurde Folgendes ausgeführt:
„Entsprechend ihres bisherigen Verhaltens begründen folgende Kriterien in Ihrem Fall eine Fluchtgefahr:
In Ihrem Fall kommen vor allem die Ziffern 1, 3, 5, 7, 8 und 9 zum Tragen.
Ziffer 1: Die Ihnen als mittelloser und schutzsuchender Fremder aus öffentlichen Mitteln der Grundversorgung finanzierte und zur Verfügung gestellte Unterkunft, haben Sie am XXXX 2015 – XXXX 2015, XXXX 2019 – XXXX 2019 und am XXXX 2019 – XXXX 2020 ohne Abmeldung nach unbekannt verlassen und tauchten in Österreich unter. Sie haben dadurch Ihre behördliche Außerlandesbringung (Abschiebung) zumindest mit temporären Erfolg vereitelt. Sie sind auch schon einmal illegal nach Frankreich ausgereist und wollten sich nun nach Deutschland absetzen.
Ziffer 3: Gegen Sie besteht bereits mit rechtskräftiger Wirkung vom 28.12.2019 eine Rückkehrentscheidung iVm einem auf 2 Jahren befristeten Einreiseverbot gültig ab Ausreise.
Ziffer 5: Zum Zeitpunkt Ihres dritten Asylantrages in Österreich am XXXX 2020 befand sich bereits eine gegen Sie im asylrechtlichen Verfahren erlassene und in Rechtskraft erwachsene Rückkehrentscheidung iVm Einreiseverbot im Rechtsbestand.
Ziffer 7: Sie wollten illegal nach Deutschland ausreisen und sich so einer Abschiebung entziehen. Sie sind daher Ihrer täglichen Meldeverpflichtung und der Unterkunftnahme in der XXXX nicht nachgekommen.
Ziffer 8: Aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann seitens der Behörde keine aktive Mitwirkung in den Asylverfahren erkannt werden. Insbesondere die Tatsache des Abtauchens in die völlige Anonymität und die dadurch hervorgerufene Verzögerung des weiteren Ablaufes des Verfahrens müssen hier als grober Verstoß der gebotenen Mitwirkungspflicht gewertet werden.
Ziffer 9: Sie sind in Österreich nicht integriert, haben hier keine Familienangehörigen. Sie verfügen auch nicht über ausreichende Bargeldmittel und üben keine legale Erwerbstätigkeit aus.
Daher ist die Entscheidung auch verhältnismäßig, insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Sie von Seiten der Botschaft von Afghanistan positiv identifiziert wurden und eine Zustimmung für die Ausstellung eines Ersatzreisedokumentes für Sie vorliegt und in weiterer Folge Ihre behördliche Abschiebung nach Afghanistan vorgesehen ist.
Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung ist erforderlich, da Sie sich aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch hinkünftig nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten.
Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des neuerlichen Untertauchens vorliegt.
Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen.
Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergibt daher in Ihrem Fall, dass Ihr privates Interesse an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen hat.
Sie verfügen zwar nicht über hinreichende Barmittel sich Ihren Unterhalt aus Eigenem zu finanzieren, haben sich aber als höchst mobil erwiesen und es war Ihnen bisweilen auch möglich in der Anonymität zu leben und irreguläre Sekundärmigrationen zwischen unterschiedlichen Mitgliedstaaten der EU zu bewerkstelligen. Somit besteht seitens der Behörde das begründete Risiko, dass Sie sich wie schon nach Ihrem ersten Asylverfahren und auch anlässlich Ihrer Aufenthalte in diversen MS wiederum in der Anonymität absetzen könnten, um Ihrer Abschiebung in Ihren Herkunftsstaat Afghanistan weiterhin mit Erfolg zu entgehen. So haben Sie in Bezug auf Ihre Mobilität ein geradezu proaktives Verhalten gezeigt. Im Zeitraum zwischen XXXX 2015 und XXXX 2015 waren Sie schon einmal in die Anonymität abgetaucht. Ein weiteres Mal von XXXX 2019 bis XXXX 2019 und ein drittes Mal von XXXX 2019 – XXXX 2020. So konnten Sie nach Ihrer illegalen Weiterreise nach Frankreich Ihre behördlich geplante Rücküberstellung nach Österreich durch Ihre Flucht verhindern. Sie wurden von den französischen Behörden nach Österreich am XXXX 2019 rücküberstellt. Und nun versuchten Sie ein weiteres Mal in andere EU-Staaten abzutauchen. Sie wurden am XXXX 2021 von den deutschen Behörden nach Ihrer Einreise nach Deutschland festgenommen und schlussendlich am XXXX 2021 nach Österreich rücküberstellt.
Mit der Effektuierung Ihrer Ausreise ist zeitnah zu rechnen, jedenfalls aber innerhalb der gesetzlich zulässigen Schubhaftdauer.
Sie verfügen abseits der Ihnen zuletzt aus öffentlichen Mitteln finanzierten Unterkunft über keinen gesicherten Wohnsitz in Österreich.
Sie entzogen sich bereits mehrmals durch Untertauchen dem fremdenrechtlichen Verfahren der österreichischen Behörde.
Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung ist erforderlich, da Sie sich aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch in Zukunft nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten.
Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.
Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima - ratio – Maßnahme darstellt. Es ist daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit. Dabei kommt die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund Ihrer finanziellen Situation schon von vornherein nicht in Betracht.
Doch auch was die Unterkunftsnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann in Ihrem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden.
Sie haben sich bisher in keinster Weise an die österreichische Rechtsordnung gehalten. Sie haben bereits durch verschiedenste Mittel versucht eine Abschiebung zu umgehen (Untertauchen; unberechtigter Asylfolgeantrag). Es ist leider nicht anzunehmen, dass Sie jetzt, wo es um Ihre ehestmögliche Abschiebung geht, Anordnungen der Behörde respektieren werden, wie Sie auch durch Ihren Ausreiseversuch bewiesen haben. Es besteht erhebliche Fluchtgefahr.
Wie oben ausführlich dargelegt, besteht in Ihrem Fall aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es liegt somit eine ultima – ratio – Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordert und eine Verfahrensführung, während derer Sie sich in Freiheit befinden, ausschließt.
Es ist weiters aufgrund Ihres Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen, wie Ihre Haftfähigkeit, gegeben sind.
Sie sind gesund. Eine schwere bzw. lebensbedrohliche Krankheit konnte jedenfalls nicht festgestellt werden.
Ihre Haftfähigkeit ist gegeben.
Die Behörde gelangt daher zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten ist.“
Mit Verfahrensanordnung des BFA vom XXXX 2020 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.
Der Mandatsbescheid und die Verfahrensanordnung wurden dem Beschwerdeführer persönlich in der Schubhaft am selben Tag ausgefolgt.
8. Am XXXX 2021 stellte der Beschwerdeführer schließlich aus dem Stande der Schubhaft seinen mittlerweile vierten Antrag auf internationalen Schutz. Begründet wurde dieser damit, dass nach wie vor dieselben Gründe seiner Rückkehr nach Afghanistan, nämlich eine Verfolgung durch die Taliban, entgegenstehen würde.
In weiterer Folge fertigte das BFA am XXXX 2021 einen Aktenvermerk zur Aufrechterhaltung der Schubhaft an, welcher dem Beschwerdeführer auch zur Kenntnis gebracht wurde. Begründend wurde ausgeführt, dass davon auszugehen sei, dass gegenständlicher Antrag auf internationalen Schutz mit Verzögerungsabsicht gestellt worden sei, zumal der Beschwerdeführer bereits im Jahr 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, welcher durch alle Instanzen abgewiesen wurde. Auch habe er die Frist für eine freiwillige Ausreise nicht wahrgenommen, sondern sei nach Frankreich weitergereist, wo er am XXXX 2019 einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Nach seiner Rücküberstellung nach Österreich stellte der Beschwerdeführer zum wiederholten Mal einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag, genauso wie der zweite Folgeantrag, wurde wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurückgewiesen und wurde eine Rückkehrentscheidung samt zweijährigem Einreiseverbot erlassen. Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden jeweils mit Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes als unzulässig abgewiesen. Aufgrund dieses Sachverhalts geht das BFA davon aus, dass der neuerliche Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, um der Schubhaft und somit einer Abschiebung zu entgehen.
9. Gegen den Mandatsbescheid des BFA vom XXXX 2021, Zl. XXXX , wurde vom Vertreter des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 12.03.2021 fristgerecht Beschwerde erhob.
Zur Begründung der Beschwerde wurde ausgeführt, dass die weltweiten Flugreisebeschränkungen im Zusammenhang mit der Verhältnismäßigkeit einer weiteren Aufrechterhaltung einer Schubhaft zu berücksichtigen seien. Das BFA könne nicht davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer in einer zumutbaren Frist nach Afghanistan abgeschoben werden könne, da dies bereits im Falle des Beschwerdeführers drei Mal gescheitert sei. In diesem Zusammenhang wurde beantragt, dass das BFA als Zeuge geladen werde, um abzuklären, weshalb die Abschiebungen gescheitert seien. Aus diesem Grund fehle es an einer Verhältnismäßigkeit, da die Dauer der Schubhaft aus diesem Grund nicht absehbar sei. Darüber hinaus wurde in Bezug auf eine Fluchtgefahr ausgeführt, dass der Beschwerdeführer an einem schmerzenden Fuß leide. Da er in Österreich nicht sozialversichert sei, wollte sich der Beschwerdeführer in Deutschland medizinische Hilfe holen. Im Rahmen des gelinderen Mittels hätte er oftmals die Möglichkeit gehabt, sich dem Verfahren zu entziehen, was er jedoch nicht gemacht habe, weshalb auch keine Fluchtgefahr in der Person des Beschwerdeführers bestehe. Weiters seien die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet über keine Familienangehörigen verfügen würde bzw dass er keine nennenswerten sozialen Kontakte habe nicht nachvollziehbar, zumal der Beschwerdeführer über eine Lebensgefährtin im Bundesgebiet verfügen würde. Im gegenständlichen Fall kann jedenfalls mit der Verhängung eines gelinderen Mittels das Auslangen gefunden werden.
Es wurde die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung und die Gewährung von Verfahrenshilfe beantragt.
10. Gegenständlicher Akt wurde der Abteilung L514 am 12.03.2021 zugewiesen.
11. Das BFA erstattete am 15.03.2021 folgende Stellungnahme:
„Eingangs sowie im Besonderen wird auf den im Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, ZI.: XXXX vom XXXX 2021 umfassend dokumentierten Sachverhalt verwiesen.
Festgehalten wird, dass ergänzend zum bereits bestehenden, umfassend Akt der BF abermals in Schubhaft genommen werden musste, da ersieh dem Gelinderen Mittel entzogen hatte.
Zu den Punkten der Schubhaftbeschwerde wird wie folgt Stellung genommen:
Abschiebung 3 Mal nicht möglich
Es wird vorweg klargestellt, dass der BF bis zur Überführung in das Gelindere Mittet am XXXX 2021 rechtmäßig in Schubhaft war. Dies wurde mehrmals im Zuge von amtswegigen Schubhaftprüfungen geprüft und - letztmalig durch d. BVwG am 07.12.2020 - bestätigt.
Nach Feststellung d. BVwG Gz.: G303 2235165-5/5Z bei der amtswegigen Überprüfung der andauernden Anhaltung in Schubhaft gern. §22a Abs. 4 BFA-VG wonach,...
Auszug aus oa. Zit. Erkenntnis:
A} Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft nicht verhältnismäßig ist.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
wurde der BF mittels rechtskräftigen Bescheid Gz.: XXXX (in 1. Instanz) des BFA v. XXXX 2021 (Zustellung am 08.01.21 nach Verbüßung Verwaltungsstrafhaft) in den Stand des Gelinderen Mittels überführt.
Da beim 3. Abschiebungstermin eine maßgebliche Anzahl an Begleitbeamten gesundheitlich erkrankt sind, musste die bereits organisierte Abschiebung des BF trotz des bereits in Umsetzung befindlichen Abschiebungsprozedere auf Grund einer Prioritätenreihung (aktuell befindliche Schubhäftlinge wurden tatsächlich am XXXX 2021 außer Landes gebracht) rückgängig gemacht werden. Der BF verblieb somit weiterhin gern. oa. rechtskräftigen Bescheid im Gelinderen Mittel.
Zusammenfassend die Abschiebungstermine mit Stornierungsgründe:
? Termin am XXXX 2019 - Freiwillige Rückkehr wurde durch Rechtsberatung auf Grund des Untertauchens d. BF nicht wahrgenommen.
? Termin am XXXX 2020 - Restriktive Vorgaben seitens d. afghanischen Behörden - nur Schubhäftlinge mit vorliegendem afghanischen Reisepass konnten überstellt werden (Anm.: EU-Laissez Passer wurde wider Erwarten nicht anerkannt) - bis dahin rechtskräftige Schubhaft wurde von BFA in Gelinderes Mittel geändert.
Tatsächliche Abschiebung -10 Personen abgeschoben
Am XXXX 2020 - Überprüfung d. Schubhaft gern. Erkenntnis Gz.: G303 2235165-5/7E- Übergang in den Stand des Gelinderen Mittels nach Feststellung d. Unverhältnismäßigkeit der SH zum Zeitpunkt der Prüfung
? Termin am XXXX 2021 - beabsichtigte Abschiebung aus dem Stand des Gelinderen Mittels - auf Grund Erkrankung Begleitpersonal weiteres Storno
Tatsächliche Abschiebung -16 Personen abgeschoben (2 Personen inkl. BF mussten storniert werden)
Anm.: Wäre der BF weiterhin im Stande der Schubhaft gewesen, wäre er auch bereits abgeschoben worden.
Beabsichtigte weitere Vorgehensweise seitens BFA:
Auf Grund eines mittlerweile 4. Antrages auf Internationalen Schutz v. XXXX 2021 verzögert dies abermals die tatsächliche Abschiebung, sodass sich der nächst mögliche Abschiebungstermin am XXXX 2021 als realistische Abschiebemöglichkeit darstellt.
Weiters wurde für den heutigen Tag am 15.03.2021 um 14.00h eine Einvernahme zur Bearbeitung des laufenden INT-Verfahrens anberaumt und die Übergabe der Mitteilung gern. §29 Abs. 3 iVm §15a AsylG zur beabsichtigten, nochmaligen Aberkennung des Faktischen Abschiebeschutzes ist in Vorbereitung.
Am 19.03. 2021 wurde für etwaige Zusatzfragen und für eine etwaige mündliche Verkündung des Bescheides zum laufenden INT-Verfahren ein weiterer Ladungstermin organisiert, sodass einer tatsächlichen Abschiebung am XXXX 2021 von Seiten des BFA nichts mehr im Wege steht
Gesundheitliche Gründe als Grund für den Entzug aus dem Gelinderen Mittel
Wie in den Beilagen klar ersichtlich, muss der Grund „schmerzhafter Fuß" als reine Schutzbehauptung beurteilt werden.
Der BF stand über Monate hinweg unter ärztlicher Versorgung während der Schubhaft v, XXXX 21 bis XXXX 20. Des weiteren stand dem BF im Stande des Gelinderen Mittels kostenlose, ärztliche Versorgung zur Verfügung - offiziell „an der informationstafei des Gelinderen Mittels angebracht". Bei einer akuten Erkrankung oder Verletzung wird der Rettungsdienst verständigt.
Darüber hinaus scheint es als äußerst unglaubwürdig, dass der BF mit den behaupteten Schmerzen am Fuß den Entzug aus dem Gelinderen Mittel bis nach Deutschland antrat und tatsächlich bis zur Grenze verwirklichte, jedoch im Zuge seiner ihm auferlegten Meldeverpflichtung bei der PI XXXX es unterlassen hatte, nach ärztlicher Versorgung zu fragen.
Behauptete Lebensgefährtin Fr. XXXX
Der BF gibt in der Beschwerdeschrift die Beziehung zu seiner behaupteten Lebensgefährtin, Fr. XXXX , whft. In XXXX an - in dem er die Unverhältnismäßigkeit der Schubhaft beanstandet.
Selbst wenn, trotz bereits umfangreicher Kenntnis über die sozialen Gegebenheiten und auch in 2. Instanzlicher Entscheidung auch rechtlich gewürdigten Umstände die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin sich als relevant ergeben würden, so wird dennoch klar festgehalten:
? Der BF hat bewusst und vorsätzlich versucht das Bundesgebiet zu verlassen, wohl wissend, dass es rechtlich auf Grund der rechtskräftig negativen Entscheidungen keine legale Rückkehrmöglichkeit nach Österreich gibt. Folglich entfernte sich der BF auch von seiner vermeintlichen Lebensgefährtin, ohne offensichtlich eine ernsthafte Fortführung seiner Beziehung in Erwägung zu ziehen.
? Darüber hinaus war der BF spätestens seit der letzten Beurteilung (letztmalig in 2. Instanz beurteilt durch d. BVwG am 07.12.2020 Gz.: G306 2235165-4/8E - wonach die Behauptung Ihrer Lebensgefährtin im Zuge der Rechtmäßigkeit der Schubhaft zu diesem Zeitpunkt erkannt wurde) stets in Kenntnis seiner bevorstehenden Abschiebung und es musste dem BF bewusst sein, dass diese Beziehung in Österreich keinen Fortbestand finden konnte.
? Ergänzend sei auch hier nochmals die Schutzbehauptung seiner Ausreise - auf Grund der Schmerzen am Fuß-angeführt.
Von Seiten des BFA, RD Oberösterreich, wurde - nach der erfolgten Asylantragstellung des BF im Stande der Schubhaft - der vorliegende Sachverhalt, auf das Vorliegen der Voraussetzungen einer weiteren Anhaltung des Herrn XXXX Im Stande der Schubhaft, im Lichte der Rechtsnorm des § 76 Abs. 6 FPG einer Prüfung unterzogen. In erfolgter Rücksprache im 4-Augen-Prinzip mit dem Journaldienst des BFA EAST-West wurde dabei prognostiziert, dass der gegenständliche Asylantrag von dem BF offensichtlich unbegründet und in der Absicht der Vereitelung bzw. Verzögerung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Der diesbezügliche Aktenvermerk wurde dem BF am XXXX 2021 nachweislich zur Kenntnis gebracht.
Die vom BF in der Beschwerdeschrift geäußerte Absicht, im Falle einer Entlassung aus dem Stande Schubhaft in das Gelindere Mittel übergeführt zu werden, wird dahingehend entgegengetreten, dass sowohl auf Grund des Vorverhaltens des BF als auch auf Grund der massiven Unglaubwürdigkeit d. Aussagen d. BF und der daraus resultierenden, mangelnden Paktfähigkeit des BF nach Ansicht der belangten Behörde kein Glauben geschenkt werden kann.
Infolge dessen, dass die vom BF durch sein vorgetragenes Asylbegehren gehegte Hoffnung auf eine Legalisierung seines irregulären Aufenthaltes in Österreich nicht erfüllt wurde, gepaart mit der nun drohenden, behördlichen Abschiebung von Österreich in seinen Herkunftsstaat Afghanistan, läuft er Gefahr die bisher von Ihm eingesetzten finanziellen Mittel und sein persönliches Engagement für seine Migration nach Europa bzw. bis nach Österreich, als ertraglose Aufwendung abschreiben zu müssen. Dieser Umstand trägt zur Feststellung einer-in der Gesamtschau des individuell vorliegenden Sachverhaltes wie auch seines Verhaltens und seiner Motivation - intensiven und akuten Sicherungsnotwendigkeit nach den Bestimmungen des FPG bei.
Der BF verfügt zwar nicht über hinreichende Barmittel sich seinen Unterhalt aus Eigenem zu finanzieren, hat sich aber als mobil erwiesen und es war Ihm bisweilen auch möglich irreguläre Sekundärmigrationen zwischen unterschiedlichen europäischen Staaten, darunter zum Teil Mitgliedstaaten der EU, selbstorganisiert zu bewerkstelligen. Somit besteht seitens der Behörde das begründete Risiko, dass ersieh in der Anonymität absetzen um sich seiner Abschiebung abermals in seinen Herkunftsstaat Afghanistan mit Erfolg zu entgehen bzw. um diese zumindest temporär zu verzögern.
Selbst bei der nochmaligen Anordnung eines Gelinderen Mittels unter Anwendung von verschärften Auflagen, z.B.: wie bereits erfolgt - die behördliche Anordnung zur Unterkunftsaufnahme in einem von der Behörde bestimmten Wohnobjekt unter gleich gehender Anordnung einer periodisch kurz gehaltenen Meldeverpflichtung bei der nächstgelegenen Sicherheitsdienststelle, wäre der vom BF bereits unter Beweis gestellten äußerst hohen räumlichen Mobilität und Selbstorganisation kein effektiver Einhalt geboten. Demzufolge könne - nach Ansicht der belangten Behörde - somit das von der Behörde zu verfolgende finale Ziel, nämlich die Sicherung der Abschiebung nach Afghanistan - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - auch nicht adäquat erreicht werden. Die Möglichkeit einer im Rahmen des Gelinderen Mittels allfällig darüberhinausgehenden zusätzlich anwendbaren Auflage, nämlich eine finanzielle Sicherheit bei der Behörde in einer dem individuell in diesem Fall vorliegenden Sachverhalt angemessenen Höhe zu hinterlegen, scheidet in diesem Fall, und zwar in Anbetracht der finanziellen Situation des BF ohnehin aus.
Ergänzend wird noch auf das Verhalten d. BF in der Anhaltung im Stande der Schubhaft hingewiesen, wonach folgende Sicherheitsvermerke in der Aufenthaltsinformation dokumentiert wurden:
Der oa. Abschiebungstermin nach Afghanistan kann aus ho. Sicht nach derzeitigem Wissensstand als realistisch betrachtet werden.
Demzufolge liegt, in Anbetracht der Gesamtheit der individuellen Kriterien in diesem Einzelfall, mit welchen sich das BFA bereits im bekämpften Schubhaftbescheid auseinandergesetzt hat und welche einer entsprechend umfassenden Gesamtbeurteilung zugeführt worden sind, gepaart mit dem nachfolgenden Asylgesuch des BF —nach Ansicht der belangten Behörde - jedenfalls und mit gesteigertem Ausmaß weiterhin eine Notwendigkeit und im Hinblick auf die erst relativ kurze Zeit der Anhaltung in Schubhaft und die in Aussicht stehende und bereits auch terminisierte Abschiebung in den HKS Afghanistan, auch Verhältnismäßigkeit vor.
Seitens des BFA wird beantragt die gegenständliche Schubhaftbeschwerde kostenpflichtig abzuweisen und gern. § 35 VwGVG iVm § 1Z 3 bis 5 VwG-Aufwandersatzverordnung folgende Kosten zuzusprechen:
? Ersatz des Vorlageaufwandes der Belangten Behörde als obsiegende Partei: € 57,40
? Ersatz des Schriftsatzaufwandes der Belangten Behörde als obsiegende Partei: € 368,80
? Sowie gegebenenfalls Ersatz des Verhandlungsaufwandes der Belangten Behörde als obsiegende Partei: € 461,00“
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt:
1.1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsbürger, namens XXXX und geboren am XXXX , wurde am XXXX 2021 aus Deutschland rückübernommen.
Der Beschwerdeführer befindet sich seit XXXX 2021, 15:50 Uhr, auf Grund des gegenständlich angefochtenen Schubhaftbescheides durchgehend in Schubhaft. Diese wird derzeit im PAZ XXXX vollzogen. Der Beschwerdeführer ist gesund und haftfähig.
Der Beschwerdeführer verfügt über keine Familie und kein soziales Netz in Österreich. Er ist mittellos und in Österreich nicht integriert. Weiters verfügt er im Bundesgebiet über keine offizielle Meldeadresse.
Der Beschwerdeführer hat bis zum Entscheidungszeitpunkt keine Schritte gesetzt, um sich aus eigenem ein Reisedokument zu beschaffen.
Die Erlangung/Beschaffung eines Heimreisezertifikates für Afghanistan wird faktisch rasch vollzogen, zumal der Beschwerdeführer bereits von den afghanischen Behörden positiv identifiziert wurde.
Es wurde bereits drei Mal versucht, den Beschwerdeführer nach Afghanistan abzuschieben, wobei anlässlich des ersten Termins am XXXX 2019 die freiwillige Rückkehr durch Rechtsberatung aufgrund Untertauchens nicht wahrgenommen werden konnte. Der zweite Termin war am XXXX 2020, jedoch scheiterte dieser Termin an den restriktiven Vorgaben der afghanischen Behörden, da nur Schubhäftlinge mit afghanischen Reisepässen überstellt werden konnten. Die dritte Abschiebung war für XXXX 2021 vorgesehen, jedoch musste der Termin aufgrund der Erkrankung von Begleitpersonen storniert werden.
Der Beschwerdeführer befand sich bereits von XXXX 2020 bis XXXX 2020 in Schubhaft. Aufgrund der Überschreitung der Höchstdauer der Anhaltung in Schubhaft wurde der Beschwerdeführer mit Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX 2020 aus der Schubhaft entlassen. Mit Bescheid des BFA vom gleichen Tag wurde wider den Beschwerdeführer ein gelinderes Mittel erlassen.
1.2. Der Beschwerdeführer stellte am XXXX 2021 aus dem Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz. Eine Einvernahme vor dem BFA fand am 15.03.2021 statt und wird in Aussicht genommen, dass am 19.03.2021 dem Verfahren des Beschwerdeführers der faktische Abschiebeschutz aberkannt wird.
Der Beschwerdeführer stellte bereits drei Mal ( XXXX 2015, XXXX 2019 und XXXX 2020) in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurden alle drei Anträge negativ beschieden.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
2.2. Der oben festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens:
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese der Identifizierung durch die afghanischen Behörden, der in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.
Die Feststellung zur Rückübernahme aus Deutschland ergibt sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt.
Die Feststellungen zur Anhaltung und zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Akteninhalt und entsprechen dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes (Einsicht in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung). In der Beschwerde wurde in diesem Zusammenhang erwähnt, dass der Beschwerdeführer an Schmerzen an den Füßen leiden würde. Medizinische Unterlagen oder weitere, detailliertere Angaben hiezu fehlen jedoch. Auch gab der Beschwerdeführer im Rahmen seiner niederschriftlichen Befragungen in den vorausgegangenen Verfahren an, gesund zu sein und kamen auch im Zuge der bisherigen Anhaltung in Schubhaft keine Hinweise auf eine Erkrankung hervor, weshalb davon auszugehen ist, dass sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers nicht geändert hat bzw, dass keine behandlungsbedürftige Erkrankung vorliegt.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen und Lebensumständen des Beschwerdeführers in Österreich, insbesondere zur fehlenden privaten, familiären und sozialen Verankerung, zum Fehlen hinreichender finanzieller Mittel sowie zum Fehlen einer steten Unterkunft, beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers, auf den entsprechenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid sowie auf der Einsicht in das Zentrale Melderegister (ZMR). In Bezug auf die Ausführungen in der Beschwerde, dass der Beschwerdeführer in Österreich eine Lebensgefährtin habe, ist festzuhalten, dass er selbst im Rahmen seiner Befragung im Zuge der Rückübernahme aus Deutschland bzw im Rahmen der neuerlichen Antragstellung auf internationalen Schutz eine Freundin bzw eine Lebensgefährtin nicht (mehr) erwähnt wurde. Auch ist in diesem Zusammenhang jedenfalls festzuhalten, dass zu keiner Zeit ein gemeinsamer Wohnsitz begründet wurde. Deshalb ist das BFA zu Recht von fehlenden familiären Bindungen im Bundesgebiet ausgegangen.
Die Feststellungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates im Falle des Beschwerdeführers beruhen auf den schlüssigen Ausführungen des BFA.
Die fehlende Rückkehrwilligkeit beruht auf dem Gesamtverhalten des Beschwerdeführers, zumal er bis zum Entscheidungszeitpunkt keine Schiritte gesetzt hat, selbstständig Österreich in Richtung Afghanistan zu verlassen. Vielmehr reiste er, wenn überhaupt nach Frankreich oder Deutschland. Aus diesem Verhalten muss jedoch – wie auch aus den Zahlreichen Anträgen auf internationalen Schutz – geschlossen werden, dass der Beschwerdeführer an einer ernstzunehmenden Rückkehr in seine Heimat nicht interessiert ist, auch wenn ihm die fehlgeschlagenen Abschiebungen nicht zuzurechnen sind. Somit kann diesfalls nicht von einer Rückkehrwilligkeit des Beschwerdeführers ausgegangen werden.
2.3. Der Beschwerdeführer ist in der Beschwerde den im angefochtenen Bescheid diesbezüglich getroffenen Feststellungen nicht substantiiert entgegengetreten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."
3.2. Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:
"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.
(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."
Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.
3.3. Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."
3.4. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, 2008/21/0647; 30.08.2007, 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle -Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, 2005/21/0301; 23.09.2010, 2009/21/0280).
"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung d