TE Bvwg Beschluss 2021/3/23 W260 2196967-1

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Veröffentlicht am 23.03.2021
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Entscheidungsdatum

23.03.2021

Norm

AlVG §36
AlVG §38
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §7 Abs4

Spruch


W260 2196967-1/13E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Vorsitzender und die fachkundige Laienrichterin Mag. Melanie STÜBLER und den fachkundigen Laienrichter Alexander WIRTH als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Laxenburger Straße vom 01.02.2018, VSNR. XXXX , in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 02.05.2018, GZ: 2018-0566-9-000572, betreffend Anspruch auf Notstandshilfe ab 28.10.2017 gemäß §§ 38 iVm 36 AlVG und § 1 NH-VO, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.02.2021 beschlossen:

A)

Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX (im Folgenden „Beschwerdeführer“) stellte am 03.04.2017 einen Antrag auf Arbeitslosengeld und wurde ihm Arbeitslosengeld ab 01.04.2017 in Höhe von € 38,58 täglich zuerkannt.

2. Der Beschwerdeführer stellte am 23.10.2017 (geltend für den 28.10.2017) beim Arbeitsmarktservice (im Folgenden „AMS“ oder „belangte Behörde“) einen Antrag auf Notstandshilfe. Dabei gab er an, dass er mit seiner Lebensgefährtin in einem gemeinsamen Haushalt leben würde. Er legte Lohnbescheinigungen über das Einkommen seiner Lebensgefährtin vor.

3. Dem Beschwerdeführer wurde nach Prüfung seiner Angaben Notstandshilfe in Höhe von € 4,49 täglich zuerkannt.

4. Mit Schreiben vom 27.12.2017 beantragte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde die Ausstellung eines Bescheides.

5. Mit gegenständlichem Bescheid der belangten Behörde vom 01.02.2018 wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer gemäß §§ 20 Abs. 1, 21 Abs. 1 bis 5 iVm §§ 38 und 36 Abs. 1 AlVG sowie § 1 NH-VO für die Zeiträume ab 28.10.2017 Notstandshilfe in Höhe von täglich § 4,49 gebührt.

6. Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz datiert vom 20.02.2018, bei der belangten Behörde persönlich abgegeben am 09.03.2018, Beschwerde.

7. Im Rahmen des Beschwerdevorprüfungsverfahrens wurden Erhebungen durchgeführt und der Sachverhalt einer neuerlichen Prüfung unterzogen.

8. Mit einem weiteren Bescheid der belangten Behörde vom 20.04.2018 wurde der Bezug der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 27.12.2017 bis 31.03.2018 gemäß §§ 38 iVm § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt und gemäß §§ 38 iVm § 25 Abs. 1 AlVG wurde der Beschwerdeführer zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe in Höhe vom € 3.002,70 verpflichtet und folglich hg. zu GZ W260 2197008-1 protokolliert.

9. Im Verfahren über die gegenständliche Beschwerde datiert vom 20.02.2018, persönlich eingebracht bei der belangten Behörde am 09.03.2018, erließ die belangte Behörde am 02.05.2018 gemäß § 14 VwGVG iVm §§ 56 Abs. 2 und 58 AlVG eine Beschwerdevorentscheidung, mit der der Bescheid wie folgt abgeändert wurde: „Gemäß den § 33 AlVG 1977 (BGBL.Nr. 609/1977-AlVG) in Verbindung mit den § 1 der auf Grund des § 36 Abs. 1 AlVG erlassenen Verordnung betreffend Richtlinien für die Gewährung der Notstandshilfe/Notstandshilfeverordnung (Notstandshilfe-VO, BGBl. Nr. 352/1973), beide in geltender Fassung haben Sie vom 28.10.2017 bis 31.12.2017 Anspruch auf Notstandshilfe in der Höhe von täglich € 4,49 und ab 01.01.2018 in der Höhe von täglich € 4,82“.

10. Der Beschwerdeführer erstattete am 18.05.2018 einen Vorlageantrag, worin er im Wesentlichen bestritt, im verfahrensgegenständlichen Zeitraum mit Fr. XXXX in einer Lebensgemeinschaft gelebt zu haben.

11. Mit Schreiben vom 15.05.2018, eingelangt bei der belangten Behörde am 18.05.2018, wurde Beschwerde gegen den Bescheid vom 20.04.2018 erhoben.

12. Der gegenständliche Vorlageantrag vom 18.05.2018 und die gegenständliche Beschwerde vom 20.02.2018/ 09.03.2018 wurden gemäß § 15 Abs. 2 letzter Satz VwGVG dem Bundesverwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens am 30.05.2018 beim Bundesverwaltungsgericht einlangend vorgelegt.

13. Die belangte Behörde legte auch die Beschwerde vom 18.05.2018 dem Bundesverwaltungsgericht am 30.05.2018 vor.

14. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes an die belangte Behörde vom 13.06.2018 wurde, betreffend die Beschwerdevorentscheidung vom 02.05.2018, um Nachreichung des Zustellnachweises ersucht. Weiters wurde um Bekanntgabe gebeten, wann und in welcher Form die Beschwerde vom 20.02.2018 gegen den Bescheid des AMS vom 01.02.2018 eingebracht wurde. Sollte die Beschwerde per Post eingebracht worden sein, wurde um Nachreichung des Kuverts gebeten.

15. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 21.06.2018 wurde der Rückschein des Bescheides vom 01.02.2018, die Beschwerde mit Eingangsstempel 09.03.2018 und der Rückschein der Beschwerdevorentscheidung übermittelt und von der belangten Behörde selbst ausgeführt, dass der zuständige Mitarbeiter des AMS ganz offensichtlich übersehen habe, dass der erstinstanzliche Bescheid des AMS Laxenburger Straße vom 01.02.2018 entgegen der sonst üblichen Vorgehensweise (aus ökonomischen Gründen werden erstinstanzliche Bescheide normalerweise mit normalem Postkuvert ohne Zustellnachweis oder über das eAMS-Konto zugestellt) nachweislich per Post zugestellt wurde (Hinterlegung am 05.02.2018, erster Tag der Abholfrist 06.02.2018). Der Beginn der Abholfrist dieses Bescheides sei der 06.02.2018 gewesen und die Frist zur Einbringung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid der 06.03.2018. Der Beschwerdeführer habe seine Beschwerde jedoch erst am 09.03.2018 persönlich beim AMS Laxenburger Straße eingebracht und sei zur Bestätigung der Einbringung an diesem Tag in der Poststelle das Tagesdatum angeführt.

16. Am 26.02.2021 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des Beschwerdeführers, eines bevollmächtigten Vertreters der belangten Behörde und der Zeugin XXXX eine mündliche Beschwerdeverhandlung abgehalten und gegenständliches Beschwerdeverfahren mit dem zu GZ W260 2196967-1 protokollierten Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung verbunden.

17. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.03.2021 zu GZ W260 2197008-1 wurde der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 01.02.2018 wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer gemäß §§ 20 Abs. 1, 21 Abs. 1 bis 5 iVm §§ 38 und 36 Abs. 1 AlVG sowie § 1 NH-VO für die Zeiträume ab 28.10.2017 Notstandshilfe in Höhe von täglich € 4,49 gebührt.

Dieser Bescheid der belangten Behörde vom 01.02.2018 wurde dem Beschwerdeführer am 05.02.2018 mittels Hinterlegung zugestellt. Der Beginn der Abholfrist dieses Bescheides war der 06.02.2018. Die Frist zur Einbringung einer Beschwerde beträgt vier Wochen und begann diese mit Beginn der Abholfrist am 06.02.2018 zu laufen und endete die Frist zur Einbringung einer Beschwerde am 06.03.2018.

Die Beschwerde, datiert mit 20.02.2018, wurde am 09.03.2018 persönlich beim AMS Laxenburger Straße eingebracht.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verwaltungsakt der belangten Behörde und des Bundesverwaltungsgerichts sowie aus den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Feststellungen zum Zustellvorgang des angefochtenen Bescheides beruhen auf dem vorliegenden unbedenklichen und gut lesbaren RSb-Rückschein. Dieser stellt als Zustellschein eine öffentliche Urkunde dar, welche die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich hat (vgl. dazu näher die nachfolgende rechtliche Beurteilung).

Die Feststellung, dass die Beschwerde das Datum „20.02.2018“ aufweist, aber erst am 09.03.2018 persönlich bei der belangten Behörde eingebracht wurde ergibt sich aus dem auf der Beschwerde erkennbaren Poststempel der Poststelle des AMS Laxenburger Straße vom 09.03.2018.

Die belangte Behörde hat – nach Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht – mit Schreiben vom 21.06.2018 den Rückschein des Bescheides vom 01.02.2018, die Beschwerde mit Eingangsstempel 09.03.2018 und den Rückschein der Beschwerdevorentscheidung übermittelt und ausgeführt, dass der zuständige Mitarbeiter des AMS ganz offensichtlich übersehen habe, dass der erstinstanzliche Bescheid des AMS Laxenburger Straße vom 01.02.2018 entgegen der sonst üblichen Vorgehensweise (aus ökonomischen Gründen werden erstinstanzliche Bescheide normalerweise mit normalem Postkuvert ohne Zustellnachweis oder über das eAMS-Konto zugestellt) nachweislich per Post zugestellt wurde (Hinterlegung am 05.02.2018, erster Tag der Abholfrist 06.02.2018). Der Beginn der Abholfrist dieses Bescheides sei der 06.02.2018 gewesen und die Frist zur Einbringung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid der 06.03.2018. Der Beschwerdeführer habe seine Beschwerde jedoch erst am 09.03.2018 persönlich beim AMS Laxenburger Straße eingebracht und sei zur Bestätigung der Einbringung an diesem Tag in der Poststelle das Tagesdatum angeführt.

Der Beschwerdeführer wurde in der Beschwerdeverhandlung am 26.02.2021 dahingehend befragt, ob er sich erinnern könne, wann er die Beschwerde gegen den Bescheid vom 01.02.2018 eingebracht habe. Er antwortete, dies wäre 2018, im Juni oder Juli 2018 gewesen. Er wisse es leider nicht genau. Dem Beschwerdeführer wurde vorgehalten, dass aus Sicht des erkennenden Senates eine Verspätung vorliegt. Der Bescheid sei mit Postaufgabe am 05.02.2018 durch Hinterlegung zugestellt worden. Der Bescheid gelte mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt. Die Beschwerdefrist sei dann vier Wochen und habe am 06.03.2018 geendet. Die Beschwerde wäre von ihm persönlich am 09.03.2018 und somit verspätet bei der Behörde abgegeben worden. Befragt, ob der Beschwerdeführer dazu Angaben machen könne, sagte er, dass er nichts dazu sagen könne. Er verweise auf sein bisheriges Vorbringen (vgl. S 8 Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 26.02.2021).

Der Beschwerdeführer hat im gesamten Verfahren kein Vorbringen erstattet, das am Vorliegen einer ordnungsgemäßen Zustellung des angefochtenen Bescheides zweifeln ließe. Er hat auch nicht behauptet, dass die Beschwerde zu einem früheren Zeitpunkt beim AMS eingelangt wäre. Die belangte Behörde hat – wie sie auch in ihrem Schreiben vom 21.06.2018 ausführt– übersehen, dass die Beschwerde verspätet war und hat am 02.05.2018 eine – inhaltliche – Beschwerdevorentscheidung erlassen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend sohin das Arbeitsmarktservice.

§ 56 Abs. 2 AlVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle des AMS.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Die entsprechende Anordnung einer Senatszuständigkeit enthält § 56 Abs. 2 AlVG, wonach das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat entscheidet, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer.

Gemäß § 7 BVwGG bestehen die Senate aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Ist in Materiengesetzen die Mitwirkung fachkundiger Laienrichter an der Rechtsprechung vorgesehen, sind diese anstelle der Mitglieder nach Maßgabe der Geschäftsverteilung als Beisitzer heranzuziehen.

In der gegenständlichen Rechtssache obliegt somit die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Senat.

3.2. Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.3. Beschwerdegegenstand:

Gemäß § 14 VwGVG steht es der Behörde im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden. Abweichend dazu normiert § 56 Abs. 2 AlVG in Verfahren betreffend Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung eine Frist zur Erlassung der Beschwerdevorentscheidung von zehn Wochen.

Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Insoweit der Vorlageantrag ein zur ursprünglichen Beschwerde konkretisiertes Vorbringen enthält, stellt dies eine Erweiterung der ursprünglichen Beschwerde dar (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 8 zu § 15 VwGVG unter Hinweis auf AB 2112 BlgNR 24. GP 3, wonach aus der Regelung des § 15 VwGVG geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag nicht zu begründen hat, ihn aber begründen kann).

3.4. Prüfungsumfang und Entscheidungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts:

§ 27 VwGVG legt den Prüfungsumfang fest und beschränkt diesen insoweit, als das Verwaltungsgericht (bei Bescheidbeschwerden) prinzipiell (Ausnahme: Unzuständigkeit der Behörde) an das Beschwerdevorbringen gebunden ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 1 zu § 27 VwGVG). Konkret normiert die zitierte Bestimmung: „Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.“

Gegenstand des Verfahrens des Bundesverwaltungsgerichtes ist die Beschwerde vom 09.03.2018 gegen den Ausgangsbescheid des AMS vom 01.02.2018. Dieser ist Maßstab dafür, ob die Beschwerde berechtigt ist oder nicht (vgl. VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026).

Anders als für die Berufungsvorentscheidung nach § 64a AVG ist nicht normiert, dass die Beschwerdevorentscheidung durch den Vorlageantrag außer Kraft tritt. Dieser Unterschied war vom Gesetzgeber offenbar beabsichtigt: So wird in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage 2009 BlgNR 24. GP 5 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Beschwerdevorentscheidung mit dem Einlangen des Vorlageantrages nicht außer Kraft treten soll, sondern der Vorlageantrag unter bestimmten Voraussetzungen aufschiebende Wirkung haben soll. Dementsprechend bestimmt § 15 Abs. 2 VwGVG, dass ein rechtzeitig eingebrachter und zulässiger Vorlageantrag aufschiebende Wirkung hat, wenn die Beschwerde von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat oder von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hatte, die Behörde diese jedoch zuerkannt hat.

Das Rechtsmittel, über welches das Verwaltungsgericht zu entscheiden hat, bleibt aber im Fall eines zulässigen Vorlageantrages dennoch die Beschwerde (auch wenn - anders als für die Berufungsvorentscheidung nach der BAO (alt) - eine ausdrückliche Regelung fehlt, wonach die Beschwerde mit der Einbringung eines zulässigen Vorlageantrages wieder als unerledigt gilt): Der Vorlageantrag - auch ein solcher von anderen Parteien als dem Beschwerdeführer - richtet sich nach dem VwGVG nämlich (nur) darauf, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht vorgelegt wird, mag er auch eine (zusätzliche) Begründung enthalten (was aber gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG nur für Vorlageanträge anderer Parteien als des Beschwerdeführers zwingend erforderlich ist).

Dem entspricht insbesondere auch § 28 VwGVG, der ausschließlich die Beschwerde zum Entscheidungsgegenstand des Verwaltungsgerichts macht.

Da sich die Beschwerde gegen den Ausgangsbescheid richtet (und sich ihre Begründung auf diesen beziehen muss), bleibt der Ausgangsbescheid auch Maßstab dafür, ob die Beschwerde berechtigt ist oder nicht.

Aufgehoben, abgeändert oder bestätigt werden kann aber nur die - außer in Fällen einer Zurückweisung der Beschwerde - an die Stelle des Ausgangsbescheides getretene Beschwerdevorentscheidung (vgl. VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026).

Ist die Beschwerde nicht zulässig, so ist sie vom Verwaltungsgericht zurückzuweisen, wobei der Beschluss des Verwaltungsgerichtes an die Stelle der Beschwerdevorentscheidung tritt, dies mit der Wirkung, dass die Rechtskraft des Ausgangsbescheides festgestellt wird, selbst wenn die Behörde die Unzulässigkeit der Beschwerde nicht wahrgenommen und eine meritorische – den Ausgangsbescheid aufhebende oder abändernde – Beschwerdevorentscheidung erlassen haben sollte (vgl. auch dazu VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026, mit Hinweis auf VwGH 26.06.2014, Ro 2014/10/0068).

Die zentrale Regelung zur Frage der Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte bildet § 28 VwGVG. Der vorliegend relevante Abs. 1 dieser Bestimmung lautet wie folgt:

„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.“

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A) Zurückweisung der Beschwerde:

3.5. Die Bescheidbeschwerde ist schriftlich (in Form eines Schriftsatzes) bei der belangten Behörde einzubringen (§ 12 VwGVG).

Die im gegenständlichen Beschwerdefall maßbegebende Bestimmung des VwGVG lautet:

„Beschwerderecht und Beschwerdefrist

§ 7. (1) Gegen Verfahrensanordnungen im Verwaltungsverfahren ist eine abgesonderte Beschwerde nicht zulässig. Sie können erst in der Beschwerde gegen den die Sache erledigenden Bescheid angefochten werden.

(2) Eine Beschwerde ist nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach der Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat.

(3) Ist der Bescheid bereits einer anderen Partei zugestellt oder verkündet worden, kann die Beschwerde bereits ab dem Zeitpunkt erhoben werden, in dem der Beschwerdeführer von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat.

(4) Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, gegen Weisungen gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG beträgt vier Wochen. Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG beträgt sechs Wochen. Sie beginnt

1. in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung,

2. - 5. (…)“

Im vorliegenden Fall wurde in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides vom 01.02.2018 zutreffend darauf hingewiesen, dass gegen den Bescheid binnen vier Wochen nach Zustellung schriftlich Beschwerde bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle eingebracht werden kann. Die Rechtsmittelbelehrung entspricht auch sonst den Anforderungen des § 61 Abs. 1 AVG.

Die im gegenständlichen Beschwerdefall maßbegebende Bestimmung des § 32 Abs. 2 AVG lautet:

„5. Abschnitt: Fristen

§ 32. (2) Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.“

Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen (33 Abs. 2 AVG).

Bei der Frist zur Einbringung der Beschwerde handelt es sich um eine durch Gesetz festgesetzte Frist, die nicht verlängerbar ist (§ 33 Abs. 4 AVG). Sie ist eine prozessuale (formelle) Frist, sodass die Tage des Postenlaufes nicht einzurechnen sind (§ 33 Abs. 3 AVG).

Das Dokument ist dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen (§ 13 Abs. 1 ZustG).

Die Zustellung ist vom Zusteller auf dem Zustellnachweis (Zustellschein, Rückschein) zu beurkunden (§ 22 Abs. 1 ZustG).

3.6. Nach den Beurkundungen des Zustellorgans erfolgte die Zustellung am 05.02.2018 durch Hinterlegung. Beginn der Abholfrist war der 06.02.2018.

Bei einem Rückschein handelt es sich als Zustellschein um eine öffentliche Urkunde, die die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich hat, dass die Zustellung den Angaben auf dem Zustellschein entsprechend erfolgt ist. Diese Vermutung ist widerlegbar. Behauptet jemand, es lägen Zustellmängel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, welche die im Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet erscheinen lassen (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/02/0156; 11.11.2015, Ra 2015/04/0086, je mwN). Dazu bedarf es jedoch konkreter Darlegungen und eines entsprechenden Beweisanbotes (vgl. etwa VwGH 27.07.2007, 2006/10/0040; 21.07.2011, 2007/18/0827 mwN).

Festzuhalten ist, dass der Beschwerdeführer keine Zustellmängel behauptet hat. Ein Vorbringen des Beschwerdeführers, welches die Beurkundung des Zustellvorganges zu widerlegen vermag, liegt somit nicht vor. Der Bescheid gilt daher mit dem ersten Tag der Abholfrist am 06.02.2018 als rechtswirksam zugestellt.

Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Verspätung der Beschwerdeeinbringung in jedem Stadium des Verfahrens zu berücksichtigen (vgl. VwGH 20.02.2014, 2013/07/0237).

Der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge hat vor einer Zurückweisung eines Rechtsmittels wegen Verspätung entweder von Amts wegen überprüft zu werden, ob ein Zustellmangel unterlaufen ist, oder es ist der Partei die Verspätung ihres Rechtsmittels vorzuhalten. Wird ohne vorangegangenen Vorhalt von einer Verspätung des Rechtsmittels ausgegangen, ist das Risiko einer Entscheidungsbehebung zu tragen (vgl. VwGH 11.03.2016, Ra 2015/06/0088 mwN).

Ausweislich des Verwaltungsaktes hat die belangte Behörde die Verspätung der Beschwerde übersehen und am 02.05.2018 eine inhaltliche Beschwerdevorentscheidung erlassen. Der Beschwerdeführer hat einen Vorlageantrag gestellt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat eine mündliche Beschwerdeverhandlung abgehalten und dem Beschwerdeführer dabei vorgehalten, dass seine Beschwerde vom 09.03.2018 gegen den Bescheid des AMS vom 01.02.2018 verspätet erfolgt ist. Dem Beschwerdeführer wurde somit ein Verspätungsvorhalt gemacht. Der Beschwerdeführer hat dagegen keine Einwände erhoben.

Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde beträgt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (im konkreten Fall: das AMS) vier Wochen. Die Frist beginnt dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung. Da die Frist nach Wochen bestimmt ist, endet diese mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat.

Der Bescheid der belangten Behörde vom 01.02.2018 wurde dem Beschwerdeführer laut Rückschein am 05.02.2018 durch Hinterlegung zugestellt. Beginn der Abholfrist war der 06.02.2018. Der Bescheid gilt mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt. Daraus folgt, dass die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des AMS am 06.02.2018 begonnen und nach vier Wochen – im vorliegenden Fall somit 06.03.2018 – geendet hat. Da die mit 20.02.2018 datierte Beschwerde jedoch am 09.03.2018 persönlich beim AMS abgegeben wurde und somit an diesem Tag beim AMS eingelangt ist, stellt sich diese als verspätet heraus.

Die Beschwerde ist daher verspätet und somit nicht zulässig.

Folgt man der oben genannten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 17.12.2015, Ro 2015/08/0026, dann ist in derartigen Fällen die Beschwerde vom Verwaltungsgericht zurückzuweisen, wobei der Beschluss des Verwaltungsgerichtes an die Stelle der Beschwerdevorentscheidung tritt; dies mit der Wirkung, dass die Rechtskraft des Ausgangsbescheides festgestellt wird, selbst wenn die Behörde – wie im gegenständlichen Fall – die Unzulässigkeit der Beschwerde nicht wahrgenommen und eine meritorische - den Ausgangsbescheid aufhebende oder abändernde - Beschwerdevorentscheidung erlassen haben sollte.

Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen ist dem Bundesverwaltungsgericht aufgrund der Verspätung verwehrt (vgl. VwGH 16.11.2005, 2004/08/0117).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde bzw. Vorlageantrag vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Wie unter Punkt 3. dieses Beschlusses dargelegt, ergeht die Entscheidung in Anlehnung an die dort zitierte ständige einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der hier relevanten Bestimmungen.

Schlagworte

Rechtsmittelfrist Verspätung Zurückweisung Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W260.2196967.1.00

Im RIS seit

31.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

31.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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